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Wird die Weltbank grün? Nein, nur realistisch, wenn es um die gesundheitlichen und ökonomischen Folgen der Luftverschmutzung geht!

Artikel 2544 Wer partout den Umweltverbänden und den "Grünen" nicht glauben will, kann sich über die gesundheitlichen Risiken der Umweltverschmutzung in einem gerade veröffentlichten Bericht der Weltbank und des "Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME)" informieren.
Dort findet man u.a. diese Informationen über die weltweiten und regionalen gesundheitlichen und ökonomischen Auswirkungen der Luftverschmutzung:

• Zu einem von 10 Todesfällen trägt weltweit die Exposition gegenüber Luftverschmutzung bei. Dabei handelt es sich sowohl um häusliche Luftverschmutzung durch offene Feuerstellen mit ungeeigneten Brennstoffe als um außerhäusliche Verschmutzung durch den Straßenverkehr oder Industrieanlagen.
• Zu den gefährlichsten Inhaltsstoffen von Luftverschmutzung gehört Feinstaub.
• 2013 ereigneten sich rund 93% aller Sterbefälle und schweren Erkrankungen, die der Luftverschmutzung zuzurechnen waren, in Entwicklungsländern wo 90% der Bevölkerung einem gefährlichen Niveau von Luftverschmutzung ausgesetzt sind.
• Luftverschmutzung ist daher nach Ernährungsrisiken oder Tabakkonsum der viertgrößte Sterblichkeits-Risikofaktor.
• Mehr als sechsmal so viel Personen wie an Malaria sterben durch Luftverschmutzung.
• 87% der Weltbevölkerung leben in Gegenden, in denen die Luftqualitätswerte der WHO von 2013 überschritten werden.
• Durch den frühzeitigen Tod von erwerbsfähigen Personen durch Luftverschmutzung entgingen ihren Ländern 2013 rund 225 Milliarden US-Dollar an Arbeitseinkommen.

Trotz einiger Reduktionen von Luftschadstoffen (z.B. durch den Einsatz geschlossener und damit raucharmen Verbrennungsöfen) und anderer Verbesserungen stellt die Weltbankstudie fest: "Furthermore, the growing challenge of ambient air pollution and persistence of household air pollution impacts despite improvements in health services suggest that incremental progress to improve air quality will not be sufficient and that achieving real reductions in the cost of pollution will require more ambitious action." Um welche anspruchsvolleren Aktionen es sich handeln könnte, wird aber nicht mehr ausführlich dargestellt.

Der 122 Seiten umfassende Worldbank-Report The Cost of Air Pollution: Strengthening the Economic Case for Action ist kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 17.9.16


Klimawandel - auch ein Thema für den Gesundheitssektor

Artikel 2491 Für das deutsche Gesundheitswesen und seine AkteurInnen spielt die Debatte über den Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Gesundheit bisher offenbar keine nennenswerte Rolle. Anders als in angelsächsischen Ländern wie Großbritannien, Kanada und Australien ist die Erkenntnis von WHO Generaldirektorin Margaret Chan, der Klimawandel sei "die Herausforderung unseres Jahrhunderts" bisher nicht hinreichend in das Bewusstsein einer kritischen Zahl von ÄrztInnen, Pflegenden und anderen Gesundheitsprofessionen vorgedrungen. Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen ist der Gesundheitssektor selber für einen nicht unerheblichen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich (in den USA bis zu 8 %) und zweitens stellen die gesundheitlichen Auswirkungen von Umweltverschmutzung und Klimawandel eine erhebliche Gefährdung dar.

Doch die Gefahr scheint für zu viele noch zu weit weg und das Gefährdungspotenzial zu gering zu sein - anders ist das Schweigen kaum zu erklären. In der Tat mag die Bedrohung in Deutschland auch bisher nicht so groß erscheinen, aber zum einen gibt es auch hierzulande Ansatzmöglichkeiten zur Verringerung der CO2- und anderer Emissionen, und zum anderen sind die nationalen und globalen Lebensbedingungen und -chancen viel enger miteinander verknüpft, als dass man die Augen vor der weltweiten Realität verschließen dürfte.

Auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen nationaler und globaler Klima- und Gesundheitspolitik macht ein Positionspapier der Deutschen Plattform für Globale Gesundheit aufmerksam und fordert die Angehörigen des deutschen Gesundheitswesens zum Umdenken auf. Es verweist dabei nicht nur auf Gesundheitsrisiken und -gefahren in Folge der Erderwärmung und auf die sichtbare Häufung von Naturkatastrophen in verschiedenen Weltregionen, sondern auch auf die drohende Wüstenbildung in heute bewohnten Regionen, Wasser- und Nahrungsknappheit und eine zunehmende klimabedingte Migration, die auch Europa mit der neuen Kategorie von Klimaflüchtlingen konfrontieren wird.

Kernproblem ist die weiterhin ungebremste Verbrennung fossiler Energieträger. Das primär wachstums- und vor allem profitorientierte Wirtschaftssystem befördert den rücksichtslosen Abbau und die Verbrennung klimaschädlicher Rohstoffe, und die Politik der öffentlichen Hand subventioniert dieses unverantwortliche Handeln, anstatt es durch angemessene Besteuerung und Sanktionierung einzudämmen: Die staatlichen Subventionen für fossile Brennstoffe sind genauso hoch wie die weltweiten Gesundheitsausgaben! Mittlerweile rufen auch der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Abbau dieser Subventionen auf.

Ein konkreter Ansatz, potenzielle InvestorInnen in fossile Brennstoffe zum Umdenken zu bringen, ist die Divest/Reinvest-Strategie für nachhaltigen Klimaschutz: fossile Brennstoffe im Boden belassen und Investitionen aus Kohle-, Öl- und Gasunternehmen abziehen. Diesen Ansatz verfolgen schon jetzt einige finanzstarke Institutionen wie der Norwegische Staatsfonds, zwei kalifornische und der niederländische Staatsfonds, die Rockefeller Stiftung und die beiden größten europäischen Versicherungskonzerne Allianz und Axa.

So wie andere Angehörige des Gesundheitswesens sollte sich die deutsche Ärzteschaft, so eine zentrale Forderung des Positionspapiers, dem Forderungskatalog ihrer britischen KollegInnen anschließen, so wie es bereits die Medizinerorganisationen anderer Länder getan haben:
• Stärkeres Augenmerk auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit lenken,
• Investitionen in die fossile Brennstoffindustrie beenden, beispielsweise durch entsprechende Umschichtung der Einlagen der Versorgungswerke,
• Reduzierung von Emissionen im und um den Gesundheitssektor.

Die Deutsche Plattform für Globale Gesundheit stellt das Positionspapier Klimawandel und Gesundheit: Ein Weck- und Aufruf für den Gesundheitssektor mit vielen relevanten Informationen und wertvollen Literaturverweisen kostenfrei zum Download zur Verfügung.

Jens Holst, 10.12.15


Antibiotikaresistenzen - Aus der Traum von der Beherrschbarkeit aller Krankheiten

Artikel 2474 Die ausbleibende Wirksamkeit von Antibiotika weckt weltweit wachsende Besorgnis. Selbst das G7 genannte informelle Forum der Staats- und Regierungschefs hat sich bei ihrem letzten Treffen im bayerischen Elmau dieses Themas angenommen. Die deutsche Präsidentschaft hatte neben anderen Gesundheitsthemen auch die zunehmenden Multiresistenzen auf die Tagesordnung gesetzt. Doch die auf dem G7-Gipfel im Juni 2015 verabredeten Ansätze und Strategien sind ernüchternd, denn sie gehen nicht über gängige technokratische Vorgehensweisen hinaus. Ein Erfolg versprechendes Umdenken lassen die Beschlüsse von Elmau ebenso vermissen wie ein Rühren an grundlegenden Ursachen und Faktoren der Resistenzentwicklung.

Auch die unter Federführung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina entstandene Stellungnahme G7 Science Academies' Statement 2015 verharrt bei den gängigen biomedizinischen Ansätzen - Entwicklung neuer antibiotischer Wirkstoffe, Eindämmung der Ausbreitung von Multiresistenzen und bessere Überwachung - und ergänzt sie durch das andere gesundheitsbezogene Gipfel-Thema der Gesundheitssystemstärkung.

Überraschend ist das allerdings nicht bei der Leopoldina, die sich bezeichnenderweise auch Akademie der Naturforscher nennt. Das innovative Potenzial dieser und anderer Stellungnahmen - siehe zum Beispiel den Beitrag Public Health als Weg zur Optimierung des Menschen im Sinne besserer Resilienz auf dieser Website - beschränkt sich regelhaft auf Genomik und andere evolutionäre Forschungsansätze. Wichtige gesellschaftliche Zusammenhänge und insbesondere Einflussfaktoren außerhalb des Gesundheitswesens im engeren Sinne spielen in der Problemanalyse und den Lösungsansätzen einflussreicher WissenschaftlerInnen ebenso wie in der Politik allenfalls eine untergeordnete Rolle.

Die Ausführungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Thema Antibiotikaresistenzen bei ihrer Pressekonferenz zum Abschluss des G7-Gipfels in Elmau zeugen allerdings von erheblich grundlegenderem Aufklärungsbedarf bei politischen EntscheidungsträgerInnen: "Erstens: der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Das ist ein Thema, das die entwickelten Länder und die Entwicklungsländer gleichermaßen interessiert und für beide wichtig ist. Man denkt immer, gegen alle Krankheiten seien Antibiotika vorhanden ‑ aber wenn einmal Resistenzen auftreten, dann ist es heute sehr, sehr schwer, neue Antibiotika zu entwickeln. Hier haben uns die nationalen Akademien der G7-Staaten geholfen, Maßstäbe zu entwickeln und Handlungen durchzuführen, mit denen wir dann besser die Entwicklung von Antibiotika begleiten können und die sachgerechte Anwendung von Antibiotika sicherstellen können. Dazu haben sich die G7-Staaten zu dem einen Gesundheitsansatz bekannt. Was heißt das? Das heißt, Menschen und Tier gleichermaßen in den Blick zu nehmen und Antibiotika auch verschreibungspflichtig zu machen. Das ist von äußerster Wichtigkeit für den sachgerechten Umgang."

Tatsächlich stellt die zunehmende Multiresistenz vieler Erreger gegen gängige Antibiotika weltweit ein wachsendes Problem dar. Das deutsche Bundesgesundheitsministerium legte im März 2015 seinen 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung resistenter Erreger vor, und die Bundesregierung hat sich auf die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART verständigt. Die Weltgesundheitsorganisation legte bereits 2001 ihre Global Strategy for Containment of Antimicrobial Resistance vor und erst letztes Jahr ihren bisher letzten Bericht zu Antimicrobial resistance: global report on surveillance 2014 vor.

So richtig und wichtig all diese Ansätze auch sind - ihre nachhaltige Wirksamkeit ist allerdings zweifelhaft. Sie beschränken sich darauf, die Vorbeugungs- und Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern. Die Verhältnisse, die zur Entstehung gefährlicher Multiresistenzen geführt haben, lassen sie ebenso außer Acht wie die Beseitigung ihrer vielschichtige Ursachen. Darauf macht ein Hintergrundpapier der Deutschen Plattform für Globale Gesundheit DGPP aufmerksam, das sich kritisch mit den bisherigen Ansätzen der Resistenzeindämmung befasst.

Zweifellos ist es erforderlich und hilfreich, die Entwicklung neuer, wirksamer Antibiotika zu fordern und zu fördern und auf einen rationalen Einsatz dieser Medikamente sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin zu drängen. Dazu bedarf es allerdings einer erheblichen Umsteuerung bei Anreizen und Finanzierung des Krankenversorgungssystems - hiervon ist in den bisherigen Verlautbarungen und Strategien wenig bis nichts zu lesen. Auch reicht es nicht aus, den TierärztInnen schärfer auf die Finger zu schauen oder Verordnung und Vertrieb von Antibiotika zu trennen, denn die Voraussetzungen für die Entstehung von Multiresistenzen stecken in der Renditeorientierung des agroindustriellen Wirtschaftszweigs.

Die wirksame Vermeidung von Multiresistenzen erfordert aber letztlich ein weitaus umfassenderes Verständnis relevanter Zusammenhänge. Wie im Forum Gesundheitspolitik bereits dargelegt - siehe Korruption sowie private Finanzierung von Gesundheitsleistungen - wichtigste Ursachen für zunehmende Antibiotikaresistenzen - nehmen auch der Umfang der privaten Gesundheitsausgaben in einem Versorgungssystem und vor allem die Güte der Regierungsführung Einfluss auf die Entstehung von Antibiotikaresistenzen. Das DGPP-Hintergrundpapier weist an Hand verschiedener Beobachtungen und Zusammenhänge nach, dass die Bekämpfung und Vermeidung von Multiresistenzen über biomedizinische und technische Ansätze hinausgehen muss, um erfolgreich zu sein.

Unerwähnt bleibt dabei allerdings der Zusammenhang zwischen den herrschenden Bedingungen, unter denen wissenschaftliche Forschung stattfindet, und den Erfolgsaussichten bei der nachhaltigen Überwindung von Resistenzentwicklungen. Schließlich ist es kein Zufall, dass die Pharma-Industrie zuletzt wenig in die Entwicklung neuer Antibiotika investiert hat, denn hohe Gewinne locken woanders. Selbst wenn sich dies ändert, steht zu befürchten, dass die bestehenden Patentregelungen neue Antibiotika für zu viele unerschwinglich machen, um Resistenzentwicklungen tatsächlich vermeiden zu können. Die gleichzeitig in Elmau beschworene Forcierung internationaler Handelsabkommen beraubt die Staaten zunehmend ihrer Möglichkeiten, steuernd und Gefahr mindernd in das globale Geschehen einzugreifen. Doch dieser Widerspruch bleibt im herrschenden Diskurs unerkannt - oder zumindest unbenannt.

Das Hintergrundpaper zu Antibiotika-Resistenzen steht in voller Länge zum Download zur Verfügung.

Bernard Braun, 8.7.15


Korruption sowie private Finanzierung von Gesundheitsleistungen - wichtigste Ursachen für zunehmende Antibiotikaresistenzen

Artikel 2452 Antibiotika sind gehören zweifelsohne zu den wichtigsten Medikamenten. Sie erlauben die wirksame und ursächliche Therapie bakterieller Infektionen und tragen erheblich dazu bei, früher lebensbedrohliche Krankheiten zu beherrschen. Mittlerweile warnen ExpertInnen weltweit vor der Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen und ihren Folgen für die moderne Medizin. Zunehmende Antibiotikaresistenzen von Krankheitserregern haben auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf den Plan gerufen, die vor einer "postantibiotischen Ära" warnt, in der einfache Infektionen wieder zur tödlichen Gefahr werden können, nachzulesen beispielsweise in dem Artikel WHO warns against 'post-antibiotic' era von Sara Reardon in der angesehenen Zeitschrift Nature. Im vergangenen Jahr legte die WHO den Bericht Antimicrobial resistance: global report on surveillance 2014, in dem sie die Resistenzentwicklung in verschiedenen Weltregionen und bei bestimmten Bakterien detailliert darstellt.

Mittlerweile haben beispielsweise die us-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention und der National Health Service explizite Warnung vor Antiobiotika-Resistenzen herausgegeben: Antimicrobial resistance und Antibiotic Resistance Threats in the US.

Auch in Deutschland stehen multiresistente Keime und zunehmende Resistenzentwicklungen zunehmend auf der Tagesordnung. Die DAK führt die zunehmende Resistenzentwicklung in ihrem Antibiotika-Report 2014 auf die bestehende Über- und Fehlversorgung im Gesundheitswesen zurück. Eine Umfrage zeigte, dass ein Drittel der BürgerInnen in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal ein Rezept für ein Antibiotikum erhielt, bei Frauen sogar zwei von fünf Befragten. Dabei sind die Indikationen vielfach mehr als fragwürdig.

Ende März 2015 legte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe einen 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung resistenter Erreger: 10-Punkte-Plan zur Vermeidung behandlungsassoziierter Infektionen und Antibiotika-Resistenzen vor. Er beginnt mit dieser Analyse: "In Deutschland treten jährlich zwischen 400.000 bis 600.000 behandlungsassoziierte Infektionen auf. Diese können im Zusammenhang mit einer stationären oder ambulanten Behandlung stehen. Die demographische Entwicklung, eine Zunahme an komplizierten medizinischen Eingriffen und der Anstieg an resistenten Infektionserregern tragen zu einer Verstärkung des Problems bei. Ein Drittel dieser Infektionen ist durch geeignete Maßnahmen vermeidbar. Durch eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern, aber auch von Krankenhäusern und ihren Trägern muss dieser hohen Zahl von Infektionen mit jährlich 10.000 bis 15.000 Todesfällen entgegengewirkt werden."
Den hier erkennbaren, eingeengten Blick des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) auf die wachsenden Problematik multiresistenter Krankheitserreger zeigen auch die zehn Punkte des Plans:
1. Ausbreitung multiresistenter Erreger verhindern
2. Hygienestandards in allen Einrichtungen weiter ausbauen
3. Bessere Informationen zur Hygienequalität in Krankenhäusern
4. Meldepflichten zur Früherkennung resistenter Erreger verschärfen
5. Verpflichtende Fortbildung des medizinischen Personals
6. Versorgungsforschung zur Vermeidung nosokomialer Infektionen verbessern
7. "One-Health"-Gedanken stärken: Aktualisierung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie
8. Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika ermöglichen (Pharmadialog)
9. Deutsche globale Gesundheitspolitik zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen nutzen
10. Antibiotika-Resistenzen durch Kooperation der G7 bekämpfen

Die Pharma-Hersteller wittern bereits Morgenluft: Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) stellt sich in seinem Positionspapier "Antibiotika und Resistenzen" eine vielversprechende Zukunft vor: "Neue Antibiotika gegen Problemkeime werden dringend gebraucht. Forschende Pharma-Unternehmen arbeiten weltweit wieder verstärkt an solchen Präparaten", und fordert bei dieser Gelegenheit "angemessene frühe Nutzenbewertungen und Vergütungen für neu entwickelte, auch gegen resistente Bakterien wirksame Antibiotika". Offenbar sieht auch die Bundesregierung das Heil in der Technologie, sei es durch Verbesserung der Hygiene, Erfassung, Fortbildung oder Pharma-Forschung; aus diesem fokussierten Mehr-vom-Gleichen hebt sich allein die "One-Health"-Idee ab, also der Förderung und Erhaltung der Gesundheit im Human-, Tier- und Umweltbereich - aber so richtig sie ist, auch sie lässt die gebotene Komplexität vermissen.

Über den deutschen Tellerrand hinaus will die Bundesregierung mit dem Multiresistenz-Problem nun auch in die globale Gesundheitspolitik eingreifen. Diese Art des zuletzt so oft geforderten verstärkten Engagements Deutschlands in der Welt ist grundsätzlich zu begrüßen. Aber der 10-Punkte-Plan und bisherige Verlautbarungen lassen befürchten, dass die gesundheitspolitische Prioritätensetzung für den nächsten, von Deutschland ausgerichteten G7-Gipfel Stückwerk bleiben. Das Problem zunehmender Antibiotika-Resistenzen verdeutlicht nachdrücklich die enge Verknüpfung von nationaler und globaler Gesundheitspolitik sowie die Komplexität wirksamer Gesundheitspolitik. Antibiotika-Resistenzen erfordern nicht nur Maßnahmen in der ärztlichen Versorgung - z. B. Verminderung des Verschreibungsverhalten durch geeignete Leitlinien, Honorierungsformen und Anreize -, und in der Veterinärmedizin - u. a. zurückhaltende Antibiotika-Gaben, Trennung von Verordnung und Gewinn, sondern auch grundlegende Änderungen in der Marketing- und Verkaufspolitik der Pharmaunternehmen und der landwirtschaftlichen Produktion: Solange die krank machenden Mastbedingungen in der Geflügel-, Schweine-, Rinder und Fischzucht die ständige Verabreichung von Medikamenten gegen Bakterien und Pilze erfordern, ist wenig Änderung zu erwarten. Hinzu kommt die Verabreichung bestimmter Antibiotika nicht aus medizinischen Gründen, sondern zur Mastbeschleunigung im Dienste purer Profitgier.

Soeben legte der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sein aktuelles Gutachten zum Thema über Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung vor. Darin widmet sich der Rat auch ausführlich dem Thema der Antibiotikaresistenzen und möglicher Einflüsse aus bzw. Effekte auf die Landwirtschaft und konstatiert unter anderem "erhebliches Potenzial zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes beim Masthuhn ohne Einbußen bei der Tiergesundheit" (S. 147). Es bleibt zu hoffen, dass diese Erkenntnisse hinreichende Berücksichtigung in der globalen Gesundheitspolitik der Bundesregierung und auf bei den entsprechenden Verhandlungen auf dem G7-Gipfel im Juni auf dem bayerischen Schloss Elmau findet.

Mittlerweile deutet zudem einiges darauf hin, dass ein Erfolg versprechendes Vorgehen gegen zunehmende Antibiotikaresistenzen ein noch komplexeres Vorgehen erfordert. Galten bisher die zu häufige und falsche Verschreibung sowie der intensive Gebrauch von Antibiotika in der Landwirtschaft als wesentliche Verursacher der weltweiten Resistenzzunahme, weisen nun australische WissenschaftlerInnen auf andere Faktoren hin. In dem kürzlich in der Open—Source-Zeitschrift PLOS one erschienenen Artikel Antimicrobial Resistance: The Major Contribution of Poor Governance and Corruption to This Growing Problem kommen die AutorInnen Peter Collignon, Prema-chandra Athukorala, Sanjaya Senanayake und Fahad Khan zu dem Ergebnis, dass Regierungsführung (bzw. "Governance" und Korruption entscheidende Triebfedern bei der Entstehung von Multiresistenzen sind; zudem korreliert die Resistenzentwicklung mit dem Ausmaß der privaten Gesundheitsfinanzierung.

In ihrer retrospektiven multivariaten Analyse der Antibiotikaresistenzvariabilität in Europa berücksichtigten die australischen ForscherInnen nicht nur den Gebrauch von Antibiotika in der Humanmedizin, sondern auch den Anteil privater Gesundheitsausgaben, die berufliche Bildung, die Wirtschaftsentwicklung (gemessen am Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt) und der Güte der Regierungsführung bzw. dem Ausmaß von Korruption. Die Ergebnisse beruhen auf zwischen 1998 und 2010 erhobenen Daten aus 28 europäischen Ländern, die Vergleiche zwischen Ländern wie innerhalb der Staaten erlauben. Grundlage der Modellrechnungen war ein Paneldatensatz aus menschlichen Blutproben, bei denen ein Screening nach sieben pathogenen Klassen aus Erregern und Resistenzen gegenüber bestimmten Antibiotika und die Messung der entsprechenden Antibiotikaresistenzraten erfolgte.

