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"Lack of transparency in clinical trials harms patients. The timely posting of summary results is an ... obligation" (TI/Cochrane)

Artikel 2702 Nicht zuletzt durch die gegenwärtige CoVid-19-Pandemie befeuert spielen Studien in immer mehr Darstellungen gesundheitlicher Probleme und den Debatten über die Pros und Cons ihrer Prävention und Therapie eine zentrale Rolle. Studien, die in einer peer-reviewten Fachzeitschrift veröffentlicht worden sind werden dabei als besonders valide und aussagekräftig bewertet.
Dass viele Aufsätze über CoVid-19-Pandemie-Studien zwar erst vorläufig nur auf so genannten Preprint-Servern zugänglich sind, also noch nicht von unabhängigen Wissenschaftler*innen überprüft worden sind, sich aber trotzdem auf gesundheitspolitische Entscheidungen auswirken, stellt daher ein Problem der Transparenz über wissenschaftliche Studien dar. Bei solchen Texten handelt es sich oft um vorläufige Erkenntnisse, die in einem Peer Review-Verfahren geändert werden.
Ein anderes, wesentlich unbekannteres Problem ist, dass die Ergebnisse vieler Studien nicht nur nicht in einer Fachzeitschrift oder auf einem Preprint-Server veröffentlicht worden sind, sondern noch nicht einmal ihre Existenz öffentlich bekannt wird.

Dabei verpflichtet die Leitlinie 2012/302 03/EG der Europäischen Kommission seit 2014 alle Sponsoren von in der EU durchgeführten klinischen Studien zumindest eine Zusammenfassung der Ergebnisse klinischer Prüfungen in der EU-Datenbank für klinische Prüfungen (EudraCT) spätestens ein Jahr (6 Monate bei pädiatrischen Studien) nach Beendigung über das EU-Register für klinische Prüfungen öffentlich zugänglich zu machen. Näheres findet sich in dem Gemeinsamen Schreiben der Europäischen Kommission, der EMA und der HMA vom 20.6. 2019.
Wer sich für die Praxis dieser Verpflichtung zur Transparenz interessiert findet themenspezifische Reports auf der Website TranspariMED - Working to end evidence distortion in medicine. TranspariMED ist eine non-profit-Vereinigung, deren Arbeit von rund 30 europäischen Organisationen (z.B. Cochrane, HealthWatch, BUKO Pharmakampagne) u.a. mit Forschungsaufträgen unterstützt wird.

Die Überschriften der neuesten Reports zeigen bereits, dass klare Verstöße gegen die Transparenzpflichten und damit mögliche nachteilige Folgen für Patient*innen keine Einzelfälle sind, sondern eine systematische Praxis in vielen Ländern, privaten oder universitären Forschungseinrichtungen sind:

• Hundreds of clinical trials involving children are missing results across Europe
• Over half of COVID trials in Europe may never make their results public
• FDA leaves $10 billion in fines uncollected as thousands of clinical trials go unreported
• Scandinavian universities perform dismally (duster) at reporting clinical trial results
• Austria: 273 clinical trials of medicines are missing results

In weiteren Beiträgen setzen sich die Autor*innen der Website mit Argumenten auseinander, die einige der Protagonisten dieser Art von Intransparenz für ihr Verhalten vorbringen. So werden oftmals die Ergebnisse von Studien mit dem Argument, es wären zu wenig Teilnehmer*innen gewesen, es gäbe keine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift oder das erwartete Ergebnis wäre nicht erreicht worden, nicht an die EU-Datenbank gemeldet. Viele kleine Studien hätten aber u.U. kumulativ durchaus praktische Relevanz - so die Autor*innen von TranspariMED. Und das Wissen, dass ein bestimmtes Therapeutikum nicht wirkt, habe sehr wohl praktische Bedeutung.

Bernard Braun, 7.8.20


Wer wird wie lange, mit welchem Erfolg und womit kieferorthopädisch behandelt? Erste Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie

Artikel 2697 Nach einer durch eine Mitteilung des Bundesrechnungshofes im Jahr 2017 angestoßenen Debatte über die fehlende oder unzulängliche Transparenz über die kieferorthopädische Versorgung von Kindern und Jugendlichen, verständigten sich die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und Fachverbände der Kieferorthopäden auf eine Reihe von Maßnahmen und Projekten (siehe dazu Näheres in dem hier vorgestellten Report). Dazu zählt auch das vom Spitzenverband Bund der GKV koordinierte Projekt einer retrospektiven Analyse von Behandlungsdaten. Zum Stand dieses Projekts gibt es bisher keine öffentlich zugänglichen Informationen oder gar Ergebnisse.

Etwas besser sieht es bei einem unabhängig davon seit längerem geplanten und laufenden prospektiven Projekts bei der Handelskrankenkasse (hkk) aus Bremen aus. Ein Wissenschaftlerteam aus dem Bremer Gesundheitswissenschaftler Bernard Braun und dem Greifswalder Kieferorthopäden Alexander Spassov will den möglichst gesamten Behandlungsverlauf einer Kohorte aller 2018 in der hkk versicherten Kinder und Jugendlichen untersuchen, die im selben Jahr mit einem indikationsgestützten Behandlungsplan erstmals eine kieferorthopädische Behandlung begonnen haben. Eine derartige prospektive Studie gibt es im Bereich dieser Versorgungsart bisher nicht und auch nur sehr selten in anderen Behandlungsbereichen.
Der jetzt veröffentlichte Teil 1 dieser Studie informiert u.a. über die soziodemografische Zusammensetzung der 2.920 Angehörigen der Kohorte und deren Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) und einige erste Angaben zur Behandlung. Hinweise auf die im weiteren Verlauf der Studie beabsichtigten Analysen runden den Report ab. Der Abschlussbericht ist 2023 zu erwarten.

Zu den bereits jetzt gewonnenen Ergebnissen zählen u.a.:

• Auf die versorgungspolitisch interessante Frage, wie viele Kinder und Jugendliche eines Geburts- oder Altersjahrgangs in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Ende ihres 18. Lebensjahres kieferorthopädisch behandelt werden, bewegen sich die diversen Schätzungen zwischen rund 30 bis über 60 %. Mit den Daten der Kohorte dieser Studie wurde jetzt berechnet, dass von einer Gruppe von 7-Jährigen (in diesem Alter beginnen kieferorthopädische Behandlungen in den allermeisten Fällen) bis sie 18 Jahre alt sind, 53,5% mindestens einmal kieferorthopädisch behandelt werden.
• Die hkk-Studie zeigt, dass der Anteil der Kinder mit einseitigem Kreuzbiss von 32 % bei den 7-jährigen auf 10,4 % bei den 11-jährigen, also um 67,5 % zurückgeht - und zwar ohne eine kieferorthopädische Behandlung. Damit scheint sich auch in Deutschland die in einer internationalen Studie gemachte Beobachtung einer "spontanen Korrektur" zu zeigen. Es stellt sich vor diesem Hintergrund nun nicht mehr die Frage, "Behandlung ja oder nein", sondern: "Sofort Behandeln oder erst einmal Abwarten und Beobachten bis die Kinder 11 Jahre alt sind". Über diese Möglichkeit einer Selbstkorrektur ohne kieferorthopädisches Zutun sollten Eltern (besser) informiert werden.

Der 25 Seiten umfassende hkk-Gesundheitsreport 2020 Kieferorthopädische Behandlung von Kindern und Jugendlichen Charakteristika einer Kohorte - Teil 1: Wer wird behandelt? von B. Braun und A. Spassov ist komplett kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 22.5.20


Medizinische Leit- oder Leidlinien? Wie unabhängig und interessenkonfliktfrei oder -reduziert sind Leitlinien?

Artikel 2689 Die Anzahl medizinischer Leitlinien nimmt auch in Deutschland kontinuierlich zu und sie gehören zunehmend zum Repertoire der Qualitätssicherung in Krankenhäusern und Praxen niedergelassener Ärzt*innen.
Dass daher auch die Hersteller von Arzneimittel und anderen Therapeutika daran interessiert sind was dort u.a. von Fachgesellschaften empfohlen oder wovon abgeraten wird, und versuchen die Erstellung durch unterschiedlichste Mittel (z.B. firmengesponserte Mitglieder der Leitliniengremien) zu ihren Gunsten zu beeinflussen, ist mehrfach belegt.

Wie stark oder intensiv dies der Fall ist, untersucht und dokumentiert das von Neurology first, MEZIS Mein Essen zahle ich selbst. Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte und Transparency Deutschland getragene Projekt Leitlinienwatch.de für derzeit 152 von den in der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zusammengeschlossenen medizinischen Fachgesellschaften und 11 der von der European Society of Cardiology (ESC) erstellten Leitlinien zu bewerten.

Im Mittelpunkt der Überprüfung steht auf der Grundlage der publizierten Angaben zum Umgang mit Interessenkonflikten in der jeweiligen Leitlinie und im begleitenden Leitlinienreport die Unabhängigkeit von Herstellern der jeweils behandlungsrelevanten Therapeutika bzw. die Anzahl und Art von Interessenkonflikten. Zu den Kriterien zählen die Transparenz des Leitlinienprozesses, die Zusammensetzung der Leitliniengruppe, die Unabhängigkeit der Vorsitzenden/federführenden Autoren, Enthaltung von Personen mit Interessenkonflikten bei Abstimmungen und die externe Beratung der Leitlinie. Je Kriterium werden 3 Punkte vergeben, was zu maximal 15 Punkten führt. Für spezielle Maßnahmen zur Reduzierung von Interessenkonflikten gibt es zusätzlich 3 Bonuspunkte. Als "gut" im Sinne fehlender oder stark reduzierter Interessenkonflikte als Indikator für Unabhängigkeit gelten Leitlinien mit 11-18 Punkten, mit einem "Achtung!" werden Leitlinien mit 6-10 Punkten bewertet und "Reformbedarf" sehen die Leitlinienwatch-Expert*innen (zwei Gutachter von denen mindestens eine(r) Arzt oder Ärztin ist) bei Leitlinien mit 0 bis 5 Punkten. Die Punktevergabe wird auch knapp begründet.

Die aktuellen Ergebnisse sehen so aus:

• Von den 152 AWMF-Leitlinien sind 19% gut, bei 43% heißt es Achtung! und bei 38% besteht Reformbedarf. Der Median liegt bei 6 von maximal 18 möglichen Punkten
• Die 11 ESC-Leitlinien weisen alle Reformbedarf auf und erreichen durchschnittlich 3 Punkte (Median).

Den Minimalwert von einem Punkt erreichen z.B. die Leitlinie "Brennen beim Wasserlassen" der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) oder die Leitlinie "Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter" der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Die Leitlinie "Prävention des Zervixkarzinoms" der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) liegt mit 8 Punkten im Mittelfeld. Derzeitiger Spitzenreiter mit 15 von 18 Punkten ist die "Nationale Versorgungsleitlinie Herzinsuffizienz".

An ihrer Bewertung ist bemerkenswert, dass nicht bereits die bloße Existenz von Interessenkonflikten bei Leitlinienwatch zu einer negativen Bewertung führt, sondern sehr differenziert auch der Umgang mit ihnen in die Bewertung einfließt. Die "Bestnote" erhält diese Leitlinie "obwohl 20 von 35 Leitlinienautoren Interessenkonflikte angaben. Aus dem Kommentar: 'Interessenkonflikte werden detailliert dokumentiert, in der Leitliniengruppe diskutiert und führen zu einigen Enthaltungen. Auch sonst werden verschiedene Maßnahmen zur Reduktion industrieller Einflussnahme getroffen. Darunter sind insbesondere die unabhängige Leitlinienkoordination sowie die Evidenzaufbereitung durch unabhängige Methodiker des ÄZQ positiv hervorzuheben. Kritikwürdig bleibt der hohe Anteil der kardiologischen Experten mit mutmaßlich Leitlinien-relevanten Interessenkonflikten. Die Heranziehung der erheblich interessenkonfliktbelasteten ESC- und anderer kardiologischer Leitlinien als Quell-Leitlinien ist aus unserer Sicht nicht unproblematisch. Jedoch werden nach unseren Stichproben diese Quellen kritisch und differenziert bewertet. Insgesamt enthält diese Leitlinie viele gute Maßnahmen zum adäquaten Umgang mit Interessenkonflikten.'"

Bernard Braun, 2.5.20


Vorsicht Studie oder wissenschaftliche Standards und Fakten- statt Fake-Berichterstattung im Covid-19-Corona-Ausnahmezustand

Artikel 2688 Neben allen gesundheitlichen und gesundheitspolitischen Herausforderungen durch Sars-CoV-2 und Covid-19 ist die aktuelle Pandemie auch eine Herausforderung an die Wissenschaft und den Umgang mit ihren Ergebnissen in den Medien und in der handlungssuchenden und -begründenden öffentlichen Kommunikation. Dabei erzeugt der von der extrem dynamischen Pandemieentwicklung erzeugte Druck zur Abwendung weiterer Gefahren schnellstmöglich über möglichst große Transparenz und realistische wie evidente Lösungsmöglichkeiten zu verfügen einen einmaligen Druck auf Forscher*innen wie mediale Akteur*innen. Die Folge ist eine in diesem Forum Sars-CoV-2 und Covid-19: Anmerkungen zur aktuellen Krise und was lernen wir daraus?! bereits dargestellte ebenfalls exponentiell verlaufende Wissens- und Informations-Pandemie aber auch die rasche Zunahme widersprüchlicher oder methodisch fragwürdiger Forschungsergebnisse und Berichte, die oft eine Halbwertszeit von weniger als einem Tag oder einer Woche haben. Gleichzeitig wird die Kette nicht bearbeiteter Fragen oder schlichtweg fehlender Daten (z.B. immer noch die Anzahl der durchgeführten Tests oder die diversen Dunkelziffern) eher länger.

Damit, was die Beschleunigung von Wissenschaft oder die anwachsende Flut von Publikationen über so genannte Preprint-Server für die Produktion wissenschaftlich gesicherten Wissens bedeutet beschäftigte sich jetzt systematisch ein Beitrag in der Aprilausgabe 2020 der Fachzeitschrift "Science". Da Wissenschaft und ihre Ergebnisse gerade in der Corona-Krise auch viel mit den Publikationen von Massenmedien zu tun hat, kommentieren diesen Aufsatz auf der Website des "Science Media Center (SMC)" 11 in der Expertendatenbank von SMC eingetragene (weitere Expert*innen zu wichtigen Themen können sich dort melden und eintragen) deutsche und internationale Wissenschaftler*innen unterschiedlichster Fachrichtungen (u.a. Thomas Hartung, Direktor des Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT), Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, Alena Buyx, Professorin für Medizinethik und Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, Technische Universität München, Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)). Der Zugang zum am 23.4.2020 veröffentlichten Beitrag Qualität von Forschung und Publikationen zu COVID-19 - wie sichern wir sie? ist kostenlos.

Das SMC "hilft Journalisten bei der Berichterstattung" d. h. beim "Wie und wo schnell verlässliches Fachwissen finden? Woher aussagefähige und aussagewillige Experten für Zitate oder Zusatzinformationen nehmen? Wie zu emotional geführten Debatten rationale Argumente und verifizierte Fakten beisteuern?".

In dem kommentierten Aufsatz lassen die beiden nordamerikanischen Medizinethiker A. London und J. Kimmelman sehr klar erkennen was ihr Anliegen im Zeichen des skizzierten Drucks in der Coronakrise ist. So fordern sie bereits in der Überschrift sich als Forscher*innen gegen den durch die Pandemie erzeugten Ausnahmezustand ("Against pandemic research exceptionalism") zu stemmen. Und ohne viele Worte lautet ihre Kernaussage: "Crises are no excuse for lowering scientific standards." Der Aufsatz Against pandemic research exceptionalism ist am 23. April 2020 in der Wissenschaftszeitschrift "Science" erschienen und komplett kostenlos erhältlich.
Die Autoren warnen vor drei Begründungen bzw. Ausreden für die Vernachlässigung wissenschaftlicher Standards: fehlerbehaftete Studien seien besser als gar keine, wissenschaftliche Sorgfalt stünde ärztlichen Pflichten im Weg und Wissenschaft sei gegenüber der Gesellschaft nicht verpflichtet bestimmte Qualitätsstandards zu erfüllen.

Die nicht nur in Krisenzeiten und besonders nicht während einer derartigen Pandemie ihres Erachtens von Wissenschaftlern, Forschungsförderern und Forschungsnutzern zu beachtenden fünf Qualitätsstandards lauten:

"The first is importance. Trials should address key evidence gaps.
• The second component is rigorous design. Trials should be designed to detect clinically meaningful effects so that both positive and negative results serve the informational needs of clinicians and health systems.
• The third component is analytical integrity. Designs should be prespecified in protocols, prospectively registered, and analyzed in accordance with prespecification.
• Fourth, trials should be reported completely, promptly, and consistently with prespecified analyses.
• The fifth component is feasibility: Studies must have a credible prospect of reaching their recruitment target and be-ing completed within a time frame where the evidence is still actionable."


Die prinzipiell zu begrüßende Situation, dass derzeit zahlreiche wissenschaftliche Publikationen über Sars-CoV-2 und Covid-19 im Rahmen der "open access"-Politik der wichtigsten Verlage und Zeitschriften für alle Interessierten frei zugänglich sind, kommt es noch mehr darauf an, dass dabei nicht das Vertrauen in die Validität wissenschaftlicher Studien verspielt wird.

Wie groß dieses Vertrauen in Deutschland zur Zeit noch ist, zeigen die wesentlichen Ergebnisse einer Corona-Sonderausgabe des Wissenschaftsbarometers der Initiative "Wissenschaft im Dialog".

Sie lauten:

"Fast drei Viertel der Befragten geben an, eher oder voll und ganz in Wissenschaft und Forschung zu vertrauen. In den vergangenen Jahren erklärte dies rund die Hälfte der Befragten."
• Über 70 Prozent der Befragten sagen sie vertrauten den Aussagen von Wissenschaftlern zu Corona eher oder voll und ganz.
• "89 Prozent sind der Meinung, dass wissenschaftliches Wissen wichtig ist, um die Corona-Pandemie in Deutschland zu verlangsamen. 61 Prozent rechnen damit, dass es Forschenden in absehbarer Zeit gelingen wird, einen Impfstoff oder ein Medikament zu entwickeln.
• Ein gutes Drittel der Befragten ist der Meinung, dass das Coronavirus derzeit von Wissenschaft und Forschung noch gar nicht richtig verstanden wird.
• Politische Entscheidungen im Umgang mit Corona sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen: 81 Prozent der Befragten stimmen dieser Aussage eher oder voll und ganz zu. Bei der Frage, ob Wissenschaftler sich selbst in die Politik einmischen sollten, liefert das Wissenschaftsbarometer Corona Spezial ein gemischtes Stimmungsbild: 39 Prozent sehen dies als Aufgabe der Wissenschaft, 26 Prozent sind unentschieden und 32 Prozent der Befragten sagen, dass sich Wissenschaftler nicht in die Politik einmischen sollten.
• Wichtigste Informationsquelle: die klassischen Medien."


In einer Subgruppenanalyse zeigen sich aber auch eine Reihe von Unterschieden, die evtl. bei der Art und Weise der Präsentation von wissenschaftlichen Ergebnissen berücksichtigt werden sollten. So vertrauen beispielsweise 83% der Befragten mit Abitur oder Hochschulabschluss Wissenschaft und Forschung "voll und ganz" oder "eher", während dies "nur" 62% der Befragten mit Volks- und Hauptschulabschluss tun.
Die Ergebnisse stammen aus Mitte April 2020 durchgeführten 1.009 Telefoninterviews mit über 14-jährigen deutschsprachigen Personen aus Privathaushalten.

Nachtrag zur Forschungsfülle: Am 1. Mai 2020 waren im Covid-19-Studienregister der für ihre hohen Qualitätsstandards angesehenen Cochrane Collaboration ("Cochrane's COVID-19 Study Register is a freely-available, continually-updated, annotated reference collection of human studies on COVID-19, including interventional, observational, diagnostic, prognostic, epidemiological, and economic designs. Please note: the register will not include in-vitro study references. Qualitative studies are currently under evaluation. The aim of the register is to support rapid evidence synthesis") 2.903 Studien registriert und mit Links versehen. Tendenz: mehrere hundert neue Studien pro Woche.

Bernard Braun, 1.5.20


Sars-CoV-2 und Covid-19: Anmerkungen zur aktuellen Krise und was lernen wir daraus?!

Artikel 2687 Dies ist kein verspäteter Einstieg in eine regelmäßige Berichterstattung über Studien etc. zum neuen Sars-CoV-2 oder Covid-19, kein vollständiger Überblick über die Entwicklung der letzten Wochen und Monate und auch kein vollständiger Überblick über künftig einfach und unaufwändig zu nutzenden qualitativ hochwertigen Informationsquellen. Stattdessen soll dieser Beitrag einige Aspekte der so genannten "Coronakrise" als etwas euphemistischer Oberbegriff für eine Fülle von gesundheitlichen, ökonomischen, sozialen und kommunikativen Krisen aufgreifen und darstellen, was daraus für die künftige Gesundheitspolitik und möglicherweise vergleichbare oder gar schlimmere Krisensituationen folgt. Dabei konzentrieren wir uns eher auf wissenschaftliche Daten und Beiträge als auf amtliche Quellen wie z.B. die regelmäßige Berichterstattung durch das Robert-Koch-Institut (RKI), die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) oder den vergleichbaren internationalen Institutionen.

These/Behauptung: Die Sars-CoV-2- oder Covid-19-Epidemie überraschte die Gesundheitspolitik und zwang sie vom Punkt Null des Wissens und Handelns zu starten!

Nein! Die Wahrscheinlichkeit, Art und Umfang der Risiken einer Coronavirus-Epidemie oder gar Pandemie und ein Repertoire von Vorsorgemaßnahmen wie Kriseninterventionen waren seit 2003 und in regelmäßigen Abständen aktualisiert Ausgangspunkt für zahlreiche auch wissenschaftlich fundierte offizielle und öffentlich bekannt gemachte Szenarien, Maßnahmenkataloge und explizite Pandemiepläne auf Bundes- wie Landesebene.

