Home | Patienten | Gesundheitssystem | International | GKV | Prävention | Epidemiologie | Websites | Meilensteine | Impressum

Sitemap erstellen RSS-Feed

RSS-Feed
abonnieren


Weitere Artikel aus der Rubrik
Patienten
Diagnosebezogene Fallgruppen DRG


Die Lichtseite eines Teils der oft beklagten Dokumentationsarbeit im Krankenhaus: Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik 2011 (5.11.12)
Zwei RCT-Studien zeigen keine positiven Wirkungen zweier Interventionen bei Typ 1 und Typ 2-DiabetikerInnen nach 3 und 1 Jahr! (12.5.12)
0,92% aller Krankenhaus-Fälle im Jahre 2006 sind mit Sicherheit unerwünschte Arzneimittelereignisse gewesen. (7.11.11)
Swiss-DRG-Probephase 2001-2008: Keine kürzeren Liegezeiten und nicht mehr Rehospitalisierungen als in Kliniken ohne Fallpauschalen (7.7.11)
Unerwünschte Folgen der Fallpauschalen in Krankenhäusern für die Rehabilitation: Aktuelle Ergebnisse der REDIA-Studie (24.5.11)
Haben sich die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften in Krankenhäusern zwischen 2003 und 2008 verändert und wie? (11.2.11)
Studie über Auswirkungen der DRG-Einführung in M-P.: "Erfolgreich" bei voller Transparenz! Bloß für wen und worüber? (5.2.11)
Grenzen der Kriminologie: Wie häufig ist die Abrechnung von DRG-Krankenhausfällen "fehlerhaft" und welche Fehler gibt es? (14.11.10)
Höhere Wiedereinweisungsraten ins Krankenhaus unter DRG-Bedingungen - Erste Beobachtungen von Wirkungen der Swiss-DRG (31.10.10)
Dreimal "Auswirkungen der DRGs": Ähnliche und völlig unterschiedliche Ergebnisse und Bewertungen dreier Politikfolgen-Studien (5.4.10)
Veränderungen der Pflegearbeit im Krankenhaus durch die Einführung von DRG? Vergleich: 2003 und 2006 aus Sicht der Pflegekräfte! (27.5.2008)
Was könnte eine DRG-Begleitforschung finden, wenn es sie gäbe? Hinweise des Projekts "Wandel in Medizin und Pflege im DRG-System" (6.4.2008)
Welche Auswirkungen haben DRGs auf das Entlassungsgeschehen und die Kooperation im Krankenhaus? (17.10.2007)
Ärztearbeit unter DRG-Bedingungen: Mehr Bürokratie, weniger Ganzheitlichkeit und Zuwendung, unzulängliche Entlassungen (6.6.2007)
DRG-Vergütung im Krankenhaus beeinträchtigt patientennahe Pflegetätigkeiten (13.3.2007)
Arbeitsbedingungen von Krankenhausärzten zu Beginn der DRG-Einführung (23.11.2006)
Auswirkungen der DRG-Einführung: Erste Ergebnisse qualitativer Fallstudien in vier Krankenhäusern (15.11.2006)
DRG: Entdramatisierung im Großen aber alte und neue Benachteiligungen von Problemgruppen (2.11.2006)
Fallpauschalen und Patientenorientierung: Zur Vorgeschichte der DRG in Deutschland (31.8.2005)
Auswirkungen der DRG auf Patienten und Beschäftigte im Krankenhaus (30.8.2005)

Seite mit den Texten aller Artikel aufrufen:
Diagnosebezogene Fallgruppen DRG
 

Andere Rubriken in "Patienten"


Gesundheitsversorgung: Analysen, Vergleiche

Arzneimittel, Medikamente

Einflussnahme der Pharma-Industrie

Arzneimittel-Information

Hausärztliche und ambulante Versorgung

Krankenhaus, stationäre Versorgung

Diagnosebezogene Fallgruppen DRG

Rehabilitation, Kuren

Kranken- und Altenpflege, ältere Patienten

Umfragen zur Pflege, Bevökerungsmeinungen

Schnittstellen, Integrierte Versorgung

Disease Management (DMP), Qualitätssicherung

Leitlinien, evidenzbasierte Medizin (EBM)

Verhaltenssteuerung (Arzt, Patient), Zuzahlungen, Praxisgebühr

Arztberuf, ärztl. Aus- und Fortbildung

IGeL Individuelle Gesundheitsleistungen

Alternative Medizin, Komplementärmedizin

Arzt-Patient-Kommunikation

Patienteninformation, Entscheidungshilfen (Decision Aids)

Shared Decision Making, Partizipative Entscheidungsfindung

Klinikführer, Ärztewegweiser

Internet, Callcenter, Beratungsstellen

Patienteninteressen

Patientensicherheit, Behandlungsfehler

Zwei-Klassen-Medizin

Versorgungsforschung: Übergreifende Studien

Versorgungsforschung: Diabetes, Bluthochdruck

Versorgungsforschung: Krebs

Versorgungsforschung: Psychische Erkrankungen

Versorgungsforschung: Geburt, Kaiserschnitt

Versorgungsforschung: Andere Erkrankungen

Sonstige Themen



Grenzen der Kriminologie: Wie häufig ist die Abrechnung von DRG-Krankenhausfällen "fehlerhaft" und welche Fehler gibt es?

Artikel 1874 Bereits mit der Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen oder "Diagnosis related groups (DRG)" in der deutschen Krankenhauslandschaft war die Befürchtung verbunden, dies reize die Krankenhäuser an, sich durch entsprechende Aktivitäten mehr Einnahmen zu beschaffen als ihnen nach dem tatsächlichen Aufwand zustünden. Dieser Verdacht wird auch nach der Veralltäglichung der DRG unvermindert weiter geäußert und zum Teil belegt.