Die Ergebnisse der Forschergruppe aus Australien lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
• Nur 28 % der ermittelten Länderunterschiede bei der Antibiotikaresistenz sind auf Antibiotika-Gebrauch zurückzuführen; rechnet man Einmaleffekte hinzu, steigt die Erklärungskraft auf 33 %.
• Berücksichtigt man in der Regressionsanalyse jedoch den Indikator Korruptionskontrolle als zusätzliche Variable, lässt sich die Gesamtvariation in der Antibiotikaresistenz zu fast zwei Dritteln (63 %) erklären.
• Da komplette multivariate Regressionsanalyse dieses Ergebnis nur um 7 % ändert, stellt Korruption den wichtigsten sozioökonomischen Faktor der Antibiotikaresistenz dar; die Korruptionseffekte waren statistisch signifikant (P < 0,01); eine Verbesserung des Korruptionsindikators um eine Einheit reduziert der Antibiotikaresistenz um etwa 0,7 Einheiten.
•Das Einkommensniveau eines Landes scheint keine Auswirkungen auf die Resistenzraten zu haben, wohl aber der Anteil der privaten Gesundheitsausgaben am Nationaleinkommen: Je höher der Anteil der Privatausgaben in der Gesundheitsfinanzierung, desto größer ist das Risiko für Antibiotikaresistenzen.

Die AutorInnen verweisen auf die bedeutsamen (gesundheits)politischen Implikationen ihrer Untersuchungsergebnisse und kommen zu dem Schluss: "These findings support the hypothesis that poor governance and corruption contributes to levels of antibiotic resistance and correlate better than antibiotic usage volumes with resistance rates. We conclude that addressing corruption and improving governance will lead to a reduction in antibiotic resistance." Sie bezweifeln nicht die Bedeutung der Human- und Veterinärmedizin und der Umwelt für die Entstehung von Resistenzen gegen Antibiotika und sind sich der Vielschichtigkeit dieses Problems bewusst. Aber sie zeigen in eindrücklicher Weise auf, dass die gängigen nationalen wie globalen, rein gesundheitspolitischen Ansätze zur Beherrschung der Resistenzentwicklung unzureichend für eine Überwindung dieses Problems sind.

Der Artikel ist kostenfrei verfügbar und steht auch als PDF-Datei zum Download zur Verfügung.

Jens Holst, 30.3.15


Wie viel kostet durch Luftverschmutzung an Hauptverkehrsstraßen verursachtes Asthma von Kindern? Beispiel Los Angeles County

Artikel 2427 Nicht dass gesundheitliche Probleme erst dann wahr- und ernstgenommen werden sollten, wenn sie etwas kosten und man die mit ihnen verbundenen Kosten kennt. Für präventive Interventionen ist aber oft die Kenntnis der Kosten für bestimmte Erkrankungen und der hinter den Kosten stehenden Ursachen der entscheidende Anstoß.
Dies trifft auch für eine Studie zu, welche die Kosten der nachgewiesenermaßen kausal die Entstehung von Asthma bei Kindern fördernden Luftverschmutzung im Umkreis von Hauptverkehrsstraßen im Los Angeles County untersuchte.

Eine schweizerisch-amerikanische Forschergruppe bestimmte als erstes die BewohnerInnen, die in diesem County in einem Umkreis von bis zu 75 Meter neben einer Hauptverkehrsstraße leben. Danach kalkulierten sie wie hoch in diesem Bereich die durch die Exposition gegenüber der Gesamtluftverschmutzung und den Stoffen Ozon und Stickstoffdioxid entstehenden Kosten für asthmakranke Kinder im Jahr 2007 waren.

Die Ergebnisse einer Reihe von detaillierten Berechnungen und Schätzungen lauteten allein für diese südkalifornische Region folgendermaßen:

• Die der Gesamtluftverschmutzung sowie den Ozon- und Stickdioxidbelastungen zurechenbaren Kosten für die Familien, ihre Krankenversicherungen und die Öffentlichkeit betrugen 643 Millionen US.-Dollar. Zum Beispiel kostet die Routinebehandlung eines an Asthma erkrankten Kindes rund 3.000 US-Dollar pro Jahr.
• Eine Beseitigung der Luftverschmutzung in der nächsten Umgebung von Hauptverkehrsstraßen und dabei auch der Reduktion der Ozon- und Stickdioxidlevels auf das Niveau von Gemeinden mit sauberer Umgebungsluft, würde die asthmabezogenen Ausgaben schätzungsweise um 293 Millionen US-Dollar reduzieren.
• Da in Los Angeles 32% der Kinder in einer staatlichen Krankenversicherung versichert sind, könnten mit dem durch eine Reduktion der Luftverschmutzung ersparten Geld zusätzlich 33.700 Kinder pro Jahr krankenversichert werden oder zusätzlich 2.358 Kinder einen ganztägigen Vorschulplatz erhalten. Den gesellschaftlichen Nutzen einer Vorschulerziehung für diese Kleinkinder schätzen Ökonomen auf 49 bis 132 Millionen US-Dollar jährlich.

Auch wenn die Straßendichte im Großraum Los Angeles besonders hoch ist, kommt man bei der Betrachtung der gesamten USA unschwer zu potenziell einsparbaren mit Luftverschmutzung an Verkehrsstraßen assoziierten Kosten für die Behandlung asthmakranker Kinder in Multi-Milliardenhöhe.

Von dem im November 2014 im "Journal of Allergy and Clinical Immunology" (Volume 134, Issue 5: 1028-1035) erschienenen Aufsatz Cost of near-roadway and regional air pollution-attributable childhood asthma in Los Angeles County von Sylvia Brandt et al. gibt es kostenlos das Abstract.

Bernard Braun, 17.11.14


Vorsicht Grenzwert! Welches gesundheitliche Risiko birgt die EU-Richtlinie für Feinstaub in sich?

Artikel 2324 Per staatlicher Verordnung oder Selbstverpflichtung von Herstellern und Anwendern festgelegte Grenzwerte von Stoffen, die als gesundheitliche Risikofaktoren gelten, haben oft nichts oder nur eingeschränkt mit ihrer wirklichen Gefährlichkeit zu tun, sondern sind das Ergebnis von politisch und ökonomisch bestimmten Aushandlungsprozessen.

Dies gilt offensichtlich auch für die EU-Richtlinie 1999/30/EG zu dem gesundheitliche Unbedenklichkeit suggerierenden Feinstaub-Grenzwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Unabhängig von der hier vorgestellten aktuellen Studie liegt der EU-Grenzwert schon immer deutlich über dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei als gesundheitlich unbedenklich festgelegten Maximalwert von 10 Mikrogramm.

Eine internationale ForscherInnengruppe um den Niederländer Rob Beelen vom "Institute for Risk Assessment Sciences" an der Universität Utrecht hat nun im Rahmen der multizentrischen "European Study of Cohorts for Air Pollution Effects (ESCAPE)" untersucht, ob und welche gesundheitlich unerwünschten Auswirkungen der EU-Grenzwert hat. Dazu untersuchten die WissenschaftlerInnen die Daten von 22 europäischen Kohortenstudien, von denen 19 auch Feinstaubdaten enthielten. Die Gesamtstudienpopulation umfasste 367.251 überwiegend um 1990 für die Langzeituntersuchungen gewonnene TeilnehmerInnen mit insgesamt 5.118.039 Personenjahren. Folgeuntersuchungen wurden durchschnittlich nach 13,9 Jahren gemacht. Dabei fanden sich 29.076 Todesfälle. Nach Ausschluss des möglichen Einflusses des Konsums von Alkohol und Tabak, der sozialen Stellung sowie von Übergewicht und Bluthochdruck ergab sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Feinstaubbelastung und der Wahrscheinlichkeit, während des Follow-up zu sterben.

Die ForscherInnen konzentrierten sich dabei vor allem auf die jährlich durchschnittlichen Konzentrationen von besonders feinem Feinstaub bis zu einer maximalen Größe von 10 Mikrometer. Diese Partikel sind seit Ende der 1990er Jahre als besonders gesundheitsgefährdend bekannt, da sie bis weit in das Lungengewebe vordringen und vermutlich sogar in den Blutkreislauf gelangen können.
Dabei hatten nicht nur Personen mit einer Partikelkonzentration oberhalb des EU-Grenzwerts eine signifikant geringere Lebenserwartung wegen des erhöhten Risikos von Lungenkrebs und Schlaganfall, sondern auch Personen, die einer Konzentration von Partikeln mit einer Größe von bis zu 2,5 Mikrometer ausgesetzt waren, die unterhalb des EU-Grenzwerts von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter lag. Dies galt sogar auch dann, wenn die Partikelkonzentration unter der Marke von 20 Mikrogramm/Kubikmeter lag. Ob auch das Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiko für andere schwere Krankheiten der Atemwege und des Kreislaufs höher liegt, wird noch untersucht.

Statt der immer öfter insbesondere aus deutschen Städten mit ständigen Überschreitungen des aktuellen EU-Grenzwerts zu hörenden Forderung, diesen Wert noch zu erhöhen, wäre aus gesundheitlich-präventiver Sicht eigentlich eine Absenkung des Grenzwerts auf den WHO-Wert angemessen.

Die Studie Effects of long-term exposure to air pollution on natural-cause mortality: an analysis of 22 European cohorts within the multicentre ESCAPE project von Rob Beelen et al. ist am 9. Dezember 2013 im Fachjournal "The Lancet" als "eary online publication" erschienen. Ein Abstract ist kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 31.12.13


WHO-Krebsforschungszentrum: Luftverschmutzung ist mit ausreichender Evidenz "a leading environmental cause of cancer deaths"

Artikel 2293 Über den Erhalt, die mögliche Verringerung, Ausnahmeregelungen oder gar die Ausdehnung der immer noch relativ wenigen Umweltzonen in deutschen Städte finden immer noch zähe Auseinandersetzungen praktisch um jede Straße und jeden Block statt. Dieses Ringen sollte mit dem Erscheinen der "Monographie 161: Air pollution and cancer" der "International Agency for Research on Cancer (IARC)", einer wissenschaftlichen Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation, beendet und sogar qualitativ derart erweitert werden, dass mehrere bisher weitgehend unbeachtete Schadstoffe berücksichtigt und vermieden werden sollten.
Für die WHO-Onkologen besteht für die durch mehrere Stoffe bestimmte Luftverschmutzung nach der Sichtung von mehr als 1.000 weltweit erschienenen Studien eine ausreichende Evidenz, dass mehrere dieser Stoffe und ihre Mischung Lungen- und auch andere Krebsarten auslösen können. Luftverschmutzung wird deshalb innerhalb der Risikobewertungsklassifikation der IARC ein so genanntes Group 1-Karzinogen ("agent is carcinogenic to humans" und hat "sufficient evidence of carcinogenicity").

Zu der riskanten Schadstoffmischung in der Außenluft gehören z.B. gehören polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, Ruß, Titandioxid und Talk, offene Feuer und das Anbraten unter hohen Temperaturen im Haushalt, Bitumen und Bitumen-Emissionen und verwandte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) sowie Diesel und andere Fahrzeugabgase sowie Nitroarene, deren Gefährlichkeit einzeln auch bereits in anderen IARC-Monographien nachgewiesen wurde. Der in den "Innenstadt-Umweltzonen"-Debatten eine bedeutende Rolle spielende Feinstaub wurde in einer weiteren Studie ebenfalls zum Group 1-Karzinogen erklärt.

Die Autoren der Monographie 161 heben zwar hervor, dass ihre Forschungsergebnisse sicher das Krebsrisiko der Luftverschmutzung als Ursache für weltweit, also ausdrücklich auch in europäischen Großstädten rund 223.000 Tote pro Jahr nachweisen, lassen aber nicht unerwähnt, dass Luftverschmutzung auch signifikant mit anderen Krankheiten assoziiert ist wie z.B. Herz-Kreislauf- oder Atmungsorganerkrankungen. Trotz eines zunächst geringen individuellen Risikos, wegen der Luftverschmutzung z.B. an Lungenkrebs zu erkranken und zu versterben, stellt die Verringerung der Verschmutzung ein weltweit enormes Public-Health-Thema dar.

Dass die Auswirkung von Luftverschmutzung auf die Morbidität und Frühsterblichkeit von Bevölkerungen keineswegs ein Problem der Dritten Welt oder Chinas ist, zeigten auch bereits zwei im Sommer 2013 erschienene methodisch hochwertige Studien.

Die in der Zeitschrift "Lancet Oncology" vorgestellte Meta-Analyse der Ergebnisse von 17 in Europa durchgeführten Kohortenstudien, die in Regionen mit erhöhten Schadstoffanteilen in der Außenluft leben, bestand bei einem maximalen Follow-up von 13 Jahren bei mehreren Schadstoffen ein signifikant erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.

Eine Meta-Analyse von 35 internationalen Studien in der Fachzeitschrift "Lancet" belegt, dass höhere Expositionen gegenüber bestimmten Schadstoffen (z.B. Carbon-Monoxid) das Risiko erhöhte, während Krankenhausbehandlung wegen Herzschwäche zu sterben. In den USA könnten durch eine Absenkung der Schadstoffkonzentration in der Luft um 3,9 Mikrogramm pro Kubikmeter rund 8.000 Todesfälle während der stationären Behandlung von Herzschwäche pro Jahr vermieden werden.

Einen Überblick über das IARC-Programm für eine "encyklopaedia of carcinogens" gibt die knappe IARC-Pressemitteilung Nr. 221 vom 17.10.2013.

Die von Kurt Straif, Aaron Cohen und Jonathan Samet herausgegebene Monographie 161. IARC Scientific Publication No. 161 "Air Pollution and Cancer" kann man als E-Book im epub-Format kostenlos herunterladen und bei Bedarf z.B. mit dem Programm Calibre in ein anderes Readerformat umwandeln.

Zu dem im August 2013 erschienenen Aufsatz Air pollution and lung cancer incidence in 17 European cohorts: prospective analyses from the European Study of Cohorts for Air Pollution Effects (ESCAPE) von Ole Raaschou-Nielsen rt al. - erschienen in "The Lancet Oncology" (Volume 14, Issue 9, Pages 813 - 822) gibt es das Abstract kostenlos.

Ebenfalls das kostenlose Abstract gibt es für den im September 2013 online erschienenen Aufsatz Global association of air pollution and heart failure: a systematic review and meta-analysis von Anoop SV Shah et al. aus der Zeitschrift "The Lancet" (Volume 382, Issue 9897, Pages 1039 - 1048). 21 September 2013

Bernard Braun, 18.10.13


Passivrauchen und Demenz: Studie in China belegt signifikante Assoziationen und Dosis-Wirkungszusammenhänge

Artikel 2210 Assoziationen oder sogar Ursache-Wirkungszusammenhänge zwischen passiv aufgenommenem Tabakrauch aus der Umgebungsluft, bestimmten Krebsformen, Erkrankungen der oberen Atemwege und kardiovaskulären Erkrankungen sind seit längerem bekannt. Ob dies für weitere schwere Erkrankungen und hier besonders für die Demenz auch zutrifft, war dagegen unklar. Keine Studie hatte bisher auch untersucht, ob es hier einen Dosis-Wirkungs-Zusammenhang gibt.
In China gibt es mindestens 350 Millionen RaucherInnen, die bisher auch nahezu ungehindert an ihren Arbeitsplätzen und öffentlichen Orten rauchen. Daher untersuchte jetzt eine chinesisch-britische ForscherInnengruppe im Zeitraum von 2007 bis 2009 mit Standardinstrumenten und -methoden sowohl das Demenzrisiko als auch die Passivrauch-Belastung in einer Gruppe von 5.921 Personen im Alter von 60 und mehr Jahren aus vier Provinzen Chinas.

Dabei zeigte sich u.a.,

• dass 626 TeilnehmerInnen (10,6%) am Ende des Untersuchungszeitraums ernsthaft dement waren und 869 (14,7%) mäßig dement waren und
• dass TeilnehmerInnen, die gegenüber Passivrauch exponiert waren, ein signifikant höheres Risiko für eine schwerwiegende Demenz (adjustiertes relatives Risiko [RR]: 1,29) hatten.
• Das Risiko für eine schwere Demenz war außerdem signifikant dosisabhängig, d.h. je höher die Dosis des Passivrauchs war und/oder je länger die untersuchten Personen exponiert waren, desto höher war ihr relatives Risiko ernsthaft demenzkrank zu sein.
• Signifikante und ähnliche Assoziationen von Passivrauchen und schwerer Demenz gab es sowohl bei Personen, die niemals rauchten als auch bei Ex-Rauchern wie aktuell rauchenden Personen. In der Studiengruppe bestimmte hauptsächlich das Passivrauchen am Arbeitsplatz das Demenz-Risiko.
• Wenn zum Beispiel jemand an seinem Arbeitsplatz keinen Kontakt mit Passivrauch hatte, betrug sein Demenzrisiko nicht signifikante 1,12 (p=0,581). Wer 20 bis 39 Jahre exponiert war, hatte ein RR von knapp nicht signifikanten 1,86 (P=0,060). Bei 40 und mehr Jahren Passivrauchen lag das RR hochsignifikant bei 2,39 (p=<0.001).
• Keine signifikanten Assoziationen fanden die chinesischen WissenschaftlerInnen zwischen Umgebungs-Passivrauch und mäßigen Demenzsyndromen.

Der Aufsatz "Association between environmental tobacco smoke exposure and dementia syndromes" von Ruoling Chen et al. ist Anfang 2013 gedruckt in der Fachzeitschrift "Occupational Environmental Medicine" (2013;70:1 63-69 Published Online First: 26 October 2012) erschienen und dank der "open access"-Politik der Zeitschrift komplett kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 20.1.13


Report einer US-Expertenkommission: Was Mayakalender und ein Asteroid nicht hinkriegen "schaffen wir mit dem Klimawandel selber"

Artikel 2206 Astronomen der NASA gaben am 13. Januar 2013 Entwarnung für die durch den für 2029 oder 2036 befürchteten Aufprall des Asteroiden Apophis auf die Erde mögliche katastrophale Verschlechterung der natürlichen Lebensbedingungen auf der Erde. Am 11. Januar 2013 veröffentlichte eine von der US-Regierung eingesetzte 60-köpfige Expertenkommission (das so genannte "National Climate Assessment and Development Advisory Committeer( NCADAC)") zum Klimawandel und seinen Folgen ihren von 240 weiteren Experten erstellten Bericht. Dieser zeigt, dass "die Menschen" zum "Weltuntergang" gar nicht die Natur brauchen, sondern das eventuell auch selber hinkriegen. Seit dem 14. Januar 2013 steht der Bericht öffentlich zur Debatte und soll erst nach dieser fachlichen und politischen Debatte offiziell fertiggestellt werden.

Der Bericht enthält einerseits auf den 1.146 Seiten seiner Draftversion viele bereits mehrfach erforschte und öffentlich präsentierte Ergebnisse über die Ursachen des Klimawandels, seinen derzeitigen Stand, Szenarien über die künftige Entwicklung in Abhängigkeit von mehr oder weniger energischen Gegenaktivitäten und die Möglichkeiten und Dimensionen hilfreicher Interventionen. Er kommt aber auch zu dem Schluss, dass ein Teil des Wandels und seiner unerwünschten Folgen nicht mehr zu ändern ist - höchstens noch das Ausmaß.

Andererseits ist der Bericht ein Novität, weil er geeignet ist die lange Zeit völlig gleichgültige oder ökologie-adverse Haltung diverser US-Regierungen zu erschüttern, ihre Bremserrolle auf internationalen Kongressen bei der Reduktion von CO2 zu beenden und evtl. ins Gegenteil zu verkehren.
Dazu liefert der Bericht Belege in Hülle und Fülle, die hier gar nicht präsentiert werden können.

Die neue Grundorientierung der möglichen künftigen Klimawandelpolitik der USA zeigt sich aber u.a. an folgenden Grundaussagen:

• "Climate change is already affecting the American people. Certain types of weather events have become more frequent and/or intense, including heat waves, heavy downpours, and, in some regions, floods and droughts. Sea level is rising, oceans are becoming more acidic, and glaciers and arctic sea ice are melting. These changes are part of the pattern of global climate change, which is primarily driven by human activity."
• "Evidence for climate change abounds, from the top of the atmosphere to the depths of the oceans. This evidence has been compiled by scientists and engineers from around the world, using satellites, weather balloons, thermometers, buoys, and other observing systems. The sum total of this evidence tells an unambiguous story: the planet is warming."
• "Climate change produces a variety of stresses on society, affecting human health, natural ecosystems, built environments, and existing social, institutional, and legal agreements. These stresses interact with each other and with other non-climate stresses, such as habitat fragmentation, pollution, increased consumption patterns, and biodiversity loss. Addressing these multiple stresses requires the assessment of composite threats as well as tradeoffs among the costs, benefits, and risks of available response options."

Wer eine aktuelle und "unverdächtige" Datenquelle für alle möglichen Fragen des Klimawandels sucht, kann sich die "Draft-Version "for public comment" des NCADAC-Reports kostenlos herunterladen, sollte sich aber bei 147 MB etwas Zeit lassen. Wer Kommentare liefern will, kann diese nach einer kurzen Registrierung bis zum 12. April 2013 auf der Website der Kommission abgeben.

Bernard Braun, 15.1.13


Sozioökonomische Struktur des Wohnumfeldes bestimmt dauerhaft den selbst wahrgenommenen Gesundheitszustand

Artikel 2069 Der selbst wahrgenommene Gesundheitszustand gilt als valider Indikator für die körperliche und mentale Verfassung. Er ist auch ein verlässlicher Prädiktor für künftige Erkrankungen und die mit ihnen assoziierte Sterblichkeit. Die meisten Studien untersuchen in diesem Zusammenhang Faktoren, die mit dem selbst wahrgenommenen Gesundheitszustand zu einem bestimmten Zeitpunkt oder einer Veränderung assoziiert sind. Ob, wodurch und wie sich dieser Indikator im Zeitverlauf und bei Personen mit unterschiedlichen Neuerkrankungen entwickelt, war aber wenig bekannt.

