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Versorgungsforschung: Geburt, Kaiserschnitt


Auch Nützliches muss nicht immer und für alles nützlich sein. Das Beispiel Stillen. (7.5.17)
"Kind mit 38 oder 43?" Hochriskant für Mutter und Kind oder eher nicht!? (17.5.16)
Geburten nach Fahrplan: 8,9% aller Geburten in den USA sind elektive (Zu-)Frühgeburten (9.12.14)
Auch im Nordwesten: Über 30% Kaiserschnittgeburten bei zu geringer Aufklärung und viel zu seltene nachgeburtliche Gespräche (26.11.14)
Pro oder contra Pränataltest: Wirkungen und Nutzen informierter Entscheidung. (25.9.14)
Mehrstufiges Rauchverbot in Belgien ist auch mit mehrstufigem Rückgang der Häufigkeit von Frühgeburten assoziiert. (11.3.13)
"Baby blues". Nachgeburtliche Depression hat nicht selten nichts mit dem Baby zu tun, sondern mit gewalttätigen Partnern (11.12.11)
Sind Haus- und Geburtshausgeburten riskanter als Krankenhausgeburten? Was eine britische Studie wirklich dazu findet!! (1.12.11)
Legenden zur Verantwortung für Überversorgung: 30 % weniger Betäubungsmittel, wenn Gebärende Schmerztherapie selbst bestimmen! (13.2.11)
"Peer-Support" für höhere Stillrate: "Gutes" muss nicht immer die erwarteten positiven Wirkungen haben. (9.11.10)
Das "Behandlungs-Risiko-Paradox": Steigende Anzahl von Ultraschalluntersuchungen schwangerer kanadischer Frauen = höhere Risiken? (9.2.10)
Kurse zur Geburtsvorbereitung mit Atmungs- und Entspannungstechniken sind nicht effektiver als traditionelle Kurse (10.9.09)
Hausgeburten sind bei Müttern mit geringem Geburtsrisiko und guter Notfall-Infrastruktur so sicher wie Krankenhaus-Entbindungen (19.4.09)
Erhöhtes Asthmarisiko für geplante und Notfall-Kaiserschnittgeborene (16.11.08)
Schwangere nehmen zugunsten einer natürlichen Geburt höhere Risiken in Kauf - Ärzte tendieren schneller zum Kaiserschnitt (27.8.2008)
Geburten unter schlechten ökonomischen Rahmenbedingungen erhöhen das Mortalitäts-Risiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (12.8.2008)
Kaiserschnitte sind populär, aber risikobehaftet (10.8.2008)
Babies nach medizinisch nicht notwendigen Kaiserschnitt-Geburten weisen ein höheres Risiko von Atemwegs-Erkrankungen auf (26.12.2007)
Doppelt so hohe Krankheitsrisiken für Mütter nach geplanten Kaiserschnitt-Geburten (18.11.2007)
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Kaiserschnitt - Gebärmutterriss - eingeleitete Geburten: Risikofaktoren für höhere Sterblichkeit von Frischgeborenen (3.10.2007)
Kontinuierliche Unterstützung bei der Geburt durch minimal trainierte und Laien-"Doulas" wirksam und kostengünstig (9.9.2007)
Perinatales Sterblichkeitsrisiko bei normalen Geburten in Geburtszentren niedriger als in Krankenhäusern (3.9.2007)
Geburt per Kaiserschnitt: Wie der Wandel gesellschaftlicher Normen auch die Wünsche Schwangerer beeinflusst (24.8.2007)
Medikalisierung und Medizinierung von der Wiege bis zur Bahre: Schwangerschaft und Geburt als "Hochrisikogeschehen" (7.5.2007)
Geplante Kaiserschnitt-Geburten: Höhere Risiken als bislang angenommen (27.3.2007)
Jede dritte Frau hat auch ein Jahr nach der Geburt noch Beschwerden beim Sex oder Inkontinenzprobleme (19.3.2007)
Rechtsprechung und Gesundheitsversorgung: Das Beispiel Qualität der Geburt im Geburtshaus. (31.12.2006)
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Immer weniger Sonntagskinder, immer mehr Wunsch-Kaiserschnitte (7.10.2005)

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Auch im Nordwesten: Über 30% Kaiserschnittgeburten bei zu geringer Aufklärung und viel zu seltene nachgeburtliche Gespräche

Artikel 2430 Die relativ häufigsten an deutschen Krankenhäusern erbrachten Leistungen sind normale Geburten. Dies liegt vor allem daran, dass anders als in vergleichbaren europäischen Ländern (z.B. Niederlande), hierzulande rund 98% aller Geburten in Krankenhäusern stattfinden, und nicht bei fehlenden Geburtsrisiken durch Hebammen im häuslichen Umfeld oder in ebenfalls hebammengeleiteten Geburtshäusern.

