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eHealth / IT: Versichertenkarte, Patientenakte


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9 Jahre des "größten Informationstechnologie-Projekts" für den NHS in Großbritannien: Geldverschwendung und wenige Verbesserungen.

Artikel 1961 Nicht alles, was die immer größer werdende Schar der Anbieter von Gesundheits-Informationstechnologien und E-Health-Konzepten oder-Geräten in ihren Hochglanzprospekten an Kostenersparnissen und Gesundheitsgewinnen versprechen, wird wirklich wahr.
Was dies bedeuten kann, zeigt sich gerade im britischen Gesundheitswesen, in dem relativ früh mit der Umsetzung der üppigen Versprechungen begonnen wurde. So sollten ab 2002 ursprünglich 12,7 Milliarden Pfund oder rund 15 Milliarden Euro im britischen staatlichen National Health Service (NHS) investiert werden, um ihn informationstechnologisch von der Hausarztpraxis über die Krankenhäuser bis hin zu allen ambulanten Versorgungseinrichtungen zu modernisieren.

Neun Jahre später stellt das "National Audit Office (NAO)", eine staatliche Einrichtung, welche die sinnvolle Verwendung von Steuergeldern überprüft, zum Stand des Projekts fest: "Das System wird niemals so funktionieren, wie das ursprünglich geplant war." Anlass für diese pessimistische Feststellung ist, dass von 97 für die NHS-Kliniken geplanten IT-Systeme in sieben Jahren erst 4 installiert sind und in den Hausarztpraxen noch überhaupt kein taugliches System eingesetzt wird. Die Rechnungsprüfer monieren, dass es trotz der bereits ausgegebenen 2,7 Milliarden Pfund unwahrscheinlich ist, dass bis zum vertraglichen Ende des Projekts im Jahr 2016 das gesamte Projekt realisiert sein wird. Von der Ankündigung, 2010 für jeden Patienten eine elektronische Gesundheitsakte angelegt zu haben, fehlt jede praktische Spur. Selbst die aktuelle Planung des Gesundheitsministeriums, statt des "großen Wurfs" die vorhandenen EDV-Ressourcen zu nutzen und mit den Rudimenten des großen Projekts zu verknüpfen, kostet noch 220 Millionen Pfund ohne dass eine Garantie besteht, dass die Verknüpfung funktioniert und Nutzen stiftet.

Der Chef des NAO, Amyas Morse, fasste den vorgelegten Bericht am 18. Mai 2010 so zusammen: "The original vision for the National Programme for IT in the NHS will not be realised. The NHS is now getting far fewer systems than planned despite the Department paying contractors almost the same amount of money. This is yet another example of a department fundamentally underestimating the scale and complexity of a major IT-enabled change programme." Und: "The Department of Health needs to admit that it is now in damage-limitation mode. I hope that my report today, together with the forthcoming review by the Cabinet Office and Treasury, announced by the Prime Minister, will help to prevent further loss of public value from future expenditure on the Programme."

Auch wenn es die britischen Akteure nicht tröstet, erinnert das bisherige relative Scheitern ihres Projekts ein bisschen an die lange Geschichte der bisher weitgehend ergebnislosen Ankündigungen des vergleichsweise bescheideneren Projekts der elektronischen Gesundheitskarte (eGk) im GKV-System. Auch in Deutschland kostet allein schon der bisherige Nichterfolg eine Menge Geld: Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Kosten der Arbeit der für solche Projekte per Gesetz (siehe § 291b SGB V) als Selbstverwaltungseinrichtung 2005 gegründeten "Gesellschaft für Telematik (Gematik)". Deren Gesellschafter sind der Spitzenverband Bund der Gesetzlichen Krankenversicherung mit 50% der Gesellschaftsanteile sowie eine Reihe von Leistungserbringern des Gesundheitswesens und weitere Verbände wie z.B. dem Verband der Privaten Krankenversicherung mit der anderen Hälfte der Stimmen.
Die Finanzierung der Arbeit von derzeit rund 150 IT-Experten sieht nach § 291a SGB V so aus: "Zur Finanzierung der Gesellschaft für Telematik zahlt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2008 an die Gesellschaft für Telematik einen Betrag in Höhe von 0,50 Euro je Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung und ab dem Jahr 2009 jährlich einen Betrag in Höhe von 1,00 Euro je Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung."

Nachdem auch dem Gesetzgeber angesichts der genauso schwungvoll angekündigten wie abgeblockten Einführung der elektronischen Gesundheitskarte der "Kragen geplatzt" ist und nunmehr jede Krankenkasse sanktionsbewehrt gezwungen wird, bis Ende 2011 die Karte für mindestens 10% ihrer Versicherten einzuführen, steht dem bisherigen finanziellen Aufwand wenigstens etwas gegenüber. Ob damit außer bei den Herstellern der Karten und Kartentechnologie etwa die Versicherten oder andere Akteure im Gesundheitswesen einen Nutzen haben, also das wesentliche gesundheitspolitische Ziel erreicht wird, bleibt trotz aller Entschlossenheit völlig offen. Angesichts der mit der Anordnung erlaubten völlig abgespeckten Startversion und der vielen technisch und datenschutzrechtlich ungeklärten Fragen aus den Testläufen, ist aber zunächst mit einem Null-Nutzen zu rechnen.

Die Schätzungen zu den Kosten allein der elektronischen Gesundheitskarte schwankten zwischen 1,4 Mrd. und 13,6 Mrd. Euro und erreichen damit bei einem geringeren Leistungsumfang fast schon britisches Niveau.

Umgekehrt sollten die britischen Erfahrungen Grund genug sein, den auch hierzulande von Industrie- und "Gematik"-Vertreter verbreiteten üppigen Versprechen von Kosten- und Gesundheitswirkungen und Performance mit Skepsis zu begegnen oder sie sehr kritisch zu bewerten. Dies gilt besonders dann, wenn für viele Tools der E-Healthsysteme kein seriöser Nutzennachweis vorliegt oder sogar mehr Studien existieren, die vergeblich nach zusätzlichem Nutzen suchten.

Der komplette 46-seitige Report The National Programme for IT in the NHS: an update on the delivery of detailed care records systems ist komplett kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 19.6.11