Eine über fast 18 Jahre von 1987 bis 2006 durchgeführte Längsschnittstudie liefert jetzt hierzu erste Hin-weise. Dazu wurden 15.792 schwarze und weiße TeilnehmerInnen der "Atherosclerosis Risk in Communi-ties"-Kohorte zu Beginn der Studie und dann jedes Jahr mit einer Standardfrage nach ihrem Gesundheits-zustand gefragt. Am Ende lagen 276.200 Einzeldaten vor, denen jeweils ein Wert zwischen 0 Punkten=tot und 95/100 Punkten=exzellente Gesundheit zugewiesen wurde. Zusätzlich wurden stetig die wichtigsten soziodemografischen Merkmale (z.B. Alter, Geschlecht, Ausbildung), Gesundheitsparameter (z.B. Body Mass Index), Merkmale des Gesundheitsverhaltens und der Krankheitsbehandlung und die Qualität der Wohngegend nach dem Zentralwert des Haushaltseinkommens in der Nachbarschaft ("neighbourhood-level median household income") erhoben. Die Gruppe wurde in eine Gruppe von 11.188 TeilnehmerInnen aufgeteilt, die weder zu Beginn noch nach der Studie an Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenkrebs, Herzversagen erkrankt waren oder eine Wiederherstellung der Durchblutung des Herzens z.B. durch eine Bypass-Operation benötigten und den Rest, der an einer oder mehreren dieser Erkrankungen erkrankt war.

Unabhängig vom Eintritt einer der beobachteten Erkrankungen gab es bei allen Kohortenmitgliedern, d.h. auch bei den dauerhaft Gesunden, eine positive Assoziation zwischen dem selbst wahrgenommenem Ge-sundheitszustand und der Wohnumgebung. Erwartungsgemäß war er bei denen am schlechtesten, die in Gegenden mit niedrigem sozioökonomischem Niveau lebten. Die Bewohner besserer Wohngegenden wiesen umgekehrt und kontinuierlich den besten selbst bewerteten Gesundheitszustand auf.

Das Ausgangsniveau und der Verlauf der wahrgenommenen Gesundheit waren nach einer umfassenden Adjustierung nach den erhobenen soziodemografischen und gesundheitsbezogenen Merkmalen sehr un-terschiedlich. Das höchste und am wenigsten verringerte Ausgangsniveau hatten die Personen, die über die gesamten 18 Jahre nicht an einer der ausgewählten Krankheiten erkrankten. Ihr Gesundheitszustand sank von rund 74 maximal um 1,4 Punkte. Fast alle Personen, die während der 18 Jahre schwer erkrankte bewerteten ihren Gesundheitszustand schon drei Jahre vor dem Ereignis schlechter als die dauerhaft Nichterkrankten. Das Ausgangsniveau derjenigen, die z.B. später an einem Herzversagen litten, lag bei 59 Punkten. Bei den später an Herzversagen oder Lungenkrebs erkrankten Personen sank der selbst wahrgenommene Gesundheitszustand schon in den drei Jahren vor dem Erkrankungsjahr um bis zu 8 Punkte. Im ersten Jahr nach dem Eintritt der Erkrankung sank mit Ausnahme der Schlaganfallerkrankten der Wert des selbst bewerteten Gesundheitszustandes bei allen Erkrankten, die das Ereignis überlebten, am stärksten. An dem Gesundheitswert von um die 65 Punkte vor dem Schlaganfall änderte sich auch in den fünf Jahren nach dem Schlaganfall wenig. Im zweiten Jahr nach dem Ereignis stieg mit Ausnahme der an Lungenkrebs erkrankten und häufiger verstorbenen Personen der Wert des selbst bewerteten Ge-sundheitszustandes mehr oder weniger kräftig an, ohne aber das Niveau von vor dem Ereignis auch nach 5 Jahren wieder zu erreichen. Weitere Berechnungen identifizierten das zunehmende Alter und die geringeren Bildungsfertigkeiten als entscheidende Prädiktoren der Abnahme des Niveaus der selbst bewerteten Gesundheit - unabhängig von der Art der Erkrankung. Bei einigen Erkrankungen spielten außerdem noch hoher Blutdruck, Übergewichtigkeit und das Rauchverhalten eine bestimmende Rolle beim Absinken des Gesundheitsniveaus.

Die Studie unterstreicht u.a. die hohe Verlässlichkeit und Empfindlichkeit des Indikators des selbst wahrgenommenen Gesundheitszustandes auch für Analysen des Verlaufs von Krankheitsereignissen sowie auch in diesem Kontext die enorme beherrschende Bedeutung der sozialen Umwelt für den Gesundheitszustand. Die AutorInnen regen außerdem an, die Faktoren, die zu einem schlechten Verlauf der Gesund-heitsbewertungen vor und nach einem Krankheitsergebnis beitragen, daraufhin zu untersuchen, ob man über sie nicht unabhängig von der Erkrankungsart den gesundheitlichen Outcome verbessern kann.

Der Aufsatz "Socioeconomic status and the trajectory of self-rated health" von Randi E. Foraker, Kathryn M. Rose, Patricia P. Chang, Ann M. McNeill, Chirayath M. Suchindran, Elizabeth Selvin und Wayne D. Rosamond ist im Juli 2011 in der Fachzeitschrift "Age Ageing" (40 (6): 706-711) erschienen. Ein kostenloses Abstract ist erhältlich.

Bernard Braun, 28.1.12


Pestizide, Weichmacher oder Schmerzmittelrückstände - Was sich in Elbe, Donau, Schelde und Llobregat an Schadsubstanzen findet

Artikel 2018 Für den erfolgreichen oder gar präventiven Umgang mit den gesundheitlichen Gefahren, die von der riesigen Anzahl von Chemikalien ausgehen, die direkt oder indirekt in die Umwelt und damit über kurz oder lang wieder zum bzw. in den Menschen gelangen, stehen weder unendliche Zeiträume noch sehr viele finanzielle Mittel zur Verfügung. Im Rahmen der so genannten "European Union Water Framework Directive (EU WFD) wird daher eine Priorisierung der chemischen Risiken vorgenommen.

Ein erstes Monitoring konzentrierte sich darauf, in den Einzugsgebieten von Elbe, Donau, Schelde und Llobregat nach Spuren von 500 organischen Substanzen unterschiedlicher gesundheitlicher Risikoträchtigkeit zu suchen.

Dabei fanden die Umweltforscher eine Reihe bedenklicher und nur wenig positive Verhältnisse:

• 201 der 500 Substanzen, nach denen in den Flussgewässern gesucht wurde, stammten aus der Industrieproduktion, 189 gehörten zu der Gruppe der Pestizide, d.h. überwiegend aus der Landwirtschaft und 21 Substanzen entstammten oder waren Arzneimittel. Die restlichen 73 Substanzen lassen sich nicht eindeutig klassifizieren, dürften aber vermutlich industriellen Ursprungs sein.
• Die relativ größte Gruppe der Arzneimittelsubstanzen stammt aus/von Schmerzmitteln wie Paracetamol, Ibuprofen oder Diclofenac.
• 38% der 500 nachgewiesenen Substanzen überschreiten eine Konzentration ("Predicted No-effect concentration" [PNEC]) bis zu 88%, bei denen unerwünschte Wirkungen auf Organismen nicht ausgeschlossen werden können.
• Unter den 44 Substanzen mit einem deutlich erhöhten Risikoniveau waren drei Viertel Pestizide. Unter den 10 Substanzen mit höchstem Risiko und höchster Priorität sind neun Pestizide vertreten. Diese hohe Bedeutung von Pestiziden in Flussgewässern war bisher wesentlich geringer eingeschätzt worden. Ein Teil der nachewiesenen Pflanzenschutzmittel waren auch deswegen nicht erwartet worden, weil sie offiziell seit geraumer Zeit nicht mehr für den Gebrauch zugelassen sind.
• Die am häufigsten im Flusswasser nachgewiesene Substanz war Koffein, aber dicht gefolgt von chemischen Stoffen aus der Industrie. Der sich darunter befindliche Weichmacher Bisphenol A kann die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen.
• Selbst Stoffe, die bisher eher als harmlos bewertet wurden, erreichen Umwelt-Konzentrationen "which might cause harm."

Von dem Aufsatz "A new risk assessment approach for the prioritization of 500 classical and emerging organic microcontaminants as potential river basin specific pollutants under the European Water Framework Directive" von der internationalen ForscherInnengruppe mit Peter Carsten von der Ohe, Valeria Dulio, Jaroslav Slobodnik, Eric De Deckere, Ralph Kühne, Ralf-Uwe Ebert, Antoni Ginebreda, Ward De Cooman, Gerrit Schüürmann und Werner Brack, veröffentlicht in der Fachzeitschrift "Science of the Total Environment" (409: 2064-2077), ist lediglich das Abstract kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 17.10.11


Wie gut vorbereitet sind Krankenhäuser auf schwere Katastrophen à la Japan? Beunruhigende Ergebnisse einer US-Krankenhausbefragung

Artikel 1923 Wie schnell sich die "Alles-ist-sicher"- und "Wir-haben-alles-im-Griff"-Rhetorik von Unternehmen und Politik im Bereich technischer Verfahren im wahrsten Sinne des Wortes in lebensgefährlichen Rauch auflösen kann, konnte und kann man an den Folgen des Erdbebens, Tsunamis und der gewaltigen Störfälle im Atomkraftwerk Fukushima leider in allen Details studieren.

Wer dabei sieht, dass in einem der reichsten Industrieländer der Welt, gebrechliche und kranke Personen in unterkühlten Turnhallen oder zuletzt auch in Tokioter 5-Sterne-Hotels notdürftig untergebracht wurden, sollte sich fragen, wie die gesundheitliche Versorgung in vergleichbaren Katastrophenfällen eigentlich in anderen, ärmeren wie reicheren Ländern aussehen würde.

Welche Funde eine entsprechende Recherche zu Tage fördern kann, zeigt ein gerade für die USA veröffentlichter offizieller Bericht, der sich auf Daten des "National Hospital Ambulatory Medical Care Survey" aus dem Jahr 2008 stützt. Dessen spezifischen Fragen nach der Vorbereitung auf sechs näher bezeichnete Typen von Katastrophen wurde von 294 der insgesamt 395 befragten repräsentativen Krankenhäuser beantwortet zurückgeschickt. Bei den Katastrophenkonstellationen handelt es sich um den pandemischen Ausbruch von Krankheiten, Bioterror-Attacken, chemischen Unfällen oder Angriffen, nukleare, mit Strahlung verbundene Ereignisse, große Explosionen und Feuersbrünste sowie große Naturkatastrophen wie z.B. Erdbeben.

Die Ergebnisse lauten im Einzelnen:

• Nahezu alle befragten Krankenhäuser hatten für irgendeine der Katastrophen Aktionspläne.
• Nur 68% der Krankenhäuser hatten aber Pläne für den Umgang mit allen sechs Katastrophensorten.
• Am wenigsten Pläne gab es für den Fall und die Folgen eines nuklearen Unfalls mit Verstrahlungen und eine große Brandsatzexplosion. Sie fehlten in jeweils gut 20 % der Krankenhäuser. Obwohl der einzige große AKW-Unfall vor Tschernobyl in den USA stattfand, und einige kalifornische AKW in vergleichbaren Erbebenrisikogebieten stehen wie das jetzt am Rande des GAU stehende japanische AKW war auch in den USA offensichtlich die Meinung verbreitet, die eigenen AKWs seien "sicher".
• Mehr als 95% der Kliniken hatten aber Pläne für den Fall von Naturkatastrophen und Chemieunfälle.
• Ein Hauptmangel war die Dominanz von Plänen welche die beim Anstrum zu vieler Patienten notwendige Zusammenarbeit mit anderen Krankenhäusern und anderen Gesundheitsversorgungseinrichtungen vernachlässigten bzw. nicht geregelt hatten. Beispielsweise hatte ein Viertel der Kliniken keine Pläne wie die örtlichen Kapazitäten im Falle einer großen Anzahl von zu versorgenden Katastrophenopfer mobilisiert werden könnten. Ferner hatten 40% der Kliniken keine Vereinbarungen mit spezialisierten Zentren zur Behandlung von Verbrennungspatienten.
• Während immerhin 88% der Krankenhäuser angaben, sie hätten schriftliche Arrangements mit anderen Kliniken, bei Überfüllung erwachsene Patienten zu übernehmen, hatten nur 56,2 % aller Häuser solche Vereinbarungen zur Übernahme von Kindern. Die potenzielle Versorgung von Kindern (dazu gehören z.B. auch Hilfen bei der Wiederzusammenführung von Familien) und Behinderten sah insgesamt bei mehr als der Hälfte der Krankenhäuser schlecht aus.
• Schließlich gab es bei beinahe 40 % aller Krankenhäuser keinen Plan, wie man ihre Kapazität zur Lagerung von Leichen erweitern kann.
• Dennoch gibt es aber auch Positives zu berichten: Die große Mehrheit der Krankenhäuser hat in ihre Planungen andere lokale Akteure wie die Feuerwehr oder die örtlichen öffentlichen Gesundheitseinrichtungen einbezogen.

Bevor man weiter sagt oder hofft, in Deutschland träten natürlich nie solche Katastrophen ein und selbst im eigentlich unmöglichen Fall sähe dann versorgungsmäßig alles gut aus und funktioniere, wäre ein dem US-Beispiel ähnelnder nationaler Bericht beruhigender.

Den von den staatlichen "Centers of Disease Control (CDC)" verbreiteten 15-seitigen "Report "Hospital Preparedness for Emergency Response: United States, 2008" von Richard W. Niska und Iris M. Shimizu (National Health Statistic Reports 24. März 2011; Nummer 37) gibt es kostenlos im Internet.

Bernard Braun, 28.3.11


Leider auch bei 35 Grad im Schatten und im Urlaub: Vorsicht vor offiziellen Mitteilungen zur Badegewässerqualität.

Artikel 1834 Passend zur Jahreszeit verkünden Kurverwaltungen, Tourismuszentralen und kommunale Verantwortliche für Baggerseen und Flußläufe nahezu unisono: Die Wasserqualität der Gewässer sei gut und erreiche nahezu Trinkwasserqualität.

Dass auch hier regionalwirtschaftliche Interessen vor gesundheitlichen stehen könnten, konnte man angesichts des optischen Zustands mancher Gewässer schon immer befürchten. Und einzelne Nachmessungen für Strände an Ost- und Nordsee durch den ADAC stuften auch in diesem Jahr manchen offiziell unbedenklichen Platz als "bedenklich" ein. Wesentlicher Indikator für die Wasserqualität waren aber auch hier nachgewiesene bakterielle Belastung durch Fäkalien.

Handfestere Belege für ein noch wesentlich systematischeres Sauberreden mancher Gewässer liegen aber seit dem Sommer 2009 in Gestalt eines Aufsatzes portugiesischer Mikrobiologen vor.
Diese Experten verweisen generell darauf hin, dass die für die meisten Gewässerqualitätsanalysen eingesetzten Methoden seit zig Jahren obsolet sind und die verharmlosenden Effekte der Konzentration auf die Messung von Keimbelastungen mit Darmbakterien wie Escherichia coli und Enterokokken und die dadurch drohenden Durchfallerkrankungen bekannt sind. Bekannt sei ebenfalls seit langem, dass die Wasserqualität auch erheblich durch Viren beeinträchtigt werden kann - mit eher noch schwerwiegenderen gesundheitlichen Folgen.

Die portugiesischen Experten, welche die durchweg aufwändigeren Virenanalysen durchführten, kommen zu deutlich anderen Qualitätsbeurteilungen vieler nach der bakteriellen Überprüfung als "excellent" eingestuften Badegewässer:

• Von den 16 untersuchten "excellenten" Badestrände im Umland von Lissabon waren 95% mit Hepatitis-A-Viren verunreinigt und 27% mit Noroviren, die zu starkem Brechdurchfall führen können.
• Neben Hepatitis-A- und Noroviren können auch Rotaviren (ein weiterer Brechdurchfallerreger), Adenoviren (verursachen u.a. Augenentzündungen, Schnupfen und Durchfälle) sowie Enteroviren (u.a. verantwortlich für grippale Infekte) im Wasser auftreten.

Auch wenn man nach diesen Ergebnissen zumindest bei badefreudigen Familien eine Impfung gegen Hepatitis A-Viren in Erwägung ziehen sollte, - dies empfiehlt z.B. der "Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)" - müsste aber auch endlich die mit dieser Untersuchung offensichtlich gewordene Täuschung des Badepublikums beendet werden.

Von dem Aufsatz "Viral and bacterial contamination in recreational waters: a case study in the Lisbon bay area" von A.M. Silva, H. Vieira, N. Martins, A.T.S. Granja, M.J. Vale und F.F. Vale in der Fachzeitschrift "Journal of Applied Microbiology" (Volume 108 Issue 3: 1023-1031) gibt es kostenlos nur rein knappes Abstract.

Bernard Braun, 13.7.10


"Ausreichend Evidenz" für die gesundheitlich unerwünschten Wirkungen durch Schadstoffe des Automobilverkehrs.

Artikel 1710 Selbst wenn die Automobilindustrie die Forschung mitbezahlt, ist das Ergebnis eindeutig und nicht gerade auto- oder individualverkehrsfreundlich: Autoabgase können mit ausreichender Gewissheit ("evidence is sufficient") bei Kindern Asthmaanfälle auslösen. Sie beinträchtigen vermutlich auch die Lungenfunktion und begünstigen die Atherosklerose im Erwachsenenalter. Insgesamt haben 30 bis 45 % der US-Bevölkerung, die weniger als 300 bis 500 Meter von der nächsten viel befahrenen Straße entfernt leben, gesundheitliche Nachteile durch die Emissionen der Kraftfahrzeuge.

Dies sind jedenfalls Ergebnisse der bisher umfassendsten Studie, die zum Zusammenhang von Schadstoffbelastungen durch den Straßenverkehr und gravierenden Gesundheitsbelastungen in den USA, wenn nicht sogar weltweit, zwischen Oktober 2006 und Juli 2007 (mit einem Update mit Stand Oktober 2008) durchgeführt wurde. Auftraggeber für die rund ein Dutzend nationale und internationale interdisziplinäre Experten umfassenden Forschergruppe am privaten non-profit-orientierten "Health Effects Institute (HEI)" in Boston waren zu gleichen Teilen die Fahrzeugindustrie und die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) ("HEI receives half of its core funds from the U.S. Environmental Protection Agency and half from the worldwide motor vehicle industry."). Das Expertenpanel arbeitete unter Leitung der Epidemiologin Ira Tager, Professorin an der University of California-Berkeley.

Trotz der Fülle und der "suggestive evidence" bzw. der inhaltlichen Monotonie der Ergebnisse in den durchweg peer-reviewten Studien, reichen sie noch nicht für den Beleg einer Kausalität aus. Dies liegt nach Ansicht der Wissenschaftler aber weniger an Mängeln der berücksichtigten Studien. Vielmehr sind die Anwohner vielbefahrener Straßen in den USA auch noch durch andere Bedingungen wie z.B. die schlechte Qualität ihrer Wohnungen oder durch den Lärm belastet, die sich beide zum Teil ebenfalls negativ auf die Gesundheit der exponierten Bevölkerung auswirken können. Dies und die außerdem bei den dort häufig wohnenden Angehörigen unterer sozialer Schichten überwiegend unfreiwillige ungesunde Lebensweise führen zu einer Kumulation von meist negativen, belastenden oder krankmachenden Bedingungen, die schwer auseinander zu halten sind.

Der im Januar 2010 erschienene, 386 Seiten umfassende SPECIAL Report 17 " Traffic-Related Air Pollution: A Critical Review of the Literature on Emissions, Exposure, and Health Effects", erarbeitet durch das "HEI Panel on the Health Effects of Traffic-Related Air Pollution", ist komplett kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 14.1.10


Tempo-30-Zonen senken die Zahl der Verkehrsunfälle, der Schwerverletzten und Todesopfer

Artikel 1689 Die Einführung von Tempo-30-Zonen in der englischen Hauptstadt London im Zeitraum 1986 bis 2006 hat nach einer jetzt in der Fachzeitschrift "British Medical Journal (BMJ)" veröffentlichten Studie zu einem erheblichen Rückgang von Verkehrsunfällen auf diesen tempoberuhigten Straßen geführt. Dabei wurde ein besonders starker Rückgang schwerer Unfälle mit Todesopfern oder Schwerverletzten beobachtet, während die Veränderungen bei geringfügigen Unfallfolgen nicht ganz so stark ausgeprägt war.

Notorische Gegner von Tempolimits werden diese Studie nicht mehr so ohne weiteres mit Hinweis auf methodische Defizite oder eine zu kleine Datenbasis vom Tisch wischen können. Knapp 300.000 Straßenabschnitte in London wurden von den Wissenschaftlern darauf hin analysiert, ob es im Verlaufe von 20 Jahren, im Zeitraum 1986-2006, dort Verkehrsunfälle gab, wie viele Unfälle es waren, welche Art von Verletzten oder gar Todesopfer zu beklagen waren. Erfasst wurde auch die Art der Verkehrsteilnehmer (Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger) und das Alter der Unfallbetroffenen. Unterschieden wurden dabei Tempo-30-Zonen (bzw. 20 Meilen, etwa 32 km/h) und angrenzende Straßen, jeweils vor und nach der Einführung der Geschwindigkeitsbeschränkung. In der statistischen Analyse berücksichtigt wurden dann etwa 764.000 leichtere und 130.000 schwere Unfälle sowie rund 6.200 Unfälle mit Todesopfern.

Die verwendeten Daten basieren auf offiziellen Polizeiberichten und Statistiken, den "Police STATS19 Data". Im Vergleich des Unfallgeschehens vor und nach der Einführung des Tempolimits sowie unter Berücksichtigung genereller Einflussfaktoren zeigte sich dann:
• Die Gesamtzahl der Unfälle ging in den tempoberuhigten Zonen um etwa 42 Prozent zurück.
• Besonders deutliche Effekte zeigten sich für Unfälle, an denen Kinder im Alter bis 15 Jahren beteiligt waren (minus 46%).
• Ebenso markant war der Rückgang von schweren Unfällen und solchen mit Todesopfern bei Kindern (minus 50%).
• Die bisweilen vorgebrachten Gegenargumente gegen die Einführung von Tempo-30-Zonen, das Unfallgeschehen würde sich dann lediglich in angrenzende Straßen verlagern, konnte in der Studie nicht bestätigt werden. Auch dort zeigte sich ein Rückgang der Unfälle, im Durchschnitt um etwa 8 Prozent.
• Unfälle mit Todesopfern gingen um etwa 35 Prozent zurück.

Die 20-Meilen Zonen, so fasste der Wissenschaftler Chris Grundy die Befunde der Studie zusammen, würden jedes Jahr 203 Unfälle vermeiden, darunter 27 mit schweren Verletzungen oder tödlichem Ausgang. 51 Fußgänger wären betroffen. Eine weitere Ausdehnung der Zonen hätte das Potenzial zur Vermeidung von 692 Unfällen pro Jahr, darunter 100 tödliche Unfälle oder solche mit Schwerverletzten.

