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Medizinisch-technischer Fortschritt: teuer, aber gut und nützlich!? Das Beispiel der softwaregestützten Analyse von Mammogrammen.

Artikel 1990 Zu den Verheißungen des Pro-E-Health-Diskurses gehört, dass ein Teil der bisher für diagnostische und therapeutische Tätigkeit aufgewandten Arbeitszeit und Aufmerksamkeit von Ärzten oder anderen hochqualifizierten, teuren und angeblich auch knapp werdenden Berufstätigen im Gesundheitswesen durch entsprechende Computersoftware eingespart werden kann - ohne, so jedenfalls nimmermüde die Hersteller, einen relevanten Qualitätsverlust oder gar mit einem höheren Nutzen dank des nie müde und unpräzise werdenden technischen Verfahrens.

Es wundert deshalb nicht, dass gerade auch bei sehr häufigen diagnostischen Verfahren wie der Mammographie in den USA bereits rund 75% der gewonnenen Bilder mit Unterstützung entsprechender Software ("computer assisted detection" [CAD]) ausgewertet werden und sich Therapieentscheidungen u.a. auf die Richtigkeit der damit erzielten Ergebnisse beziehen. Die staatliche Krankenversicherung für Ältere, Medicare, gibt jährlich 20 Millionen US-Dollar für diese Art der Mammografie-Analyse aus.
Überprüft man den mit technischer Assistenz erzielten Ergebnisqualität-Nutzen mit dem, der allein auf den Augen und Erfahrungen von Radiologen etc. beruht, ist ersterer relativ gering und die Anzahl von falsch-positiven Befunden deutlich höher.
Nachdem dieser Verdacht bereits vor einigen Jahren geäußert und auch empirisch erhärtet wurde, untersuchten nach dem definitiven Ende einer Lernzeit eine Gruppe von Wissenschaftlern mit den Daten der 90 im "Breast Cancer Surveillance Consortium" zusammengefassten Diagnosezentren diese Frage erneut. Die Datenbasis umfasste 684.956 Frauen mit mehr als 1,6 Millionen Mammografien. Im Untersuchungsjahr 2006 setzten rund 28% der Diagnosezentren die Analyse-Software bereits 27,5 Monate lang ein.

Der Vergleich mit Zentren, die dieses Instrument des medizinisch-technischen Fortschritts nicht einsetzten, sieht dann wie folgt aus:

• Die Spezifität (die Fähigkeit risikofreie Personen zu entdecken und damit von weiteren diagnostischen und therapeutischen Prozeduren frei zu halten) der softwaregestützten Diagnose war statistisch signifikant um 13% geringer. Und auch der positive prädiktive Wert, also ein zentraler Ergebnisindikator der Mammografie, war signifikant um 11% niedriger.
• Die Sensitivität oder die Fähigkeit risikobehaftete Personen zuverlässig zu entdecken ist beim Einsatz con CAD zunächst leicht um 6% erhöht. Vor allzu viel Jubel ist aber zweierlei zu bedenken: Die Sensitivität in den Mammografiezentren, die sich auf die Blicke und Erfahrungen von ärztlichen Experten verlassen, ist erstens nicht signifikant niedriger und zweitens werden überwiegend "nur" so genannte duktale Karzinome in situ entdeckt. Dies sind krankhafte Wucherungen neoplastischer Zellen in den Milchgängen der weiblichen Brust, also aktuell kein bösartiger Krebs, die nur zum Teil (schätzungsweise in 10-20 Jahren rund 50%) invasive Karzinome werden können. Nur für diese Fälle hätte also eine Entdeckung möglicherweise einen Nutzen als Krebsvorsorge.
• Die computerassistierte Entdeckungsmethode war aber auch nicht mit einer generell höheren Entdeckungsrate von Brustkrebs oder mit der Entdeckung in einem besseren Stadium, in kleinerer Größe und einem unproblematischen Zustand der Lymphknoten im Falle eines invasiven Karzinoms assoziiert.

Zurückhaltend formulierend fassen die Forscher ihre Ergebnisse so zusammen: "The health benefits of CAD use during screening mammograms remain unclear, and the data indicate that the associated costs may outweigh the potential health benefits." Damit nicht genug, weisen sie darauf hin, dass die jetzige CAD-Praxis in den USA das Risiko erhöht, ohne gesundheitlichen Grund und mit zweifelhaftem gesundheitlichen Nutzen weitere Untersuchungen angeboten zu bekommen.

Wenn man jetzt noch bedenkt, dass es seit Jahren (vgl. dazu den Forumsbeitrag Brustkrebs-Früherkennung durch Mammographie: Ein Drittel aller Karzinome ist harmlos und überdiagnostiziert aber auch ganz aktuell (vgl. dazu die Ergebnisse eines gerade im "British Medical Journal" veröffentlichten und kostenlos erhältlichen 6-Ländervergleichs des Mammographienutzens für die Sterblichkeit, welche die Autoren so zusammenfassen: ""The contrast between the time differences in implementation of mammography screening and the similarity in reductions in mortality between the country pairs suggest[s] that screening did not play a direct part in the reductions in breast cancer mortality." - mehr dazu demnächst im Forum) kontroverse Untersuchungen und heftige Debatten über den grundsätzlichen Nutzen der Mammographie gibt, wird ein möglicherweise im Zeichen von Ärztemangel standardmäßige Einsatz von CAD noch fragwürdiger.

Für den Aufsatz "Effectiveness of Computer-Aided Detection in Community Mammography Practice" von Joshua Fenton et al., erschienen im "Journal of the National Cancer Institute (JNCI)" der USA (Vol. 103, Issue 15 vom 3.August 2011), ist kostenlos nur ein Abstract erhältlich.

Bernard Braun, 14.8.11