Als eine der wahrscheinlichen Folgen der Klinikzentrierung des Geburtsgeschehens wird seit mehreren Jahren die mit rund 30% nach Meinung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu hohe Rate von operativen Geburten bei Kaiserschnitt diskutiert. Die WHO hält für Mutter wie Kind eine Rate von 10% bis 15% und unter bestimmten Umständen auch 20% für gesundheitlich notwendig. Ob die Kritik an der damit auch in Deutschland zu hohen Kaiserschnittrate sowie an der zu geringen Wertschätzung und Nutzung von Hebammen etwas bewirkt hat, haben bereits mehrere Studien in den letzten Jahren untersucht (Übersicht in dem hier angezeigten Report).

Aktuell erhoben die Gesundheitswissenschaftlerin Petra Kolip von der Universität Bielefeld und der am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen arbeitende Gesundheitswissenschaftler Bernard Braun im Auftrag der nordwestdeuztschen Regionalkasse Handelskrankenkasse (hkk) im Juni 2014 umfassend per Fragebogen die Erfahrungen von 1.627 Frauen, die bis zu sechs Monate zuvor stationär ein Kind geboren hatten. Auch bei diesen Frauen betrug die Kaiserschnittrate etwas mehr als 30%. Bei einer ebenfalls durchgeführten Auswertung der Routinedaten für alle Versicherten, die zwischen 2008 und 2013 in einem Krankenhaus ein Kind geboren hatten, stieg dieser Wert auf durchgehend rund 33%.

Zu den wichtigsten bestätigten oder auch neu gewonnenen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen zählen die Autoren:

• Auffällig war zum Beispiel, dass der Anteil an Frauen, die laut Mutterpass eine Risikoschwangerschaft hatten, im bundesweiten Vergleich deutlich unterrepräsentiert war. Des Weiteren ließ sich die These, dass werdende Mütter mit bekannten Risikofaktoren beunruhigter in Bezug auf Schwangerschaft und Geburt sind, nicht bestätigen.
• Überraschend viele Frauen mit einer Kaiserschnittgeburt gaben an, sie wären insgesamt nicht gut über den Ablauf und die Folgen eines Kaiserschnitts informiert worden - und zwar weder von Ärzten noch von Hebammen.
• Für die Phase nach der Geburt ist die wichtigste und eventuell auch folgenreichste Erkenntnis, dass mit knapp über die Hälfte der Mütter kein bei der Geburt anwesender Arzt ein abschließendes Gespräch geführt hat. Bei über 45 Prozent der Mütter hat auch die bei der Geburt anwesende Hebamme kein Gespräch angeboten. Dabei gaben über 70 Prozent der Frauen an, dass dieses Gespräch (sehr) hilfreich gewesen wäre. Angesichts des häufig länger als drei Tage dauernden Klinikaufenthalts kann dies nicht daran liegen, dass die Mütter nur kurz in der Klinik waren.
• Die Studie deckt sich mit den bereits vorliegenden Befunden. Da sticht nichts heraus oder ließe vermuten, dass es den hkk-versicherten Müttern besser oder schlechter ginge als den restlichen Frauen in der Republik. Dies stellt für die Autoren jedoch angesichts der bekannten gesundheitlichen Nachteile mancher Defizite und Mängel keinen Grund zur Zufriedenheit dar - im Gegenteil. Offensichtlich bedarf es dazu kontinuierlicher Transparenz, wie zum Beispiel durch diesen hkk-Gesundheitsreport, konkreter Aufklärung und strukturverändernder Modellversuche.
• Für den anhaltend hohen Anteil von Kaiserschnittgeburten sind vor allem organisatorische Faktoren verantwortlich - also die "Klinikkultur". Die große regionale Variation - 51 Prozent in Landau in der Pfalz bis 16 Prozent in Dresden und mittendrin Bremen und umzu bei Altersstandardisierung - zeigt, dass es offenbar einen großen Spielraum in der Entscheidung für einen Kaiserschnitt gibt. Natürlich spielen forensische Gründe eine große Rolle: Kliniken fürchten, dass gravierende Komplikationen die Haftpflichtprämie hoch treiben und auch der Personalschlüssel ist relevant.
• Eine zentrale Forderung des Reports ist daher auch die 1:1-Betreuung durch Hebammen, und dies auch kontinuierlich. Die Präsenz einer einzigen verantwortlichen Hebamme während der gesamten Geburt war einer der am häufigsten auf eine entsprechende offene Frage geäußerten Wünsche der befragten Mütter. Dies senkt nachweislich die Kaiserschnittsrate und erhöht das Wohlbefinden von Gebärenden. Dass aber möglicherweise auch eine allein quantitative Verbesserung der Hebammenbetreuung nicht sämtliche qualitativen Mängel behebt, zeigen die Ergebnisse der hkk-Studie auch an mehreren Stellen.
• Der Hebammenkreißsaal, den es z.B. auch in Bremerhaven gibt, könnte hier ein wirksames und richtungsweisendes Modell sein.

Der ausführliche hkk-Gesundheitsreport 2014. Schwangerschaft und Geburt: Ergebnisse einer Befragung von Müttern ist komplett kostenlos erhältlich.

Jens Holst, 26.11.14