Die Studie ist kostenlos im Volltext verfügbar: Chris Grundy et al: Effect of 20 mph traffic speed zones on road injuries in London, 1986-2006: controlled interrupted time series analysis (BMJ 2009;339:b4469; Published 10 December 2009, doi:10.1136/bmj.b4469)

Gerd Marstedt, 14.12.09


Australische Studie: Die Infrastruktur einer Wohngegend bestimmt das Ausmaß körperlicher Bewegung

Artikel 1636 Auch Maßnahmen und Pläne zur Stadtentwicklung können direkt der Gesundheitsförderung dienen. Eine australische Studie hat jetzt gezeigt: In Wohngegenden, in deren Umgebung und fußläufiger Nähe bestimmte Einrichtungen wie Bushaltestellen, Briefkästen, Postämter oder Geschäfte häufiger vorhanden sind, gehen Bürgerinnen und Bürger auch sehr viel häufiger zu Fuß als in Stadtteilen mit einer verödeten Infrastruktur.

Die Motivierung der Bevölkerung zu mehr Sport und körperlicher Bewegung gilt als ein Schlüsselkonzept der Gesundheitsförderung und als wesentliche Voraussetzung zur Bekämpfung der Übergewichts- und Adipositas-Problematik. Die dazu vorgelegten Interventions-Konzepte beschränken sich aber weithin immer noch auf Informationskampagnen, Appelle ("3000 Schritte extra", "Fit statt fett") oder bewusst aus dem Alltag herausgehobene Aktivitäten. Dass die individuelle Motivation zu mehr körperlicher Bewegung ganz wesentlich aber auch von objektiven Faktoren, also städtebaulichen Rahmenbedingungen und kommunalen Angeboten abhängt, hat jetzt erneut eine Studie deutlich gemacht.

Die in der Zeitschrift "Preventive Medicine" veröffentlichte australische Studie hat untersucht, von welchen infrastrukturellen Rahmenbedingungen am Wohnort das Bewegungsverhalten der Bürger abhängt, also ob diese häufiger oder weniger häufig zu Fuß gehen oder spazieren gehen. Das Ausmaß körperlicher Bewegung wurde anhand einer Befragung ermittelt, an der 1.394 erwachsene Westaustralier teilnahmen. Erfasst wurde dabei auch die genaue Lage ihrer Wohnung.

Diese Daten wurden dann verknüpft mit Angaben aus einem geografischen Informationssystem (GIS), aus denen das Vorhandensein und die genaue Lage unterschiedlicher Einrichtungen hervorgeht: Postämter, Briefkästen, Geschäfte, Einkaufszentren, Bushaltestellen und Bahnhöfe, Schulen usw. Für die Datenanalyse klassifiziert wurden dann für jeden Studienteilnehmer die Art und Anzahl der Einrichtungen, die sich in einem Umkreis von 400m oder 1.500m zu seiner Wohnung befanden.

Als Ergebnis zeigte sich: Je mehr Einrichtungen in der näheren Umgebung vorhanden waren, desto häufiger fand man bei den Teilnehmern auch, dass diese die anfallenden Transporte zu Fuß erledigten. In Bezirken mit besonders vielen fußläufig erreichbaren Postkästen, Bushaltestellen, Zeitungsständen, Einkaufszentren und Haltestellen im Umkreis von 400 Metern war das Ausmaß körperlicher Bewegung zwischen 1.63 und 5mal so hoch wie in eher "verödeten" Wohngegenden. Waren dieselben Einrichtungen in einem Umkreis von bis zu 1.500 Metern vorhanden, lag das Ausmaß der körperlichen Aktivität immer noch 1,75 bis 2,38mal so hoch wie in einer von solchen Einrichtungen freien Gegend.

Der Zusammenhang war so eindeutig und eng, dass in der Studie sogar eine Dosis-Wirkungs-Abhängigkeit zwischen dem Mix der Einrichtungen und dem Zufußtransport nachgewiesen werden konnte: Jede zusätzliche Einrichtung innerhalb von 400 bis 1.500 Metern um den Wohnort führte zu einem zusätzlichen 12- bzw. 11-Minuten-Transportgang innerhalb von zwei Wochen.

Hier gibt es ein kostenloses Abstract der Studie: McCormack Gavin R. u.a.: The relationship between destination proximity, destination mix and physical activity behaviors (Preventive Medicine, Vol 46, Issue 1, S. 33-40)

Gerd Marstedt, 7.9.09


Feinstaub und Luftverschmutzung durch Abgase während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko von Frühgeburten

Artikel 1589 Eine Analyse von über 80 Tausend Geburten in Kalifornien unter Berücksichtigung der jeweiligen Belastung der schwangeren Frauen durch Luftverschmutzung hat jetzt gezeigt: Je stärker die Frauen solchen Umweltverschmutzungen ausgesetzt sind, desto höher ist auch das Risiko für eine Frühgeburt oder eine Präeklampsie, eine Schwangerschaftserkrankung mit Symptomen wie Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit und Erbrechen.

Bereits mehrfach haben wir im Forum Gesundheitspolitik über gesundheitliche Risiken von Umweltbelastungen und speziell Luftverschmutzungen berichtet, unter anderem: Weniger Feinstaub - weniger Herzinfarkte, Abgase machen krank und kränker, Niedriges Geburtsgewicht und Feinstaubpartikel. Die Vielzahl der Krankheiten, die bislang in wissenschaftlichen Studien als Risiken zu hoher Feinstaubbelastung identifiziert wurden, musste jetzt um eine weitere Negativfolge ergänzt werden. Ein kalifornisches Wissenschaftler-Team analysierte dazu Krankenhaus-Daten zu über 80.000 Geburten aus dem Zeitraum 1997 bis 2006. Aus diesen Protokollen übernahmen sie Hinweise auf verschiedene gesundheitliche Probleme und Erkrankungen der Frauen, so insbesondere, ob es sich um eine Frühgeburt handelte und zu welchem Zeitpunkt diese stattfand, oder auch, ob die Frauen an Präeklampsie erkrankt waren.

Für alle Frauen errechneten sie dann anhand der Wohnungs-Adresse und offiziell verfügbarer Daten unter anderem zum Verkehrsaufkommen, zu meteorologischen und geographischen Besonderheiten der Wohngegend den Grad an Luftverschmutzung und Feinstaubbelastung, denen die Frauen während ihrer Schwangerschaft ausgesetzt waren. In multivariaten Analysen wurden diese Umweltfaktoren dann mit den gesundheitlichen Risiken in Verbindung gebracht und dabei auch andere Aspekte (wie Alter der Frauen, Einkommen, Rasse/Hautfarbe, Art der Krankenversicherung) kontrolliert.

Tatsächlich zeigte sich dann ein sehr enger Zusammenhang zwischen dem Grad der Luftverschmutzung während der Schwangerschaft und den Erkrankungen bzw. Frühgeburten:
• So stieg das Risiko von Präeklampsien um etwa ein Drittel, wenn man Wohngegenden mit hoher und niedriger Belastung verglich.
• Noch deutlichere Effekte zeigten sich für das Risiko von Frühgeburten. Für extrem frühe Geburten beispielsweise (vor der 30.Schwangerschaftswoche) ergab sich ein etwa doppelt so hohes Risiko für alle Frauen in Wohngegenden mit der höchsten Umweltverschmutzung (oberste 25 Prozent der Belastungswerte).

Quelle: Jun Wu, Cizao Ren, Ralph J. Delfino, Judith Chung, Michelle Wilhelm-Turner, and Beate Ritz: Association between Local Traffic-Generated Air Pollution and Preeclampsia and Preterm Delivery in the South Coast Air Basin of California
Environ Health Perspect doi:10.1289/ehp.0800334
Abstract der Studie
Volltext als PDF

Gerd Marstedt, 26.6.09


Weniger Feinstaub - weniger Herzinfarkte

Artikel 1482 Eine Minderung der Feinstaubkonzentration verlängert die Lebenserwartung, lautet das Fazit einer kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie. Der Epidemiologe Arden Pope von der Brigham Young University in Boston wertete die Daten über die Verbesserung der Luftqualität in 51 US-amerikanischen Städten in den Jahren 1980 bis 2000 aus und korrelierte sie mit der Sterblichkeit der Bewohner. Die Lebenserwartung stieg im Untersuchungszeitraum insgesamt um 2,72 Jahre. 5 Monate davon sind nach den Berechnungen der Wissenschaftler auf die verbesserte Luftqualität zurückzuführen. Die Minderung der Feinstaub-Konzentration um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter ging mit einer Verbesserung der Lebenserwartung um 0,77 Jahre einher. Andere Einflussfaktoren auf die Lebenserwartung, wie sozioökonomischer Status, demographische Entwicklung und Tabakkonsum, wurden in den Berechnungen berücksichtigt.

Der ursächliche Zusammenhang zwischen einer Umweltbelastung und der Sterblichkeit ist durch eine Bevölkerungsstudie wegen der Vielzahl einwirkender Faktoren nicht direkt zu erbringen. In der gemeinsamen Bewertung mit anderen Studien erscheint die Evidenz für Kausalität jedoch deutlich. Frühere Studien aus den Niederlanden, Finnland und Kanada hatten einen Zusammenhang von steigender Mortalität bei steigender Feinstoffkonzentration festgestellt. Pope hat jetzt erstmals den umgekehrten Sachverhalt sinkender Sterblichkeit bei Verbesserung der Luftqualität erhoben.

Die Weltgesundheitsorganisation hatte auf Grund der damaligen Datenlage bereits im Weltgesundheitsbericht 2002 den Anteil der Todesfälle, die auf Feinstaubbelastung zurückzuführen sind, auf 1,4 Prozent geschätzt.

Die biologischen Mechanismen der Schädigung beschreibt Brooks in einem kürzlich in Clinical Science erschienen Aufsatz. Luftverschmutzung besteht aus Gasen, Flüssigkeiten und Partikeln. Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern werden als Feinstaub (engl. particulate matter, PM2,5) bezeichnet. Feinstaub entsteht in städtischen Regionen überwiegend bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern. Die Partikel werden über die Atemwege in den Organismus aufgenommen. Bezüglich der Gesundheitsschäden steht aber - entgegen intuitiven Annahmen - nicht die Lunge sondern das Herz-Kreislauf-System im Vordergrund. Seit Mitte der 1990er Jahre ist bekannt, dass die Veränderungen der Morbidität (Krankheitsgeschehen) und Mortalität (Sterblichkeit) in erster Linie auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen sind.

Kurz- und langfristige Exposition steht in Verbindung mit Herzinfarkt, Durchblutungsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche und Schlaganfall. Feinstaubpartikel werden ins Blut aufgenommen und können akut eine Vasokonstriktion (Verkrampfung der Blutgefäße), Herzrhythmusstörungen und eine Erhöhung der Gerinnungsfähigkeit mit der Folge einer Thrombose (Bildung eines Blutpfropfes) auslösen. Die kurzzeitige Erhöhung der Konzentration steigert die Sterblichkeit um 0,2 bis 0,6 Prozent pro 10 Mikrogramm Feinstaub.

Bei chronischer Belastung bewirken die Partikel entzündliche Vorgänge im Gesamtorganismus, insbesondere in den Atemwegen und am Endothel (Innenhaut) der Arterien. Dadurch wird langfristig die Arteriosklerose (Arterienverkalkung) gefördert und die Morbidität und Mortalität für die koronare Herzkrankheit erhöht. Bei vorhandener Vorschädigung kann ein Herzinfarkt ausgelöst werden.

Anzumerken ist, dass die Risikoerhöhung für Einzelpersonen gering ist. Ein relevantes Gesundheitsproblem ist Feinstaub, weil durch die Belastung großer Teile der Bevölkerung die Zahl der geschädigten trotz geringem individuellen Risikos hoch ist.


Studie im NEJM, Volltext: Pope CA, III, Ezzati M, Dockery DW. Fine-Particulate Air Pollution and Life Expectancy in the United States. N Engl J Med 2009;360(4):376-386

Weltgesundheitsbericht 2002. Reducing Risks, Promoting Healthy Life. S. 68. Download Full report

Aufsatz über die biologischen Mechanismen und Effekte (Volltext): Brook RD. Cardiovascular effects of air pollution. Clinical Science 2008;115(6):175-187.

David Klemperer, 9.2.09


USA: Konservative Think tanks als Quelle der skeptischen Literatur zum Klimawandel und gegen die Umweltbewegung

Artikel 1305 Parallel oder leicht im Windschatten der weltweiten Debatten über die sozialen und darunter auch gesundheitlichen Risiken einer deutlichen Veränderung des weltweiten Klimas gibt es mittlerweile eine ebenso etablierte und mit wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit bzw. von Fachwissenschaftlern vorgetragene so genannte Umwelt-Skeptik(er)literatur.

In diesen Werken werden sowohl die Verursachungsfaktoren, das erreichte Risikoniveau und die möglichen Gegensteuerungsideen angezweifelt und auf vermeintliche Irrtümer hingewiesen. Die Skepsis richtet sich gerade in den letzten Jahren vor allem gegen die von Hunderten von Wissenschaftlern erstellte und offen umweltpolitisch argumentierenden Analysen und Memoranden des in den 1980er Jahren gegründeten IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change).
Da diese Art von Literatur rasch zunimmt, stellt sich der Rezensent eines aktuellen Skeptikerbuches in deutscher Sprache "die Frage, wieso so viele Bücher mit falschen und leicht widerlegbaren Behauptungen geschrieben und auch publiziert werden. Eine Antwort ist sicher, dass es einen Markt dafür gibt -viele Menschen sind empfänglich für Verschwörungstheorien, andere wiederum sind froh, wenn sie glauben, ihnen unangenehme Nachrichten widerlegt zu sehen."

Eine zusätzliche und in dieser Art einzigartige Antwort gibt eine gerade erschienene Untersuchung für die englischsprachige Skeptikerliteratur. In dem Ende Juli 2008 erschienenen Aufsatz "The organisation of denial: Conservative think tanks and environmental scepticism" (in: Environmental Politics, 17:3, 349 — 385) von Jacques, Peter J., Dunlap, Riley E. und Freeman, Mark, zwei us-amerikanischen Soziologen und Politikwissenschaftlern, widmen sich die Forscher zwei Fragen:

• In welchem Maße ist der zuvor für die USA skizzierte "environmental scepticism" mit den meist massiv und offen konservativen und regulierungsfeindlichen Bewegungen zugeneigten oder angehörigen Think tanks ("conservative think tanks [CTT]) verknüpft und
• wie stark greift in den CTTs der Umwelt-Skeptizismus um sich und ist dabei von umweltpolitischen Interessen getrieben?

Um dies beantworten zu können untersuchten die Forscher sämtliche, d.h. 141 in den USA zwischen 1972 und 2005 erschienenen englischsprachigen Buchveröffentlichungen auf das Auftreten von Umweltskeptizismus und analysierten danach die umweltpolitischen und -wissenschaftlichen Darstellungen von 561 internetpräsenten konservativen CTTs bzw. Organisationen.

Die Ergebnisse sind klar und eindeutig:

• 92 % der vor allem seit 1992 verstärkt erschienen Veröffentlichungen mit skeptischen Anmerkungen zum Ernst der Umweltentwicklung sind durch die Autoren oder durch Aufträge eng mit CTTs verbunden. Eingeräumt wird aber auch von den US-Forschern, dass das Engagement vieler dieser AutorInnen keine direkten finanziellen Interessen offenbart, sondern stark immateriell motiviert ist.
• Die Analyse der sich mit Umweltfragen überhaupt beschäftigenden CTTs zeigt weiterhin, dass 90 % von ihnen offen skeptisch gegen die ökologische Umweltbewegung argumentieren.
• Die Forscher bewerten daher die Skepsisliteratur als Ausfluss und Stützung einer von Eliten betriebenen Gegen-Bewegung gegen die Umweltbewegung, eine Taktik, die ihres Erachtens dazu beiträgt, die längst überfälligen und notwendigen Verpflichtungen der USA zum Umweltschutz zu schwächen.

Bei allen Limitierungen der Studie (z. B. keine vollständige Erfassung der Literatur) muss jeder, der schon einmal versucht hat, die Interessenverwobenheit und -geleitetheit von ideologisch wie wissenschaftlich geführten Kampagnen und Programmen transparent zu machen, den Hut vor der Arbeit der beiden Forschern ziehen. Die Analyse wird durch einen Anhang ergänzt, der ausführlich die Veröffentlichungen, ihre Autoren und ihre Verwobenheit mit welchen CTTs dokumentiert.

Der 36 Seiten umfassende Aufsatz "The organisation of denial: Conservative think tanks and environmental skepticism" ist als Free Access-Angebot der Zeitschrift und als PDF-Datei kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 29.7.2008


Grenzen von Appellen an die Verantwortlichkeit und Selbstbetroffenheit: Anhaltende Defizite bei Entsorgung FCKW-haltiger Geräte

Artikel 1247 Wenn es um die gesetzliche Regulierung des Umgangs mit extrem gesundheitsschädlichen Umweltgiften geht, wird eine enge und strafbewehrte Regulation häufig mit dem Hinweis kritisiert oder für unnötig gehalten, die Verantwortlichkeit und Selbstbetroffenheit der mit solchen Giften operierenden Akteure wäre allein ausreichend hoch und verlässlich, um Gefahren zu vermeiden.
In der "Risikogesellschaft" (Beck) wären Akteure, die aus welchen Gründen auch immer Umweltrisiken in Kauf nähmen schließlich selber so stark von den Folgen ihrer Fehl-Handlungen betroffen, dass sie solche Risiken auch aus Eigeninteresse vermeiden würden.

Dass dies nicht notwendigerweise der Fall ist und außerdem noch so penible und anspruchsvolle gesetzliche Vorgaben und Handlungsbeschreibungen (in Deutschland gibt es zur Zeit 5 Dokumente und Leitlinien, in denen die sachgerechte Behandlung von Kühlgeräten beschrieben wird) nicht im Selbstlauf dazu beitragen, die enormen gesundheitlichen Umweltrisiken zu vermeiden, zeigt das am 18. Mai 2008 veröffentlichte Hintergrundspapier der "Deutschen Umwelthilfe" "Immer noch erhebliche Defizite beim Kühlgeräterecycling in Deutschland"

Der gesetzliche Hintergrund der aktuellen Verhältnisse ist, dass "seit Inkrafttreten der getrennten Sammlung nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) am 24. März 2006 bundesweit Elektro-Altgeräte, darunter Kühlgeräte, kostenlos an kommunalen Sammelstellen zurückgenommen (werden". Für die Verwertung bzw. Entsorgung der Geräte sind die Hersteller verantwortlich. Das ElektroG fordert die Verwertung entsprechend des "Standes der Technik"".

Zur Wirklichkeit stellte die "Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)" aber schon im November 2007 erhebliche Mängel bei der Kühlgeräteentsorgung in Deutschland fest:

• "Dementsprechend wurden für die Jahre 2004 und 2005 durchschnittlich nur 42%1 der fluorchlorkohlenwasserstoffhaltigen (FCKW) Kühl- und Schäumungsmittel aus den alten Kühlgeräten entnommen und ordnungsgemäß vernichtet.
• Dem Stand der Technik entspricht eine mehr als doppelt so hohe FCKW-Entnahmequote.
• In einigen europäischen Mitgliedstaaten (wie z.B. Österreich, Luxemburg und Dänemark) ist die Entnahmequote für FCKW in Höhe von mindestens 90% rechtsverbindlich vorgeschrieben (Österreich erreicht 2006 eine Quote von 91%), in Deutschland gilt ein Minimierungsgebot hinsichtlich FCKW-Emissionen, was laut dem Bundesumweltministerium (BMU) sogar noch höheren Entnahmequoten entspricht."

Das Risiko um das es hierbei geht sieht so aus: "Aufgrund der extrem hohen Treibhauspotenziale der FCKW von bis zu 10.720 CO2-Äquivalenten tragen die FCKW-Emissionen aus dem Kühlgeräterecycling neben der Zerstörung der Ozonschicht auch signifikant zur Klimaerwärmung bei": "Bei jährlich anfallenden ca. 2,4 Millionen FCKW-haltigen Altkühlgeräten ist von Treibhausgasemissionen durch FCKW-Verluste bei der Entsorgung der Kühlgeräte in Höhe von ca. 3,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr auszugehen."

Nach dem ersten Hinweis auf die enorme Verfehlung der gesetzlichen Recyclingziele im Herbst 2007 hat die DUH aktuelle Zahlen hinsichtlich der Mengen an recycelten Kühlgeräten und der daraus entnommenen FCKW für das Jahr 2006 von den statistischen Landesämtern abgefragt. Dazu wurde auch nach intensiven Abstimmungen mit Vertretern der Entsorgungswirtschaft die Berechnungsmethodik noch weiter verfeinert.

Das Ergebnis:

• "Obwohl die meisten Bundesländer für das Jahr 2006 gegenüber den Vorjahren kleinere Verbesserungen aufzeigen konnten, lagen die deutschen Kühlgeräteentsorgen mit durchschnittlich 45% FCKW-Entnahme aus den Altgeräten immer noch weit hinter dem geforderten Stand der Technik."
• Zum Trend stellen die Umweltexperten Pessimistisches fest: "Im Hinblick auf den derzeitigen massiven Kostendruck in der Branche kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass die konsequente Bereitschaft seitens der Entsorger zur akribischen Einhaltung und Überprüfung von festgelegten Qualitätsstandards nachlässt. Das wird auch von unabhängigen Branchenexperten bestätigt."

Der problematische Status quo beruht nach Expertenmeinung auf dem Mangel an gut ausgebildetem Personal, dem Fehlen der regelmäßigen Wartung der Anlagen und auch dem tiefen Preisniveau in Deutschland, das dazu führt, dass Unternehmen Zusatzkosten für gute Leistungen zur FCKW-Rückgewinnung scheuen.

Das 16-seitige Hintergrundpapier zum FCKW-Recycling mit ausführlichen Darstellungen des Problemvolumens und der Berechnungsmethoden für akzeptable Recyclingquoten ist kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 24.5.2008


EU-Meinungsumfrage zu Umweltthemen: Deutsche kritisieren am meisten die mangelhafte Kennzeichnung umweltfreundlicher Produkte

Artikel 1172 Eine neue Studie des "Eurobarometer" vom März 2008 berichtet über Ergebnisse einer Umfrage zu Umweltthemen und Hauptsorgen der Bürger, zur Umweltpolitik und zum Informationsverhalten hierzu. In den 27 Mitgliedstaaten der EU wurden dazu rund 27.000 Personen interviewt. In vielen Fragen unterscheiden sich Deutsche nicht wesentlich vom Durchschnitt der übrigen EU-Bürger. Es gibt jedoch auch einige spezifisch deutsche Einstellungen: So kritisieren Deutsche besonders häufig eine mangelhafte Kennzeichnung von umweltfreundlichen Produkten und geben besonders oft an, sie hätten zuletzt der Umwelt zuliebe Maßnahmen zum Energiesparen durchgeführt.