Im Einzelnen sind dies:

• Die Erfahrungen mit der Sars (Severe acute respiratory syndrome)-Pandemie in den Jahren 2002 und 2003, deren Verursacher ein bis dahin unbekanntes Coronavirus war - das Sars-assoziierte Coronavirus (Sars-CoV).
• Ein weiteres, vorher unbekanntes Coronavirus (MERS-CoV) war Verursacher einer erstmals 2012 beobachteten schweren Atemwegserkrankung - von MERS (Middle East respiratory syndrome-related coronavirus).
• Mehrere wissenschaftliche Studien wiesen darauf hin, dass es noch wesentlich mehr Coronaviren gibt, die potenziell Epidemien auslösen könnten und gegen die es auch zum Untersuchungszeitpunkt weder Impfstoffe noch Medikamente gab. Die Frage war also nicht ob, sondern wann weitere CoV-Epidemien starteten. Darauf wies ein 2016 in den "Proceedings of the National Academy of Science" der USA veröffentlichter Aufsatz über "Sars-like CoVs" nachdrücklich hin: "The recent outbreaks of Ebola, influenza, and MERS-CoV underscore the threat posed by viruses emerging from zoonotic sources. Coupled with air travel and uneven public health infrastructures, it is critical to develop approaches to mitigate these and future outbreaks."
• Dabei blieb es gerade in Deutschland nicht bei wissenschaftlichen Studien oder Laborberichten. So hatten Expert*innen im Auftrag des Bundesministeriums des Inneren 2012 eine umfangreiche Risikoanalyse über zwei Großkrisenereignisse erstellt, die als "Unterrichtung durch die Bundesregierung. Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012" am 3.1.2013 als Drucksache 17/12051 dem Bundestag überreicht wurde. Eines der simulierten Risiken war eine Pandemie durch das fiktive Virus Modi-Sars. Dabei lagen die Annahmen zur Anzahl der infizierten und erkrankungsbedingt gestorbenen Personen zum Teil deutlich über der aktuellen Realität. Die Dauer und Anzahl der Infektionswellen bis zum Vorliegen eines Impfstoffs (3 Jahre, 3 Wellen) könnten aber zutreffen. Was in jedem Fall aber realistisch erkannt wurde, ist der drohende Mangel an Schutzausrüstungen für die Bevölkerung und die im Gesundheitsbereich Beschäftigten.
• Wenn man nicht mehr nur untersucht, wie in Deutschland der Wissensstand über das bevölkerungsbezogene Erkrankungsrisiko explizit durch Coronaviren war und wie die Gesundheitspolitik damit umzugehen beabsichtigte, landet man bei seit 2005 mehrmals fortgeschriebenen Pandemieplänen und Verordnungen auf Bundes- wie Länderebene. Dort wird explizit von der Herausforderung durch eine allgemeiner gefasste Influenzapandemie ausgegangen. Dass aber auch von der "H1N1-Influenzapandemie" (dazu zählen mehrere Viren, die die so genannte "spanische Grippe" von 1918 verursacht haben und aktuell das Schweinegrippevirus) gesprochen wird, zeigt, dass es hier nicht "nur" um die jährliche Grippeinfluenzaepidemie geht. In dem vor der Covid-19-Pandemie zuletzt 2016/17 aktualisierten zweibändigen "Nationalen Pandemieplan" des RKI heißt es im Vorwort des Bandes über "wissenschaftliche Grundlagen": "Bei einer Influenzapandemie ist davon auszugehen, dass im Vergleich zur saisonalen Influenza sowohl die Erkrankungsrate insgesamt als auch der Anteil schwerer Verläufe deutlich erhöht ist. Auch unter der Prämisse einer möglichst effektiven ambulanten Versorgung ist mit einer außergewöhnlichen Belastungssituation in den Krankenhäusern zu rechnen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das medizinische Personal selbst von krankheitsbedingten Ausfällen betroffen ist. Der massenhafte Anfall von stationär behandlungsbedürftigen Patienten, die teilweise beatmungspflichtig sind, erfordert in den Krankenhäusern im Vorfeld klare Festlegungen bezüglich der organisatorischen Umsetzung." Und die Forderung bzw. Absicht zur "Bevorratung bzw. Managementkonzept für rasche Beschaffung im Ereignisfall" umfasst "Antibiotika, Schmerzmittel, Sedativa, Einmalhandschuhe, Mund-Nasen-Schutz und FFP2-Masken/FFP3-Masken für risikoträchtige Tätigkeiten". Im Band über die wissenschaftlichen Grundlagen findet sich auch eine Vielzahl von Hinweisen auf im Jahr 2016/17 vorhandene wie auf fehlende Studien über die Wirkung und die Machbarkeit von Interventionen wie das Tragen von Masken, Schulschließungen und Kontaktverbote etc. Ab Seite 51 stehen schließlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit zahlreiche Hinweise auf "zu erfassende Parameter zu Beginn einer Pandemiewelle und mögliche Studienansätze" sowie deren Vor- und Nachteile und den Aufwand für ihre Erstellung, worüber in den letzten Wochen zum Teil erst wieder nachgedacht und mit Zeitverzögerungen gehandelt wurde. Bei der Lektüre der 222 Seiten wird es aber irgendwann gebetsmühlenartig: Keine Studien, daher zu 8 zentralen Interventionsarten "großer Forschungsbedarf". Der "Nationale Pandemieplan Teil I Strukturen und Maßnahmen und der Nationale Pandemieplan Teil II Wissenschaftliche Grundlagen sind frei erhältlich und in einer Krisenpause immer noch lesenswert.
• Sehr praktische Hinweise auf Maßnahmen im Falle einer Influenzapandemie lagen seit 2006 (zuletzt aktualisiert 2012) mit dem Beschluss 609 "Arbeitsschutz beim Auftreten einer nicht ausreichend impfpräventablen humanen Influenza" des "Ausschusses für biologische Arbeitsstoffe (ABAS)" vor. Dort heißt es u.a.: "Im Falle einer Influenzapandemie werden nicht alle benötigten Materialien in entsprechender Menge lieferbar sein. Deshalb sollten sie bereits rechtzeitig vor Eintreten des Pandemiefalls (interpandemische Phase) bevorratet werden." Und die umfangreiche Liste der zu bevorratenden Materialien reicht von "einfachem Mund-Nasen-Schutz (MNS) für betroffene (infektionsverdächtige) Patienten - ein MNS pro Patient" über "Händedesinfektionsmittel (begrenzt viruzid nach RKI-Empfehlung) - 5 ml pro Vorgang … einfachem Mund-Nasen-Schutz (MNS) für das medizinische Personal - mindestens ein MNS pro Person und Tag/Schicht: bei Erregern der Risikogruppe 2" bis zu "Atemschutzmasken (FFP2) für das medizinische Personal - mindestens eine Maske pro Person und Tag/Schicht".
• Zu den unbedingt notwendigen präventiven Maßnahmen gehörten in der Risikoanalyse zur simulierten Modi-Sars-Pandemie aus dem Jahr 2013 auch klare Angaben zur Risikokommunikation. So wurde nicht nur allgemein "die Wichtigkeit einer frühzeitigen und ernsthaften Beschäftigung mit der Thematik und einer entsprechenden Sensibilisierung der Bevölkerung betont". Dies begann mit der richtigen Einschätzung, dass es "bisher … keine Richtlinien (gibt), wie mit einem Massenanfall von Infizierten bei einer Pandemie umgegangen werden kann. Diese Problematik erfordert komplexe medizinische, aber auch ethische Überlegungen und sollte möglichst nicht erst in einer besonderen Krisensituation betrachtet werden" (65). Wie die gesundheitspolitische Debatte nach Veröffentlichung der Risikoanalyse hätte aussehen können bzw. müssen, zeigen zwei Passagen aus der Bundestagsdrucksache: "Die im Rahmen der Risikoanalyse gewonnenen Erkenntnisse bilden den Ausgangspunkt für ein ganzheitliches Risiko- und Krisenmanagement, welches auch eine entsprechende gesamtgesellschaftliche Diskussion umfassen muss. Denn während die Analyse der Risiken ein fachlicher Prozess ist, werden die Risikobewertung und die daraus folgende Abwägung und Auswahl z. B. von risikomindernden Maßnahmen in erheblichem Umfang von politischen und gesellschaftlichen Aspekten mitbestimmt. Folglich muss ein entsprechender Dialog zwischen Fachbehörden, Wissenschaft, Politik und Bevölkerung stattfinden. In diesem Zusammenhang ist es zwingend erforderlich, Schutzziele festzulegen, um die Ergebnisse der Risikoanalysen mit damit abgleichen und mögliche Defizite identifizieren zu können. So lässt sich auch feststellen, ob das Verbundsystem des Bevölkerungsschutzes in Deutschland für alle zu erwartenden Schadenslagen hinreichend ausgelegt und vorbereitet ist, oder ob für Bund, Länder und Kommunen Handlungsbedarf besteht, und falls ja, wo." (12)]. Und ["Für die Akzeptanz der kommunizierten Botschaften ist essentiell, dass die Behörden 'auf Augenhöhe' mit der Bevölkerung kommunizieren. Der Bürger sollte als Partner, nicht als 'Befehlsempfänger' verstanden werden. (68).

These/Behauptung: Die besten Modelle taugen ohne Daten nichts, aber kann man an der Datenlage etwas ändern?

Jein! Trotz mittlerweile wochenlanger Datenerfassung und täglicher Berichte des RKI ist die Datenlage über viele Details der Epidemie immer noch dürftig bis nichtexistent. Da sie aber zur Begründung des Starts und des möglichen Endes von Maßnahmen dient, handelt es sich nicht um das übliche Statistik-Bashing, sondern um existenzielle Sachverhalte.

Exemplarisch zeigt sich dies am Status quo des zentralen Risikoindikators der Anzahl von "bestätigten Infektionen". Vor jeder empirischen Situation hätte jedem klar sein müssen, dass für valide und praktisch hilfreiche Berechnungen sowohl Zähler wie Nenner eindeutige und vollständige Angaben enthalten müssen und dass man dafür durch entsprechende Meldevorschriften sorgen kann und muss. Dies traf über lange Zeit weder für den Zähler noch den Nenner zu. In den Zähler ging bisher ein wildes Gemisch der Erkrankungsmeldungen von 412 Gesundheitsämtern und 16 Landesministerien, die nachgemeldeten Fälle von verschiedenen Tagen und in verschiedenen Erkrankungsstadien (richtig Neuerkrankte und bereits stationär Behandelte) ein. Noch schlimmer sah und sieht es mit den Angaben im Nenner aus. Bei noch so vielen "testen, testen-testen"-Appellen der WHO, ist nämlich in Deutschland bis heute unbekannt wie viele Tests täglich durchgeführt und damit Erkrankte entdeckt werden können. Simpel ausgedrückt: Ein Anstieg der entdeckten und bisher tagtäglich von RKI aber auch von der US-amerikanischen Johns Hopkins Universität gemeldeten Erkrankten könnte ausschließlich auf der Zunahme der durchgeführten Tests beruhen und die mögliche Abnahme von Erkrankten auf der Abnahme der Testanzahl.

Dass es auch anders geht und welche wichtigen praktischen Erkenntnisse daraus gewonnen werden können, zeigt das "Epidemiologische Bulletin" Nr. 17 des RKI vom 9. April 2020 mit der Darstellung von Ergebnissen einer neuen Methode zur "Schätzung der aktuellen Entwicklung der Sars-CoV-2-Epidemie in Deutschland" namens Nowcasting. Zusammengefasst enthält Nowcast nicht mehr das oben beschriebene Gemisch von Daten, sondern meldet dank einer aufwändigen, aber seriösen statistischen Aufarbeitung ("multiple Imputation" von fehlenden Daten) die Anzahl von Personen, deren Erkrankung tagesgenau beginnt. Damit lässt sich der Effekt von Interventionen besser als mit den immer kommunizierten "ein bis zwei Wochen später" bestimmen. Die wichtigsten neuen und statistisch aussagekräftigeren Ergebnisse lauten:

• Die so genannte Reproduktionszahl R, d.h. die Anzahl von Personen, die eine infizierte Person mit CV ansteckt, sank vom Maximum von über 3 (dies war die Schubkraft für den immer wieder berichteten exponentiellen Anstieg der Erkrankten) um den 10. März 2020 auf die Werte 1 bis 1,2 zwischen Ende März und dem 4. April.
• Die Anzahl der mit Nowcast präziser erfassten Erkrankten fiel … auf … stieg in den letzten Tagen aber wieder leicht an.
• Beide Indikatoren zeigen einen deutlichen Effekt des Verbots von Großveranstaltungen und Schulschließungen am 9. März 2020 und 16. März 2020 aber praktisch keinen Effekt der bundesweiten Kontaktverbote vom 23. März 2020. Ob das wirklich so ist, lässt sich aber ohne Kenntnis der Anzahl getesteter Personen oder der Art der vielfach nur geschätzten Zahlen nicht sagen.

Dass es auch anders gehen kann, zeigen die österreichischen Daten. Dort findet sich auf dem "Amtlichen Dashboard Covid 19" seit längerer Zeit die Anzahl der Testungen. Am 16.4. waren dies insgesamt 156.801 Testungen, die zu 14.420 positiv getesteten Personen führte. Zu hoffen ist also, dass auch in Deutschland bald genaue Daten zur Testanzahl vorliegen.

Wer nicht nur für ein Land, eine oder zwei Interventionen oder für einen bestimmten Zeitpunkt etwas über die Existenz von Maßnahmen gegen die Verbreitung des Sars-CoV-2-Virus und deren mögliche Wirkungen auf die Anzahl von Covid-19-Fälle wissen will, findet dies laufend im so genannten "Oxford Covid-19-Government Response Tracker (OxCGRT)" ("Variation in government responses to Covid-19" von Thomas Hale et al.). Dort werden 13 Indikatoren für politische Maßnahmen von Schulschließungen, Kontaktverboten, Verbot von Veranstaltungen bis zur Testpolitik für 146 Länder tagesgenau dokumentiert und klassifiziert und zu einem "Government response stringency index" zusammengefasst. Dieser Wert wird dann mit der Anzahl der Covid-19-Fälle zusammengebracht und auf Assoziationen untersucht. Eine Zeitreihe der Maßnahmen für alle Länder und den Indexwert beginnend am 1. Januar 2020 und tagesaktuell endend gibt es zum Herunterladen als Excel-Datei. Aber auch hier hängen viele Ergebnisse von der jeweiligen nationalen Datenlage ab.

Die Diskussion der Relevanz und Qualität von Indikatoren, die Fortschritte bei der Eindämmung oder Reduktion des Erkrankungsgeschehens anzeigen sollen, bei Modellierungen und bei politischen Entscheidungen genutzt werden, weist schließlich auf einen bisher erheblichen Mangel bei deren Auswahl und Kommunikation hin. War es wochenlang und bei fast allen Virologen die Verringerung der Zeitspanne in der sich die Anzahl der identifizierten Covid-Fälle (dabei spielte die Schwäche dieses Indikators keine Rolle) verdoppelten, die erreicht werden musste, um die "Tsunamiwelle" für die Intensivbetten verhindern sollte, rutschte die Marke von zunächst über 10 auf fast 20 Tage und war rechnerisch sogar noch länger, ist es seit Mitte April 2020 plötzlich die Reproduktionsrate R mit einem Wert unter 1. Dass auch hier viel geschätzt werden muss, wird im Moment noch wenig thematisiert und auch, dass ein zu niedriger Wert nicht uneingeschränkt positiv ist. Solange es nämlich keinen Impfstoff gibt, ist eine zu geringe Anzahl von Infizierten und damit möglicherweise corona-immunen Personen wegen der damit verbundenen Verlängerung der Erkrankungskrise nicht uneingeschränkt erstrebenswert.

These/Behauptung: Es gibt aktuell und auf absehbare Zeit keine oder zu wenige und auch qualitativ oft nicht hilfreiche wissenschaftlichen Studien über das Sars-CoV-2 oder Covid-19 und wichtige Maßnahmen!

Jein! Der sich immer noch beträchtlich erhöhenden Anzahl von Covid-19-Infizierten steht eine mindestens genauso kräftig wachsende Anzahl von fast durchweg frei zugänglichen wissenschaftlichen Studien über das Virus und die Erkrankung gegenüber, woran sich auch nichts ändern wird. Ob es sich bei der richtigen Beschreibung als "Pandemie des Wissens" (Werner Bartens in der Süddeutschen Zeitung vom 18./19.4. 2020) wirklich um eine uneingeschränkt "erfreuliche Nebenwirkung der Seuche" handelt, ist, wie die folgenden Beobachtungen zeigen, fraglich. Das Ideal von einem wissens- und evidenzbasierten Verständnis einer Erkrankungssituation und hilfreicher politischer Entscheidung für und gegen bestimmte Interventionen steht damit zum einen vor einem quantitativen Problem. Zum anderen zeigt aber die laufende öffentliche Debatte, dass auch erhebliche qualitative Herausforderungen angesichts widersprüchlicher oder methodisch dürftiger Studienergebnisse existieren.

Einen ersten Einblick in die rapide Zunahme der Anzahl von in wissenschaftlichen Zeitschriften mit Peer Review und hohen Veröffentlichungsstandards publizierten Fachaufsätze bzw. Studienergebnisse zum Virus und zur Erkrankung liefert ein Auswertungstool von Pubmed, der weltweit größten Datenbank für derartige Publikationen.

Laut "Pubmed Bibliometry" wurden zwischen dem 1. November 2019 und dem 18. April 2020 in 1.355 dieser Zeitschriften 5.965 Aufsätze (2018=81) veröffentlicht, in deren Überschrift und/oder Abstract das Stichwort "Covid-19" auftaucht. Vor etwa einem Monat, genau am 21.3. 2020 waren es "nur" 1.303 Aufsätze in 353 Zeitschriften. Alleine am 18.4. wurden 301 neue Aufsätze veröffentlicht. Selbst wenn mittels des Indikators Altmetric für die Stärke der Resonanz einer Publikation nur noch die Veröffentlichungen gezählt werden, deren Wert über 500 liegt, gab es am 18.4. noch 418 Covid-Aufsätze (Auswertung Altmetric > 500 am 18.4.2020). Wer sich mit systematischen Reviews beschäftigt hat, weiß, dass es selbst mit hohem Personalaufwand unmöglich ist, in kurzer Zeit einen soliden Überblick und eine Bewertung einer derartigen Menge von dann noch permanent zunehmenden Menge von Publikationen zu schaffen. Hinzu kommt, dass durch zusätzliche Suchen mit Suchworten, die z.B. nur ein im Zusammenhang mit Covid-19 relevantes Medikament oder eine Maßnahme wie Schulschließung beinhalten, noch zahlreiche weitere Publikationen zu Tage gefördert werden.

Dafür spricht auch die Anzahl von "more than 32,000 articles, chapters, and other resources related to Covid-19, other coronaviruses, and related epidemics have already been made available in this manner", die als Ergebnis einer beispiellosen Initiative der 150 Mitglieder der "International Association of Scientific, Technical and Medical Publishers (STM)" zu deren Beginn der interessierten Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung standen und stehen. Diese Mitglieder, darunter Wissenschafts-Großverlage wie Elsevier und Wiley mit Zeitschriften wie dem "British Medical Journal" oder "Lancet", veröffentlichen in 20 Ländern rund 66% aller wissenschaftlichen Publikationen, also auch die zu Covid-19. Zu den Zusammenstellungen der Verlage über ihre frei erhältlichen Publikationen zu den genannten Themen kommt man über "Coronavirus (Covid-19)".

Wer sich bei PubmedCentral (PMC) noch umfassender über den Forschungsstand zu Covid-19, Coronavirus, 2019-nCoV, Sars-CoV, MERS-CoV, Severe Acute Respiratory Syndrome oder Middle East Respiratory Syndrome informieren will, fand am 18.4. 2020 57.995 Quellen - mit der bekannt großen täglichen Zunahme.

Natürlich gibt es jetzt in mehreren Ländern und von mehreren nationalen oder internationalen Institutionen spezielle Angebote unterschiedlichsten Umfangs und unterschiedlichster inhaltlicher Fülle, die einen Teil des Recherche- und Lektüreaufwands in den bisher genannten Primärquellen ersetzen können, aber selber auch sehr viel Arbeitsaufwand verlangen. Stellvertretend sei hier auf die Website "Finding the Evidence: Coronavirus" von Public Health England hingewiesen und dort speziell auf den "PHE International Epidemiology Daily Evidence Digest".

Und es gibt auch erste Zusammenfassungen oder Reviews des Forschungsstands, die häufig auch praktische Bedeutung haben. Hier sei exemplarisch auf den Review Pharmacologic Treatments for Coronavirus Disease 2019 (Covid-19)A Review von James Sanders et al. in der Fachzeitschrift JAMA (online am 13.4.2020) verwiesen. Der kostenlos erhältliche Aufsatz kommt trotz einiger abweichender Statements und Handlungsempfehlungen (z.B. "compassionate use"-Ausnahmen für schwer an Covid-19 Erkrankte) zu dem Schluss: "No therapies have been shown effective to date."

Und dass sich an der Menge der veröffentlichten Studienergebnisse mit Sicherheit nichts ändert und die inhaltliche Vielfalt noch zunehmen wird, darauf verweisen die Anzahl laufender oder geplanter Forschungsprojekte. So waren am 16.4. 2020 auf der Website Clinicaltrials, wo sich zumindest die Mehrzahl der Projekte zu Beginn ihrer Arbeit mit Protokollen anmelden, insgesamt 621 Studien mit dem Thema Covid-19 angemeldet, darunter 202 Studien, die sich mit dem Virus Sars-CoV-2 beschäftigen wollten.

Wer wissen will wie viele und welche klinischen Forschungsprojekte und Studien zum Sars-CoV-2-Virus und zu Covid-19 in Deutschland laufen oder geplant sind, welche nicht-interventionelle Studien stattfinden oder welche Best Practice-Beispiele es gibt, findet diese auf der Website Klinische Studien des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) - mit Links zu den Studien.

Und schließlich gibt es einige Websites, die auch für die Zukunft versprechen wichtige Informationen und Debattenbeiträge zu liefern.
Dazu zählt z.B. das von bisher 18 wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Public Health-Verbänden aus dem deutschsprachigen Raum (z.B. Deutsche Gesellschaft für Public Health, Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf und Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft) und einem internationalen Partner getragene Kompetenznetz Public Health zu Covid-19. Die hier aktiven 7 Arbeitsgruppen dürften in absehbarer Zeit wichtige Erkenntnisse präsentieren.

Mit dem erklärten Schwerpunkt auf weltweit laufenden Studien zu den ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Coronakrise gibt seit kurzem das von diversen akademischen Institutionen gegründete und getragene World Pandemic Research Network einen hervorragenden Überblick. Für die derzeit (20.4. 2020) 55 Projekte werden jeweils der fachliche Schwerpunkt, kurze Projektbeschreibungen, die Forscher*innen und das methodische Design angegeben. Anmeldungen eigener Projekte sind Online möglich.

Und stellvertretend für eine Menge inhaltlich hilfreichen nichtinstitutionellen Blogs und von Angehörigen der "scientific community" organisierten Mailforen sei auf das von österreichischen Public Health-Experten, Medizinern und Angehörigen von Gesundheitsberufen bereits vor Beginn der Coronakrise geschaffene "PublicHealthForum" hingewiesen, das sich nicht nur mit der österreichischen Entwicklung beschäftigt, sondern auch auf eine Vielzahl von internationalen Beiträgen aufmerksam macht.

