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The Good, The Bad and the Ugly: Die Darstellung von Herz- und Krebserkrankungen in Zeitschriften-Artikeln

Artikel 1039 Eine fast schon groteske Vereinfachung medizinischer Sachverhalte, Schuldzuweisungen für Krankheiten allein an das Individuum, fast vollständige Ausblendung der gesellschaftlichen Hintergründe chronischer Erkrankungen und der sozialen Ungleichheit vor Krankheit und Tod - so stellen die größten US-amerikanischen und kanadischen Zeitschriften Krebs- und Herzkreislauferkrankungen in ihren Artikeln und Titelgeschichten dar. Diese Feststellung treffen die beiden kanadischen Wissenschaftlerinnen Juanne Clarke und Gudrun van Amerom von der Universität von Ontario, nach einer detaillierten Inhaltsanalyse von Artikeln aus dem Jahre 2001.

Basis ihrer Studie waren 40 zufällig ausgewählte Berichte über Herz- und Krebserkrankungen aus solchen Zeitschriften und Magazinen, die in Kanada und den USA die höchste Verbreitung haben. Zur Einordnung der Ergebnisse heben die Wissenschaftlerinnen hervor, dass der typische Leserkreis dieser Zeitschriften nicht aus der Unterschicht kommt, sondern mittlere und höhere Bildungsabschlüsse hat. Ihre Kritik dürfte vermutlich noch deutlich schärfer ausfallen, wenn ihr Material aus den typischen Boulevardblättern oder Magazinen der Regenbogenpresse entnommen wäre. Und es ist wohl nicht abwegig, die Hypothese aufzustellen, dass die Ergebnisse der Studie in Deutschland keine wesentlich anderen gewesen wären.

Die Zusammenfassung der Befunde fällt recht harsch aus: "Die von uns analysierten repräsentativen Artikel suggerieren,
• dass Krankheit im Grunde auf eine Zelle oder ein Organ zurückgeht, das vorübergehend defekt ist,
• dass dies durch ein anderes Verhalten vermeidbar gewesen wäre,
• dass eine gute Gesundheitsversorgung allen zur Verfügung steht,
• dass Individuen zusammen mit ihrem Arzt die jeweils beste Therapie auswählen können,
• dass Medizin nur "schulmedizinische" und keine komplementären Therapien umfasst,
• dass medizinische Versorgung immer und für jeden verfügbar ist und Kosten keine Rolle spielen."

Die Darstellung von Krankheit ist nach der Interpretation der Forscherinnen "reduktionistisch" durch eine grotesk vereinfachende Darstellung der Krankheitsursachen und Krankheitshintergründe. Als Beispiel hierfür dienen viele Zitate wie die folgenden: "Eine blockierte Arterie war die Übeltäterin und sie wurde noch am selben Tag durch Angioplastie repariert". Oder folgende Beschreibung, die den Film "Zwei glorreiche Halunken" (Original: "The Good, the Bad and the Ugly") als Plot für die Entstehung von Herzerkrankungen vorschlägt: "Stellen Sie sich diesen Zusammenhang vor wie eine Hollywood-Neuverfilmung von 'The Good, the Bad and the Ugly' mit bekannten Schauspielern: Das gute Cholesterin (HDL), das böse Cholesterin (LDL) und das Hässliche (Herzinfarkt). Die Helden sind gesunde Ernährung, körperliche Bewegung und eine Gruppe von Arzneien, die man Statine nennt. Diese kämpfen gegen den hohen Cholesterinspiegel, indem sie ein Leberenzym in die Enge drängen, das die Cholesterinproduktion anheizt."

Krankheitsrisiken werden in den Artikeln nahezu ausschließlich in individuellem Fehlverhalten gesehen: "Stress, Cholesterin und emotionale Narben sind beileibe nicht die größten Feinde, die uns krank machen. Ganz klar sind das Rauchen und der Alkoholkonsum jene Faktoren, die unsere Lebenserwartung verkürzen." Zwar verhält sich das Individuum fast immer ungesund, doch es gibt Hilfe durch medizinische Interventionen, wenn man sich darum bemüht, so wie im folgenden Beispiel nach einer Krebsdiagnose: "1.) Fragen Sie Ihren Arzt nach einer 'dual-energy X-ray absorptiometry (DEXA)'. 2.) Nehmen Sie Kalzium ein. 3.) Heben Sie Gewichte. Wenn Sie dies 2-3mal in der Woche machen, stärkt es Ihre Knochen, baut Muskelmasse auf und stabilisiert Ihr Gleichgewicht." Natürlich gehört auch die regelmäßige Teilnahme an Früherkennung zu den Ratschlägen: "Der erste Schritt sind Früherkennungsuntersuchungen, so früh und so oft wie möglich. Fange Sie mit 20 schon an und dann alle fünf Jahre. Alle Erwachsenen, auch wenn sie keinerlei Beschwerden haben, sollten regelmäßig Blutanalysen durchführen lassen, um ein exaktes Lipoprotein-Profil zu bekommen (HDL, LDL, Gesamtcholesterin, Triglyzerine)."

Die Wissenschaftler kritisieren auch, dass es in den Artikeln "keinerlei Diskussion sozialer Zusammenhänge gibt wie soziale Integration oder sozialer Ausschluss, Schichtzugehörigkeit, ethnische Gruppen, Armut, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit oder andere Einflussfaktoren für Krankheit. Dafür dienen berühmte und reiche Personen als Aufhänger für die Berichte."

Die Befunde sind wohl nicht nur wissenschaftlich und soziologisch von Interesse. Da wir in einer Mediengesellschaft leben, werden durch die Stereotypie solcher Darstellungen auch die Einstellungen und Verhaltensorientierungen von Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen beeinflusst, seien es Gesundheitspolitiker oder auch leitende Mitarbeiter in Krankenkassen oder Sozialeinrichtungen. Ein Effekt hieraus ist beispielsweise die Platzierung von Geldmitteln, die nahezu ungebremst in pharmazeutische und medizintechnische Forschung und Ausstattung fließen, wobei soziale Rahmenbedingungen (Wohnen, Arbeiten, Bildung) fast vollständig negiert werden.

Hier ist ein Abstract der Studie: Juanne Clarke, Gudrun van Amerom: Mass print media depictions of cancer and heart disease: community versus individualistic perspectives? (Health & Social Care in the Community (OnlineEarly Articles), doi:10.1111/j.1365-2524.2007.00731.x)

Gerd Marstedt, 4.12.2007