Der (kostenlose) neue Eurobarometer-Bericht "Einstellungen der europäischen Bürger zur Umwelt" berichtet detailliert über alle Umfrageergebnisse, bietet zu den Befunden viele Diagramme und gliedert die Ergebnisse auch nach einzelnen Ländern sowie sozialstatistischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Bildung) auf. Einige wichtige Ergebnisse:

• Den meisten Befragten, fällt beim Wort "Umwelt" zuallererst die Umweltverschmutzung in Gemeinden und Städten ein (22%) sowie der Klimawandel (19%). Erst an dritter Stelle kommt mit grünen und angenehmen Landschaften eine positive Assoziation (13%). Deutsche denken jedoch eher selten an die Umweltverschmutzung in Städten (12%), im Unterschied zu Italienern (36%) oder Spaniern (28%). Der Klimawandel fällt besonders häufig den Schweden als erstes ein.
• Bei der Frage nach Hauptumweltsorgen wird der Klimawandel EU-weit am meisten genannt (57%), Wasserverschmutzung (42%), Luftverschmutzung (40%) und vom Menschen verursachte Katastrophen (39%) folgen danach.
• Eine große Zahl von Europäern gibt an, der Umwelt zuliebe ihren Abfall getrennt zu haben (59%), gefolgt von fast der Hälfte (47%), die sagt, ihren Energieverbraucht gesenkt zu haben. 37% haben im letzten Monat ihren Wasserverbrauch gesenkt. Deutsche geben besonders häufig an, ihren Energieverbrauch gesenkt zu haben (62%, EU: 47%) und ebenso, sie hätten ihr Auto weniger oft benutzt (29%, EU: 17%).
• 75% der Befragten (EU-Durchschnitt) sagen zwar, dass sie bereit sind, umweltfreundliche Produkte zu kaufen, auch wenn sie etwas teurer sind, aber nur 17% haben dies im Monat vor der Umfrage auch tatsächlich getan.
• Eine weitere Besonderheit der Deutschen zeigt sich bei der Frage " Glauben Sie, dass Sie mit Hilfe der gegenwärtig vorhandenen Produktkennzeichen die Produkte erkennen können, die wirklich umweltfreundlich sind?" Hier antworten 58% der Deutschen (EU-Durchschnitt: 42%) mit "nein, nicht wirklich" oder "nein, überhaupt nicht".
• Bei der Frage, welchen Informationsanbietern man am meisten vertraut, werden Umweltschutzorganisationen und Wissenschaftler (beide 36%) weit vor dem Fernsehen (22%) eingestuft, das die meisten Informationen liefert. Verbraucherverbände sind die am vierthäufigsten genannte Informationsquelle (18%) was das Vertrauen anbelangt. Umweltschutzorganisationen genießen in Deutschland und Österreich sehr viel mehr Vertrauen als im EU-Durchschnitt.

Im Bericht findet sich noch eine Vielzahl weiterer, zum Teil recht spannender Befunde, etwa im Hinblick auf Fragen wie: Was sollte der einzelne Bürger vorrangig tun, um die Umwelt zu schützen? Welchen Einfluss hat die Umwelt im Vergleich zu ökonomischen Faktoren auf die Lebensqualität? Sollte Umweltschutz Vorrang vor der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft haben?

• Hier ist eine 4seitige (englische) Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse nur für Deutschland: Attitudes of European citizens towards the environment - Results for Germany
• Der komplette Bericht auf deutsch (PDF, 125 Seiten): Europäische Kommission, Eurobarometer Spezial: Einstellungen der europäischen Bürger zur Umwelt
• Hier sind weitere Eurobarometer-Berichte mit EU-weiten Umfragen auch zu Gesundheitsthemen: Eurobarometer Special Surveys

Gerd Marstedt, 20.3.2008


Verkehrs- und Fluglärm sind ein erheblicher Risikofaktor für Bluthochdruck - Ergebnisse einer neuen internationalen Studie

Artikel 1101 Eine jetzt in der Zeitschrift "Environmental Health Perspectives (EHP)" veröffentlichte Studie hat erneut gezeigt, dass mit steigender Belastung durch Verkehrs- oder Fluglärm auch der Blutdruck nachhaltig ansteigt. So haben etwa Personen, die erhöhtem Nachtfluglärm ausgesetzt sind, häufiger höhere Blutdruckwerte als Menschen in ruhigeren Wohngebieten. Schon ein Anstieg des nächtlichen Fluglärmpegels um 10 Dezibel dB(A) im Bereich zwischen 30 bis 60 Dezibel erhöht das Risiko für Bluthochdruck bei Frauen und Männern um rund 14 Prozent. Das geht aus einer aktuellen von der Europäischen Kommission geförderten internationalen Studie hervor

An der europäischen Studie unter Mitwirkung des Umweltbundesamts nahmen rund 5.000 Anwohner der Flughäfen Amsterdam, Athen, Berlin, London, Mailand und Stockholm teil. Die Experten ermittelten die Wirkungen des Flug- und Straßenverkehrslärms auf die Gesundheit - vor allem auf den Blutdruck. Die Forscher ermittelten den Fluglärm anhand der Flugbewegungen und Flugzeugdaten. Die nächtliche Fluglärmbelastung der Testpersonen lag zwischen 30 und 60 dB(A). Die Stichproben schlossen auch Personen ein, die keinen wesentlichen Lärmbelastungen ausgesetzt waren. Das ermöglichte Vergleiche zwischen Personen aus stark und weniger stark lärmbelasteten Wohngebieten. Zudem sicherten die Fragebogen-Angaben der Studienteilnehmer, dass sich die Vergleichsgruppen nicht in soziodemografischen Merkmalen (Alter, Schulbildung)oder bestimmten Risikomerkmalen (Rauchen, Übergewicht, körperliche Aktivität) unterschieden.

Im Ergebnis der Untersuchung zeigte sich für alle Flughäfen:
• Personen, die Nachtfluglärm ausgesetzt waren (mittlere Lärmbelastung im Zeitraum zwischen 22:00 Uhr bis 6:00 oder 23:00 bis 7:00 Uhr, je nach Land) wiesen häufiger höhere Blutdruckwerte (vor Ort gemessen) auf oder waren bereits wegen Bluthochdrucks in ärztlicher Behandlung, als Personen aus ruhigeren Wohngebieten. Ein um 10 dB(A) höherer Fluglärmpegel ist mit einem Anstieg des Risikos für Bluthochdruck um rund 14 Prozent verbunden. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
• Für den Flughafen Berlin-Tegel existiert ein Nachtflugverbot. Die Ergebnisse der Berliner Teilstichprobe stellen sich daher etwas anders dar: Hier war es vornehmlich die Tages-Lärmbelastung (gemessen zwischen 6 Uhr und 22 Uhr), die mit einem erhöhten Blutdruckrisiko einherging.
• Darüber hinaus ermittelten die Forscher die Belastung der Anwohner durch Straßenverkehrslärm, in Berlin mit Hilfe der Berliner Verkehrslärmkarte. Im Ergebnis ist auch für den Straßenverkehrslärm ein Zusammenhang zwischen Lärm und höherem Blutdruck nachweisbar. Steigt der mittlere Straßenverkehrslärmpegel um 10 dB(A), erhöht sich das Risiko für Bluthochdruck um etwa zehn Prozent, im Schallpegelbereich von 45 bis 70 dB(A). Diese leichte Risikoerhöhung betraf vornehmlich Männer. Bei den Frauen war der Effekt nicht so stark ausgeprägt.

Sowohl ein Abstract als auch die komplette Studie sind von dieser Seite aus kostenlos verfügbar:
Hypertension and Exposure to Noise near Airports - the HYENA study

Gerd Marstedt, 15.1.2008


Abgase machen krank und kränker

Artikel 1044 Mit zwei interessanten Studien zu den Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die menschlichen Atmungsorgane wartet die angesehene Medizinerzeitschrift New England Journal of Medicine in ihrer ersten Ausgabe im Dezember 2007 auf. Dass die unter anderem in Deutschland gewährte, politisch motivierte Förderung von Dieselmotoren in Anbetracht der Feinstaubemissionen und anderer Abgase jeder Rechtfertigung entbehrt, ist zwar auch im Bundesumweltministerium seit langem bekannt, hat aber bisher zu keiner Politikänderung geführt. Insofern ist mehr als zweifelhaft, dass die zunehmende Fülle wissenschaftlicher Nachweise der Schädlichkeit in absehbarer Zeit Konsequenzen haben. Denn die jüngsten Forschungsergebnisse belegen nur einmal mehr, was lange hinlänglich bekannt ist.

Stellvertretend für viele andere Publikationen sei hier nur auf die jüngsten wissenschaftlichen Artikel zum Thema Luftverschmutzung und Gesundheit verwiesen. Soeben in Thorax erschienen ist ein Beitrag von Paul Elliott, Gavin Shaddick, Jonathan Wakefield, Cornelis de Hoogh und David Briggs über Long-term associations of outdoor air pollution with mortality in Great Britain, der kostenfrei als Abstract zur Verfügung steht. Ebenfalls nur in der Zusammenfassung ohne Bezahlung zugänglich sind die Beiträge von Douglas Dockery und Peter Stone aus dem N Engl J Med 356 (5), S. 511-513 Cardiovascular Risks from Fine Particulate Air Pollution und von Olivier Laurent, Denis Bard, Laurent Filleul und Claire Segala aus dem J Epid Comm H 61 (8), S. 665-675 Effect of socioeconomic status on the relationship between atmospheric pollution and mortality.

Ein Schweizer Studienteam ging in einer Feldstudie 11 Jahre lang den Auswirkungen von Feinstaubbelastungen auf die Lungenfunktion gesunder Menschen nach. Dabei untersuchten sie isoliert die Effekte von Feinstaubpartikeln mit einem Durchmesser von weniger als 10 µm. Eingangs erfolgte die Erfassung individueller Risikoprofile von insgesamt 4742 BürgerInnen zwischen 18 und 60 Jahren in acht Schweizer Gemeinden, wobei Alter, Geschlecht, Höhenlage, individuelle und elterliche Rauchgewohnheiten, jahreszeitliche Effekte, Ausbildung, berufliche Belastungen, der Körpermassenindex und dessen Änderungen in die Auswertung einflossen, allerdings keine anderen Umweltfaktoren. Anhand der Erfassung der Partikelkonzentration im Umkreis von 200 Metern um den Wohnort war eine exakte Zuordnung der Kohortenmitglieder zu einer bestimmten Feinstaubbelastung möglich. Während des Beobachtungszeitraums nahm die Feinstaubbelastung um durchschnittlich 5,3 µg ab. Messgröße war die Leistungsfähigkeit der Atmungsorgane, zu deren Erfassung sich die Versuchspersonen regelmäßigen Lungenfunktionsuntersuchungen unterzogen.

Insgesamt zeigte sich, dass ein Rückgang der Belastung mit Partikeln unter 10 µm um 10 µg pro Kubikmeter mit einer signifikanten Verringerung der jährlichen Abnahme der Lungenfunktion einhergingen. Die vor allem bei Menschen mit Asthma stark eingeschränkte Einsekundenausmatmungskapazität (FEV1) verhielt dabei annähernd linear zu Feinstaubkonzentration. Insgesamt zeigte sich, dass solche extrem kleinen Umweltpartikel, die unter anderem aus Dieselmotoren entstehen, die alterungsbedingte, natürliche Abnahme der Lungenkapazität beschleunigen und die Lungenfunktion bei geringerer Exposition länger erhalten bleibt.

Die zweite Studie in dieser Ausgabe des NEJM untersuchte die Auswirkungen von Dieselabgasen auf Menschen mit bestehender Bronchialerkrankung. Bei 60 Erwachsenen mit leichtem bis mäßigem Asthma ergaben Messungen der Lungenfunktion nach jeweils zweistündigen Spaziergängen an der Oxfordstreet und im Hydepark in London zeigte sich nach dem Aufenthalt an der verkehrsreichen Straße eine deutlich höhere Belastung mit Feinstaub (< 2,5 µm), Kohle und Nitrit. Zugleich kam es dabei zur asymptomatischen, aber deutlich stärkeren Verschlechterung der Lungenfunktion (FEV1 und forcierte Vitalkapazität - FVC) im Vergleich zum Zustand nach einem gleichlangen Aufenthalt im Park. Dieser Effekt war bei Menschen mit mäßigem Asthma stärker ausgeprägt als bei solchen mit leichter Bronchialverengung, die Auswirkungen der Umweltnoxen nehmen also mit dem Ausmaß der bestehenden Erkrankung zu.

Beide Untersuchungen belegen, dass schädigende Wirkungen auf den menschlichen Organismus bereits bei Konzentrationen unterhalb der aktuellen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO air quality guidelines: global update 2005 nachweisbar sind. Gleichzeitig mit den jüngsten Empfehlungen publizierte die WHO den von Michael Krzyzanowski, Birgit Kuna-Dibbert und Jürgen Schneider herausgegebenen, sehr lesenswerten Sammelband zum Thema Umwelt- und Luftverschmutzung, der kostenlos herunterzuladen ist: Effects of air pollution on children's health and development - a review of the evidence.

Jens Holst, 6.12.2007


Ergebnisse der EU-Studie "QLIF": Öko-Nahrungsmittel sind gesünder

Artikel 0989 Das EU-Forschungsprojekt "Quality Low Input Food (QLIF)" (etwa: "Mit geringem Aufwand produzierte Qualitäts-Nahrung") bearbeitet seit 2004 zentrale Fragestellungen zur ökologischen Nahrungsmittelproduktion und zu Konsumentenerwartungen. Über 30 Institutionen in der EU sind beteiligt, der Gesamt-Etat für die Projekte beträgt 18 Millionen Euro, von denen die EU 12 Millionen finanziert. Die Projekte befassen sich mit sehr unterschiedlichen Themen: Kaufgewohnheiten und Erwartungen von Konsumenten im Hinblick auf Bio-Lebensmittel, Aspekte der Nahrungsmittel-Sicherheit und der Gesundheit von Konsumenten, experimentelle Studien über Produktionsmethoden in der Landwirtschaft, die mit möglichst geringem technischem Aufwand ein Höchstmaß an qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln erzielen.

Erste Ergebnisse der Projekte wurden bereits auf einem Kongress im März 2007 vorgestellt, wobei die Befunde noch sehr widersprüchlich ausfielen. Die untersuchten Ernteergebnisse bei Getreide zeigten noch einen Vorteil der konventionell erzeugten Produkte. Ökologisch und unter Verzicht auf Pestizide und Pflanzenschutzmittel erzeugtes Getreide wies die höchsten Rückstände von Schadstoffen auf. Allerdings wies man darauf hin, dass diese Ergebnisse sich längerfristig ändern könnten: Die gefundenen Rückstände könnten eine "Altlast" sein, verursacht durch die über viele Jahre im Boden durch konventionelle Landwirtschaft eingebrachten Schadstoffe. Im Bereich der Schweinemast zeigte sich, dass die Freilandhaltung derzeit noch problematisch ist, weil die Tiere ein höheres Ansteckungsrisiko durch Salmonellen haben. Andererseits fand man aber auch heraus, dass bei einer ökologischen Milchwirtschaft das Bio-Produkt Milch durch einen höheren Anteil an Omega-3-Fettsäuren sehr viel gesünder ist. Schweizer Studien zeigten, dass durch ein vorbeugendes Gesundheitsmanagement der Einsatz von Antibiotika in der Milcherzeugung auf Null reduziert werden kann.

Eine Zusammenfassung der Kongressergebnisse ist hier: Improving the quality and safety of organic and low input foods and maximizing the benefits to consumers and producers
Der komplette Kongressbericht (PDF 464 Seiten): Improving Sustainability in Organic and Low Input Food Production Systems

Neue Ergebnisse des Projekts wurden jetzt der Presse mitgeteilt. Danach hat sich inzwischen ein eindeutiger Vorteil ökologisch erzeigter Nahrungsmittel herausgestellt. Viele Bio-Produkte sind gesünder, weil sie unter anderem mehr Antioxidantien enthalten, die sich in der medizinischen Forschung als Schutz gegen Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erwiesen haben. Dies teilte jetzt Prof. Carlo Leifert vom "Tesco Centre for Organic Agriculture" in Newcastle (England) vorab der Presse mit. Die Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht, sollen aber in den folgenden Monaten sukzessive in renommierten Fachzeitschriften erscheinen. Der Wissenschaftler erklärte weiter: Ökologisch erzeugte Nahrungsmittel enthielten etwa 40 Prozent mehr Antioxidantien als konventionell hergestellte. Besonders deutlich fiele dieser Vorteil bei Milch aus, mit einem um über 60 Prozent höheren Anteil der krankheitsschützenden Substanzen. Eine Pressemitteilung hierzu: Organic Food Is More Nutritious Say EU Researchers (Medical News Today)

Gerd Marstedt, 30.10.2007


Jetzt auch Nachweis der Beteiligung von Verkehrs-Feinstaub bei der Verkalkung von Herzkranzgefäßen

Artikel 0818 Nachdem schon in mehreren hier im Forum dargestellten us-amerikanischen und europäischen Studien der Zusammenhang des durch den Straßenverkehr erzeugten Feinstaub mit Erkrankungen oder beispielsweise einem niedrigen Geburtsgewicht nachgewiesen wurde, reichert eine jetzt von Epidemiologen der Universitäten Essen-Duisburg durchgeführte Studie das Risikopotenzial dieser Umweltbelastung noch erheblich an.

Die Studie wurde durchgeführt im Rahmen der vom Direktor der Klinik für Kardiologie des Westdeutschen Herzzentrums am Universitätsklinikum Essen, Erbel und vom Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie am Universitätsklinikum Essen, Jöckel, geleiteten Heinz Nixdorf Recall Studie.
Diese Studie untersucht seit 2000 in den drei, an einer der verkehrsreichsten innerstädtischen Fernstraßen, der B 1, liegenden Städten Mülheim, Essen und Bochum neue Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen. Insgesamt 4.814 zufällig ausgewählte Männer und Frauen im Alter von 45-74 Jahren wurden bei der Erstuntersuchung nach bekannten Risikofaktoren und Vorerkrankungen befragt. Es wurden unter anderem umfangreiche Laboranalysen und Ultraschalluntersuchungen des Herzens und der Gefäße durchgeführt. Der Verkalkungsgrad der Herzkranzgefäße wurde mit der Elektronenstrahl-Computertomographie (EBCT) ermittelt. Die Wohnadresse der Teilnehmer wurde genutzt, um ihre chronische Belastung gegenüber Verkehr und Feinstäuben abzuschätzen. Die Untersuchung wurde durchgeführt in enger Kooperation mit den drei beteiligten Städten.

"Das wichtigste Ergebnis unserer Studie ist, dass Menschen, die nahe an einer vielbefahrenen Straße wohnen, eine stärkere Arteriosklerose der Herzkranzgefäße - die Blutgefäße, die das Herz versorgen - aufweisen als solche, die weiter entfernt wohnen," sagt Barbara Hoffmann vom Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie der Universität Duisburg-Essen, eine der Autorinnen eines jetzt über die Studienergebnisse in der Fachzeitschrift "Circulation", dem Organ der American Heart Association, veröffentlichten Aufsatzes. "Dies gilt auch, wenn wichtige Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen, wie Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes und ein hoher Cholesterinspiegel berücksichtigt werden."
Verglichen mit Studienteilnehmern, die mehr als 200 m entfernt von einer Autobahn oder Bundesstraße wohnen, ist die Chance, eine starke Verkalkung zu haben, erhöht um

• 63% für diejenigen, die innerhalb 50 m wohnen,
• 34% für diejenigen, die innerhalb 51-100 m wohnen und
• 8% für diejenigen, die innerhalb 101-200 m wohnen.

Die Hauptursache für innerstädtische Unterschiede in der Feinstaubkonzentration ist der Verkehr. Feinstäube sind kleine Schwebeteilchen, die unter anderem bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, in Industrie und Landwirtschaft und bei der Holzverbrennung entstehen. Während frühere Untersuchungen bereits einen Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung mit Feinstaub und dem Risiko für Herzinfarkte und plötzlichem Herztod gezeigt haben, verbindet die Heinz Nixdorf Recall Studie die Verkehrsbelastung mit der Arterioskleose der Herzkranzgefäße, dem wichtigsten Grund für Herzerkrankungen.

• Die Ergebnisse der Studie sind in einer Presseerklärung der Universität Essen-Duisburg zusammengefasst. Die Langfassung des Aufsatzes in der amerikanischen Fachzeitschrift kann man leider nicht kostenlos erhalten.
• Das Abstract des Aufsatzes von B. Hoffmann, S. Moebus, S. Möhlenkamp, A. Stang, N. Lehmann, N. Dragano, A. Schmermund, M. Memmesheimer, K. Mann, R. Erbel, K. -H. Jöckel, and for the Heinz Nixdorf Recall Study Investigative Group (in Circulation 2007: published online before print July 16, 2007 (10.1161/CIRCULATIONAHA.107.693622) kann hier kostenlos heruntergeladen werden: Residential Exposure to Traffic Is Associated With Coronary Atherosclerosis

Bernard Braun, 22.7.2007


Verkehrsbedingte Gesundheitsschäden von der "Gebärmutter bis zur Bahre": Niedriges Geburtsgewicht und Feinstaubpartikel

Artikel 0777 Auf die Ergebnisse von weltweiten Studien über die gesundheitlichen Risiken durch Stoffe wie z. B. Feinrußpartikel, die durch Kraftfahrzeuge emittiert werden, wurde im Forum bereits mehrfach verwiesen. Dass diese Risiken buchstäblich von der Gebärmutter bis zur Bahre relevant sind, zeigen erste Ergebnisse einer von deutschen und französischen Wissenschaftlern durchgeführten Kohortenstudie zur Einfluss von Feinstaubpartikeln aus dem Verkehr auf das Geburtsgewicht und damit einer wichtigen Bedingung für einen guten Start ins Leben.

Die am "GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit" in München und im französischen "Institut für Gesundheit und medizinische Forschung" ("Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale - INSERM") arbeitenden Forscher nutzten dazu Daten aus der LISA-Studie, die den Einfluss der "Lebensbedingungen und Verhaltensweisen auf die Entwicklung von Immunsystem und Allergien" untersucht. Dazu wurden 1.016 Mütter und ihre Kinder untersucht, die im Zeitraum von 1998 bis 1999 in München geboren waren und dort auch während der gesamten Schwangerschaft wohnten.

