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Wie beschwerlich sind Beschwerden im Gesundheitswesen und was bewegen sie? - Transparenz im NHS in Großbritannien und GKV-Undurchsichtigkeit!

Artikel 1359 Wenn es um die Möglichkeiten von Versicherten und Patienten geht, ihre Interessen gegenüber Krankenkassen oder Leistungsanbietern zu artikulieren und evtl. durchzusetzen, wird häufig neben traditionellen Repräsentationsformen (in Deutschland z. B. die Versichertenvertreter in den Sozialversicherungsträgern oder die Möglichkeit des Kassenwechsels) das Instrument der Beschwerde genannt. "Kundenfreundliche" Krankenkassen haben dann auch meist ein Beschwerdenmanagement installiert, das zumindest auf dem Papier wirksam wirkt. Ob es auch in Wirklichkeit zu Gunsten der Versicherten funktioniert, ist aber zumindest in Deutschland noch nicht wissenschaftlich und unabhängig untersucht worden.

Dafür liegen aber jetzt aktuell für 2006/2007 Ergebnisse einer umfassenden Wirksamkeitsuntersuchung von Beschwerden im National Health Service (NHS) Großbritanniens (dort gab es in den letzten Jahren durchschnittlich 140.000 Beschwerden pro Jahr bei jährlich durchschnittlich 380.000.000 Behandlungen) vor, die tiefe Schatten auf die Wirklichkeit des Beschwerdegeschehens und seines Kerninstruments werfen.

Der vom National Audit Office (NAO) herausgegebene Bericht "Feeding back? Learning from complaints handling in health and social care" (HC 853 Session 2007-2008 vom 10. Oktober 2008) kommt nämlich u.a. zu folgenden ausgewählten Ergebnissen:

• Im Gesundheits- und Sozialbereich, machten in den letzten drei Jahren 14 % der Versicherten in irgendeiner Weise unbefriedigende Erfahrungen mit der Verwaltungs- und Behandlungswirklichkeit. Von diesen Personen reichten aber im NHS-Bereich nur rund 5 % eine formale Beschwerde ein. Im Bereich der Sozialleistungen machten dies immerhin ein Drittel der Unzufriedenen. Der Hauptgrund war die Annahme, eine Beschwerde verändere sowieso nichts.
• Wenn Beschwerden erhoben wurden, funktionierte das Beschwerdensystem nicht zielführend. Zwei Drittel der Beschwerdeführer im Gesundheitsbereich erhielten keine Unterstützung im Beschwerdeprozess und ein weiteres Fünftel berichtete über Schwierigkeiten. Dies lag nicht zuletzt an der Existenz von sieben möglichen Beschwerdewegen. Trotz einer ausdrücklichen Vorschrift erhielt z. B. nur ein kleiner Teil der Beschwerdeführer eine vorgesehene rechtliche Unterstützung.
• Die Kultur und die Verhaltensweisen der britischen Gesundheits- und Sozialeinrichtungen ist gegenüber Beschwerden überwiegend defensiv bis abwehrend ausgerichtet. Entsprechend wenig verbreitet sind Weiterbildungskurse zum offensiven Umgang mit Beschwerden. Weniger als ein Drittel der NHS-Einheiten konnte daher auch nur angeben, wie viel ihr Beschwerdewesen kostet.
• Auf lokaler Ebene sind drei Viertel der Beschwerden in 20-25 Arbeitstagen bearbeitet. Der Rest der NHS-Beschwerden, der bei der unabhängigen "Healthcare Commission" landet, wird im Durchschnitt nach 171 Arbeitstagen beantwortet. Wie viele Personen ihre Beschwerde innerhalb dieser Zeiträume zurückziehen, ist nicht bekannt. Obwohl eine frühe Kontaktaufnahme mit Beschwerdeführern und die genaue Kenntnis ihrer Erwartungen ein bekanntermaßen wichtige Voraussetzung ist, eine Beschwerde erfolgreich zu bearbeiten, machen dies ein Drittel der NHS-Trusts nicht. Entsprechend haben nur 59 % der Beschwerdeführer den Eindruck, dass ihre Beschwerde in offener und konstruktiver Weise entgegengenommen wurde.
• Eine auch für Beschwerden wichtige Einrichtung sind lokale, von der Regierung eingesetzte Ombudspersonen.
• Auch wenn über 90 % der örtlichen Einheiten des NHS und die NHS-Trusts behaupteten, sie hätten ein klares System, von den Beschwerden zu lernen, stimmt dies nach den Überprüfungen der Healthcare Commission allenfalls bei einem Drittel dieser Einrichtungen tatsächlich. Wenn die Einrichtungen aber davon lernen, teilen sie dies aber den Beschwerdeführern nicht mit.

Der Nutzen dieser aufwändigen und vielschichtigen Überprüfung des Beschwerdegeschehens im NHS und bei anderen Sozialleistungen ist allein beim Blick auf die stark ausgewählten Aspekte offensichtlich.

Die Abwesenheit einer unabhängigen Berichterstattung über dasselbe Geschehen in der GKV, die zudem auch noch die Wahrnehmungen von Versicherten und/oder Beschwerdeführern einbezieht, ist daher bedenklich. Selbstdarstellungen einzelner Kassen zum Vorkommen von Beschwerden und zu ihrem Umgang mit denselben ist zunächst misstrauisch zu begegnen (siehe oben die eklatanten Unterschiede zwischen Binnen- und Außensichten) und die aufwändig propagierten Selbstinszenierungen als "kundenfreundlichste Kasse Deutschlands" sind inhaltlich wie methodisch oft nicht das Papier wert auf dem sie gedruckt sind.
Da im "Kassenwettbewerb" natürlich keine Kasse mit einer seriösen und möglicher- oder wahrscheinlicherweise kritischeren Bilanz ihres eigenen Beschwerdegeschehens starten will, kann dies wahrscheinlich nur der Gesetzgeber zur Pflichtaufgabe machen und eine unabhängige Einrichtung (z. B. der/die Patientenbeauftragte der Bundesregierung) damit beauftragen.

Der komplett 54 Seiten umfassende Report "Feeding back? Learning from complaints handling in health and social care", herausgegeben vom The National Audit Office" und unter der Leitung von Karen Taylor von Chris Groom, Kate Gurner, Nisha Patel, Colin Ross und Rohan Wijeratne erstellt, ist kostenlos erhältlich.
Wer es kürzer mag, für den gibt es ebenfalls kostenlos ein zehnseitiges Executive summary.
Wen jetzt interessiert wie das Beschwerdewesen in anderen Ländern vor allem Europas aussieht, kann dies der bereits Anfang 2008 veröffentlichten 37-seitigen internationalen Studie "Handling Complaints in Health and Social Care: International Lessons for England von Graham Lister, Flemming Rosleff, Markella Boudioni, Fons Dekkers, Elke Jakubowski und Helen Favelle entnehmen, in dem sich auch ein knapper Teil über Deutschland findet.

Zwei bezeichnende Sätze der Untersuchung des deutschen Systems lauten:
• "In general it seems that German patients are adopting a more demanding consumerist view of health and care services but current systems pose considerable barriers for complainants particularly for disadvantaged groups lacking skills in writing or dealing with quasi legal proceedings."
• "Monitoring: is difficult if not impossible. There is no federal or regional process for monitoring complaints other than by inviting complainants to contact the Patients'Commissioner. It is not possible to ascertain how inquiries at this level match the numbers and types of complaint in all the different complaint systems."

Bernard Braun, 13.10.2008