Aber selbst dann, wenn die Quantität der Studienergebnisse bewältigt ist oder wäre, gibt es ausgerechnet zu zentralen Aspekten der Coronakrisenbewältigung inhaltlich unklare und widersprüchliche Studien. Dies betrifft z.B. die Wirkung des Maskentragens. Auch wenn mittlerweile weitgehend klar ist, dass insbesondere die nicht-medizinischen Masken nicht den Träger vor einer Infektion schützen, sondern nur seine soziale Umgebung, dass verschiedene Arten von Masken unterschieden werden müssen und für Tragepflichten nachwievor zu wenig Masken erhältlich sind, liefern die wenigen aktuellen Studien nur widersprüchliche und oft nicht belastbaren Erkenntnisse zum Nutzen. So sieht eine am 24.3. 2020 veröffentlichte Studie des "Oxford Covid-19 Evidence Service Team" der Universität Oxford ("What is the efficacy of standard face masks compared to respirator masks in preventing Covid-type respiratory illnesses in primary care staff?" von Trish Greenhalgh et al.) zwar einen Nutzen von Masken, relativiert dies aber selber sofort mehrfach: "…this conclusion were not in a Covid-19 population, and only one was in a community setting. It is clear from the literature that masks are only one component of a complex intervention which must also include eye protection, gowns, behavioural measures to support proper doffing and donning, and general infection control measures." Insgesamt basierten Empfehlungen nur auf "indirect evidence".
Und auch die aktuellste "interim guidance" der WHO zum Gebrauch und Nutzen von Masken gegen das Sars-CoV-2-Virus (Advice on the use of masks in the context of Covid-19)sieht auch nur höchstens "limited evidence" dafür, "that wearing a medical mask by healthy individuals in the households or among contacts of a sick patient, or among attendees of mass gatherings may be beneficial as a preventive measure." Medizinische Masken sollten außerdem dem Gesundheitspersonal überlassen bleiben. Für alle anderen Maskentypen gibt es "no evidence that wearing a mask (whether medical or other types) by healthy persons in the wider community setting, including universal community masking, can prevent them from infection with respiratory viruses, including Covid-19." In jedem Fall sei das alleinige Tragen von Masken "insufficient to provide an adequate level of protection, and other measures should also be adopted. Whether or not masks are used, maximum compliance with hand hygiene and other IPC measures is critical to prevent human-to-human transmission of Covid-19."
Und das Ergebnis eines in der renommierten Medizinzeitschrift "Annals of Internal Medicine"am 6. April 2020 veröffentlichten Experiments mit 4 (!!) Teilnehmer*innen wird so zusammengefasst: "In conclusion, both surgical and cotton masks seem to be ineffective in preventing the dissemination of Sars-CoV-2 from the coughs of patients with Covid-19 to the environment and external mask surface." In dem Experiment durchdringen Viren die Masken und erreichen vor den Probanden aufgestellte Petrischalen. Weitere Aspekte (z.B. die "Reichweite" von Viren mit oder ohne Masken) wurde nicht untersucht. (Effectiveness of Surgical and Cotton Masks in Blocking Sars-CoV-2: A Controlled Comparison in 4 Patients von Seongman B. et al.). Als Erklärung für dieses frappierende Ergebnis boten die Autoren des Berichts, den das Deutsche Ärzteblatt auf der Online-Seite aerzteblatt.de am 7. April 2020 zu dieser Studie veröffentlichte folgende mögliche, aber nicht unbedingt praktisch hilfreiche Erklärung an: "Die Probanden wurden in der Studie nicht gebeten zu husten. Es könnte demnach sein, dass die Masken die Viren beim normalen Atmen aufhalten, der starken Beschleunigung der Partikel bei einem Hustenreiz jedoch nicht standhalten."

Was bedeutet dies alles für die Zeit nach Covid-19?

Egal ab wann die aktuelle Sars-CoV-2- und Covid-19-Krise für beendet erklärt wird, wird es eine Zeit danach geben, die, so eigentlich alle aktuellen Protagonisten, völlig anders aussieht als vor der Krise. Man werde auf der Basis der national wie EU-weit gestarteten Forschungsprogramme lernen und für künftige vergleichbare Krisen besser gerüstet sein.
Darauf zu vertrauen, dass dies wirklich geschieht und dazu noch in einer Art Selbstlauf, ist nach den Erfahrungen mit den Pandemieplänen und der Risikoanalyse 2013 naiv. Ohne die Vereinbarung ausdrücklicher und zeitlich verbindlicher Ziele und Schritte wie diese "Zeit danach" aussehen soll und erreicht wird, werden andere, und ja durchaus wichtige Probleme die politische Agenda bestimmen.
Zu den Maßnahmen, die dies verhindern helfen könnten und eventuell auch für den Umgang mit anderen gesellschaftlichen Krisen nützlich sind, gehören:

• Die Umsetzung der u.a. bereits in der "Risikoanalyse 2013" enthaltenen Aktivitäten und vieler neuer aktueller Handlungsempfehlungen muss durch öffentliche pflicht- und regelmäßige Fortschrittsberichte gesichert werden. Dazu gehören auch die Vereinbarung und Testung qualitativ hochwertiger und umsetzbarer Indikatoren, die auch über den unmittelbaren Bereich der Virologie oder Krankenversorgung hinausgehen und z.B. soziale Effekte bestimmter gesundheitsbezogener Maßnahmen oder systematische Risikostratifizierung umfasst. Es darf nicht sein, dass über die Bedeutung der Differenzierung nach soziodemografischen Merkmalen erst während einer Krise diskutiert wird und Maßnahmen wie Home-schooling systematisch an der Lebenswirklichkeit großer, bereits ohne eine Pandemie benachteiligter Bevölkerungsgruppen vorbeigeht (z.B. verfügen viele Familien aus unteren Sozialschichten weder über Laptops noch Wlan).
• Abkehr von einer Risikokommunikation, die politisch entschiedene Maßnahmen als "alternativlos" bezeichnet und vermitteln will.
• Genereller Verzicht auf "Angst" und "Erregung" als dominantes Mittel von Risikokommunikation. Was darunter zu verstehen ist, hat die Autorin und ehrenamtliche Verfassungsrichterin Juli Zeh so zusammengefasst: "Wir wissen aus Erfahrung, wie gefährlich Angstmechanismen sind. Deshalb würde ich von verantwortlicher Politik und auch von verantwortlichen Medien verlangen, dass sie niemals Angst zu ihrem Werkzeug machen. Leider passiert seit Jahrzehnten das Gegenteil … Anstatt uns hoffnungsfroh Ziele für die Zukunft zu setzen, ist es seit der Jahrtausendwende quasi zur Tradition geworden, ein apokalyptisches Szenario nach dem anderen auszurufen und damit die Aufmerksamkeitsökonomie zu bedienen … Jede politische Richtung hat ihr eigenes Untergangsszenario, mit dem sie Werbung macht. Die Massenerregbarkeit der Gesellschaft ist immer größer geworden … zur Sachlichkeit zurückzukehren und die Bevölkerung als mündige Bürger zu behandeln." ("Es gibt immer eine Alternative" - Interview mit Juli Zeh in der Süddeutschen Zeitung vom 4./5. April 2020 - leider nicht kostenlos erhältlich). Diese Mahnung gilt auch für die Art der Kommunikation anderer Krisen und Probleme wie beispielsweise der über den Klimawandel.
• Angesichts des nicht nur im Falle der Coronakrise für Politiker und Wissenschaftler existierenden Zwangs, Entscheidungen und Empfehlungen auf unvollständiger, widersprüchlicher, unsicherer oder quantitativ wie qualitativ unübersichtlicher Faktenlage treffen und geben zu müssen, sollte verstärkt darüber nachgedacht werden ob und wie mittels Heuristiken mit weniger Aufwand schneller mehr erreicht werden kann (vgl. dazu die zahlreichen Aufsätze von Gerd Gigerenzer wie z.B. Rationales Entscheiden unter Ungewissheit ≠ Rationales Entscheiden unter Risiko. Dabei ist das Problem der Informations- und Wissensfülle, die mit dem Ziel, Handlungskonsequenzen daraus ableiten zu wollen, ohne entsprechende Methodiken kaum zu bewältigen ist, gerade im Gesundheitsbereich keineswegs neu. Zu denken ist z.B. daran, dass praktisch tätige Ärzte, deren Patient*innen häufig multimorbide sind, dann, wenn sie sich an wissenschaftlichen Leitlinien orientieren wollen, mit Texten mit Hunderten von Seiten zu tun haben, die zum Teil auf mindestens genau so lange und wichtige Quellen verweisen.
• Im Lichte der in der Coronakrise gesammelten negativen Erfahrungen sollten wesentliche gesundheitsbezogene Ressourcen und Angeboten endgültig nicht mehr "dem Markt" überlassen bleiben, sondern in öffentlicher Verantwortung als Elemente der Daseinsvorsorge organisiert werden.

Bernard Braun, 21.4.20


Fundgrube zum Burnout von Krankenhausbeschäftigten, von den Ursachen bis zu möglichen Lösungen

Artikel 2657 Dass ausgerechnet Krankenhäuser nicht die gesündesten Arbeitsorte sind, ist seit längerem durch zahlreiche internationale und nationale Studien belegt. Dabei spielt der so genannte Burnout eine große Rolle, was nicht nur die Gesundheit und das Wohlbefinden der ÄrztInnen, Pflegekräfte und anderer Berufstätigen beeinträchtigt, sondern auch die Gesundheit und die Zufriedenheit der PatientInnen. Und last, but not least wirken sich alle Folgen belastender Arbeitsverhältnisse auf die Produktivität und den wirtschaftlichen Erfolg der Krankenhäuser aus.

Wer sich daher als Betroffener oder Akteur in Krankenhäusern gründlicher mit der Häufigkeit von Burnout, seinem Wesen, den Ursachen, den Folgen und möglichen theoretischen wie praktischen Möglichkeiten ihn zu vermeiden oder abzubauen beschäftigen will, findet auf der von der National Academy of Sciences und der National Academy of Medicine der USA entwickelten und gepflegten Website "Action Collaborative on Clinician Well-Being and Resilience" bzw. dem "Clinician Well-Being Knowledge Hub" eine Fülle von qualitativ hochwertigen Materialien.

So enthält z.B. der Bereich "Resource Center" 1.068 (Stand August 2019) Hinweise auf zum größten Teil peer-reviewte Veröffentlichungen (fast ausschließlich in englischer Sprache) zu allen Aspekten des Burnouts (z.B. Ursachen, Folgen für Beschäftigte und Patienten, Kosten, Präventionsmöglichkeiten und andere Lösungsmöglichkeiten) von Beschäftigten im Gesundheitswesen für den Zeitraum seit 1980. Neben Kurzzusammenfassungen gibt es auch Links zu den Originalorten der Veröffentlichungen, die auch häufig komplett erhältlich sind.
Ein wichtiger Bereich der Website sind systematisch von externen ExpertInnen erstellte Fallstudien, die "models of good practice" sein können. Auch wenn aus der Sicht von Interessenten aus deutschen Krankenhäusern eingewandt werden könnte, Krankenhäuser in den USA seien völlig anders und die dortigen Erfahrungen für das Kreiskrankenhaus in Oberschwaben nutzlos, stimmt dies nicht ganz. Die Mehrheit der Krankenhäuser in den USA sind z.B. non-for-profit. Dies gilt auch für die beiden bisherigen Fallstudien aus der Ohio State University und dem Virginia Mason Kirkland Medical Center, einer so genannten "501 (c) (3) tax-exempt nonprofit corporation" im Besitz einer gemeinnützigen Stiftung.

Welchen Stellenwert und Nutzen Fallstudien haben, fassen ihre Ersteller so zusammen: The following case studies highlight organizational initiatives that have demonstrated success in supporting well-being and reducing burnout among practicing clinicians, trainees, and/or students. The case studies are intended to inform and inspire organizations facing similar challenges and seeking similar outcomes. Although there is no one-size-fits-all solution for clinician well-being, techniques and resources described in the case studies may provide a useful starting point for other groups."

Damit ist auch für deutsche InteressentInnen klar, dass selbst die gründliche Nutzung dieser Website nicht die gründliche Auseinandersetzung mit den eigenen Verhältnissen mit fachlicher Unterstützung ersetzt, aber wertvolle Hinweise liefert um was es da gehen könnte und was zu beachten ist.

Der Clinician Well-Being Knowledge Hub ist kostenlos erreichbar. Die VerfasserInnen kündigen auch die stetige Weiterentwicklung an. Regelmäßige Besuche sind also zu empfehlen.

Bernard Braun, 6.8.19


Patientensicherheit leichter gemacht - "Papers of the Month" der Stiftung "Patientensicherheit Schweiz"

Artikel 2612 Wer möglichst unaufwändig, in knapper verständlicher Form aber wissenschaftlich gesichert etwas darüber erfahren will, wie man die Polypharmazie von Pflegeheim-BewohnerInnen ohne negative gesundheitliche Folgen erheblich senken kann und welchen Aufwand es dafür bedarf oder warum die Reaktionszeiten auf physiologische Monitoralarme so lang sind (z.B.: "Besonders interessant ist, dass sich die Reaktionszeit erheblich (um 15%) verlängerte mit jeder Stunde, die die Pflegefachperson bereits im Dienst war (6.1 Min in der zweiten Dienststunde vs. 14.1 Min in der achten Dienst-stunde)), findet darauf und auf noch zahlreiche weitere Fragen zur Patientensicherheit auf der Website "Paper of the Month" der Stiftung "Patientensicherheit Schweiz" Antworten.

Das Ziel ihrer Initiative beschreiben die Macher so: "Mit dem «Paper of the Month» möchten wir diejenigen Personen ansprechen, die einerseits bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen up-to-date sein möchten, andererseits nicht über die Ressourcen verfügen, das gesamte Feld zu beobachten. Rund alle vier Wochen stellen wir eine aktuelle wissenschaftliche Studie zur Patientensicherheit und ihre Kernergebnisse vor. Dafür wählen wir internationale Studien aus, die einerseits eine hohe Qualität aufweisen und die wir andererseits subjektiv als wichtig beurteilen."

Bis März 2018 liegen 72 Papers vor, die jeweils auf einer Seite in deutscher oder französischer Sprache die Ergebnisse von überwiegend englischsprachigen Originalaufsätzen in Fachjournalen zusammenfassen und auch Links auf die Originalpublikationen enthalten.

Der Zugang zu den Papers of the Month ist kostenlos.

Im Bereich Wissenschaftliche Publikationen finden sich außerdem noch eine Vielzahl von Fachpublikationen, die nicht nur für schweizerische GesundheitspraktikerInnen und -.wissenschaftlerInnen interessant sind.

Bernard Braun, 10.3.18


Website zur Gesundheit von Migranten und Flüchtlingen

Artikel 2598 Die Flüchtlingszahlen erreichten 2016 den höchsten jemals erfassten Stand: Laut des Jahresberichts der Flüchtlingshilfsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) gab es Ende 2016 65,7 Mio Flüchtlinge (der Migrationsbericht der UN gab die Anzahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden mit 25,9 Millionen an). Davon waren 22,5 Millionen Verfolgte aufgrund von Krieg und Menschenrechtsverletzungen, 40,3 Millionen waren Binnenflüchtlinge und 2,8 Millionen Asylsuchende. Etwa 50% aller Flüchtlinge waren Kinder unter 18. Jeden Tag waren ca. 34.000 Menschen gezwungen, ihren Wohnort wegen kriegerischer oder anderen gewalttätigen Ereignissen zu verlassen.

Selbst ein oberflächlicher Blick in eines der vielen europanächsten Flüchtlingslager z.B. in der Türkei oder Jordanien weist auf die besonderen Lebens- und auch Gesundheitsrisiken der Flüchtlinge hin. Hinzu kommt, dass ein je nach Land oder Erdteil unterschiedlich großer Teil der für 2016 von der UN weltweit auf rund 225 Millionen geschätzten Migranten (ohne Flüchtlinge) vergleichbar schlechte Lebensbedingungen haben dürfte. Trotzdem gibt es dazu nur relativ wenig systematische und leicht zugängliche Darstellungen oder gar wissenschaftliche Studien.

Beginnend mit dem 11. Dezember 2017 will daran nun die Redaktion der Open Access-Fachzeitschrift BMC Medicine etwas ändern. Sie startete eine Sammlung von wissenschaftlichen Aufsätzen, Kommentaren oder anderen Texten mit "recent advances in infectious and non-communicable disease research, tropical medicine, and global health policy that have both broad interest and high clinical and public health relevance due to their impact on migrant health."

Die ersten drei Texte befassen sich mit folgenden weit gespannten Themen:

— Mapping the evidence on pharmacological interventions for non-affective psychosis in humanitarian non-specialised settings: a UNHCR clinical guidance
— Individual, collective, and transgenerational traumatization in the Yazidi
— Humanitarian and primary healthcare needs of refugee women and children in Afghanistan.

Diese und vermutlich alle weiteren Beiträge der Website Migrant and refugees health sind komplett kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 20.12.17


Regelmäßige Übersicht zu Veröffentlichungen über Multimorbidität und multiple chronische Erkrankungen

Artikel 2546 An mehreren und dann noch chronischen Erkrankungen leidet ein wachsender Anteil der älteren Bevölkerung in Ländern mit hoher Lebenserwartung. Dies stellt nicht nur eine besondere Belastung für diese PatientInnen dar, sondern ist auch eine keineswegs geklärte Herausforderung für ihre Behandlung. Will man jede der Erkrankungen gut, d.h. leitliniengerecht oder evidenzbasiert behandeln, droht schnell Polymedikation mit deren hinlänglich bekannten gesundheitlichen Risiken durch unbekannte Wechselwirkungen oder Fehleinnahme.
Umso wichtiger ist es, die ebenfalls umfangreiche Forschung über dieses Erkrankungs- und Patientenspektrum im Blick zu behalten.
Dabei helfen u.a. die seit Jahren regelmäßig erscheinenden Literaturübersichten der "International Research Community on Multimorbidity (IRCMo)" - einem Gemeinschaftsprojekt von kanadischen, us-amerikanischen und niederländischen WissenschaftlerInnen, das u.a. von den Canadian Institutes of Health Research-Institute of Health Services and Policy Research, Canadian Health Services Research Foundation and Centre de santι et de services sociaux de Chicoutimi gefördert wird.

Die neueste üppige, aber mit Sicherheit nicht völlig vollständige Übersicht für den Zeitraum Februar bis Juni 2016 enthält 101 Nachweise von Fachpublikationen. Dazu zählen u.a. folgende Titel: Lavan AH, Gallagher PF, O'Mahony D. Methods to reduce prescribing errors in elderly patients with multimorbidity. Clinical interventions in aging. 2016;11:857-66; Willadsen TG, Bebe A, Koster-Rasmussen R, et al. The role of diseases, risk factors and symptoms in the definition of multimorbidity - a systematic review. Scand J Prim Health Care. 2016;34:112-21 oder Chew-Graham CA, Rasmussen J, Maskrey N. Considering the healthcare needs of older people with multimorbidity: managing Alice. Journal of Comorbidity. 2016;6:53-5.

Der Zugriff auf die aktuelle Übersicht der International Research Community on Multimorbidity (IRCMo) ist kostenlos möglich. Dies gilt auch für die 84-seitige Gesamt-Literaturübersicht "Publications on multimorbidity" mit Stand 17. Juli 2016 und themenspezifische Blog-Beiträge.

Bernard Braun, 7.10.16


CT, MRT oder doch lieber Ultraschall? Evidenzbasierte Entscheidungshilfe der "Library of Evidence" hilft

Artikel 2543 Auch wenn sich mittlerweile bei vielen Ärzten und anderen Anvbietern gesundheitsbezogener Leistungen durchsetzt, Entscheidungen über diagnostische und therapeutische Maßnahmen möglichst evidenzbasiert zu treffen, ist die Erreichbarkeit solchen Wissens und dessen Verständlichkeit immer noch nicht einfach.

Deshalb verspricht die im Januar 2017 richtig startende Initiative einer "Library of Evidence" der "Harvard Medical School" und einer Reihe anderer kompetenter us-amerikanischer Gesundheitsexperten sehr hilfreich zu sein.
Nach der Selbstdarstellung der Träger dieser Website bzw. Datenbank beruht ihre Initiative auf zwei hierzulande eher unbekannten US-Reformgesetzen, dem für die technische Infrastruktur wichtigen "Health Information Technology for Economic and Clinical Health Act (HITECH)" und dem für die Inhalte maßgebliche "Protecting Access to Medicare Act (PAMA)" vom 1. April 2014. PAMA schreibt den Anbietern von Gesundheitsleistungen vor, "clinical decision support" (CDS)-Systeme mit bewährten und qualitätsgesicherten Entscheidungskriterien zu nutzen. Die maßgeblichen Kriterien sollen sein "only developed or endorsed by national professional medical specialty societies or other provider-led entities, to assist ordering professionals and furnishing professionals in making the most appropriate treatment decision for a specific clinical condition for an individual. To the extent feasible, such criteria shall be evidence-based."

Nachdem die in der "Library of Evidence" enthaltenen Erkenntnisse in die klinikeigenen Informationssysteme eingebunden sind, erhält ein Arzt, der z.B. für einen Patienten mit Rückenschmerzen eine Computer-Tomographie verordnet den Alternativvorschlag samt Begründung für eine Ultraschalluntersuchung.
Beginnen soll diese evidenzbasierte Entscheidungsprozedur im Bereich der bildgebenden Diagnostik und peu ΰ peu auf die Verordnung von Medikamenten, anderer Tests und Prozeduren ausgedehnt werden. Die gesetzliche Vorschrift sich dieser Art von evidenzbasierten "clinical decision supports" bedienen zu müssen, wird 2018 für den Bereich der Behandlung von Medicare-PatientInnen "scharfgeschaltet". Ab dann hängt die Bezahlung bestimmter Leistungen für Medicare-Versicherte durch ihre steuerfinanzierte Krankenversicherung davon ab, ob die Entscheidung unter CDS-Nutzung getroffen wurde.

Der Zugang zur "Library of Evidence" ist weltweit frei, wobei es sogar Möglichkeiten eines Feedbacks von ärztlichen NutzerInnen geben soll, die Library also nicht nur eine Datenbasis sein muss.

Wer bereits heute mehr über die Ziele, Rechtsgrundlagen, die Modalitäten des Zugangs, die Verantwortlichen oder Trainingsmaterialien wissen will, schafft dies über Harvard Medical School Library of Evidence. THE FUTURE OF CLINICAL DECISION SUPPORT CONTENT. Und ab dem 1. Januar 2017 hilft bei Entscheidungen im Bereich bildgebender Diagnostik sicherlich ein erneuter Blick oder die Anmeldung als NutzerIn.

Bernard Braun, 16.9.16


Mit Evidenz gegen Überversorgung: Warum 60% eines Kinderjahrgangs nicht drei bis vier Jahre lang Zahnspangen tragen müssen!

Artikel 2542 Die kieferorthopädische Behandlung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren gehört aus rein monetärer Sicht mit GKV-Ausgaben von rund 1 Milliarde Euro pro Jahr zu den vergleichsweise unauffälligen und daher in Debatten um Wirtschaftlichkeit durch Abbau von Über- oder Fehlversorgung kaum vorkommenden Ausgabenblöcken der GKV. Setzt man sich aber eine andere Brille auf und sieht dann u.a., dass es sich um eine Leistungen handelt, die rund 60% eines Altersjahrgangs junger GKV-Versicherten erhalten, damit eine 3 bis 4 Jahre dauernde Behandlung verbunden ist und ihre Eltern durch privat zu finanzierende Zusatzleistungen zusätzlich rund 2.000 Euro bezahlen, wirkt diese Behandlungsart keineswegs mehr so harmlos.