Um das Studienziel zu erreichen, wurden zum einen aufwändige Luftmessungen zur Exposition der Schwangeren gegenüber verkehrsbedingten Luftschadstoffen vorgenommen. Zum zweiten ermittelten die Forscher mit einem Fragebogen zahlreiche Verhaltensweisen und Bedingungen der Mütter wie deren Rauchverhalten, ihre Größe und ihr Gewicht vor der Schwangerschaft, ihr Ausbildungsniveau, die Dauer der Schwangerschaft und das Geschlecht des Kindes - alles Faktoren, die Einfluss auf das Geburtsgewicht des Kindes haben könnten.

Das Ergebnis war klar: Frauen, die während der Schwangerschaft höheren Konzentrationen an lungengängigem Feinstaub ausgesetzt waren, brachten überdurchschnittlich viele Kinder mit einem Geburtsgewicht von weniger als 3000 Gramm zur Welt. Ein ähnlicher Zusammenhang besteht zwischen der Schwärze des Staubes (Hinweis auf die Quelle Dieselfahrzeuge) und Geburtsgewicht.
So deutlich sind derartige Zusammenhänge bisher in Westeuropa oder Deutschland nicht nachgewiesen worden.

Welche biologischen Mechanismen für den beobachtbaren Effekt verantwortlich sind, ist allerdings weitgehend unbekannt. Welche mittelfristigen und langfristigen Folgen das durch diese Stoffe verursachte niedrigere Geburtsgewicht hat, ist auch noch nicht untersucht. Allgemein wirkt sich aber ein so niedriges Geburtsgewicht auf die Dynamik der frühkindlichen Entwicklung aus, was sich schnell negativ kumulieren kann. Zur Kumulation könnte natürlich auch beitragen, dass viele geborene Kinder in genau der verkehrsbelasteten Umgebung aufwachsen, die zu ihrem niedrigen Geburtsgewicht beigetragen hat.

Weitere Informationen zu den Studienergebnissen erhalten Sie in dem 46 Seiten umfassenden Aufsatz von Slama R, Morgenstern V, Cyrys J, Zutavern A, Herbarth O, Wichmann HE, Heinrich J und der LISA Studiengruppe (2007 in Druck): "Traffic-related Atmospheric Pollutants Levels During Pregnancy and Offspring's Term Birth Weight: an Approach Relying on a Land-Use Regression Model. In: Environ Health Perspect (doi:101289/ehp10047), der hier per On-line access als Arbeitspapier kostenlos eingesehen werden kann.

Bernard Braun, 5.7.2007


WHO-Länderbericht: Millionen vermeidbare Todesfälle durch Umweltzerstörung und gesundheitsschädigende Lebensbedingungen

Artikel 0741 Die Welt-Gesundheitsorganisation WHO hat jetzt einen nach einzelnen Ländern differenzierten Bericht herausgegeben, der das katastrophale Ausmaß gesundheitlicher Schäden beschreibt, die durch Umweltzerstörung und schädliche Agrarwirtschaft, aber auch durch den Fortbestand gesundheitsriskanter Arbeitsbedingungen, Verkehr und unzureichende hygienische Bedingungen hervorgerufen werden. Die Datensammlung zeigt auf, dass jedes Jahr das Leben von rund 13 Millionen Menschen gerettet werden könnte, wenn Politiker für gesundere Lebensverhältnisse sorgen würden. In einigen Ländern könnte die Mortalitätsrate in der Bevölkerung allein durch einfache ökologische Veränderungen in ganz erheblichem Umfang gesenkt werden. Am stärksten betroffen sind einige der ärmsten Länder der Welt wie Angola, Burkina Faso, Mali oder Afghanistan.

Die Veröffentlichung zeigt, dass in 23 Ländern der Welt über 10 Prozent der Todesfälle auf nur zwei Ursachen im Bereich der Umweltbedingungen zurückzuführen sind, für die es bereits jetzt einfache Lösungsmöglichkeiten gäbe. Von der WHO wird als erster Faktor verschmutztes Trinkwasser sowie krankheitserregende Sanitär- und Hygienebedingungen genannt. Als zweiter Ursachenkomplex gilt die Luftverschmutzung in Innenräumen von Wohnungen und Hütten durch Verbrennung von Holz oder Kohle. Am häufigsten sind Kinder als Opfer dieser Verhältnisse zu beklagen: 74 Prozent der Todesfälle durch Durchfall- und Atemwegserkrankungen sind jünger als fünf Jahre alt.

Länder mit sehr niedrigem Pro-Kopf-Einkommen leiden am stärksten unter den zerstörerischen Umwelt- und Lebensbedingungen. Die Zahl der Toten aufgrund solcher Risiken liegt dort 20mal höher als in reichen Ländern. Gleichwohl sind auch reiche Industrienationen betroffen. Nach WHO-Schätzungen könnte hier etwa ein Sechstel der Krankheiten vermieden werden und eine bessere Umweltpolitik wäre in der Lage, einen erheblichen Teil der Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder der tödlichen Verkehrsunfälle zu senken.

Die Daten zeigen nach Angaben der WHO auch, dass sogar einfache Maßnahmen in privaten Haushalten insbesondere in Entwicklungsländern die Todesrate dramatisch senken könnten. Schon die Benutzung saubererer Brennstoffe wie Gas oder Elektrizität, eine Verbesserung der Lüftung oder einfache Verhaltensänderungen (wie zum Beispiel, dass Kinder sich nicht in der Nähe von Rauch aufhalten) könnten viele Krankheiten, innsbesondere Atemwegserkrankungen vermeiden.

Für mitteleuropäische Länder wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich schätzt die WHO den Anteil der durch schädliche Umweltbedingungen verursachten, aber prinzipiell vermeidbaren Todesfälle auf etwa 14 Prozent. Mit dieser Quote liegt Deutschland zwar sehr weit unten, etwa im Vergleich zu Ländern wie Angola (37%). Gleichwohl steht hinter dieser Quote immer noch eine Zahl von 132.000 vermeidbaren Todesfällen.

Links zu den verschiedenen Materialien der WHO (Listen mit Daten einzelner Länder, Broschüre über die genauen Zusammenhänge zwischen Umweltbedingungen und Krankheiten/Todesfällen, Hinweise über Datenquellen und Auswertungsprinzipien usw.) sind auf dieser Seite verfügbar:
• WHO Materialien: Environmental Burden of Disease: Country profiles
Das Datenblatt für Deutschland
Das Datenblatt für Österreich
Das Datenblatt für die Schweiz

Gerd Marstedt, 17.6.2007


26 Klimawandel-Mythen und wilde Theorien versus wissenschaftliche Evidenz - Hilfe gegen die Verwirrung!

Artikel 0720 Möglichst penetrant wiederholte Mythen, Halbwahrheiten, Täuschungsversuche, plausibel vorgetragene Zweifel aber auch offene Lügen gehören zum nachhaltig erfolgreichen Standardrepertoire zum Erhalt oder der Herstellung ideologischer oder geistig-konzeptioneller Hegemonie in vielen Politikfeldern. In der Gesundheitspolitik sind dies "die Kostenexplosion", die "demografische Bedrohung" oder der durch "Lohnnebenkosten gefährdete Standort Deutschland".

In dem "Nachbarfeld" Umwelt und Klimawandel sieht dies nicht wesentlich anders aus, wobei es anders als in der Sozial- und Gesundheitspolitik weniger um Katastrophierung und Dramatisierung als um Relativierung und Entdramatisierung geht.

Insgesamt 26 der verbreitetsten "climate myths and misconceptions" finden sich in zwei langen Beiträgen über "Climate change: A guide for the perplexed" und "The 7 biggest myths about climate change" in der am 16. Mai 2007 erschienenen Ausgabe der mittlerweile über 50 Jahre weltweit erscheinenden und anerkannten englischsprachigen populärwissenschaftlichen Fachzeitschrift "New Scientist".
Im Vorspann zu dem Führer durch diese 26 Mythen konzedieren die Wissenschaftsautoren dass es sich bei den Fragen des Klimawandels um ein äußerst komplexes Geschehen handelt, einige gewichtige Prognosen große Unsicherheiten beinhalten und auch das Wissen über die Klimavergangenheit vor mehr als 400 Jahren für alle Akteure dünn und spekulativ aussieht. Warum sie sich aber trotzdem gegen diskreditierende oder verharmlosende Argumente gegen die Risiken des Klimawandel und wilde Theorien wenden, fassen sie so zusammen: "Yet despite all the complexities, a firm and evergrowing body of evidence points to a clear picture: the world is warming, this warming is due to human activity increasing levels of greenhouse gases in the atmosphere, and if emissions continue unabated the warming will too, with increasingly serious consequences. Yes, there are still big uncertainties in some predictions, but these swing both ways. For example, the response of clouds could slow the warming or speed it up."

Die mit zahllosen Links zu den primären Forschungsarbeiten über Klimaveränderungen (dabei natürlich auch die vier jüngsten Klimaberichte der "Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)-Gruppe der UN) und andere wichtigen Reports gespickten und damit eigene vertiefende Weiterarbeit ermöglichenden Einführungstexte sind in verständlichem Englisch geschrieben, ausgezeichnet illustriert und beschäftigen sich z. B. mit folgenden Mythen:

• "Carbon dioxide levels only rose after the start of warm periods, so CO2 does not cause warming"
• "Human carbon dioxide emissions are tiny compared with natural sources"
• "Antarctica is getting cooler and the ice sheets are getting thicker"
• "It was warmer during the Middle Ages than it is now, with vineyards in England"
• "We can’t trust computer models of climate"
• "The lower atmosphere is cooling, not warming"
• "Many leading scientists question climate change" und
• "Polar bear numbers are increasing."

Den kostenlos herunterladbaren Text "Climate change: A guide for the perplexed" von Michael Page gibt es hier und den Text "The 7 biggest myths about climate change" von Catherine Brahic et al. hier.

Bernard Braun, 3.6.2007


Freie Fahrt für freie Bürger, atem(be)raubende Abgase und Asthma bei Kindern - ein starker Zusammenhang.

Artikel 0707 Jene Mitglieder von Bürgerinitiativen, die sich gegen den Bau einer wohnortnahen Stadtautobahn oder Zubringers zum Einkaufszentrum auch mit den möglichen gesundheitlichen Folgen für die in der Umgebung wohnenden BürgerInnen wehren, brauchen sich nicht mehr als "Bedenkenträger" oder "Öko-Gestrige" beschimpfen lassen.

Eine soeben in der Fachzeitschrift "European Respiratory Journal" (Vol. 29, No. 5, Mai 2007, S. 879-888) veröffentlichte Untersuchung eines kanadisch-niederländischen Forscherteams um Michael Brauer an mehr als 4.000 holländischen Kindern kam zu dem eindeutigen Ergebnis: Autoabgase erhöhen bei Kindern das Risiko für Asthma und Infektionen der oberen Atemwege.

Für die Kinder die aus Großstädten wie Rotterdam bis hin zu ländlichen Gemeinden mit etwa 5.000 Einwohnern und insgesamt aus rund 40 Standorten stammten, wurde als erstes die jeweilige lokale Autoabgasbelastung durch Messung des Luftgehalts an Stickstoffoxid, Feinstaub und Ruß bestimmt. Im Rahmen der von der Universität Utrecht durchgeführten PIAMA- (Prevention and Incidence of Asthma and Mite Allergy)Studie wurde dann durch Befragungen von Ärzten und Müttern der Gesundheitszustand der Kinder zwischen ihrer Geburt und ihrem 4. Lebensjahr erhoben.

Das Ergebnis war eindeutig: Kinder, die in der Nähe einer vielbefahrenen Straße wohnten, litten häufiger an Asthma, pfeifenden Atemgeräuschen, HNO-Infektionen, Erkältungen und Gruppe als ihre Altersgenossen, die in Gegenden mit geringerer Verkehrs- und Luftbelastung lebten. Die in den USA ebenfalls jüngst festgestellte Verzögerung des Wachstums der Lunge und die Beeinträchtigung ihrer Funktion durch verschmutzte Luft (veröffentlicht in der Fachzeitschrift "The Lancet" am 17. Februar 2007), hat nach Ansicht der kanadischen Forscher keine ursächliche Funktion für den beobachteten Anstieg der Asthmahäufigkeit. Es könnte aber sein, dass das anderweitig verursachte Asthma dadurch noch verstärkt wird.

Zusätzlich maßen die Forscher bei den Kindern aus verkehrsbelasteten Regionen auch einen erhöhten Spiegel des Immunglobulin E, von Antikörpern also, die dann im Blut zunehmen, wenn das Immunsystem auf bestimmte Stoffe überempfindlich reagiert. Warum dies so ist und warum bei den Kindern erhöhte allergische Reaktionen gegen Eier und Milch festgestellt wurden, konnte bisher nicht geklärt werden.

Seine Studienergebnisse sieht Brauer als "eindeutigen Beweis für die Langzeiteffekte von Schadstoffen" auf die Gesundheit von Kindern. "Eine Reduzierung der Autoabgase ist unerlässlich, aber noch wichtiger ist es, Hauptverkehrsadern fern zu halten von den Gebieten, in denen Menschen leben und arbeiten."

Leider kann kostenlos nur ein Abstract der Studie von Brauer, G. Hoek, H. A. Smit, J. C. de Jongste, J. Gerritsen, D. S. Postma, M. Kerkhof, and B. Brunekreef "Air pollution and development of asthma, allergy and infections in a birth cohort" (Eur Respir J 2007 29: 879-888)] hier heruntergeladen werden.

Bernard Braun, 29.5.2007


Verbraucher wünschen sich ein generelles Verbot von pestizidbelastetem Obst und Gemüse

Artikel 0672 In einer repräsentativen Umfrage von 1.036 Personen hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) jetzt im Auftrag von Greenpeace ermittelt, dass sich 71 Prozent der Bevölkerung Obst und Gemüse wünschen, das gänzlich frei von Pestizidrückständen ist. 89 Prozent der Interviewten fordern darüber hinaus, dass Obst- und Gemüsearten, die besonders häufig zu hohe Pestizidbelastungen aufweisen, überhaupt nicht mehr verkauft werden. Nach Angaben von Greenpeace stehen diese Wünsche jedoch in massivem Widerspruch zur Realität. Tatsächlich sind 84 Prozent der von Greenpeace Ende 2006 untersuchten Supermarktwaren aus konventionellem Anbau mit giftigen Pestiziden belastet. In zwölf Prozent der 576 getesteten Obst- und Gemüseproben wurden sogar die gesetzlichen Pestizid-Grenzwerte erreicht oder überschritten.

Die wichtigsten Ergebnisse der Befragung waren im Einzelnen:
• Verbraucher wollen keine Pestizidrückstände: 71% der Befragten wollen, dass gar keine Pestizidrückstände in Obst und Gemüse enthalten sind. Weitere 22% wollen, dass Pestizid- Rückstände nur bis zu den erlaubten Grenzwerten enthalten sind. Nur 2% der Befragten sehen Pestizidrückstände in Obst und Gemüse nicht als Problem an.
• 89% der Befragten wollen, dass Obst- und Gemüsearten, die besonders häufig zu hohe Pestizidbelastungen aufweisen, überhaupt nicht angeboten werden.
• Behördliche Kontrollen sollen in Zukunft von den Verursachern bezahlt werden: Eine klare Mehrheit der Befragten will, dass die Kosten der behördlichen Kontrollen von Pestiziden in Lebensmitteln oder Trinkwasser von den Verursachern wie den Pestizidproduzenten oder den Bauern bezahlt werden.
• Die meisten Verbraucher glauben, dass man mit Waschen und Schälen die Belastungen reduzieren kann: 76% der Befragten meinen, durch Waschen und 66% der Befragten durch Schälen Pestizidrückstände von Obst und Gemüse entfernen zu können. Hier irren die Verbraucher. Denn wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Beide Maßnahmen helfen meist nur wenig.
• Verbraucher wollen wissen, wer zu stark belastete Ware verkauft hat: 70% der Befragten sind dafür, dass die Namen von Händlern und Produzenten, die zu stark belastete Ware verkauft haben, von den Behörden grundsätzlich veröffentlicht werden. Weitere 21% wollen, dass die Namen veröffentlicht werden, wenn eine erhebliche Gesundheitsgefahr besteht.
• Gewinne aus dem Verkauf zu stark belasteter Ware sollen eingezogen werden: 86 Prozent wollen, dass Gewinne, die der Handel durch den Verkauf pestizidbelasteter Ware erzielt, ganz oder teilweise vom Staat eingezogen werden.

Greenpeace hat auch nach wissenschaftlichen Studien gesucht, die untersucht haben, wie schadstoffbelastetes Obst und Gemüse zumindest teilweise so aufbereitet werden kann, dass keine gravierenden Gesundheitsrisiken mehr bestehen. Waschen, Schälen, Kochen - was hilft? Festgestellt wurde, dass die Wirksamkeit verschiedener Methoden zur Pestizidminderung auf Obst und Gemüse durch eine Vielzahl von Einflussfaktoren bestimmt wird, darunter die Wasserlöslichkeit und Zellgängigkeit der Pestizide (Diffusion ins Fruchtfleisch), die Temperatur der Waschlösung, Dauer und Intensität des Reinigungsvorgangs, ferner die mechanische (Bürsten, Schälen) oder thermische (Blanchieren, Kochen, Braten) Behandlung der Lebensmittel sowie - im professionellen Bereich - der Zusatz spezifischer Chemikalien (Laugen, Oxidationsmittel etc.). Eine für alle Fälle zutreffende quantitative Aussage lässt sich deshalb nicht treffen.

Vereinfacht lässt sich jedoch folgendes feststellen: Waschen von Obst & Gemüse schadet nicht (außer ggf. durch Verwässern dem Geschmack) - wasserlösliche Rückstände auf der Oberfläche lassen sich dadurch jedoch allenfalls teilweise entfernen. Systemische (über die Wurzeln oder Blätter aufgenommene) Pestizide sind damit gar nicht entfernbar. Schälen erzielt in der Regel höhere Reduktionsquoten bei den Rückständen, allerdings werden oft auch besonders vitamin- oder nährstoffreiche Pflanzenbestandteile mit entfernt. Blanchieren, Kochen oder Braten führt in vielen Fällen offenbar häufig zu einer thermischen Zersetzung oder Verdampfung von Pestizidrückständen, wobei über die dabei eventuell gebildeten und in die Lebensmittel oder die Küchenatmosphäre übergehenden Folgeprodukte von uns nichts in der Fachliteratur gefunden wurde.

Die GfK-Studie im Auftrag von Greenpeace ist hier verfügbar: Umfrage zu Pestiziden in Lebensmitteln (2)

Gerd Marstedt, 24.4.2007


Satte Gewinne mit gesundheitsriskanten Lebensmitteln

Artikel 0614 Die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist jetzt mit einem Gutachten der Frage nachgegangen, wie viel Lebensmittelmärkte mit pestizidbelasteten Früchten und Gemüse verdienen und wie dieser Profit nach Verbrauchermeinung eingesetzt werden sollte. 268.000 Tonnen pestizidbelastete Ware werden laut Greenpeace jährlich im Handel angeboten im Wert von etwa 500 Millionen Euro. Damit verzehrt jeder deutsche Verbraucher im Durchschnitt über drei Kilogramm Obst und Gemüse, das nach dem Lebensmittelgesetz nicht verkehrsfähig ist. Dass die damit erzielten Gewinne bis zu 10 Millionen Euro im Jahr betragen, zeigte eine Berechnung aus der Verbraucherforschung sowie aktuelles staatliches und privates Datenmaterial zu Pestizidrückständen in Lebensmitteln.

Spitzenreiter der Produktpalette pestizidbelasteter Lebensmittel sind Paprika mit einem Warenwert von über 100 Millionen Euro, sowie Tafeltrauben, Tomaten und Äpfel mit zusammen 165 Millionen Euro. Besonders Paprika, Trauben und Tomaten sind häufig so hoch mit Spritzmitteln belastet, dass staatliche Grenzwerte überschritten werden. "Mit nicht verkehrsfähigen Lebensmitteln werden den Verbrauchern Millionenbeträge aus der Tasche gezogen", erklärte Martin Hofstetter, Agrarökonom von Greenpeace. Greenpeace fordert die Bundesregierung auf, gesetzliche Regeln zu schaffen, um den Lebensmittelketten diese Unrechtsgewinne aus dem Verkauf von pestizidbelastetem Obst und Gemüse abzunehmen.

Dies ist eine Forderung, die von Verbrauchern nachhaltig unterstützt wird. Denn in einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag von Greenpeace bei einer repräsentativen Stichprobe von 1.036 Personen ab 14 Jahren zeigte sich:
• 86% der Deutschen sind dafür, dass Gewinne, die der Handel durch den Verkauf von zu stark mit Pestiziden belasteter Ware erzielt, ganz oder teilweise vom Staat eingezogen werden. Etwa die Hälfte der Befragten stimmte sogar dafür, den Gewinn komplett einzubehalten.
• 70% sind dafür, dass die Namen von Herstellern und Produzenten, die zu stark mit Pestiziden oder Schadstoffen belastetes Obst und Gemüse verkauft haben, von den Behörden grundsätzlich veröffentlicht werden.

Greenpace forderte, dass das eingezogene Geld in verbesserte staatliche Lebensmittelkontrollen fließt. Mindestens zwei Prozent vom Umsatz mit illegalem Obst und Gemüse sollten dafür abgeführt werden. Das entspräche derzeit etwa zehn Millionen Euro, die dem Verbraucherschutz zugute kämen. Martin Hofstetter macht noch auf einen weiteren negativen Effekt aufmerksam, wenn die Handelsketten die Unrechtsgewinne behalten dürfen: Großkonzerne wie Aldi, Edeka, Lidl, Metro, REWE und Tengelmann vermarkten 90 Prozent des Frischobstes und Gemüse. Saubere Anbieter wie Bio-Lebensmittel-Händler werden im Wettbewerb mit diesen Konzernen, die das Gesetz ignorieren, ebenso massiv benachteiligt wie Verbraucher. Anders als in Deutschland würden in Ländern wie Dänemark oder Großbritannien der Name einer Firma mitgeteilt, deren Produkte negativ aufgefallen sind.