Dies war der Ausgangspunkt eines Gutachtens, das sich im Auftrag des AOK-Bundesverbandes um eine kriminologische Betrachtung und Bewertung bemühen sollte.

Trotz der fehlenden oder systematisch verzerrten Datengrundlage für die Abrechnungspraxis der deutschen Krankenhäuser mit den Gesetzlichen Krankenkassen, kommt der Rechtswissenschaftler Kölbel von der Universität Bielefeld zu folgenden Erkenntnissen:

• Die Entdeckung von Abrechnungsfehlern oder Unstimmigkeiten von Berechnungsgrundlagen (z.B. Diagnose) ist nur im Verlaufe des normalen Abrechnungsprozesses möglich und kann zu Aktivitäten des Kassenmitarbeiters oder einer Weitergabe zur genaueren Prüfung durch den "Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK)" (etwa jeder 10. Fall, der entdeckt wurde) führen.
• Die entdeckten Fehler werden dadurch limitiert, dass die Krankenkassen keineswegs sämtliche Falldaten erhalten, sondern nur die nach § 301 SGB V. Außerdem ist ihr eigenes Interesse überwiegend auf die wirtschaftliche Seite der Behandlung gerichtet.
• Die Fehler- und Betrugsempirie innerhalb der in den USA schon länger etablierten DRG-Abrechnung zeigt, dass bestimmte Abrechnungsfehler keine reine Spekulation sind: In durchschnittlich rund 18 % der Abrechnungsfälle treten entgeltrelevante Kodierfehler auf. In Befragungen in den USA gab nahezu die Hälfte des interviewten Kodier-Personals an, von ihrem Management zu einer grenzwertig erlösmaximierenden Kodierung angehalten worden zu sein.
• "Die amtliche DRG-Abrechnungsstatistik ebenso wie die kassenspezifische Auswertung ausgewählter Abrechnungsbereiche (bilden) ein modifiziertes Kodierverhalten der Kliniken ab, das eindeutig durch die DRG-Einführung ausgelöst wurde: namentlich eine zunehmende Mitkodierung von entgeltsteigernden Faktoren (Nebendiagnosen, Prozeduren und Komplikationen) - freilich ohne dass auf dieser Datenebene feststellbar wäre, ob sich darin eine erlösmaximierende Verschlüsselungspraxis niederschlägt oder nur die zunehmende Vermeidung des früheren (damals noch vergütungsirrelevanten) Downcodings."
• "Grenzwertige Vergütungsziele" spielen nach Ansicht des kriminologischen Gutachters eine eindeutige Rolle bei der "Verteilung der geltend gemachten DRG innerhalb mancher Diagnose- und Behandlungsgruppen, in denen das Abrechnungsverhalten ganz offensichtlich auf das Erreichen entgeltsteigernder Schwellwerte abzielt."
• Auch wenn der MDK in den vergangenen Jahren "beständig relativ große Abrechnungsanteile als überhöht reklamiert, im Durchschnitt knapp 40 %" ist dies keine repräsentative Erkenntnis und muss auch nicht Ergebnis einer unabhängigen fachkompetenten Überprüfung sein. Die Prüfpraxis des MDK variiert von Prüfung nach "Aktenlage" bis zu aufwändig recherchierenden Krankenhausbesuchen. Umgekehrt stecken in den Fällen, die nicht vom MDK überprüft wurden, mit Sicherheit noch weitere Fälle mit Abrechnungsfehlern.
• Wenn die Fehlerstatistik in den letzten Jahren als Hauptfehler feststellt, dass die stationäre Behandlung nicht notwendig war oder eine kürzere Dauer ausgereicht hätte, kommt hier nur die einseitige Suchstrategie der GKV zum Ausdruck. Eine umfassende Dokumentation der Fehlerschwerpunkte fehlt.
• Vor allem fehlen aber Analysen der Entstehungszusammenhänge. Diese können von Fehlern in der DRG-Software über Bedienungsfehler und Strategien der Erlösoptimierung innerhalb des legalen Rahmens bis zum vorsätzlichen Fälschen der Diagnosen etc. reichen.
• Dass eine "relevante Manipulationspraxis" existiert, sieht der Gutachter durch eine "Reihe "weicher" Indikatoren" als gegeben an: Die Abrechnungsfehler zu Gunsten der abrechnenden Kliniken sind auffällig häufiger als die Fehler zu deren Lasten. Auch ist ein Lerneffekt i.S. einer zunehmenden Abrechnungskonformität, … in den MDK-Prüfdaten nicht feststellbar. Obendrein werden von den MDK nicht nur deutliche Unterschiede in der Fehlerbelastung verschiedener Krankenhäuser, sondern sogar richtiggehend abrechnungsauffällige Kliniken ausgemacht."
• Schritte, die an der belegbaren und vermutlichen Abrechnungsfälschung bei DRGs etwas ändern könnten, sind bessere diagnosebezogene Informationsmaterialien, spürbare Sanktionen von Fehlern, pausachale Vergütungskürzungen beim Überschreiten bestimmter Fehlermarken und ggfls. die Nutzung des Strafrechts.

Das 14 Seiten umfassende Gutachten "Die Prüfung der Abrechnungen von Krankenhausleistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Bewertung aus kriminologischer Perspektive" von Ralf Kölbel ist komplett kostenlos erhältlich und enthält im Anhang einige empirische Belege für die erwähnten Fehlerphänomene.

Bernard Braun, 14.11.10