Dies trifft noch weniger zu, wenn man untersucht, ob und in welcher Weise im Lichte wissenschaftlicher Evidenz die gesamte Behandlung, die im internationalen Vergleich in Deutschland extrem lange Behandlung oder einzelne diagnostische und therapeutische Leistungen notwendig sind. Wie bei vielen anderen gesundheitsbezogenen medizinischen Leistungen ist man hierfür in Deutschland immer noch überwiegend auf Ergebnisse internationaler Studien angewiesen, die sowohl bei den gesetzlichen Krankenkassen als bei den zahnmedizinischen oder kieferorthopädischen Fachverbänden und gesetzlichen Vereinigungen bisher wenig Beachtung gefunden haben.

Der jüngste der insgesamt wenigen Versuche das eminenz- oder anbieterorientierte Wissen durch die Präsentation evidenzbasierter Informationen zu überwinden ist seit Juli 2015 der Blog mit dem programmatischen Titel "wenigeristmehrzahnspange" des in Greifswald praktizierenden Facharztes für Kieferorthopädie Dr. Alexander Spassov.
Dessen erklärtes Ziel lautet: "Mit Zahnspangen wird zu häufig, zu viel, zu lange - und vor allem aus unberechtigten Gründen behandelt. Mit wissenschaftlich gesicherten Informationen können unnötige Zahnspangen besser vermieden werden."

In der stetig wachsenden Anzahl von übersichtlichen und verständlichen aber immer mit Links zu wissenschaftlicher Literatur gut belegten Beiträgen werden z.B. folgende Themen angesprochen: "Das Ziehen von Zähnen für die Zahnspangenbvehandlung ist häufig unnötig", "Nichtbehandlung nahezu immer eine Alternative zur Zahnspangenbehandlung", "Tragekomfort und Mundhygiene: Selbst zu zahlende Brackets mit Selbstschließmechanismus NICHT besser als Brackets auf Kasse (ohne Selbstschließungsmechanismus)", "Welchen Nutzen hat eine Frühbehandlung mit Zahnspange?" und "Im Röntgenrausch - Warum Röntgenbilder für die Zahnspangenbehandlkung überflüssig sind und die Gesundheit der Patienten unnötig gefährden".

Zusammen mit den Erkenntnissen einer ersten bereits veröffentlichten empirischen Studie über die kieferorthopädische Versorgung der bei der Handelskrankenkasse Bremen (hkk) versicherten Kindern aus deren und ihrer Eltern Sicht (vgl. dazu den Forumsbeitrag "Generation Zahnspange": Wie notwendig, nützlich oder belastend ist die kieferorthopädische Behandlung aus Betroffenensicht?! und einer demnächst publik werdenden bundesweiten Studie, rundet sich langsam ein Bild ab, das die Ansatz- und Schwerpunkte für eine evidenzbasierte Neuformulierung der geltenden Richtlinien für diese Versorgungsart anzeigt.

Die Website "wenigeristmehrzahnspange" lohnt sich nicht nur für Eltern mit Kindern zwischen 8 und 14 Jahren, sondern auch für Menschen, die sich kritisch mit der Pathologisierung und Therapeutisierung von Zuständen beschäftigen, die nichts mit Gesundheit zu tun haben.

Bernard Braun, 15.9.16


"Health & Financial Crisis Monitor": Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Gesundheit, Wirtschafts- und Finanzkrise?

Artikel 2441 Der politische Zusammenbruch der Sowjetunion und der radikal marktwirtschaftliche Umbau der Gesellschaft Russlands führte innerhalb kürzester Zeit zu einer dramatischen Verkürzung der Lebenserwartung vor allem der dortigen männlichen Bevölkerung um Zig-Millionen-Personenjahre. Ähnliches ereignete sich auch in einigen unabhängig gewordenen Folgestaaten der SU.
In der Folge der politischen, ökonomischen und sozialen Krise Griechenlands erhöhte sich dort in kürzester Zeit die Selbstmordrate auf ein vorher nicht voprstellbares Niveau. Derartige Zusammenhänge zwischen ökonomischen Krisen und gesundheitlich unerwünschten Entwicklungen zeigen sich zum Teil weniger spektakulär auch in anderen Ländern z.B. im Gefolge der jüngsten Finanzkrise nach 2008.

Wer sich grundsätzlicher für die Art und die Mechanismen dieser Zusammewnhänge interessiert, kann sich darüber auf der Website des Health & Financial Crisis Monitor (HFCM)" informieren, der vom "European Observatory on Health Systems and Policies" und der "Andalusian School of Public Health" entwickelt und betreut wird.
Dieser Monitor sammelt und ordnet laufend evidente Belege für diese Zusammenhänge, liefert einen konzeptionellen Ansatz für die gesundheitspolitischen Antwort auf ökonomische Schocks und berichtet u.a. auf der Basis eines europaweiten Surveys von den politischen Optionen mit solchen Herausforderungen umzugehen. Auf der Website finden sich Links zu wissenschaftlicher Literatur auf der Pubmed-Seite und weiteren Daten.

Bernard Braun, 6.1.15


Lehrbuch "Sozialmedizin - Public Health - Gesundheitswissenschaften" oder "Darf's ein bißchen mehr sein!?"

Artikel 2389 Das Lehrbuch "Sozialmedizin - Public Health - Gesundheitswissenschaften" ist vor kurzem in der 2. Auflage erschienen. Der Verfasser ist einer der Autoren des Forum Gesundheitspolitik.
Das Buch will gesundheitswissenschaftliche und - im Sinne von Public Health - sozialmedizinische Grundlagen vermitteln.

Die 7 Kapitel lauten
1. Public Health
2. Wissenschaftlichkeit und evidenzbasierte berufliche Praxis
3. Epidemiologie und Forschungsmethoden
4. Gesundheit und Krankheit
5. Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention
6. Soziale Ungleichheiten der Gesundheit
7. Gesundheitssystem und Gesundheitspolitik

Das Buch ist aus Lehrveranstaltungen für StudentInnen erwachsen und verbindet Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit. Es richtet sich an alle, die eine Ausbildung in einem Gesundheits- oder Sozialberuf durchlaufen (einschließlich der Medizin), zusätzlich aber auch an alle, die beruflich oder im Freiwilligenengagement mit Gesundheit und Krankheit befasst sind und sich Systemkompetenz aneignen wollen, wie Patientenvertreter in der Selbstverwaltung, Krankenkassenmitarbeiter, Mitglieder und Mitarbeiter der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe und Journalisten.

Ziel ist es, der Leserin bzw. dem Leser ein vertieftes und kritisches Verständnis von Gesundheit und Krankheit zu vermitteln, ein Wissen davon, wie wissenschaftliches Wissen gewonnen wird, welche Konzepte und Theorien von Gesundheit und Krankheit hilfreich sein können, wie Prävention erfolgreich gestaltet werden kann, welches Ausmaß die Ungleichheit der Gesundheit weltweit und in Deutschland hat und wie sie gemindert werden kann. Im letzten Kapitel wird das deutsche Gesundheitssystem von den Grundzügen über die Krankenversicherung bis zu den die Versorgungsbereichen und Qualitätsfragen dargelegt. Die Darstellung geht stets über die Beschreibung hinaus und gewinnt durch häufige kritische Anmerkungen an Substanz.

Der Text der 1. Auflage wurde vollständig überarbeitet, einige neue Themen und viele neue Aspekte wurden aufgenommen. Der Titel wurde um den Begriff Gesundheitswissenschaften erweitert, weil die Inhalte weitgehend auch dieser Disziplin zuzuordnen sind. Der Text ist umfassend mit Quellen versehen. Das Literaturverzeichnis steht im Internet mit aktiven Links zum Download zur Verfügung ebenso wie eine Reihe von Leseproben. Zum Buch gibt es eine Website.

Bernard Braun, 24.8.14


"Nur lesen. Fotografieren und Kopieren verboten" oder wie sich die "European Medicines Agency (EMA)" Transparenz vorstellt

Artikel 2357 Auch wenn es lange Zeit gedauert hat und es bei jeder passenden Gelegenheit Verweigerung oder Tricksereien der Arzneimittelhersteller gibt: Um jedem und vor allem auch den gesetzlich damit beauftragten wissenschaftlichen Instituten die Möglichkeit zu geben, den Nutzen und den Schaden durch Arzneimittel überprüfen zu können, muss es vollständige Transparenz über die dazu u.a. von der Pharmaindustrie selbst durchgeführten Untersuchungen geben. Dass zur Transparenz auch die Möglichkeit gehört, die kompletten Texte zu kopieren und mit den darin enthaltenen Daten zusätzliche Berechnungen anzustellen, schien eigentlich zu den Grundregeln geistiger Arbeit oder zur selbstverpflichtenden Transparenzkultur der Hersteller zu gehören.

Dass dies ein Irrtum ist, zeigt ein Blick auf die noch im Mai 2014 öffentlich vorgetragenen Vorstellungen der europäischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel zur Nutzung der auf ihrer Website künftig veröffentlichten klinischen Arzneimittel-Bewertungsstudien. In einer am 27. Mai 20124 verbreiteten Pressemitteilung weist das "Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)" - selbst zeitweise an der Expertendiskussion über die Transparenz durch die EMA beteiligt - auf die Absicht der EMA hin, am 12. Juni 2014 folgendes zu beschließen: "Demnach dürfen Interessenten die klinischen Studiendaten lediglich am Bildschirm betrachten. Untersagt sind dagegen das Herunterladen, das Abspeichern, die Bearbeitung, das Abfotografieren, das Ausdrucken, die Verteilung und die Übertragung der Informationen."

Dies ist u.a. einer Präsentation des Chief Policy Adviser der EMA, Noλl Wathion, zu entnehmen, der ausgerechnet unter der Überschrift "very user friendly system" u.a. die Akzeptanz der "terms of use" "'view -on-screen-only', not downloadable, not printable" verlangt.

Zusätzlich besteht aber nach derzeitigem Stand noch die Möglichkeit, dass wichtige Details der Studiendaten wie z.B. die Auswirkungen des Medikaments auf patientenrelevante Endpunkte wie die gesundheitliche Lebensqualität von den Herstellern rechtlich zulässig geschwärzt oder gelöscht werden können. So korrekt es ist, Daten, die Rückschlüsse auf einzelne Patienten zuließen, nicht zu veröffentlichen, so nachteilig ist für Patienten die gerade skizzierte Intransparenz.

Die EMA-Präsentation Finalisation of EMA policy on publication of and access to clinical trial data. Targeted consultation with key stakeholders vom Mai 2014 ist kostenlos erhältlich.

Die komplette Pressemitteilung des IQWiG Nur gucken, nicht anfassen: EMA-Nutzungsbedingungen für klinische Studiendaten impraktikabel ist ebenfalls kostenlos erhältlich.

Noch ausführlicher setzen sich mit den herstellerergebenen Vorstellungen der EMA und den damit verbundenen Nachteilen für die Versorgungsqualität drei IQWiG-VertreterInnen, Beate Wieseler, Natalie McGauran und Thomas Kaiser, in dem "rapid response"-Beitrag European drug agency backtracks on plan to give researchers access to clinical trial reports im Medizinjournal "British Medical Journal (BMJ)" vom 21. Mai 2014 (2014;348:g3432) auseinander.

Was bis zur endgültigen Entscheidung der EMA im Juni 2014 und auch danach gilt, ist, dass offensichtlich weder für die Hersteller noch für angeblich unabhängige öffentliche Zulassungs- und Kontrollinstitutionen uneingeschränkte und wirklich nutzerfreundliche Transparenz zu den Grundtugenden gehört auf die man sich verlassen kann.

Bernard Braun, 27.5.14


Wissenstransfer für die Selbsthilfe - Datenbank online

Artikel 2292 Obwohl es Selbsthilfegruppen bereits seit mehreren Jahrzehnten gibt und sich dort wahrscheinlich bereits Hunderttausende wenn nicht mehr Kranke mit dem professionellen und vor allem auch selbstverantwortlichen Umgang mit ihren Krankheitsbildern beschäftigt haben und beschäftigen, ist es schwer sich über deren Arbeit und deren wissenschaftlichen Untersuchungen einen Überblick zu verschaffen.

Hier abzuhelfen ist das Ziel des seit 2012 vom Bundesministerium für Gesundheit u.a. an der Universität Freiburg und der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen geförderten und durch verschiedene Selbsthilfeorganisationen (z.B. NAKOS) unterstützten Projekts "Wissenstransfer für die Selbsthilfe (WISE)".
"Ziel des Projektes ist die Unterstützung und die Förderung der gesundheitsbezogenen gemeinschaftlichen Selbsthilfe durch den Transfer wissenschaftlichen Wissens in die Praxis. Erreicht werden soll dieses Ziel durch die Aufbereitung wissenschaftlicher Literatur. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der allgemeinverständlichen und systematischen Darstellung sowie methodenkritischen Bewertung von Studien über die gesundheitsbezogene gemeinschaftliche Selbsthilfe. Eine derartige Literaturübersicht ermöglicht eine bessere Einschätzung der heutigen quantitativen und qualitativen Verbreitung der gesundheitsbezogenen gemeinschaftlichen Selbsthilfe, ihrer Arbeitsweisen, Ziele, Erfolge und Wirkungen sowie ihres Unterstützungs- und Förderbedarfs."

Die dafür entwickelte Wissens-Datenbank ist seit kurzem online und frei zugänglich.

In den bisherigen Schwerpunkten deskriptive Forschung und Wirkungsforschung finden sich u.a. gut aufbereitete und bewertete quantitative und qualitative wissenschaftliche Beiträge zu den Themen Beratungskonzepte und Dienstleistungen gesundheitsbezogener Selbsthilfe-Initiativen, Alkoholiker nach Therapien: Teilnahme an Selbsthilfegruppen, "Schön, dass sich auch einmal jemand für mich interessiert". Eine Erhebung der Lebensqualität von Angehörigen langzeitig an Schizophrenie Erkrankter, Beratungskonzepte und Dienstleistungen gesundheitsbezogener Selbsthilfe-Initiativen und Die Wirksamkeit von Angst-Selbsthilfegruppen aus Patienten- und Expertensicht.
Geplant ist die Aufnahme von weiteren Studien und Forschungsbereichen der Selbsthilfeforschung, sodass sich der regelmäßige Besuch sicher lohnt.

So erreicht man die Datenbank "Wise - Wissenstransfer für die Selbsthilfe".

Bernard Braun, 16.10.13


Jahrbuch für kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften online verfügbar

Artikel 2243 Für alle gesundheitspolitisch oder gesundheitswissenschaftlich und am Medizinbetrieb Interessierten steht seit kurzem eine weitere relevante Informationsquelle zur Verfügung: Das Jahrbuch für kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften geht online. Damit steht nun Internet-NutzerInnen eine Vielzahl hochinteressanter kritischer Analysen gesundheitspolitischer und -relevanter Texte zur Verfügung, die sich nicht allein mit aktuellen Herausforderungen und Fragestellungen befassen, sondern auch Schlaglichter auf die Auseinandersetzungen vergangener Jahrzehnte werfen und vergleichende Rückblicke erlauben.

Denn mit der Vorgängerreihe Jahrbuch für Kritische Medizin erscheint das Jahrbuch für kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften (JKMG) im Prinzip seit 1970 regelmäßig im Hamburger Argument Verlag. Die Veröffentlichungsreihe begann zunächst unter dem Namen Kritik bürgerlicher Medizin und entwickelte sich ab 1972 unter dem stärker programmatisch formulierten Titel Argumente für eine soziale Medizin weiter. Weitere vier Jahre später entstand zudem das Jahrbuch für kritische Medizin als ein Forum der Diskussion über den gesellschaftlichen Umgang mit Gesundheit und Krankheit. Die zugrunde liegende Orientierung auf eine sozial und human ausgerichtete Medizin führte quasi zwangsläufig zu einer Kritik der zunehmenden Einengung des Gesundheitsverständnisses auf biomedizinische Aspekte. Das Jahrbuch für kritische Medizin setzte dieser Tendenz nicht nur ein breiteres Gesundheitskonzept und eine kritische wissenschaftliche Aufarbeitung von Gesundheitspolitik und Praxis im Gesundheitswesen entgegen, sondern verschrieb sich auch der Entwicklung von Konzepten der Gesundheitsförderung und Prävention. Das Jahrbuch für kritische Medizin verstand sich dabei als ein breites Diskussionsforum für konstruktive Kritik am hiesigen Gesundheitswesen. Es verfolgte dabei den Anspruch, die festgefahrene und teilweise provinzielle übliche Auseinandersetzung über Medizin und Gesundheit zu überwinden.

Ab 1983 erschienen sämtliche Bände unter dem einheitlichen Reihentitel Kritische Medizin im Argument-Verlag. Diese Reihe umfasste seither einen Themen-Band sowie ein eigentliches Jahrbuch für kritische Medizin pro Jahr. Auch darin gab es jeweils einen Schwerpunkt, die Redaktion wollte aber immer auch den Charakter eines Diskussionsforums erhalten, so dass auch Aufsätze außerhalb des Schwerpunktes enthalten waren. Als Antwort auf die allmähliche Erweiterung des thematischen Spektrums der veröffentlichten Beiträge kam es 2009 zur konzeptionellen Erweiterung und entsprechenden Umbenennung der Reihe in Jahrbuch für Kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften. Weiterhin ist jeder Band einem Schwerpunktthema gewidmet, zu dessen Vorbereitung die Redaktion üblicherweise einen Call for Papers versendet. Allerdings sind auch Beiträge außerhalb der Schwerpunktthemen jederzeit willkommen.

Das Jahrbuch für Kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften bleibt der Tradition der vorangegangenen Reihen treu und bietet heute ein aktuelles Forum für die kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Bedingungen von Gesundheit und Krankheit sowie mit Fragen der gesundheitsbezogenen Versorgung und der Gesundheitspolitik. Die Redaktion besteht aus ehrenamtlich tätigen HochschullehrerInnen und AkademikerInnen, die das JKMG als willkommenes Medium pflegen, außerhalb des wissenschaftlichen Mainstreams gesundheitsrelevante Themen analysieren und darlegen zu können, um einen nicht von Partialinteressen geleiteten und von Drittmitteln wie von selbstreferenzieller Selektion des herrschenden Wissenschaftsapparates unabhängigen wissenschaftlichen Diskurs zu ermöglichen.
Um seine Sichtbarkeit zu erhöhen und die Nutzung der vielen wertvollen Beiträge zu erleichtern, hat sich die aktuelle Redaktion des JKMG entschieden, die Jahrbuch-Artikel auf seiner Website zur Verfügung zu stellen.

Damit stehen auch die historischen Bände auf der Homepage der Reihe Jahrbuch für kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften kostenfrei als Volltexte zum Download zur Verfügung. Die Vielzahl der inhaltlich hochinteressanten, kenntnisreich geschriebenen Artikel, die sich um eine kritisch-wissenschaftliche Analyse jeweils aktueller oder als gesundheitspolitisch wichtig erachteten Themen bemühen, dürfte allerdings keineswegs nur für HistorikerInnen interessant sein. Bereits eine oberflächliche Betrachtung der verschiedenen Ausgaben und Artikel im Jahrbuch für kritische Medizin ebenso wie in der Nachfolgereihe Jahrbuch für kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften zeigt sehr schnell, dass etliche der dort analysierten und diskutierten Themen heute aktuell sind wie eh und je. Nachlesen verspricht in vielen Fällen nicht nur rückblickend, sondern auch für aktuelle Debatten einen nicht zu unterschätzenden Erkenntnisgewinn.

Einzig den jeweils aktuellen Band stellt die Redaktion nicht sofort zum kostenfreien Download zur Verfügung. Interessierte können wie gehabt beim Argument-Verlag den jeweils letzten Band vom Jahrbuch für Kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften bestellen. Aktuelle Bände stehen aber jeweils nach Erscheinen der folgenden Ausgabe online zur Verfügung.

Jens Holst, 25.3.13


Wo findet man kritisches Wissen über den Nutzen von "e-health"-Innovationen? Das Beispiel ICMCC

Artikel 2113 Wer in diesen Tagen von seiner gesetzlichen Krankenkasse die Aufforderung erhält, ihr für die elektronische Gesundheitskarte ein (sein?) Bild zu schicken, erinnert sich vielleicht daran, dass die Geschichte dieser Karte bereits 2003 startete und sie "bis spätestens zum 1.1.2006 zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Transparenz der Behandlung" (§ 291a Abs. 1 SGB V) Wirklichkeit werden sollte. Er innert sich vielleicht auch daran, dass eine eigens eingerichtete, gut mit Versichertengeldern ausgestattete "Gesellschaft für Telematik" nach § 291b SGB V u.v.a. "die Interessen von PatientInnen und Patienten zu wahren und die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen" hatte. Und schließlich erinnert er sich daran, dass es erst eines ministeriellen Donnerwetters und der Androhung finanzieller Nachteile bedurfte, um die flächendeckende Einführung dieser Karte in der GKV in die Gänge zu bringen.

Wer sich angesichts der auch aus Sicht des Ministeriums und der Krankenkassen immer abgespeckteren und damit auch funktions- und nutzloser werden Karte noch mehr über die organisatorischen und datenschutztechnischen Vor- und Nachteile der Karte und vor allem den tatsächlichen Nutzen dieser Karte für die Gesundheit der Versicherten und gute Behandlungsverläufe informieren will, findet bezeichnenderweise bei der "Gesellschaft für Telematik" und bei den gesetzlichen Krankenkassen vielleicht noch etwas zum Thema Datenschutz, nichts aber über wissenschaftlich seriöse Nachweise ihres zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen. Dieser ist aber wie bei Arzneimitteln und anderen Therapien der entscheidende Aspekt, der für die Einführung oder Nichteinführung maßgeblich ist oder sein sollte.

Und wenn man via elektronischer Gesundheitskarte ganz schnell mitten in der schönen neuen Welt der E-, IT- und Tele-Karten und von Telemedizin, E-Health, "e-Doktor", Telematik, Telemonitoring und elektronischer Patientenakte landet, ist einerseits die Begeisterung der technikaffinen Hersteller und ihrer Kopflanger, aber auch der nicht wenigen Laien und potenziell Betroffene über die technischen Verheißungen kaum zu stoppen. Andererseits gibt es viele BürgerInnen, denen dabei angst und bange wird. Und spätestens hier findet man dann weder bei seiner gesetzlichen Krankenkasse noch den meisten anderen offiziellen Akteuren des Gesundheitssystems solide Informationen über den Nutzen und die Risiken der bereits eingeführten oder geplanten "e-Innovationen". Es sei denn man hat es mit einer Krankenkasse zu tun, die die Einführung der Telemonitoring-Technik für die Lösung des Ärztemangels in ländlichen Regionen hält.