Eine Modellrechnung für Deutschland - Dipl. Ing. agr. Martin Hofstetter: Unrechtmäßige Gewinne mit pestizidbelastetem Obst und Gemüse
Umfrage zu Pestiziden in Lebensmitteln 2007 - Umfrageergebnisse der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag von Greenpeace


Erst im Februar hatte Greenpeace aus Protest gegen stark mit Pestiziden belastetes Obst und Gemüse "Pestizid-Preise" an Supermärkte von REWE, Tengelmann und Edeka vergeben. Diese hatten im Supermarkt-Vergleich am schlechtesten abgeschnitten. Ein interner Bericht der Branche bestätigte später laut Greenpeace deren Untersuchungen. Im Supermarktvergleich wurden in acht Prozent der Obst- und Gemüseproben die Grenzwerte überschritten. Der Landesverband des Früchte-Import und -Großhandel Baden-Württemberg stellte nun in seinem Jahresbericht 2006 fest, dass sogar neun Prozent der Frischware aus konventionellem Anbau die gesetzlichen Pestizidhöchstmengen überschreiten.

Besonders brisant erscheinen die von Greenpeace in Supermärkten festgestellten Überschreitungen der Höchstwerte, weil die Bundesregierung zwischen 2004 und 2006 insgesamt 404 gesetzliche Pestizidgrenzwerte geändert hat, und dies überwiegend in Richtung höherer Toleranzwerte. 293 Mal (73 Prozent) wurden die erlaubten Belastungsgrenzen erhöht und nur in 111 Fällen (27 Prozent) gesenkt. Im Schnitt waren dabei die Erhöhungen anderthalb Mal höher als die Absenkungen.
Hier ist die von Greenpeace erstellte Übersicht: Pestizide am Limit II - Veränderungen von Höchstmengen für Pestizide in pflanzlichen Erzeugnissen in Deutschland 2004-2006, Recherchebericht für Greenpeace e.V.

Gerd Marstedt, 6.3.2007


Nächtlicher Fluglärm führt zu Gesundheitsbeschwerden und gehäufter Medikamenteneinnahme

Artikel 0586 Nächtlicher Lärm durch landende und startende Flugzeuge führt dazu, dass betroffene Anwohner häufiger den Arzt aufsuchen und Ärzte diesen Patienten mehr Medikamente verschreiben. Dies ist das Ergebnis einer epidemiologischen Studie Bremer Wissenschaftler im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA). Im Umfeld des Flughafens Köln-Bonn mit Nachtflugbetrieb analysierten die Forscher Daten von über 800.000 Krankenversicherten - mehr als 40 Prozent der Gesamtbevölkerung der betroffenen Region. Anlass für die Studie waren unter anderem Beobachtungen einer Gruppe von Ärztinnen und Ärzten. In ihren Praxen nahm die Zahl der Patientinnen und Patienten zu, die über psycho-vegetative Störungen wie Herzbeschwerden, Nervosität oder Leistungsminderung klagten. Die Mediziner beobachteten auch mehr Fälle mit Bluthochdruck und vermuteten, dass diese gehäuft auftretenden Befunde auf den Nachtflugverkehr des Flughafens zurückgehen könnten.

Die epidemiologische Studie zur Untersuchung möglicher Zusammenhänge zwischen Fluglärm und Arzneimittelverschreibungen durch niedergelassene Ärzte im Umfeld eines Flughafens liefert unter anderem folgende wesentliche Ergebnisse:
• Es zeigten sich im Vergleich mit Patientinnen und Patienten, die keinem nächtlichen Lärm ausgesetzt waren, deutlich erhöhte Verordnungsraten und Verordnungsmengen bestimmter Arzneimittel mit blutdrucksenkender Wirkung, zur Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen, zur Beruhigung (Tranquillizer) sowie zur Behandlung von Depressionen (Antidepressiva).
• Die Befunde waren bei weiblichen Versicherten ausgeprägter als bei männlichen, zum Teil auch nur bei Frauen vorzufinden (Tranquillizer, Antidepressiva).
• Es zeigte sich eine ausgeprägte Abhängigkeit zwischen der Intensität und der zeitlichen Einwirkung des Fluglärms: Für diejenigen, die von nächtlichem Fluglärm zwischen 3 und 5 Uhr belastet wurden, waren die stärksten Erhöhungen der Verordnungshäufigkeit und des Verordnungsvolumens der verschiedenen Arzneimittelgruppen nachweisbar.
• Eine Kombination verschiedener Arzneimittelgruppen, die ein Indikator für schwerer erkrankte Patienten ist, wurde in Abhängigkeit von der Fluglärmintensität deutlich häufiger verordnet als Arzneimittel der einzelnen Arzneimittelgruppen für sich allein.

Die Studie legt Zusammenhänge zwischen Fluglärm und den die Herzgefäße betreffenden - so genannten kardiovaskulären - sowie psychischen Erkrankungen nahe, obwohl sie diese nicht kausal belegen kann. Bei allen Effekten konnte ausgeschlossen werden, dass diese durch nächtlichen Strassen- oder Schienenlärm verursacht waren. Bei den in die Analyse einbezogenen Versicherten wurde außerdem indirekt deren Gesundheitszustand kontrolliert (durch Indikatoren wie Sozialhilfe-Häufigkeit des Stadt- bzw. Ortsteils, die Dichte von Alten- und Pflegeheimplätzen der Gemeinden). Die Ergebnisse bestätigen Untersuchungen aus dem Ausland, die ebenfalls darauf hinweisen, dass Fluglärm Bluthochdruck sowie Herz- und Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen kann.

Die Studie wurde durchgeführt von Wissenschaftlern der Epi.Consult GmbH, Bremen, dem Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen sowie dem Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen. Der Bericht zum Forschungsprojekt ist im Internet veröffentlicht und steht als Download (PDF, 111 Seiten) zur Verfügung: Beeinträchtigung durch Fluglärm: Arzneimittelverbrauch als Indikator für gesundheitliche Beeinträchtigung

Bereits im Jahre 2004 hatte das Umweltbundesamt ein Gutachten "Fluglärm 2004" veröffentlicht. Dort war bereits von Wissenschaftlern gezeigt worden, dass sich über dreißig Prozent der Bevölkerung durch Fluglärm belästigt fühlt. Zur Lärmbelästigung tragen auch Kommunikationsprobleme, Beeinträchtigungen bei der Arbeit, Störungen des Schlafes sowie der Erholung bei. Die 113-seitige Stellungnahme der an der Expertise beteiligten Lärm-Wissenschaftler stellt die Auswirkungen des Fluglärms auf die Gesundheit der Menschen, auf die kognitive Entwicklung sowie soziale und ökonomische Folgen dar. Die Stellungnahme "Fluglärm 2004" und die früheren gutachterlichen Stellungnahmen sind im Internet veröffentlicht:
Informationen des Umweltbundesamtes zum Thema "Fluglärm"

Gerd Marstedt, 22.2.2007


Deutschland ein Feinstaubalptraum: Was kostet uns die autofreundliche Umweltpolitik in Deutschland an Kreislaufkranken und -toten?

Artikel 0565 Egal ob es um politische Anreize für die Automobilindustrie geht, Motoren und Autos zu bauen, die niedrigere Kohlendioxid-Expositionen haben als bisher oder um Maßnahmen gegen die akkurat gemessenen Feinstaubkonzentrationen in den Innenstädten, egal ob es nationale oder EU-Vorschriften sind, ob der deutsche Umweltminister "grün", "rot" oder "schwarz" ist: die Interessen der Automobilindustrie haben in Deutschland Vorfahrt, koste es was es wolle!

Im Fall des Feinstaubes liegen mit der Ausgabe des "New England Journal of Medicine" vom 1. Februar 2007 (NEJM No.5, Vol.356, 2007), d.h. gerade rechtzeitig vor dem Zeitpunkt, ab dem wieder zahlreiche deutsche Städte ihr Jahressoll an Feinstaub in den verkehrsreichen Stadtteilen überschritten haben und seit 3 Jahren nichts oder wenig dagegen tun, neue Daten über die gesundheitlichen "Kosten" vor.

Eine zwischen 1994 und 1998 in 36 städtischen Gebieten in den USA durchgeführte prospektive Beobachtungs- bzw. Kohortenstudie bei 65.893 Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren, der so genannten "Women’s Health Initiative (WHI)", untersuchte die Frauen nach rund 6 Jahren erneut und konzentrierte sich hier u.v.a. auf einen möglichen Zusammenhang von Herz-/Kreislauferkrankungen und Feinstaubbelastung.

Die wichtigsten Ergebnisse lauten:

• Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen langandauernder erhöhter Feinstaubbelastung und dem Eintreten kardiovaskulärer Erkrankungen und Sterblichkeit. Ein Anstieg von 10 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft (die Konzentration in den untersuchten Städten schwankte zwischen rund 4 und 28 Mikr0gramm pro Kubikmeter Luft) lässt das Risiko einer Herz-/Kreislauf-Attacke um 24 Prozent klettern. Die Gefahr, eine solche Erkrankung nicht zu überleben, steigt dabei sogar um 76 Prozent. Dies übertrifft frühere Risikoberechnungen deutlich.
• Ein noch stärkerer Zusammenhang zwischen erhöhten Feinstaubwerten und unerwünschten gesundheitlichen Ereignissen zeigt sich bei schweren Störungen der Hirndurchblutung und dem damit verbundenen Sterberisiko. Für jeden Anstieg um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter stieg das Risiko von zerebrovakulären Ereignissen um 35 % und das der spezifischen Sterblichkeit um 83 % an.
• Die Effekte unterschiedlicher Feinstaubwerte für kardiovaskuläre Ereignisse sind innerhalb einer Stadt größer als zwischen Städten.

Angesichts der Ergebnisse ist der in Deutschland sehr passive Umgang mit dem Überschreiten der jetzigen EU-Feinstaubgrenzen, d.h. das meist sanktionsfreie Aufhängen von Einfahrtsverbotsschildern und der für 2015 in der EU geplante Grenzwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft hochproblematisch.

In dem kostenfrei erhältlichen Editorial "Cardiovascular Risks from Fine Particulate Air Pollution" diskutieren Dockery und Stone die umweltmedizinischen Schlussfolgerungen der Studie.

Eine kostenfreie PDF-Datei des kompletten Aufsatzes "Long-Term Exposure to Air Pollution and Incidence of Cardiovascular Events in Women" von Miller et al. können Sie hier herunterladen.

Bernard Braun, 11.2.2007


Verkehrsbedingte Luftverschmutzung und Lungenfunktionsdefizite: Zusammenhang bei der Lungenentwicklung erhärtet!

Artikel 0520 In vielen früheren Studien (siehe dazu auch weiter unten) wurde bereits festgestellt, dass Defizite der Lungenfunktion bei Erwachsenen bis hin zu ihrer Erkrankung und einem dadurch bedingten frühzeitigen Tod mit der Belastung durch allgemeine oder auch speziell verkehrsbedingte Luftverschmutzung zusammenhängen können. Mit dem Hinweis auf so genannte Confounder wie beispielsweise dem Rauchen oder längeren Arbeitszeiten im Bereich von luftverschmutzenden Abgasen wurde aber oftmals der Zusammenhang stark relativiert und vor massiven spezifischen Präventionsmaßnahmen und Interventionen zurückgeschreckt.

Mit den Ergebnissen einer jetzt gerade in der Fachzeitschrift "Lancet" veröffentlichten über 8 Jahre durchgeführten Studie bei kalifornischen Kindern, die beim Start der Untersuchungen 8-10 Jahre alt waren, wird aber der kausale Zusammenhang massiv erhärtet.
In der Studie "Effect of exposure to traffic on lung development from 10 to 18 years of age: a cohort study" von James Gauderman et al. (The Lancet, Jan. 26, 2007; online edition) wurden 3.677 Kinder in 12 Gemeinden im südlichen Kalifornien in Gruppen eingeteilt, die sich nach der Entfernung zu einer Hauptverkehrsstraße (freeway/motorway) unterschieden. Eine Gruppe wohnte in einer Entfernung von höchstens 500 m und eine andere mindestens 1.500 m von dieser Straße entfernt. In beiden Gruppen wurden regelmäßig bis zum 18. Lebensjahr Lungenfunktionsprüfungen durchgeführt. In dieser Zeit entwickelt sich die Lunge und ihre Funktion und damit das Ausgangspotenzial für den Rest des Lebens auf die dann weitere Belastungen aufsetzen und wirken. Unabhängig von der teilweise unterschiedlichen allgemeinen Luftverschmutzung ergaben die Messungen eindeutig, dass die näher an der Autobahn wohnenden Kinder mit 18 Jahren ein erhebliches Lungenfunktionsdefizit aufwiesen. Die Kinder, die in größerer Distanz zur Verkehrsader lebten, hatten dagegen keine oder wesentlich geringere Defizite. Interessant ist auch die geringe Auswirkung des lokalen Verkehrs auf die Lungenfunktion.

Die Forscher beenden ihre Studie ausnahmsweise nicht mit dem geläufigen Hinweis, weitere Forschung müsse das Ergebnis erhärten (abgesehen von der Forderung die Lungen dieser Personen auch im weiteren Lebensverlauf weiter zu untersuchen), sondern fordern, ihre Ergebnisse bei der Planung von Wohnvierteln, Schulen und Straßen und der räumlichen Distanzen konkret zu berücksichtigen.

Wie bereits erwähnt, werden damit andere, schon vor Jahren veröffentlichten Studien über die negativen Wirkungen von verkehrsbedingter Luftverschmutzung bestätigt. Dazu gehört etwa die 2002 ebenfalls in "Lancet" erschienene niederländische Studie "Association between mortality and indicators of traffic-related air pollution in the Netherlands: a cohort study" von Hoek et al. (The Lancet 2002; 360:1203-1209), die in einer zwischen 1986 und 1994 durchgeführten Kohortenstudie mit 5.000 Personen herausfand, dass die Luftverschmutzung in der Nähe von Hauptverkehrsstraßen eindeutig die Lebenserwartung der Exponierten verkürzte.

Ein auch 2002 in "Lancet" veröffentlichter Review zu den damals vorliegenden epidemiologischen Studien über Luftverschmutzung ("Air pollution and Health" von Brunekreef und Holgate in [Lancet 2002; 360: 1233-42], der als 10-seitige PDF-Datei erhältlich ist quantifizierte das Sterblichkeitsrisiko von Luftverschmutzung im allgemeinen und das der verkehrsbedingten Luftbelastung: Für die Niederlande waren dies um diesen Zeitpunkt 2.100 Tote und damit zweimal so viel, wie dort damals bei Verkehrsunfällen starben. Für Österreich, Frankreich und die Schweiz schätzten die Forscher etwas mehr als jährlich 20.000 Tote durch Verkehrs-Luftverschmutzung - bei insgesamt 40.000 Toten durch die gesamte Luftverschmutzung. Wenn man berücksichtigt, dass in etwa nochmal dieselbe Anzahl von EinwohnerInnen der drei Staaten an schweren durch Luftverschmutzung bedingten Atemwegserkrankungen erkrankten, wird das relative Gewicht der Luftverschmutzung bei der gesamten Krankheitslast einer Bevölkerung erst richtig deutlich. Der Aufsatz enthält nicht nur den angestrebten Überblick zur wissenschaftlichen Literatur zu diesem Thema, sondern eine auch heute noch nützliche internationale Übersicht zu Quellen, in denen man weitere nützliche Informationen zum Thema findet.

Leider ist der aktuelle Aufsatz von Gaudermann et al. nicht kostenlos erhältlich. Sie erhalten aber das Abstract des Aufsatzes "Effect of exposure to traffic on lung development from 10 to 18 years of age: a cohort study" hier.

Bernard Braun, 29.1.2007


Waldzustandsbericht 2006: Die Hälfte der Buchen ist geschädigt

Artikel 0513 Der Waldzustandsbericht 2006 wurde jetzt dem Deutschen Bundestag zugeleitet und auch der Öffentlichkeit vorgelegt. Fazit der Studie ist: Die Ergebnisse der bundesweiten Waldzustandserhebung 2006 zeigen gegenüber dem Vorjahr keine positive Veränderung. Seit 1984 wird der Kronenzustand der Waldbäume jährlich erfasst. Der Zustand der Baumkronen ist dabei ein rasch reagierender "Frühindikator", er ist einfach zu erheben und gibt zuverlässig Auskunft über die gesundheitliche Verfassung der Bäume. Der Kronenzustand der Waldbäume zeigt auf Bundesebene gegenüber dem Vorjahr nur wenig Veränderung: Der Anteil der Waldfläche mit deutlicher Kronenverlichtung (Schadstufen 2 - 4) beträgt jetzt 28 % (Vorjahr: 29 %). Der Anteil der Warnstufe (schwache Verlichtung) liegt mit 40 % geringfügig unter dem Vorjahresniveau (2005: 42 %). Der Anteil der Bäume ohne Kronenverlichtung, also ohne äußere Anzeichen einer Krankheit, nahm von 29 auf 32 % zu.

Die Buche weist den höchsten Flächenanteil mit deutlichen Kronenverlichtungen auf (48 %) und hat damit die Eiche (44 %) abgelöst. Bei der Fichte zeigen 27 % der Fläche deutliche Kronenverlichtungen. Am geringsten ist der Anteil bei der Kiefer (18 %). Die Waldbäume erholen sich nur langsam von den Folgen des Trockensommers 2003. Zudem kam es im Juni und Juli 2006 erneut zu einer Phase mit anhaltender Hitze und Trockenheit. Die Durchschnittstemperatur des Monats Juli 2006 war die höchste Juli-Temperatur seit Beginn der deutschlandweiten Messungen im Jahre 1901.

Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) 2006 fertig gestellte Studie zur Bewertung der Belastung der Wälder mit Luftschadstoffen, der Messergebnisse der Jahre 2002 und 2003 zugrunde lagen, kam zu folgenden Ergebnissen: Ein Schadenrisiko für Waldbäume durch Ozon kann bei keinem der untersuchten Bewertungsansätze ausgeschlossen werden. Die Stickstoffrückstände an den Waldstandorten sind als problematisch einzustufen. Die Vorbelastung der Wälder durch immer noch zu hohe Stoff- und Säureeinträge verstärkt ihre Anfälligkeit für zusätzlich auftretende Stressfaktoren und stellt langfristig ein Risiko für die Böden und das Grundwasser dar.

Der komplette Bericht (PDF, 107 Seiten) steht hier kostenlos zur Verfügung: Bericht über den Zustand des Waldes 2006

Gerd Marstedt, 24.1.2007


Sanitäre Einrichtungen sind "wichtigster medizinischer Fortschritt seit 1840": Ergebnis einer BMJ-Umfrage.

Artikel 0503 Eines der weltweit anerkanntesten medizinischen Wissenschafts-Journale, das "British Medical Journal (BMJ)" führte anlässlich einer Veränderung seines Erscheinungsbildes zwischen dem 5. und 14. Januar 2007 eine Online-Umfrage bei seinen Lesern durch. Diese sollten aus einer Liste von 15 vorgegebenen medizinischen Maßnahmen aus den letzten anderthalb Jahrhunderten aussuchen, welche den wichtigsten medizinischen Fortschritt seit 1840 darstellt. Die 15er-Liste beruht auf einer größeren Liste von 70 Vorschlägen, welche die Leser der Zeitschrift einer Expertengruppe eingeschickt hatten.

Nach der Auswahl der 15 Top-Fortschritte beschrieben 15 international anerkannte Fachautoren in einem BMJ-Supplement über "Medical Milestones" kurz die gesundheitsbezogenen Verdienste der jeweiligen Fortschritte.

Die 15 Maßnahmen waren in alphabetischer Reihenfolge die Anästhesie, die Antibiotika, die Chlorpromazine, Computer, die Entdeckung der DNA-Struktur, Evidence based medicine (EBM), Keimtheorie ("germ theory"), Immunologie, bildgebende Verfahren, orale Kontrazeptiva, "oral rehydration therapy", Risiken des Rauchens, öffentliche Hygiene (sauberes Wasser und Abwasserreinigung/beseitigung), Gewebekulturen und Impfprogramme.

11.341 TeilnehmerInnen beteiligten sich insgesamt an der Befragung. 15,8 % von ihnen hielten die öffentliche Hygiene (sauberes Wasser, sanitäre Einrichtungen) für den wichtigsten medizinischen Fortschritt seit 1840, dichtgefolgt von den Antibiotika, die 14,5 % so bewerteten und 13,9 %, die der Anästhesie diese Bedeutung zumaßen. Mit deutlichem Abstand folgten dann z.B. die bildgebenden Verfahren (4,2 %), EBM (5,6 %) und zum Schluss die Gewebekulturen, die 0,4 % der TeilnehmerInnen für den wichtigsten Fortschritt hielten. Dieses Public Health-Ergebnis, das in der klassischen Tradition der angelsächsischen Sozialepidemiologie (z.B. McKeown) steht, ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil unter den Antwortern 28,6 % Ärzte, 6,1 % andere Gesundheitsversorgungsprofis und 3 % Krankenpflegepersonal und Hebammen waren und "nur" 4,4 %, die im Public Health-Bereich arbeiteten. Erwartungsgemäß hoch war der Anteil britischer TeilnehmerInnen mit 37,7 %. Eher unerwartet gering ist der Anteil von 1,8 % TeilnehmerInnen aus Deutschland, die damit hinter Bulgarien, Indien und Spanien das Schlusslicht auf der Nationenliste darstellen.

Dass die mit dieser Befragung erhobene sozialmedizinische oder -hygienische Vorstellung von Medizin und Gesundheit provoziert, zeigt die spontane Rückmeldung eines Krankenpflegers: "I was a little dissapointed that Sanitation won the poll...Surely this is an engineering advance rather than a medical advance. We do not need doctors, nurses hospital or GPs to have good sanitation. Medical researches do not design toilets."
Mit einer gewissen Portion britischen Humor macht er aber noch einen besonders interessanten Ergänzungsvorschlag: "The Romans had good sanitation but the black death occoured long after their departure. Poor sanitation is often given as the cause of the black death and whilst this is true - the general belief that cats where the carrier of the plague and the subsequent wiping out of the cat population played a large part in the spread of the plague - Therefore I vote that the domesticisation of cats is the greatest medical advance ever!"

Die Ergebnisse finden Sie auf dieser BMJ-Website.

Bernard Braun, 20.1.2007


Klimawandel bedroht auch den Skitourismus in den Alpen

Artikel 0497 Nahezu alle Skigebiete in Deutschland und rund 70 Prozent der Skiregionen in Österreich müssen durch den Klimawandel um die Schneesicherheit fürchten und damit um die wirtschaftliche Grundlage des Wintertourismus. Zu diesem Ergebnis kommen Berechnungen der OECD, in denen zum ersten Mal systematisch für die gesamte Alpenregion die Auswirkungen des Klimawandels auf den Skitourismus untersucht werden. Derzeit gelten 90 Prozent (609 von 666) der mittelgroßen und großen Skiregionen in den Alpen als schneesicher. Das heißt, sie haben im Durchschnitt für mindestens 100 Tage im Jahr eine auskömmliche Schneedecke (30 cm in der mittleren Lage des Skigebiets). Die übrigen zehn Prozent der Gebiete können schon heute nicht mehr als schneesicher gelten.

