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Patienten
Versorgungsforschung: Geburt, Kaiserschnitt


Auch Nützliches muss nicht immer und für alles nützlich sein. Das Beispiel Stillen. (7.5.17)
"Kind mit 38 oder 43?" Hochriskant für Mutter und Kind oder eher nicht!? (17.5.16)
Geburten nach Fahrplan: 8,9% aller Geburten in den USA sind elektive (Zu-)Frühgeburten (9.12.14)
Auch im Nordwesten: Über 30% Kaiserschnittgeburten bei zu geringer Aufklärung und viel zu seltene nachgeburtliche Gespräche (26.11.14)
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Das "Behandlungs-Risiko-Paradox": Steigende Anzahl von Ultraschalluntersuchungen schwangerer kanadischer Frauen = höhere Risiken? (9.2.10)
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Perinatales Sterblichkeitsrisiko bei normalen Geburten in Geburtszentren niedriger als in Krankenhäusern (3.9.2007)
Geburt per Kaiserschnitt: Wie der Wandel gesellschaftlicher Normen auch die Wünsche Schwangerer beeinflusst (24.8.2007)
Medikalisierung und Medizinierung von der Wiege bis zur Bahre: Schwangerschaft und Geburt als "Hochrisikogeschehen" (7.5.2007)
Geplante Kaiserschnitt-Geburten: Höhere Risiken als bislang angenommen (27.3.2007)
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Kaiserschnitt-Geburt: Kein Wunsch von Frauen (25.10.2006)
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Versorgungsforschung: Geburt, Kaiserschnitt
 

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Geburt per Kaiserschnitt: Wie der Wandel gesellschaftlicher Normen auch die Wünsche Schwangerer beeinflusst

Artikel 0874 Die Zahl der Kaiserschnitt-Geburten hat sich in vielen Ländern drastisch erhöht. In zehn Jahren stieg der Anteil dieser Entbindungen in deutschen Krankenhäusern von 17 auf 27 Prozent. Über die Ursachen dieser Entwicklung gab es viele Hypothesen. Da auch der Anteil der sogenannten Risiko-Schwangerschaften ähnliche Steigerungsraten zeigt (in deutschen Bundesländern heute bis zu 75% aller Geburten), verweisen Gynäkologen auf medizinische Hintergründe. Eine Studie im Auftrag der Gmünder ErsatzKasse GEK aus dem Jahre 2006 zeigte indes, dass nur bei zwei Prozent der Frauen ursprünglich von einem "Wunschkaiserschnitt" ausgegangen werden kann.

Wie aber ist dann der sehr viel höhere Anteil dieser Geburtsart zu erklären, werden Frauen dazu im Verlauf der Geburtsvorbereitung und der körperlichen Untersuchungen gegen ihren ursprünglichen Willen überredet, werden ihnen medizinische Befunde entgegengebracht, gegen die nur schwer zu argumentieren ist? Sind also Mediziner demzufolge die eigentlichen Urheber, sei es aus Gründen der zeitlichen Organisation (immerhin fand eine Studie, dass es kaum noch "Sonntagskinder" gibt), sei es aus finanziellen Gründen (für einen Kaiserschnitt bekommt ein Krankenhaus etwa 3000 Euro vergütet, doppelt so viel wie für ein normale Geburt) ?

Eine australische Studie, die qualitative Interviews mit Gynäkologen, Hebammen und Frauen durchführte, die in den letzten zwei Jahren eine Kaiserschnitt-Geburt hatten, hat dazu jetzt einige interessante Befunde vorgelegt. Die Untersuchung nähert sich dem Problem von sozialwissenschaftlicher Seite. Es wird versucht, in den Denkmustern und Begründungen der Beteiligten (Mediziner, Hebammen, Frauen) allgemeinere gesellschaftliche Normen und Werte zu finden, die dann auch maßgeblich werden für die Frage: Wie möchte ich mein Kind zur Welt bringen?

In den Interviews werden verschiedene Argumentationsmuster deutlich, die nach Ansicht der Wissenschaftler auch Einiges verraten über den Wandel kultureller Normen.

• Die Betonung eines "autonomen Konsumenten" wird in fast allen Äußerungen deutlich. Frauen weisen darauf hin, dass sie die selbstverantwortlichen Entscheidungsträger sind, auch in der Frage, für welche Art der Geburt sie ihre Wahl treffen. Ärzte und Hebammen sind in diesem Zusammenhang medizinische Dienstleister, die Informationen übermitteln und auf medizinischer Ebene praktische Tätigkeiten verrichten. Alle Beteiligten verweisen auf das Grundrecht der Entscheidungsfreiheit. Erkannt wird in diesen Äußerungen von den Forschern ein Kernelement neoliberaler Ideologien, durch die hier Schwangere als autonome und in ihrer Entscheidung souveräne Konsumenten einer medizinischen Dienstleistung definiert werden.

• Die Unanzweifelbarkeit medizinischer Argumente wird ebenfalls in vielen Stellungnahmen deutlich. Unabhängig von der Frage, ob tatsächlich eine Risiko-Schwangerschaft (durch Steißlage des Kindes, Diabetes oder andere Erkrankungen der Mutter) vorliegt, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass medizinische Befunde nicht diskutiert werden können und ein ultimativer Grund sind, sich gegen eine Vaginalgeburt und für einen Kaiserschnitt zu entscheiden.

• Der Sicherheitsgedanke und die mit dem Kaiserschnitt verbundene Assoziation von Ordnung und Planbarkeit ist ein weiteres Element in den Äußerungen der Interviewpartner/innen. In einer überaus starken (und so unzutreffenden) Schwarz-Weiß-Malerei wird die Vaginalgeburt als gesundheitsriskant und problematisch wahrgenommen, während gleichzeitig der Kaiserschnitt als weitestgehend risiko- und beschwerdefrei dargestellt wird. Ebenso kommt dieses Vorgehen dem Wunsch (wiederum aller Beteiligten) nach Ordnung, Kontrolle und Planbarkeit nahe, während die Vaginalgeburt eher angstbesetzte Assoziationen von Chaos und unbeherrschten äußeren Mächten auslöst.

Ein Abstract der Studie ist hier nachzulesen:
Joanne Bryant u.a.: Caesarean birth: Consumption, safety, order, and good mothering (Social Science & Medicine, Volume 65, Issue 6, September 2007, Pages 1192-1201)

vgl. zum Thema "Kaiserschnitt" auch im Forum Gesundheitspolitik:
Immer weniger Sonntagskinder, immer mehr Wunsch-Kaiserschnitte
Kaiserschnitt-Geburt: Kein Wunsch von Frauen

Gerd Marstedt, 24.8.2007