Wer nicht selber die rasch zunehmende internationale Fachliteratur sichten will oder kann, findet aber auf der Website des "International Council on medical & care compunetics (ICMCC) (COMPUting & Networking, its EThICs and Social/societal implications)" eine Fülle von "inventories of knowledge". Zu den Zielen des ICMCC-Stiftung gehört es, Gesundheits-Professionals und PatientInnen kritisch und pluralistisch über die technischen, ethischen und sozialen Aspekte der Entwicklung und des Einsatzes von Informationstechnologien im Gesundheitswesen zu informieren und auch Informationen über den Einsatz von IT-Instrumenten und -verfahren und die dabei gemachten Erfahrungen zugänglich zu machen.

Auf der internationalen "Health IT"-Informationsseite sind im April 2012 16.424 Meldungen, 2.610 wissenschaftliche Aufsätze, 239 Reports und 266 Videos aus einem sehr breiten Themenspektrum zugänglich. Bei den durchaus kontrovers zusammengestellten wissenschaftlichen Aufsätzen gibt es zum Teil ausführlichere Zusammenfassungen oder wenigstens die Original-Abstracts und die Links zur Quelle. Ergänzt werden diese Informationen durch Hinweise auf themenbezogene Konferenzen und eine Sparte, die sich nur mit der Frage des Zugangs von PatientInnen zu ihren Gesundheitsdaten beschäftigt.

Die ICMCC-Website ist frei zugänglich und wird ständig aktualisiert. Ein regelmäßiger Blick lohnt sich also, egal für welche Neuerung zur "e-Gesundheit" man sich interessiert.
Und wer sich noch intensiver und tagespolitischer mit "e-Gesundheit" beschäftigen will, sollte auch regelmäßig ein etwas weniger wissenschaftliches aber dennoch sehr informatives Kontrastprogramm ansehen. Gemeint ist das mit EU-Geldern anfinanzierte, offen industrie-/anbieterlastige und hemmungslos technikoptimistische Internetportal "E-HealthNews.eu". Dort erfährt man Tag für Tag die letzten Neuigkeiten über die "e-Gesundheits"-Innovationen der in diesem Feld besonders aktiven Elektronikkonzerne Siemens oder Philipps. Man erfährt auch viel über die mit Zig-Millionen-Euro-Beträgen aus EU-Kassen geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekte und bekommt rasch eine Vorstellung vom Gewicht der mit der "e-Gesundheit" verbundenen ökonomischen Interessen.
Das "eHealthNews.eu - The first European eHealth News Portal" ist frei zugänglich und die neuesten Nachrichten kann man täglich zumailen lassen.

Bernard Braun, 10.4.12


Spät aber endlich! Mehr Transparenz über die regionale gesundheitliche Versorgung in Deutschland.

Artikel 1994 Auch wenn es im § 70 des Sozialgesetzbuch V seit 1989 verpflichtend heißt, Krankenkassen und Leistungserbringer "haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige … Versorgung der Versicherten zu gewährleisten" und "auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken" entspricht die aktuelle Wirklichkeit der folgenden Feststellung des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler: "Im Hinblick auf die Frage, wie gut die Bevölkerung einer Region insgesamt versorgt ist, tappen wir nach wie vor weitgehend im Dunkeln". Weder werde der regionale Versorgungsbedarf systematisch erhoben, noch existiere für die Entscheidungsträger im Gesundheitswesen eine allgemeine Informationsquelle, um regionale Unterschiede in der Inanspruchnahme verschiedener Versorgungsstrukturen oder in der Qualität der Versorgungsprozesse zu erkennen, fasst das "Deutsche Ärzteblatt" die weiteren Ausführungen Köhlers zusammen.

Der Anlass dieser für ein Gesundheitssystem, das allein die gesetzlich Krankenversicherten seit Jahren jährlich mehr als 150 Milliarden Euro kostet, deprimierenden Defizitanalyse, ist das frisch gestartete Projekt eines Versorgungsatlas, das in einigen Jahren vielleicht in die Nähe der international zum Teil seit Jahrzehnten vorbildlich funktionierenden Berichterstattungssysteme wie des Dartmouth-Atlas in den USA gelangen könnte.

Zu den Zielen des von Beginn an im Internet zugänglichen Werkes gehört "die alltagstaugliche Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse", die von Einrichtungen wie dem Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung der KBV (ZI), Krankenkassen, Universitäten und anderen Einrichtungen "eingestellt" werden können.

Der Versorgungsatlas

• "bietet eine öffentlich zugängliche Informationsquelle zu einer stetig wachsenden Anzahl ausgewählter Themen aus der medizinischen Versorgung in Deutschland. Schwerpunkt des Versorgungsatlas sind regionale Unterschiede in der medizinischen Versorgung und deren Ursachen."
• Auf der Website soll man "Forschungsergebnisse und Analysen zu regionalen Besonderheiten und Unterschieden in den Strukturen, Abläufen und Ergebnissen der medizinischen Versorgung (finden), die Anhaltspunkte für Möglichkeiten der Verbesserung der Versorgung bieten."
• Feedback und Ergänzungen zu bereits vorhandenen Informationen sind ausdrücklich erwünscht.

Das Startpaket liefert das ZI mit Studien über die Inanspruchnahme der Polysomnographie im regionalen Vergleich, Influenza-Impfraten bei Patienten > 60 Jahre im Jahr 2007, Influenza-Impfraten im Jahr 2007 und einem methodischen Beitrag zu den Unschärferelationen patientenbezogener Abrechnungsdaten gemäß § 295 SGB V im regionalen Vergleich (Verdünnungsquote).

Eine Aussage eines ersten Beitrag zeigt aber auch, dass das Veröffentlichen von Studien alleine noch lange kein theoretisch solider und für Nutzer des Versorgungssystems qualitativ hochwertig praktisch orientierender Beitrag zur Versorgung sein muss. So gibt es zu der Behauptung "Influenza-Impfungen stellen eine wirksame Maßnahme zum Schutz gegen die Influenza dar" je nachdem was unter Schutz verstanden wird, kontroverse oder relativierende wissenschaftliche Positionen (vgl. dazu z.B. einen Forums-Beitrag über Ergebnisse der internationalen Forschung).

Wen das Startpaket interessiert oder wer sich laufend über den Fortschritt der Initiative informieren will, findet den Versorgungsatlas ab sofort kostenlos im Internet.

Bernard Braun, 31.8.11


Wer klagt warum und mit welchem Erfolg gegen die Gesundheitsreform der Obama-Administration?

Artikel 1958 Zu den erbitterten politischen Auseinandersetzungen über das im Repräsentantenhaus und Senat der USA verabschiedete Gesundheitsreform-Gesetzwerk ("Patient Protection and Affordable Care Act") gehören zahlreiche von Bundesstaaten mit einer republikanischen Regierung aber auch von bis zu 30.000 Einzelpersonen und Firmen angestrengte gerichtliche Verfahren, die sich im Moment durch die verschiedenen Instanzen des us-amerikanischen Gerichtssystem bewegen.

Von den am 9.Juni 2011 insgesamt 26 Verfahren waren 4 auf der Ebene von Berufungsgerichten angelangt, einer wichtigen Vorinstanz auf dem Weg zu einer Entscheidung des U.S. Supreme Court.

Wer aktuell Genaueres über die Streitpunkte, die von Klägern und Regierungsvertretern vorgetragenen Argumente und den Stand dieser und möglicher weiterer Verfahren findet dies auf einer speziellen Website der "Kaiser Family Foundation"

Die Website Scoreboard: Tracking Health Law Court Challenges ist Teil der auch generell zur kontinuierlichen Information über das US-Gesundheitswesen hilfreichen "Kaiser Health News", wird regelmäßig aktualisiert und ist kostenlos zugänglich.

Bernard Braun, 10.6.11


Medikalisierung der emotionalen Höhen und Tiefen - Neu ab 2013 im "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorder" (DSM)

Artikel 1776 Seien Sie nicht zu eruptiv und richtig über etwas ärgerlich, nicht allzu verträumt und träge oder horten sie bloß nicht alte Zeitungsausschnitte und Zeitschriften. Sie könnten sonst ab 2013 von Psychiatern, die sich an der dann frisch erschienenen Ausgabe des von der renommierten und mächtigen "American Psychiatric Association (APA)" herausgegebenen und weltweit verbreiteten und genutzten DSM mit den Krankheitsetiketten "intermittent explosive disorder", "cognitive tempo disorder" oder "hoarding disorder" versehen und für behandlungsbedürftig gehalten werden. Und dazu gibt es dann auch sofort oder in naher Zukunft eine meist medikamentöse Therapie antidepressiver, antipsychotischer oder sedierender Art. Deren unerwünschten Wirkungen, nicht selten eine Erhöhung des Selbstmordrisikos, sind dann häufig das einzige wirkliche gesundheitliche Problem.

Dies alles wird noch umfassender eintreffen, wenn die Absicht der Entwickler der fünften Ausgabe des DSM (DSM-V) umgesetzt wird, dort analog zu den physiologischen Risikofaktoren oder Surrogatparametern wie hohem Blutdruck oder Blutzucker, auch für den psychischen oder Verhaltensbereich so genannte "risk syndromes" aufzunehmen. Diese könnten als Frühwarnzeichen für künftige ernste Probleme der mentalen Gesundheit interpretiert und als Startzeichen für eine frühe Behandlung genutzt werden.

Wie einflussreich die APA und ihr Handbuch ist, deutet sie mit der Feststellung "representing 38,000 physician leaders in mental health" selbstbewusst an.

Wer sich die "Küche" genauer ansehen will, aus der möglicherweise 2013 die genannten "psychiatric disorders" oder "mental illnesses" den Weg in die Praxen und die nächsten Krankenkassenberichte über die weiter wachsende Inzidenz und Prävalenz psychischer Erkrankungen finden, kann dies auf einer speziellen Website der APA für die Weiterentwicklung des DSM zum DSM-V tun.

Dort werden unter der Überschrift "Proposed Draft Revisions to DSM Disorders and Criteria" Bezeichnungen und Kriterien für die möglicherweise in der nächsten DSM-Ausgabe enthaltenen "disorders" vorgestellt, die von so genannten "DSM-5 Work Groups" erarbeitet wurden. Hier finden sich dann die bereits zitierten aber auch ernsthaftere psychische Störungen wie "Schizophrenia and Other Psychotic Disorders" oder "Substance-Related Disorders" aufgelistet.

Und als ob die Etikettierung einer menschlichen Lebensäußerung als Krankheit nicht erst als solche wissenschaftlich belegt werden müsste, hängt das weitere Schicksal der ausdrücklich als noch "not final" bezeichneten Krankheitenliste zunächst davon ab, ob und welche Kommentare es zu ihr gibt: "These are initial drafts of the recommendations that have been made to date by the DSM-5 Work Groups. Viewers will be able to submit comments until April 20, 2010. After that time, this site will be available for viewing only."

Ein Kritiker dieser Art der Medikalisierung von normalem Leben und dieses Verfahrens, der Psychiatrieexeperte Christopher Lane, bezeichnet deren wissenschaftliche Untermauerung als "very shaky to non-existent".

Einerseits ist die offene Vorbereitung auf und Verständigung über die nächsten Medikalisierungs-, Pathologisierungs- oder Psychiatrisierungsschübe zu begrüßen - auch wenn es sich dabei um die typisch klandestine Internetoffenheit handelt. Wenn jene LeserInnen, die sich darüber aufregen, noch vor dem 20. April 2010 heftige Beiträge auf der Website platzieren wollen, seien sie hiermit gewarnt: daraus kann schnell eine "explosive disorder" werden!!

Trotzdem sollten die künftigen Gelegenheiten, und dazu gehört dann spätestens die Veröffentlichung des DSM-V im Jahr 2013, der Dokumentation psychischer Erkrankungen genutzt werden, gründlicher und hartnäckiger nach der wissenschaftlichen Evidenz der immer längeren und verzweigteren Symptom- und Syndromkataloge zu fragen und tatsächliche von angeblichen behandlungsbedürftigen Erkrankungen zu trennen.

Die Vorschlags-Liste der potenziell nächsten psychischen Erkrankungen samt der jeweiligen per Link erreichbaren Begründungen ist interaktiv noch bis zum 20.4.2010 zugänglich, danach nur noch als Katalog.

Bernard Braun, 8.4.10


HealthNewsReview.org - Vorbildliche Website bewertet Medienberichte zu Medizin und Gesundheit

Artikel 1741 5 Sterne für "Asprin könnte das Rezidiv-Risiko für Frauen mit Brustkrebs mindern", 1 Stern für "Das Hormon Oxytocin könnte Patienten mit Asperger-Syndrom helfen". Wie diese Bewertungen von Presseberichten zustande kommen, erfahren Sie auf der Website HealthNewsReview.org.
Die Betreiber der Website wollen die Genauigkeit von Medienberichten über medizinische Behandlungen, Untersuchungen und Produkte verbessern. Ziel ist es, den Nutzer unverzerrte, ausgewogene Informationen über Gesundheitsthemen zu vermitteln, damit sie Entscheidungen auf Grundlage der besten Evidenz treffen können. Journalisten sollen dazu angespornt und darin unterstützt werden, ihre Berichte anhand wohldefinierter Qualitätskriterien zu verfassen.
Dafür screent ein multidisziplinäres Team ein breites Spektrum von Tageszeitungen und Nachrichtendiensten und beurteilt die Qualität der Berichte nach einem standardisierten Bewertungssystem, das aus 10 Kriterien besteht. Je nach Bewertung werden zwischen 0 und 5 Sterne vergeben
Herausgeber der preisgekrönten Website ist Gary Schwitzer, Professor an der Abteilung für Journalismus und Massenkommunikation der University of Minnesota.
Finanziert wird die Website von der Foundation for Informed Medical Decision Making, einer non-profit-Organisation, die sich der Verbreitung von Shared Decision-Making widmet.
In der Liste der unabhängigen Experten finden sich prominente Namen, die aufmerksamen Lesern aus Berichten im Forum Gesundheitspolitik bekannt sein dürften, wie Marcia Angell, Lisa Bero, Adriane Fugh-Bergman und Steven Woloshin.

David Klemperer, 21.2.10


Wem die zigste Debatte über Gesundheitsfinanzierung zu unsozial ist: Open Access zu Zeitschrift über Gerechtigkeit und Gleichheit!

Artikel 1726 Wenn die gesundheitspolitische Debatte ab und zu mal wieder aus dem schier endlosen, wenig nachhaltigen und wirkungslosen experto-esoterischen Meer alter, neuer, restaurierter oder revitalisierter Finanzierungsmodelle auftaucht, geraten immer mal wieder auch "weichere" soziale Bedingungen und Resultate für das Funktionieren, die Stabilität und die Wirkkraft des Gesundheitssystems vor ihr Periskop. Dazu zählen u.a. Gerechtigkeit (equity), Gleichheit (equality), Gesundheit als soziales Kapital oder Vertrauen und ihre jeweiligen Gegenteile.

Für einen ersten Ein- und Überblick zum nationalen aber vor allem internationalen Kenntnis- und Forschungsstands über die "weicheren" Bedingungen von Gesundheitssystemen bietet jetzt die gerade komplett seit 2002 offen und kostenlos zugängliche Fachzeitschrift "International Journal for Equity in Health" eine gute Grundlage.
Sie ist offizielles Organ der International Society for Equity in Health. Die Gesellschaft gibt nicht nur diese Zeitschrift heraus, sondern veröffentlicht auch regelmäßig Reports zu gesundheitspolitischen Entwicklungen in Regionen, in denen der freie, gleiche oder gerechte Zugang zu und die Nutzung von Gesundheitseinrichtungen noch keine Selbstverständlichkeiten sind oder gar wegreformiert werden sollen. Aktuell findet man dort den 2006 erschienenen Report "EQUITY AND HEALTH SECTOR REFORM IN LATIN AMERICA AND THE CARRIBBEAN FROM 1995 TO 2005: Approaches and Limitations". Darin geht es um Erfahrungen und Lektionen aus den Gesundheitsreforminitiativen in dieser Region und besonders um Effekte auf die Gerechtigkeit beim Zugang und der Erbringung von Leistungen. Unerfreuliches Ergebnis: "The evidence gathered reveals that for most countries, the implementation of HSR has not delivered the effects expected."

Die Zeitschrift erreicht man u.a. über die "Open Access"-Plattform des "Open Access Publisher Biomed Central home". Es gibt dort auch die Möglichkeit der kostenlosen Registrierung für den Zugang zu den anderen, immer zahlreicher werdenden Open Access-Zeitschriften - als Leser und Autor!

Wer beim "International Journal for Equity in Health" zu stöbern anfängt, startet mit einer nicht nur historisch interessanten "Annotated Bibliography on Equity in Health, 1980-2001" von James A Macinko und Barbara Starfield von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore im Aprilheft 2002 der Zeitschrift (2002, 1:1doi:10.1186/1475-9276-1-1). Weiter geht es zwischendrin beispielsweise mit einem Literatur-Review "Social capital and health: Does egalitarianism matter? A literature review" von M Kamrul Islam, Juan Merlo, Ichiro Kawachi, Martin Lindström und Ulf-G Gerdtham in der Aprilnimmer 2006 weiter (2006, 5:3 [5. April 2006]) und reicht bis zum aktuellsten Aufsatz "Willingness to pay for rapid diagnostic tests for the diagnosis and treatment of malaria in southeast Nigeria: ex post and ex ante" von Benjamin S.C. Uzochukwu, Obinna E Onwujekwe, Nkoli P Uguru, Maduka D. Ughasoro und Ogochukwu P. Ezeoke in der Januarnummer 2010 der Zeitschrift (2010, 9:1 [15. Januar 2010]).

Bernard Braun, 3.2.10


Making of "Cochrane Reviews"? Kein Geheimnis dank "Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions".

Artikel 1705 Cochrane Reviews zählen zu den gründlichsten Analysen und Darstellungen des durch hochwertige empirische, vorrangig randomisierte kontrollierte Studien, belegten oder widerlegten Nutzens von medizinischen oder nichtmedizinischen Interventionen präventiver oder kurativer Art. Neben der Qualität der systematisch reviewten Studien spielen auch die oft mehrjährige Erstellung der systematischen Reviews und Meta-Analysen durch eine Gruppe von Wissenschaftlern, einer so genannten "Cochrane Group", und die für deren Arbeit festgelegte, öffentlich bekannte und daher im Gegensatz zu vielen primären Studien gut nachvollziehbaren Vorgehensweise eine große Rolle für die Verlässlichkeit der Ergebnisse eines Cochrane Review.

Festgelegt sind die Regeln im "Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions", dessen Version 5.0.2 zuletzt im September 2009 geupdatet wurde.

Dieses Handbuch gliedert sich in eine Einführung in die Besonderheit der Cochrane Reviews (CR), der sich zwei große Abschnitte über die allgemeine Methodik der CR und spezielle Ausprägungen und Besonderheiten der CR sowie ein methodischer Anhang anschließen.
Im Teil über die CR-Methodik wird u.a. theoretisch aber auch anhand von Beispielen aus abgeschlossenen CRs dargestellt, wie Fragen gestellt werden, wie nach Studien gesucht wird, welche Verzerrungen beachtet und bewertet werden sollen, wie Meta-Analysen durchgeführt werden, wie die Ergebnisse dargestellt werden, Resultate interpretiert und Schlüsse gezogen werden. Unter den besonderen Fragestellungen finden sich u.a. Darstellungen darüber wie nicht-randomisierte Studien berücksichtigt werden, adversen Effekten, wie man ökonomische Evidenz mitberücksichtigt, welche Rolle die von Patienten berichteten Ergebnisse spielen, wie Reviews mit individuellen Patientendaten aussehen, prospektive Metaanalysen durchgeführt werden, das Gewicht qualitativer Forschung in ihre Einbindung in die Welt der CR aussieht und Reviews über Fragen der öffentlichen Gesundheit und Gesundheitsförderung aussehen.

Wer CRs besser verstehen und sich auch mit methodischer oder inhaltlicher Kritik an einigen von ihnen fundiert auseinandersetzen will oder selber einem Ergebnis kritisch gegenüber steht, sollte sich mit den Vorgaben zum Verständnis und zur Methodik der CR umfassend beschäftigen. Erfreulicherweise ist das Handbuch trotz RCTs und Evidence based medicine (EBM) verhältnismäßig verständlich geschrieben und wichtige Aspekte werden anschaulich beschrieben.

Das mehrere Hundert Seiten umfassende "Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions" wird von Julian PT Higgins und Sally Green herausgegeben, regelmäßig überarbeitet, erscheint in gedruckter und elektronischer Form und ist als PDF-Datei kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 11.1.10


US-Gesundheitsreform zwischen 49 und 1990 Seiten - Quellen zum Gesetzgebungsprozess

Artikel 1664 Wer gedacht hatte, speziell Gesundheitsreformen in Deutschland kämen erst nach Tausenden Seiten von Referentenpapieren, Bundestagsausschussprotokollen und Gesetzentwürfen zustande, irrt sich: Allein das am 7. November 2009 vom US-Repräsentantenhaus verabschiedete "BILL To provide affordable, quality health care for all Americans and reduce the growth in health care spending, and for other purposes" oder etwas kürzer der "Affordable Health Care for America Act" umfasst 1.990 Seiten.

Auch wenn selten mehr als 25 schmale Textzeilen mit großer Schrift auf einer Seite stehen, lässt sich damit keineswegs schnell ein Überblick darüber gewinnen wie die US-Regierung den Zustand beenden will, das teuerste Gesundheitswesen der Welt und konstant über 15% der Bevölkerung ohne bzw. ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz zu haben.

Wer aber die Originallektüre scheut aber dennoch halbwegs schnell über das Gesetz insgesamt oder einzelne inhaltliche Schwerpunkte und die in der bisherigen Debatte relevanten Alternativvorschläge einzelner Parlamentarier oder Komitees informiert sein will, kann dies dank einer von der liberalen "Kaiser Family Foundation (KFF)" eingerichteten und gepflegten Spezial-Website zur US-Gesundheitsreform auch auf weniger Seiten schaffen.

Auf der Website "Health Reform" bietet die KFF einen so genannten "Side-by-side comparison of Major health care reform proposals" an. Dieser enthält sowohl eine achtseitige tabellarisch an den Schwerpunkten des Gesetzes orientierte Darstellung des "House Leadership bill" als auch eine 23 Seiten umfassende, identisch aufgebaute Zusammenstellung der "three Congressional authorizing committee proposals" und schließlich eine 49-seitige Übersicht aller in den parlamentarischen Beratungs- und Entscheidungsprozess eingebrachten Vorschläge zur Gesundheitsreform.

Die interaktiv aufgebaute Website bietet neben den drei voreingestellten Versionen noch die Möglichkeit, einzelne Vorschläge und Themen aufzurufen. Wer also will, kann nachlesen, was der Abgeordnete John Dingell,die "former majority leaders Baker, Daschle und Dole" oder auch der damalige Präsidentschaftskandidat B. Obama ausgearbeitet haben. Ebenso können Interessierte z.B. aufrufen, was zur "long-term care", "cost containment", "state role" oder dem zentralen Thema der "tax changes related to health insurance and to financing health reform" an Daten und Positionen existieren.