Ein weiterer Anstieg der Durchschnittstemperaturen wird die Zahl der schneesicheren Skigebiete deutlich reduzieren. Bei einem Anstieg der durchschnittlichen regionalen Jahrestemperatur um ein Grad Celsius wären noch rund 500 Gebiete schneesicher, bei zwei Grad noch 400 und bei vier Grad noch 200 Skiregionen. "In den Alpen macht sich der Klimawandel besonders deutlich bemerkbar und der durchschnittliche Temperaturanstieg war in den vergangen zweieinhalb Jahrzehnten drei mal größer als im globalen Durchschnitt", warnt Shardul Agrawala, Klimaexperte im Umweltdirektorat der OECD. Die Jahre 1994, 2000, 2002 und 2003 waren die wärmsten der letzten 500 Jahre. Die Berechnungen der Klimamodelle zeigen, dass in den kommenden Jahrzehnten die Entwicklung noch schneller fortschreiten dürfte. Damit wird es weniger Schnee in den tieferen Lagen geben, die Gletscher werden sich weiter zurückziehen und der Permafrostboden in den höheren Lagen wird anfangen zu tauen.

Doch auch bei einem vergleichsweise geringen Temperaturanstieg um nur ein Grad wären die Auswirkungen beträchtlich: In Deutschland würde sich die Zahl der schneesicheren Gebiete um 60 Prozent verringern (in Oberbayern um 90 Prozent, in Schwaben/Allgäu um 47 Prozent). In Österreich, wo rund die Hälfte des Tourismusgeschäfts oder 4,5 Prozent des BIP auf den Wintersport entfällt, wären 35 der derzeit rund 190 schneesicheren Regionen betroffen. Die Schweiz würde durch den Klimawandel zwar relativ die wenigsten schneesicheren Skigebiete verlieren. Allerdings würde auch dort ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um ein Grad die Zahl der schneesichern Skiregionen um 10 Prozent reduzieren. Bei einem Temperaturanstieg um vier Grad wäre nur noch Hälfte der Skiregionen in der Schweiz schneesicher.

Die Betreiber der Skigebiete passen sich schon heute der kürzeren Schneesaison und dem Anstieg der Schneegrenze an. "Derzeit wird aber noch viel zu viel auf Technologie und zu wenig auf einen Strategiewechsel im Tourismusmarketing gesetzt", so Agrawala. Künstliche Beschneiung mag unter gegebenen Bedingungen für die Betreiber noch wirtschaftlich sein, doch die Anlagen verbrauchen enorme Mengen an Wasser und Energie und die Beschneiung beeinflusst Landschaft und Umwelt. Wenn die Temperaturen weiter steigen, dürfte künstliche Beschneiung weit teurer werden und ab einem bestimmten Niveau nicht mehr rentabel. Auch Kunststoffabdeckungen, wie sie im Sommer in einigen Regionen zur Konservierung der Gletscher eingesetzt werden, mögen kurzfristig und bei heißen Sommern erfolgreich sein. Sie können aber den Verlust an Gletschermasse nicht aufhalten, wenn sich die Erwärmung fortsetzt. Landschaftsveränderungen schließlich, etwa durch Pistentrassierungen oder Veränderungen von Bachläufen, könnten die Umwelt schädigen und Überschwemmungen und Steinschlag verursachen.

Die OECD bietet kostenlos folgende weitere Informationsmaterialien an:
• Daten und Grafiken zur Studie (PDF, deutsch): "Schneesichere Gebiete in den Alpen"
Zusammenfassung des Berichts (PDF, 4 Seiten, englisch)

Gerd Marstedt, 18.1.2007


Bevölkerungsumfrage zum Umweltbewusstsein: 2/3 der Deutschen möchten am geplanten Atomausstieg festhalten

Artikel 0483 Das Umweltbewusstsein der Deutschen ist weiter gestiegen - zumindest wenn man dafür Antworten zum Maßstab nimmt, die 2006 in einer repräsentativen Befragung des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamts gegeben wurden. Bei der offenen Frage nach den wichtigsten Problemen in Deutschland ist der Umweltschutz von Platz 4 in den Jahren 2000 und 2002 über Platz 3 im Jahr 2004 auf Platz 2 geklettert. Platz 1 nimmt nach wie vor die Arbeitslosigkeit ein, auf Platz 3 folgt die soziale Gerechtigkeit, auf Platz 4 die Wirtschaftslage. Diese zunehmende Bedeutung des Themas Umwelt zeigt, dass der globale Klimawandel jetzt im Bewusstsein der meisten Bürger verankert ist und entscheidend dazu beiträgt, dass Umweltschutz für die Menschen seit einigen Jahren immer bedeutsamer wird. Zwei Drittel der Bevölkerung möchten, dass Deutschland in der internationalen Klimaschutzpolitik eine Vorreiterrolle einnimmt. Dies bedeutet gegenüber 2004 eine Steigerung um 11 Prozent, gegenüber 2002 sogar um 20 Prozent. Als vorrangige Ziele gelten der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Senkung des Energieverbrauchs und eine bessere Energieeffizienz.

Weitere Ergebnisse der Befragung sind folgende:
• Die Atomenergie möchte die Mehrheit der Deutschen zu den Akten legen. Zwei Drittel wollen am beschlossenen Atomausstieg festhalten oder ihn sogar beschleunigen. 37% sagen: "Deutschland sollte an dem geplanten Atomausstieg bis zum Jahr 2023 festhalten" und weitere 28% sogar: "Deutschland sollte schneller als geplant aus der Atomenergie aussteigen"
• Es gibt eine breite Zustimmung zum Ausbau erneuerbarer Energien und zur Energieeffizienz. 87 Prozent wollen einen konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien. Annähernd 90 Prozent sind für einen Ausbau der Solarenergie, über 70 Prozent für den Ausbau von Offshore-Windenergie.
• Die Industrie sollte nach Meinung fast aller Bürger dazu angehalten werden, mehr energiesparende Produkte anzubieten - dies findet nahezu hundertprozentige Zustimmung.
• Artenvielfalt und Natur sind den Menschen wichtig. Das Problembewusstsein für den Verlust der biologischen Vielfalt ist hoch. Rund 95 Prozent der Befragten sehen, dass der Verlust der biologischen Vielfalt ein sehr großes Problem darstellt. Und 92 Prozent finden, dass der Staat wegen des Verlusts der biologischen Vielfalt dringend handeln sollte.
• Das Interesse an einem ehrenamtlichen Engagement für den Umwelt- und Naturschutz hat stark zugenommen. 45 Prozent der Befragten können sich vorstellen, hier aktiv zu werden (2004: 33 Prozent).

Seit Anfang der 1990er Jahre wird regelmäßig das Umweltbewusstsein der Deutschen ermittelt. Die repräsentativen Befragungen sind so angelegt, dass Zeitreihenvergleiche möglich und Entwicklungstendenzen über die Jahre ablesbar sind. Die neue Studie "Umweltbewusstsein und Umweltverhalten in Deutschland 2006" wurde konzipiert und durchgeführt von einer Forschergruppe an der Philipps-Universität Marburg unter Leitung von Prof. Dr. Udo Kuckartz. In den Monaten April bis Juni 2006 wurden 2.034 Personen in allen Teilen Deutschlands befragt.
Auf der Website des Umweltbundesamtes gibt es zur Befragung eine Reihe von Materialien:
• Die komplette Studie (80 Seiten): Umweltbewusstsein in Deutschland 2006 - Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage
• Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
• Den Fragebogen zur Erhebung

Gerd Marstedt, 14.1.2007


Die Zukunft der Meere: "Zu warm, zu hoch, zu sauer"

Artikel 0454 Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass der ungebremste Ausstoß von Kohlendioxid schwerwiegende Folgen für die Weltmeere haben wird. Die fortschreitende Erwärmung zum Einen und die Versauerung der Meere zum Anderen bedrohen die Meeresumwelt sowie die durch Überfischung ohnehin schon geschwächten Fischbestände. Durch den Anstieg des Meeresspiegels sind die Küsten zunehmend Überflutungs- und Wirbelsturmrisiken ausgesetzt. Um die Nachteile in Grenzen zu halten, müssten neue Wege im Küstenschutz beschritten, Meeresschutzgebiete eingerichtet sowie Regelungen für den Umgang mit Flüchtlingen aus gefährdeten Küstengebieten beschlossen werden. Diese Maßnahmen können jedoch nur erfolgreich sein, wenn die globale Erwärmung und die Versauerung der Meere deutlich begrenzt werden. Ein ambitionierter Klimaschutz ist daher eine entscheidende Voraussetzung für erfolgreichen Meeres- und Küstenschutz.

Dies sind einige der Feststellungen des "Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungenen" (WBGU) in seinem Sondergutachten Die Zukunft der Meere: zu warm, zu hoch, zu sauer. In dem Gutachten zeigt der Beirat, dass der Klimawandel schwerwiegende Folgen für den Zustand der Meere hat. Die Menschheit ist dabei, Veränderungsprozesse im Meer anzustoßen, die in den letzten Jahrmillionen ohne Beispiel sind. Besonders kritisch sind die fortschreitende Erwärmung und Versauerung der Ozeane sowie der Anstieg des Meeresspiegels. Diese Veränderungen sind eine direkte Folge der Anreicherung von Treibhausgasen und insbesondere Kohlendioxid in der Atmosphäre. Der Schutz der Meere wird daher entscheidend davon abhängen, ob der Anstieg von Kohlendioxid rechtzeitig gestoppt werden kann. Einige Detailergebnisse:

Der Rückgang des arktischen Meereises: Die Ausdehnung der Eisdecke im Sommer hat in den vergangenen 30 Jahren um etwa 20% abgenommen. Ohne Klimaschutzmaßnahmen dürfte der arktische Ozean gegen Ende des 21. Jahrhunderts im Sommer praktisch eisfrei sein.
Die Zerstörungskraft von Wirbelstürmen nimmt zu: Die Klimaerwärmung hat zwar nicht die Anzahl tropischer Wirbelstürme erhöht, wohl aber deren Zerstörungskraft. Schon für die bisherige Erwärmung der tropischen Meerestemperatur um nur etwa ein halbes Grad Celsius wurde eine Erhöhung der Energie der Hurrikane um 70% beobachtet.
Der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt sich: Im 20. Jahrhundert erhöhte sich der Meeresspiegel global um 1,5 bis 2 Zentimeter pro Jahrzehnt. Satellitenmessungen belegen für das vergangene Jahrzehnt einen Anstieg von sogar 3 Zentimetern.

Dass die Bundesregierung viel zu wenig unternimmt, um diese ökologischen Folgen in Grenzen zu halten, hat jetzt das Nachrichtenmagazin "Monitor" in der Sendung am 4.1.2007 hervorgehoben: "Wer das Klima schützen möchte, muss die CO2-Verschmutzung reduzieren. Doch Deutschland gefährdet fahrlässig das wichtigste Klimaschutzinstrument der Europäischen Union, den so genannten Emissionshandel. Dieser soll eigentlich der Verschmutzung der Atmosphäre ein Ende setzen. Deutschland aber spielt falsch und schützt ausgerechnet die größten Klimasünder: die Stromkonzerne mit ihren Braunkohlekraftwerken. Neue Braunkohlekraftwerke dürfen 14 Jahre lang in Betrieb bleiben, ohne auch nur das Geringste für den Klimaschutz investieren zu müssen. Eine Sonderregel, die die EU-Kommission in einem blauen Brief an die Bundesregierung gerade deutlich kritisiert hat." Als Videomitschnitte oder Textmanuskripte sind alle Beiträge der Monitor-Sendung zum Thema Klimawandel verfügbar

Gerd Marstedt, 6.1.2007


Erderwärmung nicht mehr zu stoppen - Ist die Klimakatastrophe unabwendbar?

Artikel 0419 Nach einem vertraulichen Bericht des UN-Klimarats Intergovernmental Panel on Climate Change - IPCC, der jetzt der spanischen Zeitung "El Pais" vor dem geplanten Veröffentlichungstermin im Februar 2007 zugespielt wurde, würden die Temperaturen auf dem Erdball selbst dann noch etwa ein Jahrhundert lang ansteigen, wenn der Ausstoß der Treibhausgase vollständig eingestellt würde. "Die Erde erwärmt sich und der Mensch hat einen großen Teil der Schuld daran", so fasst die spanische Tageszeitung El Pais den neuen Bericht des UN-Klimarates zusammen. Vorhergesagt wird in dem Bericht, an dem rund 2.500 Berichterstatter und 800 Autoren aus 130 Ländern sechs Jahre lang gearbeitet haben, eine weitere Erderwärmung von 2,0 bis 4,5 Grad, wobei ein Wert von +3 Grad am wahrscheinlichsten sei. Schon jetzt seien so viele Klimagase vorhanden, die über Jahrhunderte wirkten, dass "eine weitere Erwärmung nicht mehr zu vermeiden ist".

Nach Meinung der Wissenschaftler gibt es keinen Zweifel mehr an der Tatsache der Erderwärmung: 2005 und 1998 waren die wärmsten Jahre seit der Aufzeichnung von Klimadaten. Die letzten sechs Jahre gehörten zu den sieben heißesten seit der Aufzeichnung der Daten 1850, zitiert El Pais den Report. Auch die Frage der Verursachung wird im IPCC-Bericht klar angesprochen. Als "sehr wahrscheinlich" gilt die Einwirkung des Menschen, diese Wahrscheinlichkeit wird mit "über 90%" beziffert. Im letzten Klimabericht aus dem Jahre 2001 hatte der Klimarat noch den Begriff "wahrscheinlich" benutzt, und damit eine Wahrscheinlichkeit von nur 68% benannt. Die menschliche Aktivität etwa seit dem Jahre 1750, insbesondere der Ausstoß von Klimagasen, sei nach den neuen Erkenntnissen der hauptsächliche Grund für die in den letzten 50 Jahren beobachtete Erwärmung.

Aufgrund der Erwärmung werde zukünftig immer mehr Wasser verdunsten, das dann geographisch ungleich verteilt abregnet. Daher werden Niederschläge in den trockenen Regionen weiter abnehmen und in den feuchten Zonen noch weiter zunehmen. Das schon jetzt häufig von Dürreperioden geplagte Spanien habe mit noch mehr Trockenheit zu rechnen, warnt El Pais seine spanischen Leser. Gleichzeitig werden im Land zahlreiche Strände unter dem Meeresspiegel versinken, denn durch das beschleunigte Abschmelzen der Polkappen und Gletscher könnte der Meeresspiegel im Jahr 2100 um 20-60cm steigen.

• Ein zusammenfassender Bericht über die Feststellungen und Prognose des IPCC, so wie sie von El Pais dargestellt wurden, findet sich in Telepolis: Klimawandel nicht mehr zu stoppen.
• Eine Vorschau auf den noch nicht veröffentlichten Bericht findet man bei IPCC.

Gerd Marstedt, 27.12.2006


Wasser- und Sanitärversorgung als Krankheitsursache und Entwicklungshemmnis

Artikel 0299 Die Zeiten als ein europäisches Parlament wegen der durch Abwässer verursachten Verseuchung des nahelegenen Flusses seine Arbeit einstellte, sind in unseren Breitengraden lange vorbei: Genau fand der "Great Stink" genannte Vorgang, der den Parlamentariern so stank und für die armen Bürger oft tödlich war, 1858 in London und an der Themse statt.

Der "Human Development Report 2006" der UNO zeigt, dass einem Drittel der Menschheit immer noch keine öffentliche und hygienisch getrennte Wasser- und Sanitärversorgung zur Verfügung steht. Entsprechend katastrophal sind die Folgen: Jedes Jahr sterben weltweit 1,8 Millionen Kinder an vermeidbaren Durchfallerkrankungen, zahllose Schul- und Arbeitstage fallen wegen wasserbedingten Krankheiten aus und fast die Hälfte der Menschen in Entwicklungsländern leidet zu jedem beliebigen Zeitpunkt unter einem Gesundheitsproblem, das durch die mangelnde Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung verursacht wird. Die Länder Afrikas südlich der Sahara verlieren dadurch alles zusammen jährlich 5 % ihres Bruttoinlandsprodukts - deutlich mehr als ihnen z.B. an Entwicklungshilfe zufließt.

Das Know how einer deutlichen Verbesserung der Wasserver- und Abwasserentsorgung und die damit verbundenen humanen, sozialen und gesundheitlichen Gewinne könnten die Vertreter der reichen Länder Europas und Nordamerikas - wenn sie wollten - in ihren Geschichtsbüchern des 19. Jahrhunderts finden. Diese klassischen Public Health-Maßnahmen trugen dort damals zum historisch schnellsten Rückgang der Sterblichkeit bei.

Hier finden Sie die PDF-Datei: Human Development Report 2006

Bernard Braun, 12.11.2006


Umweltbundesamt stellt Register zur aktuellen Luftbelastung ins Internet

Artikel 0239 Das Umweltbundesamt (UBA) hat jetzt ein Register überarbeitet und verbessert, bei dem sich Interessierte deutschlandweit über die Belastung der Luft mit Feinstaub, Ozon, Kohlenmonoxid, Stickstoff- und Schwefeldioxid informieren können. Ein neuer Aufbau und ein überarbeitetes Layout erleichtern die Suche nach Informationen, Hintergrund-Dokumente bieten zusätzliche Erklärungen. Neben den aktuellen Messergebnissen klärt das UBA auch über Schadstoffgrenzwerte und gesetzliche Regelungen auf.

Neu ist auch ein Lexikon, das kurz und verständlich Begriffe von A - wie Alarmschwelle - bis Z - wie Zielwert - erläutert. Besonders benutzerfreundlich: Interessierte verfügen jetzt in den Überschreitungstabellen für Feinstaub und Ozon über eine Sortierfunktion. Sie können sich Daten so nach der Zahl der Überschreitungstage oder nach Überschreitungen in einem bestimmten Messnetz aufgeschlüsselt ausgeben lassen. Die deutschlandweiten Karten erscheinen ebenfalls in neuem Gewand - mit Farbklassen, die sich besser als bisher unterscheiden. Weiterführende Informationen zur Beurteilung der Luftqualität, zu Luftreinhalte- und Aktionsplänen und Links zu themenverwandten Seiten runden den Internetauftritt ab.

Umweltbundesamt: Aktuelle Luftwerte in Deutschland

Gerd Marstedt, 9.2.2006


Britische Studie: Handy-Nutzung erhöht nicht das Krebsrisiko

Artikel 0231 Als bisher größte Teilstudie des internationalen Interphone-Projektes zum Thema "Gefahr von Gehirntumoren durch Mobilfunk" konnte die britische Erhebung keinen Beweis für einen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und dem Auftreten der häufigsten Hirntumorart, den Gliomen, finden. Die britischen Wissenschaftler befragten zwischen Dezember 2000 und Februar 2004 966 Patienten, bei denen ein Hirntumor aus der Gruppe der Gliome diagnostiziert worden war, nach ihrem Telefonierverhalten. Diese Daten verglichen sie mit den Angaben von 1.716 gesunden Kontrollpersonen. Das Ergebnis: Das Telefonieren mit dem Handy erhöht nicht das Risiko, an einem Hirntumor zu erkranken. Auch ein verstärkter, langjähriger Einsatz der Mobiltelefone führt nicht zu einem Anstieg des Risikos.

Wie bereits in anderen Studien ermittelten die Forscher, dass sich für die Seite ein höheres Risiko ergibt, auf der nach Angaben der Patienten üblicherweise telefoniert wurde. Da sich aber für die gegenüberliegende Seite ein verringertes Risiko gleicher Größe zeigt, schließen die Autoren der Studie, dass es sich um eine Fehleinschätzung der Patienten handelt. Patienten mit Hirntumoren, die den Tumorort kennen und nach ihrer Handynutzung befragt werden, können die Ursache für die Erkrankung auf den Handygebrauch zurückführen, was zu einer systematischen Überschätzung des Risikos für die gleiche Seite und einer systematischen Unterschätzung des Risikos für die Gegenseite führt. Die Erklärung wird gestützt durch die Tatsache, dass sich bei der objektiveren Untersuchung der Händigkeit im Vergleich zum Tumorort kein erhöhtes oder erniedrigtes Risiko zeigt.

Die aktuelle Studie wurde von den Universitäten Leeds, Manchester und Nottingham in Zusammenarbeit mit dem Institute of Cancer Research durchgeführt. Sie ist Teil des Interphone-Projektes der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die gewonnenen Resultate stimmen mit früheren Erkenntnissen überein. Allerdings konnte bisher keine Studie auf so viele Probanden zurückgreifen. Sie erfasst nicht nur eine hohe Zahl an Tumor-Patienten, sondern auch besonders viele Langzeitnutzer.

Die Interphone-Studie wurde im Oktober 2000 gestartet. Es ist die weltweit größte Studie, die den Zusammenhang zwischen Handynutzung und dem Risiko von Hirntumorerkrankungen erforscht. Mehr als 7.000 Patienten mit einem Gliom, Meningeom oder Akustikusneurinom sollen befragt werden, dazu die doppelte Anzahl nicht erkrankter Personen. Teams aus 13 Ländern gehen dabei nach einem gemeinsam verfassten Studienprotokoll vor und ermöglichen somit eine unmittelbare Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Neben Deutschland sind die skandinavischen Länder, Großbritannien, Frankreich, Italien, Israel, Australien, Neuseeland, Japan und Kanada beteiligt.

Eine abschließende Bewertung wird mit der Veröffentlichung der internationalen Auswertung möglich sein. In diesem Jahr werden voraussichtlich die deutschen Ergebnisse der Interphone-Studie veröffentlicht. Auch mit dem Abschluss der vollständigen Studie ist im Laufe des Jahres 2006 zu rechnen. In Deutschland arbeiten an der Studie das Institut für Medizinische Statistik und Dokumentation der Universität Mainz, umbenannt in Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), die AG Umweltepidemiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg und das Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie der Universität Bielefeld.

Darüber hinaus haben die deutschen Mobilfunknetzbetreiber gemeinsam mit der Bundesregierung das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die Erkenntnisse über biologische Wirkungen und Mechanismen elektromagnetischer Felder zu vertiefen und vorhandene Wissenslücken zu schließen. Bis voraussichtlich 2006 werden unter der Leitung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) mehr als 50 Forschungsprojekte durchgeführt.

Die englische Zusammenfassung der Studie ist nachzulesen unter: Mobile phone use and risk of glioma in adults: case-control study

Gerd Marstedt, 25.1.2006