Die 1.990 Seiten des "Affordable Health Care for America Act" kann man kostenlos erhalten. Dies gilt auch für die "Health Reform"-Seite der Kaiser Family Foundation über die man interaktiv sämtliche Zusammenstellungen herunterladen kann.

Bernard Braun, 11.11.09


Die "Weisse Liste" veröffentlicht neue Qualitäts-Daten der deutschen Krankenhäuser

Artikel 1649 Die "Weisse Liste", ein nicht-kommerzielles Internetportal, hat jetzt neue Informationen zum Leistungsangebot und zur Behandlungsqualität von etwa 2.000 Krankenhäusern in Deutschland veröffentlicht. Das Portal wird von der Bertelsmann Stiftung und den Dachverbänden der größten Patienten- und Verbraucherorganisationen herausgegeben: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe, Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen, Forum chronisch kranker und behinderter Menschen im Paritätischen Gesamtverband, Sozialverband Deutschland (SoVD), Sozialverband VdK Deutschland, Verbraucherzentrale Bundesverband. Die Website greift auf neu erschienene Qualitätsberichte der Kliniken für das Jahr 2008 zurück.

Um Patienten und Angehörige bei der Suche nach dem für sie passenden Krankenhaus zu unterstützen, werden die Berichte in der Weissen Liste für Patienten verständlich und nutzerfreundlich aufbereitet. Zudem bietet das Portal ab heute verschiedene neue Funktionen und Services, darunter eine individuell erstellbare PDF-Broschüre, die auf den jeweiligen Nutzer persönlich zugeschnitten ist und alle wichtigen Informationen seiner Krankenhaussuche zusammenfasst. Die Broschüre lässt sich mit einem Klick erstellen, nachdem die Suche abgeschlossen ist.

Weiterhin neu ist die neue Funktion der "Markierhilfe". Diese erleichtert das Markieren von Krankenhäusern. So kann man zum Beispiel angeben, dass alle Kliniken markiert werden, die eine bestimmte Fachabteilung anbieten. Oder man lässt alle Krankenhäuser markieren, die eine bestimmte Anzahl von Patienten mit einer Erkrankung behandelt haben.

Patienten können sich in der Weissen Liste über die Qualifikation der Krankenhausärzte, die vorhandenen medizinischen Geräte oder die Erfahrung der Kliniken mit speziellen Behandlungen informieren. Zudem fließen Informationen zur Zufriedenheit ehemaliger Patienten in das Portal ein. Alle Kliniken können an einer standardisierten Patientenbefragung teilnehmen. Ein integrierter Diagnosen-Dolmetscher, rund 4.000 allgemeinverständlich übersetzte Fachbegriffe und ein spezieller, interaktiver Suchassistent machen es möglich, dass die Nutzer auch ohne Fachkenntnisse suchen und Krankenhäuser direkt miteinander vergleichen können.

Übergeordnetes Ziel des Portals ist es, das Gesundheitssystem transparenter und verständlicher zu machen. Die Krankenhaussuche ist der erste Schritt, Informationen über weitere Gesundheitsanbieter sollen folgen. Das Portal ist seit Juni vergangenen Jahres online zugänglich. Alle gesetzlichen Krankenkassen haben die Möglichkeit, die Krankenhaussuche in ihren Internetauftritt einzubinden. Neben der Barmer, der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) und der KKH-Allianz veröffentlichen neuerdings auch die AOK die Weisse Liste in ihrem Internetangebot. Die Kassen informieren insgesamt rund 34 Millionen Versicherte mithilfe des Portals.

Die Weisse Liste

Gerd Marstedt, 30.9.09


Adhärenz bei Drogenabhängigen - und es geht doch

Artikel 1580 NutzerInnen illegaler Drogen gelten gemeinhin als schwieriges Klientel, auch in der medizinischen Versorgung. Seit 20 Jahren unterstützt ein interdisziplinäres Team aus Pflegenden, Ärzten, Zahnärzten, Zahnarzthelfern und Sozialarbeitern in Berlin-Kreuzberg intravenös applizierende Drogenkonsumenten mit einem speziell auf diese Zielgruppe zugeschnittenen niedrigschwelligen, aufsuchenden und Sucht begleitenden Angebot. Nun erfuhr das Gesundheitsteam des eingetragenen Verein Fixpunkt e.V. eine besondere Auszeichnung für die langjährige, teilweise mühevolle Arbeit mit chronisch Drogenkranken und erhielt den mit 10.000 Euro dotierten Ehrenpreis des Berliner Gesundheitspreises.

Der vom AOK-Bundesverband und der Berliner Ärztekammer gemeinsam ausgelobte Berliner Gesundheitspreis 2008 stand unter dem Motto "Gesagt ist nicht getan" und widmete sich dem Thema der Adherence. Nach der Formulierung des AOK-Bundesverbandes beschreibt Adhärenz das Maß der Übereinstimmung des Patientenverhaltens der mit den gemeinsam mit Arzt oder Ärztin beschlossenen Behandlungszielen. Der Begriff Adherence trägt dem veränderten Rollenverständnis zwischen A(e)rztIn und PatientIn Rechnung, indem er eine partnerschaftliche Verständigung über Art und Umfang der Therapie voraussetzt und den PatientInnen eine aktive und eigenverantwortliche Rolle in der Therapie zubilligt. Der Begriff ersetzt zunehmend den herkömmlichen Ansatz der Compliance, dem eine asymmetrische Arzt-Patienten-Beziehung zugrunde liegt.

Der Arbeitsansatz des Fixpunkt-Gesundheitsmobils basiert auf den Prinzipien der Suchtakzeptanz und Hilfe zur Selbsthilfe, Gesundheitsförderung und Stärkung des Gesundheitsbewusstseins der Konsumenten illegaler Drogen stehen in den Mittelpunkt. Seit 2007 erfolgt im Rahmen eines niedrigschwelligen Angebots für intravenös applizierende Drogengebraucher in Berlin die Behandlung chronischer Wunden mit Methoden des "modernen Wundmanagement" nach ICW an (Initiative chronische Wunden). Chronisch-venöse Hautveränderungen spielen nämlich bei Langzeitgebrauchern illegaler Drogen eine zunehmende Rolle. Biomedizinische und psychosoziale Besonderheiten dieser Gruppe erschweren die angemessene Behandlung chronischer Wunden und erfordern einen speziellen Therapieansatz.

Primäre Zielgruppe dieses neuartigen Therapieangebots sind Drogenabhängige mit chronischen Hautulcera, die mindestens 10-mal in einem Jahr zur Behandlung kommen. Dieses neue, patientenorientierte Verfahren, das aufgrund begrenzter Ressourcen nur ausgewählten Patienten zur Verfügung steht, ergänzt oder ersetzt bisherige Therapieansätze. Nach Einführung des Wundmanagement nach ICW zeigte sich ein signifikanter Zuwachs der medizinischen Kontakte drogenabhängiger Patienten aufgrund von chronischen Hautgeschwüren. Insgesamt stiegen die Behandlungszahl chronischer Ulcera seit Einführung des Wundmanagement um über 60 Prozent gegenüber den Durchschnittswerten der vorangegangenen vier Jahre und ihr Anteil an den Behandlungen insgesamt um 38 Prozent. Die verbesserte Adherence bei Anwendung des Wundmanagement nach ICW ermöglicht bei dieser speziellen Patientengruppe die wirksame Prophylaxe von Superinfektionen und anderen Komplikationen sowie insgesamt eine verbesserte Heilungstendenz bei chronischen Wunden.

Adherence ist eine wichtige Voraussetzung, um Patienten in speziellen gesundheitlichen und sozialen Bedingungen eine langwierige und belastende Behandlung zu ermöglichen. Angepasstes Wundmanagement nach ICW verbessert bei der Behandlung chronischer Wunden intravenös applizierender Drogengebraucher die Adherence und damit die Voraussetzungen für einen Therapieerfolg. Auch wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen neuartigen Wundauflagen und Behandlungsergebnis bisher unbewiesen ist, zeigt sich vermutlich aufgrund begleitender Maßnahmen eine Überlegenheit dieses Behandlungskonzepts bei der speziellen Zielgruppe Drogenabhängiger. Auf der Website des AOK-Bundesverbandes findet sich eine kurze Darstellung der Arbeit von Fixpunkt e.V.. Die G+G-Sonderausgabe zum Thema Gesagt ist nicht getan - Adherence Arzt und Patient in gemeinsamer Verantwortung stellt neben den beiden Hauptpreisträgern auch die Gesundheitsarbeit von Fixpunkt vor.

So weit, so gut. Neben der allgemeinen Anerkennung für die Arbeit des Gesundheitsteam von Fixpunkt e.V. brachte die Verleihung des Berliner Gesundheitspreises 2008 aber auch etwas ganz anderes zum Vorschein. Offenbar ist die Geschäftsleitung des mittlerweile auf über 30 MitarbeiterInnen angewachsenen Vereins weder mit grundlegenden Fragen des Personalmanagements vertraut noch den Anforderungen an die Personalführung bei einer solchen Zahl von Beschäftigten gewachsen. Der Vereinsvorstand, teilweise durch enge verwandtschaftliche Beziehungen zur Geschäftsführung befangen, erweist sich als uninformiert über die Auswirkungen der verfehlten Personalführung auf das Versorgungsangebot und als nachhaltig unfähig, seiner Verantwortlichkeit sowohl für den Verein als auch für dessen MitarbeiterInnen nachzukommen und Schaden von dem Verein abzuwenden. So fördert er den Druck der Geschäftsführung auf einzelne MitarbeiterInnen, sich in der Gehaltsgruppe zurückstufen zu lassen, deckt das unverhohlen Mobbing gegenüber solchen Angestellten, die sich dagegen zur Wehr setzen, und deckt das autoritäre Gebaren der Geschäftsführung.

Außenstehende bekommen unweigerlich den Eindruck, bei Fixpunkt herrschten Arbeitsverhältnisse wie bei Lidl. In der Tat empfinden etliche Mitarbeiter die Arbeitsbedingungen als bedrückend, Maßnahmen der Geschäftsführung als willkürlich und die Beschäftigungssituation bei Fixpunkt e.V. als demotivierend. Mobbing, Willkür und fehlende Transparenz und Partizipationsfähigkeit führen zunehmend zum Abwandern langjähriger, verdienter MitarbeiterInnen. Geäußerte Kritik hat nur dazu geführt, dass die Beschäftigten einen Maulkorb umgehängt bekommen und ihnen bei Zuwiderhandlung Abmahnung oder gar Entlassung drohen. Die Folgen einer derart unprofessionellen Personalpolitik erscheinen geeignet, eine wichtige Selbstverpflichtung von Fixpunkt e.V. in Frage zu stellen, nämlich die Aussage "Wir arbeiten verbindlich, kontinuierlich und kompetent", die ebenso im Leitbild des Vereins nachzulesen ist wie der Satz: "Wir pflegen Strukturen, die für jedeN MitarbeiterIn persönliche Entfaltungsmöglichkeiten schaffen", gegen den Vorstand wie Geschäftsführung ganz offensichtlich verstoßen. Auch die Aussage "Wir entwickeln und realisieren effektiv, zuverlässig und wirtschaftlich Angebote zur Verbesserung der Lebenssituation und der gesundheitlichen Situation von Konsumenten illegaler Drogen" (Hervorhebung Forum Gesundheitspolitik) bedarf sicherlich unter den aktuellen Umständen einer angemessenen Überprüfung.

Deren menschenverachtendes Verhalten, die völlige Kritikunfähigkeit und die Weigerung, den unhaltbaren Zuständen mit professioneller Hilfe zu begegnen, haben mittlerweile dazu geführt, dass ein ärztlicher Mitarbeiter wegen fristloser Kündigung die Arbeit auf dem Gesundheitsmobil einstellen musste und drei ÄrztInnen ihre Mitarbeit aufgekündigt haben. Deswegen und in Folge zusätzlicher, teilweise längerer Krankheitsausfälle des Pflegepersonals konnte Fixpunkt e.V. phasenweise eine Grundvoraussetzung für Adhärenz, nämlich die Kontinuität des Versorgungsangebots, nicht oder nur mit fachlich nicht adäquat vorbereitetem Personal aufrechterhalten. So fordert beispielsweise das britische Royal College of Nursing nicht nur eine regelmäßige Begutachtung der Wunden und ihrer Entwicklung, sondern empfiehlt auch, diese Kontrollen möglichst in der Hand eines hinreichend qualifizierten Behandlers zu belassen. Doch die unprofessionelle Personalpolitik von Fixpunkt e.V. hat erstens in der Wundbehandlung sehr erfahrene Experten herausgedrängt bzw. durch MitarbeiterInnen ohne gleichwertige Qualifikation ersetzt und zweitens das zuverlässige Aufrechterhalten der kontinuierlichen medizinischen Versorgung phasenweise unmöglich gemacht. Im ersten Halbjahr 2009 hat die soeben ausgezeichnete besondere Arbeit des Fixpunkt-Gesundheitsteams schweren Schaden genommen und die Träger des Vereins billigend eventuelle Befundverschlechterungen und Gefährdungen der PatientInnen in Kauf genommen. Das lässt sich aus den ausführlichen Guidelines des Royal College of Nursing ableiten, die hier kostenlos zum Download zur Verfügung stehen: The nursing management of patients with venous leg ulcers.

Auch die Träger des Berliner Gesundheitspreises 2008 weigerten sich, diese Problematik angemessen zur Kenntnis zu nehmen, obwohl die AOK erneut in Ausgabe 03 ihres Medienservices vom 12.6.2009 in dem Beitrag Krankheit durch Stress am Arbeitsplatz muss nicht sein ausdrücklich auf die krankmachenden Effekte von Distress und Kommunikationsproblemen m Arbeitsplatz hinweist. So erfolgte die Preisverleihung trotz der unübersehbaren Schwierigkeiten und die Berichterstattung in der entsprechenden Presseerklärung ließ diese Problematik unerwähnt. Auch die übrige mediale Berichterstattung stand eher im Zeichen von Friede, Freude und Eierkuchen denn im Dienste einer angemessenen Aufklärung der Öffentlichkeit. So berichtete der Berliner Tagesspiegel am 21.4.2009 anlässlich der Preisverleihung in dem Artikel Drogenbus am Kotti bekommt Gesundheitspreis über die Arbeit des Gesundheitsmobil vor Ort. Die grundlegenden Probleme in dem Verein und bei der Nachhaltigkeit des Angebots fanden in dem Beitrag Wunder Punkt ebenfalls keine Erwähnung.

Hier können die LeserInnen des Forum Gesundheitspolitik exklusiv die Präsentation als Volltext heruterladen, mit der sich das Team des Fixpunkt-Gesundheitsmobils erfolgreich um den Berliner Gesundheitspreis 2008 bewarb: Behandlung intravenös injizierender Drogengebraucher mit chronischen Wunden im Rahmen eines niedrigschwelligen Angebots nach Leitlinien des modernen Wundmanagements gemäß ICW.

Jens Holst, 17.6.09


"Cochrane Reviews of Prevention and Treatment of Influenza" - Zu Evidenzen bei der Prävention und Behandlung von Virusgrippe

Artikel 1560 Die qualitativ hochwertigen Reviews der Cochrane Collaboration sind wegen ihrer wissenschaftlichen Gründlichkeit meist oder zunächst nicht geeignet, aktuelle Antworten zu tagesaktuellen gesundheitlichen Problemen zu liefern. Dies gilt auch für die Frage, ob und wie die Schweinegrippe zu verhindern, zu behandeln oder zumindest in ihrer Verbreitung behindert werden kann.

Da es sich weder bei der Virusgrippe im allgemeinen noch bei der Schweinegrippe und ihrer Prävention wie Behandlung um völlig neue Probleme handelt, existieren aber trotz der mangelnden Tagesaktualität aus der jüngeren Vergangenheit verschiedene Cochrane-Reviews, die sich mit dem Forschungsstand zu den genannten Fragen zum Teil und mit der gewohnten Seriosität beschäftigt haben.

Die Cochrane Collaboration hat diese Reviews nun in einem speziellen Bereich der "Cochrane Reviews of Prevention and Treatment of Influenza" inhaltlich zusammengestellt und sie in den meisten Fällen kostenlos als PDF-Dateien zugänglich gemacht.

Zu den Aspekten, zu denen dort meist sehr ausführliche Original-Reviews verfpügbar gemacht werden, gehören

• Interventionen, um die Verbreitung des Grippevirus zu verhindern, mit den inhaltlichen Schwerpunkten "physical methods" und "dugs".
• Impfung gegen die Grippe bei "healthy people" und "people with other illnesses".
• Interventionen zur Behandlung der Grippe mit den Schwerpunkten "drugs", "Complementary and alternative medicines" und "other interventions".

Die Seite der "Cochrane Reviews of Prevention and Treatment of Influenza" auf der dann weit über 20 Reviews mit speziellen Untersuchungen zur Evidence der Behandlung von Virusgrippen verfügbar sind, gewährt kostenlosen Zugang zu kompletten wissenschaftlichen Aufsätzen und Studien zum Thema.

Bernard Braun, 18.5.09


Informiert über und für "shared decision making" - Annotierte Bibliographie der "Foundation for Informed Medical Decision Making"

Artikel 1556 "Shared decision making" (SDM) oder partizipative Entscheidungsfindung ist einer der avanciertesten Versuche, die gesundheitlichen und sozialen Nachteile der lange Zeit in der ärztlichen Berufsausübung dominanten paternalistischen Arzt-Patientbeziehung zu vermeiden und Arztpraxen vom Odium einer "beteiligungsfreien Zone" zu befreien.
Über wichtige Forschungsergebnisse zu den erwünschten und unerwünschten Wirkungen von SDM, den Stand ihrer Implementation in verschiedenen Gesundheitssystemen und die dafür notwendigen fördernden Bedingungen beschäftigt sich das forum-gesundheitspolitik in einer eigenen Rubrik "Shared decision making, partizipative Entscheidungsfindung" schon lange.

Auf der Website der FIMDM finden sich zu den wichtigsten Aspekten, Instrumenten und Verfahren von SDM weitere Darstellungen und Materialien. Neben der Frage "What is an informed medical decision?", einer Darstellung der "problems with medical decision making" und einer Darstellungen zur Evidenzbasis von SDM finden sich praktische Darstellung der Implementation von SDM im "primary" und "speciality care"-Bereich oder im Rahmen der "Breast Cancer Initiative". Zusätzlich gibt es eine Übersicht über die wichtigen Entscheidungshilfen, also den so genannten "patient decision aids" und dabei einzuhaltenden Qualitätsstandards. Außerdem vermittelt die Seite noch einen Eindruck zu den Beiträgen der US-Gesundheitspolitik zur Verbreitung von SDM.

Einen zusätzlichen enormen Nutzen stiftet eine 109 Seiten umfassende Zusammenstellung wissenschaftlicher Literatur (mit Schwerpunkt auf Aufsätzen) über die Hauptaspekte von SDM, die nicht nur Titel, sondern praktisch zu jedem Aufsatz auch ein aussagekräftiges Abstract enthält. Die Literatur stammt fast ausschließlich aus dem angelsächsischen Bereich und deckt den Erkenntnissstand bis Ende 2007 ab.

Die 13 inhaltlichen Schwerpunkte liegen bei den Themen Decision Making, Decision Quality, Variation, Evidence Based Medicine, Patient Preferences, Patient Satisfaction, Patient Involvement, Physician Practice, Patient-Physician Relationship, Implementation, Decision Aids, Decision Specific Trials (u.a. zu Abtreibung, Kaiserschnitt, PSA-Test oder Bluthochdruck) und anderen Themen.
Schließt kommt man über die FIMDM auch auf die Startseite für das "Ottawa Decision Support Tutorial (ODST)", einem Online-Tutorial, das Praktikern im Gesundheitswesen helfen soll, Fähigkeiten zu entwickeln, um Unterstützung bei Entscheidungen liefern zu können. Wer sich nicht den passwortgeschützten Zugang beschaffen kann oder will, kann aber auch eine 41 Seiten umfassende PDF-Version mit dem Titel "Decisional conflict: Supporting people experiencing uncertainty about options affecting their health" von O'Connor und Jacobsen aus dem Jahr 2007 kostenlos herunterladen.

Ergänzend führt ein weiterer Link auf ein A-Z-Verzeichnis von überwiegend angelsächsischen "decision aids" und das von der Cochrane Systematic Review Group getragene Cochrane Inventory von Decision Aids.

Bernard Braun, 13.5.09


Ausbreitung der Schweinegrippe "seems unlikely", aber sorgfältiges Monitoring notwendig - Das NEJM-"H1N1 Influenca Center"

Artikel 1553 Es ist gerade einen Monat her, dass die ersten aktuellen Fälle einer Erkrankung an dem unter der griffigen Bezeichnung "Schweinegrippe" kommunizierten H1N1-Grippevirus beobachtet wurden und bisher auch eine wider Erwarten geringe Anzahl von Erkrankten an dieser Erkrankung verstarb.

Seriöse Experten, Institutionen und Medien kommen zu zwei Zwischenerkenntnissen, die in klarem Gegensatz zu der seit zwei Wochen insbesondere in zahlreichen Massenmedien betriebenen Pandemie-Weltuntergangsstimmung stehen.
Offensichtlich kommt die Kommunikation gesundheitlicher Risiken seit einigen Jahren nicht mehr ohne die regelmäßige (Neu-)Entdeckung von Killer- (so im Titel eines ARD-Filmes) oder "Weltviren" (so der Titel der SPIEGEL-Ausgabe vom 4.5.2009) aus: Zu den prominenten und zu Beginn ähnlich kommunizierten Vorgängern gehören neben der "normalen" Virusgrippe SARS und die Vogelgrippe, massenhaft kommunizierte bakterielle Weltbedrohungen waren in der Vergangenheit z.B. Ebola oder Denge. Dem Menetekel und dem häufig bemühten aber grottenschiefen Vergleich mit der Grippepandemie der Jahre 1918/19 mit ihren rund 50 Millionen Toten folgt aber zumindest in den Massenmedien nur selten eine Darstellung und Bewertung der weiteren Verläufe der Krankheit und ihrer zum Teil erfolgreichen Bekämpfung. So kommt es auch zu solch bizarren Informationssituationen, dass z.B. die jährlich rund 500.000 Toten der "normalen" Virusgrippe ganz zu schweigen von den Millionen von Menschen, die jährlich an Malaria oder an Durchfallerkrankungen weitgehend vermeidbar versterben, gegenüber den bisher an der Vogel- und Schweinegrippe verstorbenen mehreren hundert Menschen (jeder Tote ist selbstverständlich einer zu viel) fast ignoriert werden. Unbekannt bleibt bzw. es wird nicht dargestellt, dass an der ebenfalls als potenziell pandemisch kommunizierten SARS-Erkrankung seit Jahren maximal 1.000 Menschen starben.

Umso wichtiger ist es aus gesundheitswissenschaftlicher wie -politischer Sicht endlich eine inhaltlich klare, wissenschaftlich solide und korrekte, ohne Verängstigung verlaufende öffentliche Risikokommunikation zu gewährleisten.

Das angesehene US-Medizinjournal "New England Journal of Medicine (NEJM)" versucht dies nun für die Schweinegrippe hin zu bekommen und formuliert zum Beginn seiner Bemühungen in einem Editorial seiner Ausgabe vom 7.Mai 2009 zwei wichtige Ausgangsaspekte:

• "It seems unlikely that this outbreak will lead to widespread, severe illness and deaths."
• "However, this may be just the first wave, and we will carefully monitor this outbreak"

Um nicht selbst bei nächster Gelegenheit dem Hang zur selbstorganisierten Vergesslichkeit zu verfallen, richtet die NEJM-Redaktion ab sofort ein allen Interessenten offenes und kostenlos zur Verfügung stehendes "H1N1 Influenca Center" ein, das auf einem vorrangig an "health professionals" gerichteten Niveau Forschungsarbeiten und andere wissenschaftliche Artikel des NEJM zum Thema dokumentiert sowie Zusammenfassungen anderer Arbeiten aus der "Journal Watch"-Redaktion und andere Kommentare wichtiger Artikel in anderen Publikationsorganen an einem Ort zugänglich macht.
Damit entfällt zum Teil das oft gehörte Argument, der Zeitaufwand, sich diesen Wissensstand selber im Internet und Bibliotheken zu verschaffen, sei zu hoch.
Zusätzlich findet auf der Center-Seite auch stets aktualisierte Überblicke über den Stand der Verbreitung und unerwünschten Folgen der Schweinegrippe und das dafür verwandte Datenmaterial der WHO und der US-"Centers for disease control and prevention". Für die immer größer werdende Zahl von Menschen, deren Problemwahrnehmung blickorientiert verläuft, gibt es auch noch eine interaktive Landkarte mit den wichtigsten Eckdaten der Schweinegrippenentwicklung in den USA und dem Rest der Welt.

Ergänzt werden die Publikationen zur aktuellen Entwicklung durch historische Arbeiten über vergangene Grippe- und auch Schweinegrippeepidemien und -pandemien z.B. 1976 in den USA oder eben auch die in der Tat bedrohliche Referenz-Pandemie des Jahres 1918. Die Artikel aber durchaus noch zurück bis zum Jahre 1837.

Ergänzend zu diesen Aufsätzen lohnt sich die Lektüre einer gerade vom "Institute of Medicine (IOM)" der USA als freies PDF-Dokument wiederveröffentlichten Studie über den Verlauf und den Umgang mit einer bereits 1976 in den USA aufgetretenen Schweinegrippen-Epidemie. Der darüber von Richard E. Neustadt und Harvey V. Fineberg 1978 verfasste Report hat den Titel "Swine Flu Affair Decision-Making on a Slippery Disease", enthält auf 166 Seiten eine ausführliche Darstellung des von der damaligen US-Regierung verabschiedeten Immunisierungsprogramms und stellt zum Teil hochaktuelle "lessons" dar, "to help cope with similar situations in the future". Zu den Problemen des Umgangs mit dieser Erkrankung deutet bereits der Titel der Studie eine wesentliche Grundbedingung an, ihre schlechte Fassbarkeit. Entsprechend charakterisierten Neustadt und Fineberg die damalige Intervention als eine Abfolge von Kontroversen, Verspätungen, Verwaltungsdurcheinander, gesetzliche Unklarheiten, unvorgesehene Nebeneffekten und einem fortschreitenden Verlust der Glaubwürdigkeit der damaligen Public Health-Autoritäten. Selbst wenn viele Einzelheiten dieses Berichts keinen unmittelbaren Nutzen haben, stellt er ein bemerkenswertes Beispiel dar, wie komplex und flexibel wirksame gesundheitliche Programme aussehen müssen und was sie gefährdet.

Die Studie von Neustadt und Fineberg "Swine Flu Affair Decision-Making on a Slippery Disease" ist vom IOM kostenlos als PDF-Datei erhältlich.

Das NEJM-Editorial "H1N1 Influenza A Disease — Information for Health Professionals" von Lindsey R. Baden, Jeffrey M. Drazen, Patricia A. Kritek, Gregory D. Curfman, M.D., Stephen Morrissey, Ph.D. und Edward W. Campion, M.D. ist kostenlos erhältlich. Die direkte Adressierung bedeutet aber nicht, dass Nicht-Ärzte nichts mit Informationen anfangen könnten.

Das H1N1 Influenca Center ist entweder über das Editorial oder direkt zu erreichen und steht mit seinen Inhalten zumindest im Moment kostenlos jedermann zur Verfügung.

Dies gilt auch für die "Gesundheits- oder Krankheits-Landkarte".

Bernard Braun, 10.5.09


Kostenlose Grafiken und Tabellen über das US-Gesundheitssystem im Präsentationsformat - Das Angebot "Kaiser slides".

Artikel 1546 Das immer wieder für Interessenten an wichtigen Fragen des us-amerikanischen Gesundheitswesens und seiner Reformen empfehlenswerte Informationsangebot der liberalen "Kaiser Family Foundation (KFF)" enthält mit "Kaiser slides" auch ein umfangreiches Angebot von inhaltlich gehaltvollen und professionell erstellten Powerpoint-Abbildungen, Tabellen und Grafiken zu einer Reihe der wichtigsten Themenbereiche.

Die durchweg herunterladbaren und in eigene Präsentationen bzw. "slideshows" einfügbaren Abbildungen etc. befassen sich mit Medicaid/CHIP, Medicare, Costs/Insurance, Uninsured/coverage, Public opinion und Umfrageergebnisse zu Gesundheitsfragen, HIV/AIDS, minority health, women's health policy, media and health und global health-Fragen. Für jeden dieser Bereiche liefert die KFF-Seite bis an die 30 Abbildungen auf der Basis eigener und von anderen seriösen Akteuren durchgeführten wissenschaftlichen Surveys oder Studien nach denen auch einzeln thematisch über ein Suchfenster gesucht werden kann.

Über die Slides-Seite erhält man auch direkt Zugang zu weiteren bei der Information über die Strukturen des und das Geschehen im US-Gesundheitswesen hilfreichen Datentools. Dies ist zum einen der Zugang zu einem Chartbook über "Health Insurance Coverage in America, 2007" und dann Kurzinformationen und Links zu so genannten
"Quick Takes", die z.B. Informationen des folgenden Typs enthalten: The top 1% of the U.S. population was responsible for 21% of health care spending in 2006 und 45 million nonelderly Americans were uninsured in 2007, and eight in ten were in families with at least one worker.
"Key fact sheets" vom Typ "Women's Health Insurance Coverage" und
"Online Data Tools" wie beispielsweise dem "wiederum äußerst materialreichen "Health poll search". Was dieser für den daran Interessierten bietet umreißen dessen Verwalter so: "Health Poll Search is a searchable archive of public opinion questions on health issues that allows users to know what Americans think about health issues, as well as what Americans have thought about health issues over time." Die Datenbasis geht zurück bis ins Jahr 1935.

Den Zugang zu den "Kaiser slides" der Kaiser Family Foundation und deren Nutzung ist kostenlos.

Bernard Braun, 28.4.09


"Obama übernehmen Sie" - Worauf die neue US-Regierung bei ihrer beabsichtigten Gesundheitssystemreform achten muss.

Artikel 1498 Zu einem der überfälligsten und größten Reformprojekte des neu gewählten US-Präsidenten Barack Obama und seiner Regierung gehört eine radikale Reform des Gesundheitssystems.

Was dabei zu beachten ist und wie diese Regierung verhindern kann, ähnlich wie die erste Clinton-Administration mit einer derartigen Reform zu scheitern, findet sich in 37 wissenschaftlichen Beiträgen, die seit kurzem unter der Überschrift "Health Care and the new administration" in einer Spezialrubrik der renommierten Medizinzeitschrift "The New England Journal of Medicine (NEJM)" zusammengefasst und in den meisten Fällen auch komplett frei zugänglich sind. Es handelt sich hierbei ausschließlich aus Beiträgen, die im NEJM seit Ende 2007 und bis Februar 2009 erschienen sind.
Die Zeitschrift hatte nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie aus wissenschaftlicher wie gesundheitspolitischer Sicht, eine Reform für notwendig hält, die neben einem freien Zugang aller US-Amerikaner zu einer Krankenversicherung auch das zum Teil nicht notwendige und überteuerte Versorgungsangebot auf einer Evidenzbasis einschränkt.

Folgende Beiträge verdienen besondere Aufmerksamkeit:

• "Slowing the growth of health care costs -lessons from regional variation" mit Hinweisen, wie in manchen Regionen der USA die "Kostenkurve gebändigt" werden konnte,
• "Expanding coverage for children" als Beispiel wie bereits am 4. Februar 2009 ein Schritt in den vollen Versicherungsschutz von Kindern getan wurde,
• "Reforming Medicare's physician payment system",
• "Visions for change in U.S. Health Care - The players and the possibilities",
• "The lessons of success - Revisiting the medicare story" aus dem Jahr 1965 als ein Beispiel, dass solche Reformen in den USA straff und schnell erfolgen müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen,
• "1994 all over again? Public opinion and health care" mit Hinweisen, warum die Clinton-Reform aus dem Jahr 1992 gescheitert ist,
• "Learning from failure in health care reform", ein Beitrag, der sich auch um das Scheitern der Clinton-Reform kümmert und
• "Market-based failure - A second opinion on U.S. health care costs", ein Beitrag, der versucht den kostentreibenden Effekt der Kommerzialisierung des US-Systems nachzuweisen.

Links zu allen Beiträgen zum Thema "Health care and the new administration" finden sich auf der Website des NEJM.

Bernard Braun, 26.2.09


Aküfi in Medizin und Gesundheitswesen

Artikel 1479 Was heißt denn noch mal das CC bei den Fallpauschalen im Krankenhaus oder was meint HAP, HAWIE oder HAWIK? Man muss nicht unbedingt an prädementiellen Symptomen leiden, wenn in der Überfülle der Abkürzungen oder Akronyme im Gesundheitswesen nicht mehr sofort präsent ist, um was es geht.
Wer dann nicht am besten mehrere Medizinlexika im Bücherregal stehen hat, dem hilft seit einiger Zeit ein internetbasiertes Verzeichnis von aktuell 2.836 medizinischen Abkürzungen. Die Verfasser spannen den Bogen ihres Verzeichnisses aber weit über den medizinischen Bereich hinaus, d.h. man findet auch eine Erklärung für die gewesene BfA oder die DMP.

Bei manchen Abkürzungen tun sich die Verfasser allerdings etwas schwer. So schlagen sie z.B. als Langform der Abkürzung E605 "Insektizid enthält Parathion" vor. Dies ist aber weder die Abkürzung ("E" steht für die alte Kennzeichnung "Entwicklungsnummer" und keinesfalls für "Europa" oder gar "edible/essbar" und 605 war das 605te Produkt) noch kann der Nichtkenner von Parathion die Giftigkeit des auch als "Schwiegermuttergift" berühmt gewordenen Stoffes erkennen.

Neben dem Abkürzungsverzeichnis findet man noch einen Endoskopieatlas, Sonographieatlas und "Alte Bücher" aus der Medizin (Vorsicht: Diagnostik und Therapie können veraltet sein und bei Anwendung Schaden anrichten).

Möglich ist nach Angaben der Macher dieser Website auch die aktive Mitarbeit von NutzerInnen bei der Korrektur alter und Aufnahme neuer Abkürzungen. Stoff genug liefert die GMG/WSG- und M-RSA-Gesundheitspolitik allemal genug.

Die genannten Erklärungsangebote erreicht man kostenlos und ohne allzu viel von der vorhandenen Werbung belästigt zu werden.

Bernard Braun, 4.2.09


Gesundheit, Altern und Ruhestand in Europa: Erste Ergebnisse der SHARE-Studie

Artikel 1424 Die SHARE-Studie (Survey of Health, Ageing, and Retirement in Europe) hat über 40.000 Personen im Alter über 50 Jahren zu ihrer Gesundheit und wirtschaftlichen Situation, zu sozialen und familiären Beziehungen befragt. Einbezogen wurden Ältere unter anderem in Österreich, Deutschland und der Schweiz sowie weiteren 12 Ländern in Europa. Über 1.000 Wissenschaftler haben bereits auf Grundlage der Daten der ersten Welle eine Fülle von Forschungsergebnissen erzielt. Auf der Homepage des Projekts werden einige dieser Befunde jetzt vorgestellt. So zeigt sich beispielsweise im Bereich Gesundheit:

• Nordeuropäer sind gesünder und reicher, aber die Menschen im Süden leben länger. Am zufriedensten mit ihrer Gesundheit sind die Dänen, gefolgt von den Schweden und Schweizern.
• Wie gesund Männer und Frauen in Europa leben, hängt überall stark von Einkommen und Ausbildung ab. Befragte mit einem niedrigen Bildungsabschluss bewegen sich wesentlich seltener und leiden häufiger unter Gewichtsproblemen als Gleichaltrige mit einem höheren Schulabschluss. In allen Ländern sind Männer deutlich häufiger übergewichtig als Frauen.
• In einigen Ländern stellt Armut im Alter noch immer ein ernst zu nehmendes Problem dar. Im Süden müssen Personen über 50 generell mit weniger Einkommen als im Norden auskommen. Allerdings ergibt sich ein positiveres Bild, wenn etwa der Besitz eines eigenen Hauses mitberücksichtigt wird. Finanzielle Not wird außerdem oft durch die Nähe zur Familie gelindert. Als wichtiger Schutz vor Armut erweist sich das Zusammenleben mit Kindern - nicht nur in einem Haushalt, sondern auch in getrennten Wohnungen innerhalb eines Hauses. Dies betrifft nicht nur Senioren in Südeuropa, sondern auch in Deutschland und Österreich.
• Das Renteneintrittsalter ist in Europa sehr unterschiedlich. Der Faktor Gesundheit scheint dabei eine geringere Rolle zu spielen, als allgemein angenommen wird. Eine große Bedeutung kommt hingegen Unterschieden im Renten- und Sozialsystem zu. In Ländern wie Österreich oder Frankreich, in denen die Frühverrentung finanziell gefördert wird, nutzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer diese Möglichkeit auch verstärkt.
• Die Ergebnisse von "50+ in Europa" zeigen außerdem, wie wichtig Zufriedenheit am Arbeitsplatz ist. Zufriedene Arbeitnehmer arbeiten länger. Auch Eigenverantwortung und Anerkennung im Beruf fördern ein längeres Arbeitsleben. Schlechte Bedingungen am Arbeitsplatz gehen dagegen häufig mit Gesundheitsproblemen und einem frühen Renteneintritt einher.

Die Daten der zweiten Erhebungswelle des Survey of Health, Ageing, and Retirement in Europe (SHARE) sind ab sofort für Wissenschaftler in der ganzen Welt kostenlos, via Download, zugänglich. SHARE reagiert damit auf die Aufforderung des Europäischen Rats, eine systematische Datenbasis für die empirische Alternsforschung in Europa aufzubauen. SHARE enthält Umfragedaten zur Gesundheit, zur wirtschaftlichen Situation, und zu sozialen und familiären Beziehungen von mehr als 40.000 Personen ab einem Alter von 50 Jahren.

• Homepage: SHARE - Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe
Download erster Untersuchungsergebnisse, einzelne Kapitel, englisch
Download Gesamtbericht aller Kapitel, englisch
"50+ in Europa" - Erste Ergebnisse im Überblick, deutsch

Gerd Marstedt, 28.11.08


Die Anatomie des menschlichen Körpers: Kostenlos, interaktiv und in 3D

Artikel 1406 Zugegeben: So richtig nützlich ist diese Website wohl nur für den Biologie-Unterricht von Schülern oder für Medizin-Studenten, die ihre Anatomie-Kenntnisse verbessern wollen. Doch auch neugierige Mitmenschen, die schon einmal Interesse hatten an Gunther von Hagens Ausstellung "Körperwelten", aber sich dann nicht in die Ausstellung trauten, werden auf der Website "Visible Body" auf ihre Kosten kommen und sogar gewisse Ähnlichkeiten der 3D-Bilder mit von Hagens "Plastinations"-Objekten erkennen.

"Visible Body" zeigt 3D-Bilder des menschlichen Körpers: Im Überblick und von weit, aber auch zoombar und von ganz nahe. Mit einem Mausklick kann man zum Knochenapparat die Muskeln hinzufügen oder auch die Nerven, kann vom Kopf hinunterschwenken zur Körpermitte, dort das Verdauungssystem samt Dünn- und Dickdarm ein- und ausblenden, weiter abtauchen zum Uro-Genital-System und so weiter.

Für das Betrachten der wirklich sehr beeindruckenden 3D-Bilder ist lediglich ein Flash-Player (ab Version 8) und eine Software "Unity Web Player" erforderlich, die aber in wenigen Sekunden heruntergeladen und installiert ist. Um nicht nur die eingeschränkte Demo-Tour mitzumachen, sondern völlig selbstständig im menschlichen Körper herumzuwandern und alle Features nutzen zu können, ist eine (kostenlose) Registrierung nötig.

Visible Body

Gerd Marstedt, 19.11.08


Neue Informationsquelle zur gesundheitlichen Versorgungssituation von "Menschen ohne Papier" in Deutschland

Artikel 1375 Mit einem im alltäglichen gesundheitspolitischen Getöse praktisch nicht präsenten Thema startet ein neuartiges Gesundheits-Informationsangebot im Internet. Thematisch geht es um "Menschen ohne Papiere in Deutschland: Ihr Recht auf Gesundheit". Beschäftigen tut sich damit in Form eines Online-Dossiers" das "Recherche-Tool für Journalisten" des "Deutschen Instituts für Menschenrechte".

Das "Deutsche Institut für Menschenrechte" wurde im März 2001 auf Empfehlung des Deutschen Bundestages gegründet. Es informiert über die Lage der Menschenrechte im In- und Ausland und trägt zur Prävention von Menschenrechtsverletzungen sowie zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte bei.

Das Thema verdient auch ein Jahr nach Veröffentlichung des Prüfberichts des Bundesministeriums des Innern zum Thema "Illegal aufhältige Migranten in Deutschland" große Aufmerksamkeit. Der Prüfbericht konstatierte damals hinsichtlich der Gesundheitsversorgung von "Menschen ohne Papiere" im Bereich der Gesundheitsversorgung keinen politischen Handlungsbedarf. Doch die Betroffenen haben nach wie vor Schwierigkeiten, ihr Recht auf gesundheitliche Versorgung wahrzunehmen, da die behördlichen Meldepflichten noch immer bestehen.

Als "Menschen ohne Papiere" werden Ausländerinnen und Ausländer bezeichnet, die in Deutschland ohne Aufenthaltstitel oder Duldung und ohne behördliche Registrierung leben. In Deutschland haben diese Menschen keinen ungehinderten Zugang zu öffentlichen Einrichtungen gesundheitlicher Versorgung. Als Hauptgrund hierfür gelten die behördlichen Meldepflichten. Diese besagen, dass öffentliche Stellen die Ausländerbehörde informieren müssen, wenn sie vom illegalen Aufenthalt einer Person erfahren. "Menschen ohne Papiere" nehmen daher in Deutschland das öffentliche Angebot an gesundheitlicher Versorgung gar nicht oder nur in extremen Notfällen wahr. Dabei gelten Menschenrechte unabhängig vom Aufenthaltsstatus.

Das Recherche-Tool bietet einen schnellen Überblick zum Thema (aktuell 17), Hintergrunddokumente (aktuell 32) und ausgewählte Links sowie Hinweise auf Ansprechpersonen oder Interviewpartner in staatlichen, nichtstaatlichen und zwischenstaatlichen Organisationen (aktuell 30). Zusätzlich ermöglichen eingebundene Suchmaschinen eine gezielte Recherche in Menschenrechts-Websites, Dokumentensammlungen z.B. der UNO und Datenbanken.

Wer sich von der Selbstetikettierung als Quelle für Journalisten nicht abschrecken lässt, findet hier den freien Zugang zu den Informationen und Datenquellen über die gesundheitliche Lage der "Menschen ohne Papier" .

Bernard Braun, 27.10.08


Internetplattform Gesundheit von Migranten

Artikel 1240 In Deutschland leben rund 15 Millionen Menschen, d.h. rund 12% der Bevölkerung, die in anderen Ländern geboren worden sind und lebten und auf Zeit oder dauerhaft nach Deutschland eingewandert sind. Unabhängig von ihrem aktuellen staatsbürgerrechtlichen Status unterscheidet sich die Mehrheit dieser Menschen "mit Migrationshintergrund" sowohl bei der gesundheitlichen Situation als auch bei der Inanspruchnahme des Gesundheitsversorgungsangebots deutlich von der Allgemeinbevölkerung und zusätzlich je nach Herkunftsland und -kultur auch untereinander erheblich.

Die dazu existenten Erkenntnisse, die Organisation des Wissenstransfers und die Bildung von Netzwerken soll nun eine mit Unterstützung der Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz (DG SANCO) der Europäischen Kommission in 16 europäischen Ländern geförderte Internetplattform zur Gesundheit von Migranten aufbereiten und ermöglichen.
Die von der Arbeitsgruppe Epidemiologie und International Public Health der Universität Bielefeld mitentwickelte und fachlich betreute Plattform "MIGHEALTHNET - Informationsnetzwerk Migration und Gesundheit" existiert seit kurzem und bietet u.a. folgende Themenseiten:

• Hintergrundinformationen zu Menschen mit Migrationshintergrund, -populationen, Einwanderungs- und Integrationspolitik,
• Gesundheitszustand von Menschen mit Migrationshintergrund,
• Das Gesundheitswesen und der Anspruch von Menschen mit Migrationshintergrund auf Gesundheitsleistungen,
• Zugang zum Gesundheitswesen,
• Qualität der Behandlung: Entwicklung von Ansätzen zur good practice bei der Verbesserung und Anpassung von Leistungen der Gesundheitsversorgung an die Anforderungen von Menschen mit Migrationshintergrund und
• Fachorganisationen, Konferenzen und Tagungen.

Für spezielle Gruppen wie Flüchtlinge und Asylbewerber, nicht-gemeldete Migranten, Spätaussiedler oder Migranten aus der Türkei gibt es noch einmal gesonderte Seiten.

Mit den bereits vorhandenen und den ausdrücklich von NutzerInnen erwünschten weiteren Hinweisen und Materialien (diese Beiträge können selber technisch relativ einfach auf die Plattform hochgeladen werden) soll 2008 ein Report erstellt werden. Von der deutschen Plattform lässt sich auch direkt auf die 15 weiteren nationalen Plattformen und eine allgemeine Plattform zugreifen.

Die deutsche Plattform "MIGHEALTHNET - Informationsnetzwerk Migration und Gesundheit" ist hier erreichbar.

Schon seit längerem erstellt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) den Informationsdienst Migration und öffentliche Gesundheit. Er erscheint vier Mal jährlich gedruckt und ständig aktualisiert im Internet. Er ist aus dem InfoDienst des bundesweiten Arbeitskreises Migration und öffentliche Gesundheit hervorgegangen. Zielgruppe des InfoDienstes sind alle, die auf dem Gebiet Migration und Gesundheit arbeiten.

Bernard Braun, 17.5.2008


"To learn about" vor "to learn from" - IVSS-Datenbank Soziale Sicherheit weltweit!

Artikel 1224 In Zeiten der Globalisierung und im Zeichen der Erkenntnis, dass nicht in jedem Land das Rad für die Reform sozialer Sicherungssysteme neu erfunden werden muss, sind profunde Informationen über internationale und möglicherweise für nationale Sozialsystemreformen vorbildhafte Sozialsysteme wichtiger denn je: Das "learn about" sollte tunlichst vor dem "learn from" stehen!

Als Einstieg eignet sich für diese gar nicht so einfache Arbeit die Datenbank "Soziale Sicherheit weltweit (SSW)" der "Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS)", die es in deutscher, französischer, englischer und spanischer Sprache seit 2007 im Internet kostenlos und nach einer kurzen Anmeldeprozedur frei zugänglich gibt.

Die wesentlichen inhaltlichen Schwerpunkte liegen bei der Beschreibung der Rechtsgrundlagen und Organisation der Systeme in einer Vielzahl von Ländern Afrikas, Amerikas, Asiens, des Pazifiks und Europas nach den Unterthemen Alter, Invalidität und Hinterbliebene, Krankheit und Mutterschaft, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, Arbeitslosigkeit und Familie. Durchgehend findet man Links auf wichtige Gesetze und andere Quellentexte für das gewählte Thema. Der aktuellste Informationsstand stammt aus dem Jahr 2006.

Weitere Schwerpunkte sind Überblicke über Reformen und die Gesetzgebung in diesen Bereichen. Soweit sich die betrachteten Bereiche der sozialen Sicherheit verändert haben, kann die Chronologie der Ereignisse bis zurück in die späten 1980er oder 1990 Jahre einfach verfolgt werden. Für ausgewählte Merkmale der sozialen Sicherheit enthält ein gesondertes Modul "IVSS/IOPS/OECD Zusätzliche und private Altersvorsorge" tabellarische Vergleiche der hier dokumentierten Länder für das Jahr 2006.

Ergänzt wird dies durch eine umfangreiche Bibliographie und einen Thesaurus.

Hier findet man die laufend aktualisierte (Hinweise auf Aktualisierungen erhält man auf Wunsch per E-Mail) Dokumentation "Soziale Sicherheit weltweit" (SSW).

Bernard Braun, 2.5.2008


Internet und Gesundheit: Die Open-Access-Zeitschrift "Journal of Medical Internet Research"

Artikel 1223 Wie effektiv sind Internet-Websites, die Teilnehmer an Maßnahmen zur Ernährungsumstellung bei ihren Einkaufs- und Speiseplänen unterstützen? Wie zuverlässig und fundiert sind Internet-Informationen über Alternativ- und Komplementärmedizin? Unter welchen Voraussetzungen lassen sich niedergelassene Ärzte bei ihrer Diagnose- und Therapieentscheidung durch Internet-Informationen helfen? Dies sind einige der Fragestellungen, mit denen sich Studien beschäftigt haben, die im "Journal of Medical Internet Research" veröffentlicht wurden.

Die Online- und Open-Access-Zeitschrift wurde 1999 ins Leben gerufen. Die veröffentlichten Artikel sind allesamt kostenlos im Volltext zu lesen, lediglich druckbare PDFs sind kostenpflichtig. Die Aufsätze der Zeitschrift beschäftigen sich mit allen Themen, die einerseits mit dem Internet (Email, WWW) und andererseits mit Gesundheit oder Medizin zu tun haben. Von Interesse sind sowohl Verhaltensweisen und Erwartungen der Patienten und Bürger, wie auch die der Wissenschaftler und Ärzte oder auch der gesundheitspolitischen Entscheidungsträger.

Journal of Medical Internet Research

Bernard Braun, 2.5.2008


"Rentnerboom und Babynotstand" - Der demographische Wandel in Deutschland 2008

Artikel 1222 Der demographische Wandel in Deutschland wird zunehmend zum Medienthema: Die ARD startete eine eigene Themenwoche, angesichts der außerplanmäßig beschlossenen Rentenerhöhung warnt Alt-Bundespräsident Roman Herzog vor einer populistischen "Rentnerdemokratie" in Deutschland, familienpolitische Maßnahmen zur Steigerung der Geburtenrate sollen der "Vergreisung" der Gesellschaft entgegenwirken und entzünden Debatten, die zeigen, dass es sich um ein ebenso wertbesetztes wie politisch zentrales Thema handelt. Unter dem Themenschwerpunkt "Demographie und Gesellschaft" bietet die GESIS daher im Online-Portal "sowiport" verschiedene Informationsangebote. Die Dokumentation "Renterboom und Babynotstand - Der demographische Wandel in Deutschland" beschäftigt sich mit den entsprechenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Problemen und Herausforderungen.

Die GESIS beschäftigt sich aus sozialwissenschaftlicher Perspektive mit den Konsequenzen, Problemen und Chancen des demographischen Wandels in der Bundesrepublik Deutschland. Mit dem thematischen Online-Portal "Rentnerboom und Babynotstand - der demographische Wandel in Deutschland", das 2006 eingerichtet und seitdem kontinuierlich aktualisiert wurde, bietet die GESIS vielfältige sozialwissenschaftliche Informationen - Materialien, Literatur- und Forschungsnachweise - zur aktuellen Debatte. So werden die Auswirkungen der zunehmenden Alterung der deutschen Gesellschaft auf Sozialversicherungssysteme, Arbeitsmarkt und Wirtschaft, Städtebau und Stadtentwicklung, Familien- und Migrationspolitik näher beleuchtet.

Neben einer Literatur- und Forschungsdokumentation zum Thema, die als kostenlose PDF-Datei zum Download zur Verfügung steht und 173 Publikationen und Forschungsprojekte nachweist, bietet das Online-Portal weitere zahlreiche Informationen aus unterschiedlichen Quellen: Neben Internetlinks, Volltext-, Literatur- und Forschungsnachweisen sind zusätzlich Adressen und Links zu Organisationen und Experten sowie weitere Materialien vertreten.

• Das neue sozialwissenschaftliche Portal "sowiport"
Sowiport Themenschwerpunkt Demographie und Gesellschaft
• Dokumentation Rentnerboom und Babynotstand - Der demographische Wandel in Deutschland

Bernard Braun, 2.5.2008


Neues Wissensportal für Gesundheitsberufe: Über die Kultur und Glaubenspraxis muslimischer Patienten

Artikel 0971 Für viele Ärzte und Pflegekräfte gehören Begegnungen mit Patienten aus anderen Kulturen zur alltäglichen Praxis. Nicht selten sind diese Begegnungen jedoch durch sprachliche und kulturelle Barrieren erschwert, so dass medizinische Entscheidungen oft zusätzlicher Überlegungen bedürfen. Dies ist recht häufig im Umgang mit muslimischen Patienten der Fall, denn in Deutschland leben rund 3,4 Millionen Muslime, die auch auf medizinische Betreuung angewiesen sind. Ein neues Wissensportal zum Thema Kultur und Gesundheit - entwickelt am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz - bietet nun für medizinische Berufe die Möglichkeit, sich über Fragen der Kultur und Glaubenspraxis muslimischer Patienten zu informieren. Die Internetseite "kultur-gesundheit" entstand im Rahmen des Projekts "Informations- und Beratungsangebote zur verbesserten Versorgung von Muslimen im deutschen Gesundheitswesen", das durch die Robert Bosch Stiftung gefördert wurde.

"Das Thema Kultur wird leider in der medizinischen Aus- und Fortbildung in seiner medizinischen und ethischen Bedeutung kaum gebührend berücksichtigt", erklärte Dr. Dr. Ilhan Ilkilic vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin anlässlich der Eröffnung der Website. "Die Vermittlung von Grundkenntnissen über die Glaubenspraxis und Wertvorstellungen muslimischer Patienten kann deswegen eine bessere Orientierung im Umgang mit diesen Patienten ermöglichen und somit deren pflegerische und medizinische Versorgung verbessern."

Fragen, die sich aus potentiellen Konfliktfeldern und Informationslücken ergeben und die auf der Internetseite behandelt werden, sind beispielsweise:
• Was bedeutet Kultur für die medizinische Praxis?
• Was ist im Umgang mit muslimischen Patienten wichtig?
• Welche Rolle spielen Glaube und religiöse Praxis bei der Behandlung muslimischer Patienten?
• Was bedeuten Sterben und Tod für Muslime und wie sieht die Sterbebegleitung aus?
• Welche Meinungen gibt es in der islamischen Welt zu den Themen Hirntod, Organtransplantation, In-vitro-Fertilisation, Präimplantationsdiagnostik, Pränataldiagnostik, Stammzellforschung, Obduktion, aktive und passive Sterbehilfe?

Die Internetseite "kultur-gesundheit" bietet Medizinern, Pflegepersonal und Multiplikatoren, aber auch interessierten Laien die Möglichkeit, sich über diese und andere Fragestellungen zu informieren. Sie führt darüber hinaus Adressen und Tätigkeitsbereiche wichtiger Institutionen zum Thema Kultur und Gesundheit auf sowie Fallbeispiele aus dem medizinischen Alltag. Eine fachspezifische Datenbank ermöglicht Fachleuten und interessierten Laien eine detaillierte und umfassende Literaturrecherche.

Gerd Marstedt, 19.10.2007


"Health literacy", wer hat sie, was ist das und wie bekommt man sie?

Artikel 0851 ZZahlreiche Untersuchungen über die Wirksamkeit von Gesundheitsangeboten und die dafür als notwendig erachteten Mitwirkung von Patienten heben in den letzten Jahren hervor und belegen dies empirisch, dass es zur effektiven Mitwirkung einer speziellen Fähigkeit der Patienten bedarf: der "health literacy" oder Gesundheitskompetenz.

Im August 2006 widmete die bei Blackwell erscheinende Zeitschrift Journal of General Internal Medicine (JGIM) dem Thema Health Literacy eine ganze Ausgabe. Diese Thematik ist vor allem im Hinblick auf bestehende soziale Ungleichheiten und deren Überwindung von großer Bedeutung. So zeigen die verschiedene Beiträge aus JGIM 21, Heft 8 unter anderem, dass die Sterblichkeit bei älteren Patienten mit geringer Gesundheitskompetenz fast doppelt so hoch ist wie bei gebildeteren Personen. Außerdem führt eine bessere Health Literacy bei verschiedenen Erkrankungen zu Verbesserungen bei der Annahme von Präventionsangeboten, der Adhärenz (bzw. "Compliance"), der Behandlungsergebnisse und teilweise sogar des Gesundheitzustands der Betroffenen. Sämtliche Artikel der August 2006-Ausgabe des Journal of General Internal Medicine sind kostenfrei als Volltext herunterzuladen.

Bernard Braun, 12.8.2007


Neu im Internet: Das Frauengesundheitsportal der BZgA

Artikel 0832 Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat auf Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit ihr Informationsangebot zur Frauengesundheit im Internet erweitert. Geboten wird insbesondere eine praktische Orientierungshilfe für Frauen in der mittleren Lebensphase, darüber hinaus aber auch Orientierungstexte und Links zu wichtigen Dokumenten und Forschungsergebnissen. Das Portal enthält Daten und Informationen zu speziellen gesundheitlichen Bedürfnissen, zu gesundheitlichen Verhaltensweisen, aktuellen Fragestellungen (wie z.B. zu Hormontherapie in den Wechseljahren oder Brustkrebsfrüherkennung) sowie speziellen Gesundheitsproblemen von Frauen. Auch liegen zahlreiche Veranstaltungstipps, Informationen und Beratungsangebote aus der Frauengesundheitsbewegung, aus Frauenberatungsstellen und Selbsthilfeinitiativen vor.

Zu jedem Themenbereich und jedem Einzelthema geben einführende Übersichten einen schnellen Überblick. Zur Zeit bietet die BZgA Informationen zu folgenden Themen im Online-Portal:
Wissenschaftliche Grundlagen: Frauengesundheitsforschung, Lebenserwartung, Politische Strategien
Lebensphasen: Schwangerschaft und Geburt, Lebensmitte / Gesund älter werden, Wechseljahre
Lebensführung: Ernährung, Bewegung und Sport
Erkrankungen: Krankheitsspektrum, Brustkrebs, Essstörungen, HIV/Aids, Osteoporose, Psychische Gesundheit/Erkrankungen
Soziale Bedingungen: Behinderung, Gewalt, Migration, Soziale Benachteiligung
Sucht: Alkohol, Tabak/Rauchen

Zum Thema Frauengesundheitsforschung sind zur Zeit folgende Informationen zu finden:
• Gesundheitliche Situation: Übersichten zu Veröffentlichungen und Daten der Gesundheitsberichterstattung, die auf die gesundheitliche Lage und die gesundheitlichen Bedürfnisse von Frauen eingehen oder die Unterschiede zwischen den Geschlechtern angemessen berücksichtigen. Außerdem Literatur zu besonderen Lebenslagen und Gruppen von Frauen (z.B. Frauen mit Kindern, ältere Frauen, lesbische Frauen).
• Gesundheitsförderung: Empfehlungen und Programme zur geschlechtsspezifischen Gesundheitsbildung.
• Gesundheitliche Versorgung: Forschungsergebnisse und Daten zur Versorgungssituation von Frauen sowie grundsätzliche Positionsbestimmungen zum Gesundheitswesen und seiner Versorgungsstruktur.
• Geschlechteraspekte und Männergesundheit: Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen zum Thema und darüber hinaus Informationen, die im Sinne der politischen Strategie des Gender Mainstreaming die besonderen Bedürfnisse beider Geschlechter berücksichtigen.
• Übersichtsarbeiten: Theoretische Literatur und Konzepte zur Frauengesundheitsforschung sowie Informationen, die von übergreifendem Interesse sind.

Hier geht es zum Portal: BzgA: Frauengesundheit und Gesundheitsförderung

Gerd Marstedt, 2.8.2007


GKV-Gemeinschaftsleistung: Transparenz durch die "GKV-Arzneimittel Schnellinformation (GAmSi)"

Artikel 0524 "Rund 1,2 Arzneimitteldosen verschrieben Ärzte jedem gesetzlich Versicherten im Durchschnitt pro Tag zwischen Januar und November 2006,...Spitzenreiter war Mecklenburg-Vorpommern mit 1,5 Tagesdosen pro Kopf - knapp 28 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Die wenigsten Medikamentendosen pro Kopf und Tag bekamen die Bayern verordnet: Mit 1,1 Tagesdosen liegen sie knapp acht Prozent unter dem bundesweiten Mittel" - so eine Pressemitteilung der Techniker Krankenkasse vom 29.1.2007. Ihre bemerkenswerte Aktualität erklärt sie selber durch den Verweis auf eine bislang eher unbekannte Informationsquelle über ausgewählte Indikatoren zur Verordnung von Arzneimitteln in Deutschland: Der "GKV Arzneimittel Schnellinformation (GamSi)".

Hierbei handelt es sich um einen Informationsdienst aller Spitzenverbände der GKV mit Unterstützung durch die "Informationstechnische Servicestelle der gesetzlichen Krankenkassen GmbH" und das "Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO)".

Im Kurzporträt des Projekts heißt es: "Die GKV-Spitzenverbände haben im Jahre 2001 auf Bundesebene einen gemeinsamen Datenverbund zunächst für eine monatliche Schnellinformation über die Arzneimittel-Verordnungen eingerichtet. Damit sollen die Verordnungsstrukturen in den Kassenärztlichen Vereinigungen transparent gemacht, Trendinformationen über Arzneimittelausgaben vermittelt und Kennzahlen für regionale Vergleichsmöglichkeiten gegeben werden (benchmarking). Das Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz machte diese Information seit 01. Januar 2002 zu einer gesetzlichen Aufgabe der GKV-Spitzenverbände....Das Projekt basiert auf Daten der Rezeptabrechnung, die monatlich dezentral von den Apothekenrechenzentren angenommenen werden. 14 Datenstellen innerhalb der Kassensysteme nach einheitlicher technischer Vorprüfung bereiten die Datenbestände auf und leiten diese ...an die Auswertungsstelle (WIdO). Dort werden die Übermittlungen zu einem GKV-Datenbestand zusammengeführt und nach Validität und Aktualität laufend gesichert. Dieser GKV-Datenbestand ist Grundlage für die monatlichen KV-bezogenen Auswertungen (sog. Standardberichte)....Die Standardberichte werden planmäßig ab dem 21. Werktag an die Spitzenverbände ausgeliefert und liegen somit rund sechs bis acht Wochen nach Apothekenabgabe der Arzneimittel vor."

Zurückreichend bis 2001 finden sich bei GamSi als PDF-Datei abgespeicherte Verordnungsdaten für 17 KV-Bezirke und das gesamte Bundesgebiet.
• Der 17-seitige Bericht über den "Arzneimittelmarkt in Deutschland vom Januar bis November 2006" vom 22.1.2007 enthält dann beispielsweise Angaben über sämtliche Arzneimittelverordnungen und -umsätze, Verordnungsanteile einzelner Marktsegmente (z.B. Generika oder Me-too-Präparate), Wert je Verordnung in diesen Segmenten und Umsatz je 1.000 Versicherte.
• In den Berichten für einzelne KV-Bezirke finden sich außerdem noch Informationen über die 30 umsatzstärksten Arzneimittelgruppen und Fertigarzneimittel sowie die Verordnungen und Umsätze nach Arztgruppen und weitere interessante vergleichbare Informationen.

Diese Daten sind zumindest für eine Basistransparenz über einen der finanziell und qualitativ wichtigsten Teilbereiche der gesundheitlichen Versorgung hilfreich.
Warum die Spitzenverbände ähnliche oder ähnlich aktuelle gemeinsame Informationssysteme trotz bestehender gesetzlicher Möglichkeiten (vgl. dazu die Möglichkeiten der gemeinsamen Datentransparenz nach den §§ 303 a-f SGB V) für andere Bereiche (z.B. Arbeitsunfähigkeit oder Krankenhausaufenthalte) bisher kaum auf die Beine stellen konnten oder wollten, verwundert im Lichte von GamSi etwas.

Den Zugang zur "GKV Arzneimittel Schnellinformation (GamSi)" erhalten Sie hier.

Bernard Braun, 29.1.2007


Fundgrube zur ergebnisorientierten Qualitätssicherung in der Gesundheitsversorgung

Artikel 0181 In bisher 217 Ausgaben liefert der vom Leiter eines seit 1976 aktiven gleichnamigen Berliner Instituts für Krankenhausberatung, Rolf Hildebrand, herausgegebene "hmanage-Newsletter" zahllose Argumente, um klar zu machen, was sein Website-Motto ""Was einzig zählt, ist Ergebnisqualität. Was sollte Patienten sonst interessieren?" konkret meint.

In seinen eigenen Worten liefert dieser kostenlos erhältliche Newsletter "gestützt auf überwiegend englischsprachige Quellen - "grenzüberschreitende" Informationen und Kommentare zum (Qualitäts-)Management von Gesundheitseinrichtungen sowie der fortwährenden Verbesserung des Gesundheitssystems: Nachrichten, Kurztexte, Definitionen, Links und Downloads. Der hmanage-Newsletter dient der Horizonterweiterung: Was hierzulande immer noch als unmöglich gilt, ist woanders nicht selten schon längst realisiert!
Wir bieten hier einen freien Blick über den Tellerrand der abgeschotteten Milieus des verkrusteten und "versäulten" deutschen Gesundheitssystems und seiner Berufsgruppen. Kritisch, praxisorientiert und ohne Scheuklappen."

Auch wenn man nicht jeder der gelegentlichen offen vorgetragenen marktwirtschaftlichen oder neoliberalen Schlussfolgerung des Newsletters folgen mag, wiegt der Umfang und die Qualität der dort kontinuierlich zusammengetragenen nationalen und internationalen Qualitäts-Informationen jede Aufregung auf. Dies trifft auch für die wirklich fundamentale Kritik Hildebrands an dem in deutschen Krankenhäusern weitverbreiteten und zu wenig an der Ergebnisqualität interessierten "Qualitätssicherungskonzept" KTQ (Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen) und seine Präferenz von EFQM, dem Qualitätsmanagement-Modell der "European Foundation for Quality Management" zu.

Hier bestellt man den hmanage-Newsletter

Bernard Braun, 16.11.2005


Netzwerk Gesundheit

Artikel 0038 Das "Netzwerk Gesundheit" setzt sich nach eigener Aussage "für eine gute und bezahlbare Gesundheitsreform für alle ein. Es wurde am 9. April 2003 gegründet und will als breites gesellschaftliches Bündnis mutige Reformen des Gesundheitswesens unterstützen. Eine ganze Reihe von Sozialverbänden, Wohlfahrtsverbänden und anderen namhaften Organisationen hat sich gemeinsam mit den Gewerkschaften zusammengeschlossen." Dazu zählen etwa die Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Sozialverband VdK, die Deutsche Gesellschaft für Public Health (DGPH), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), der Berufsverband der Allgemeinärzte Deutschlands - Hausärzteverband e.V., oder auch die BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP). Auf der Website findet man eine Reihe von Stellungnahmen und Expertisen zur Gesundheitsreform.

Webseite des Netzwerk Gesundheit

Gerd Marstedt, 27.7.2005


Arbeit und Gesundheit

Artikel 0028 Prof. Dr. Rainer Müller ist Professor für Arbeits- und Sozialmedizin, Sprecher des Zentrums für Sozialpolitik und Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik, Arbeits- und Sozialmedizin im Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen. Er arbeitet auch als Betriebsarzt der Flughafen Bremen GmbH und ist seit vielen Jahren Gutachter in Berufskrankheitenverfahren.

Auf seiner Homepage findet man eine Vielzahl von Veröffentlichungen zum Thema "Arbeit und Gesundheit", die alle als PDF-Datei heruntergeladen werden können. Einige Themen: Prävention in der Arbeitswelt, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Erkrankungen, Stress, Sozialpolitik, Arbeitsschutz, Gender, betrieblicher Krankenstand, Arbeit und Gesundheit, Betriebsärzte, Belastungen älterer Arbeitnehmer, betrieblicher Krankenstand, Jugend und Gesundheit, Arbeitszeitfragen u.v.m., insgesamt über 140 Aufsätze als PDF-Dateien.

Downloads von der Homepage Rainer Müller: Arbeit und Gesundheit

Gerd Marstedt, 26.7.2005


Wissenstransfer in die Gesundheitsversorgung

Artikel 0018 Wer wissen möchte welche Methoden und Medien der Wissensverbreitung, Verhaltensbeeinflussung und Implementation im Bereich der Gesundheitsversorgung nachweislich am wirksamsten und effizientesten sind, findet in der Datenbank "The Database of Abstracts of Reviews of Effects (DARE)" des vom britischen "National Health Service (NHS)" mitgetragenen "Centre for Reviews and Dissemination (CRD)" an der Universität York einen sehr guten Überblick über die Untersuchungen der letzten Jahre.

Hier geht es zur Datenbank

Bernard Braun, 17.7.2005