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Versorgungsforschung: Psychische Erkrankungen


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"Englische Verhältnisse" Modell? Transparenz über die Behandlungsqualität von psychisch Kranken in geschlossenen Einrichtungen

Artikel 2216 Auch in Großbritannien ist ein relevanter Teil aller Erkrankungen psychisch bedingt: gegenwärtig rund 23%. Wie gewichtig dieser Anteil ist, wird klar, wenn man sieht, dass in Großbritannien "nur" jeweils 16% der gesamten Krankheitslast durch Krebs und Herzerkrankungen verursacht werden. Ob psychisch kranke und in hohem Maße noch in geschlossenen Anstalten behandelte Personen eine problemgerechte und vor allem ihre Menschen- und Freiheitsrechte so weit wie möglich berücksichtigende Versorgung erhalten, wird seit dem 1983 verabschiedeten "Mental Health Act" u.a. von speziellen "Mental Health Act commissioners" der "Care Quality Commission (CQC)" untersucht und die Ergebnisse umfassend in bisher drei umfangreichen Berichten veröffentlicht.

Der dritte Bericht ist im Januar 2013 veröffentlicht worden und beruht hauptsächlich auf dem Besuch von 1.546 stationären Abteilungen für die Behandlung psychisch Kranker in den Jahren 2011 und 2012. 811 der Einrichtungen wurden unangekündigt besucht und kontrolliert und 95 der Kontrollen fanden am Wochenende statt. Die "Kommissare" sprachen im Rahmen ihrer Untersuchung mit 4.569 PatientInnen, MitarbeiterInnen der Einrichtung, untersuchten über 4.500 Behandlungspläne und andere Dokumente und nahmen auch den baulichen und sonstigen Zustand der Einrichtung in Augenschein. Außerdem sind die "Kommissare" auch für die Kontrolle der Arbeit von so genannten "Second Opinion Appointed Doctors (SOADs)" zuständig, deren wesentliche Aufgabe darin besteht, zu bewerten ob die freiheitsentziehenden Maßnahmen bei der Behandlung psychisch Kranker angemessen oder zulässig sind. Die SOADS führten in dem Untersuchungszeitraum fast 9.000 Besuche von PatientInnen in geschlossenen Anstalten und weitere rund 3.200 bei anderen psychisch Kranken durch. Inhaltlich spielten die Erfahrungen der PatientInnen eine zentrale Rolle, und dabei vor allem der Grad ihrer Beteiligung an Behandlungsentscheidungen und die Art und Weise ihrer informierten Zustimmung zu Behandlungsschritten.

Zu den wichtigsten Ergebnissen gehörten folgende:

• Zahlreiche Kliniken und Abteilungen machten eine ausgezeichnete Arbeit in deren Mittelpunkt der respekt- und würdevolle Umgang mit PatientInnen stand. Der Bericht nennt zum ersten Mal auch diese Leistungserbringer, und zwar mit dem expliziten Ziel, damit andere Anbieter "anstecken" zu wollen.
• Auch wenn sich einige der positiven Aspekte aus vergangenen Berichten stabilisierten, fanden sich in 37% der kontrollierten Behandlungspläne Anzeichen dafür, dass die Sicht der PatientInnen nicht berücksichtigt wurde. In 21% der Behandlungsdokumentationen fehlten Hinweise, ob die PatientInnen über ihre gesetzlichen Rechte von einem "Mental Health Advocate" informiert worden sind. Und 45% der Behandlungsakten enthielten keinen Hinweis auf die vorgeschriebene konsensuale Diskussion über die Behandlungsschritte vor dem ersten Einsatz von Medikamenten bei den stationär untergebrachten Kranken.
• Insgesamt konstatiert der Bericht eine signifikante Lücke zwischen der Versorgungswirklichkeit und der ambitionierten "mental health"-Politik.
• Die CQC-Kommissare sind schließlich besorgt, dass sich hartnäckig eine Kontrollkultur hält, die auch prioritär gegenüber einer Kultur der Behandlung und Unterstützung von Individuen ist. Bei rund 20% ihrer Besuche hatten die Berichterstatter den Eindruck, dass die PatientInnen eher wie zwangsweise Behandelte behandelt wurden und auch nicht versucht wurde den Aufenthalt zusammen mit den Patienten als freiwilligen und konsentierten zu gestalten.

Der Bericht schließt mit ausführlichen Überlegungen und Empfehlungen zur Beseitigung der Behandlungsdefizite. Auch hier spielt die Stärkung der Patienten und ein patientenorientiertes Verständnis der behandelnden Ärzte und Pflegekräfte eine zentrale Rolle. Aus Patientensicht sollte die Normalität durch das Motto "no decision about me, without me" bestimmt sein.

Wer diesen Bericht liest, und sich dann an die jüngsten empirieschwachen Debatten über den Einsatz von Zwangsmaßnahmen gegen psychisch Kranke in deutschen psychiatrischen Kliniken vor Gerichten und parlamentarischen Einrichtungen oder die endlose Debatte über die Modalitäten des "Pflegeheim-TÜVs" erinnert, hat weitere kritische Belege für den enormen Rückstand der Transparenz über die Art und Qualität der Behandlungsverhältnisse selbst großer Krankengruppen in Deutschland.

Über eine Website erhält man den Zugang zu verschiedenen Formaten des Berichts.
Den 108 Seiten umfassenden kompletten Bericht "Monitoring the Mental Health Act in 2011/12" der "Care Quality Commission" erhält man kostenlos.
Und wenn man schon einmal auf der CQC-Website ist, lohnt sich auch der Blick auf andere, zum Teil ebenfalls beispielhaften Reports der Kommission. Diese Art von "englischen Verhältnissen" täten dem deutschen Gesundheitswesen sehr gut.

Bernard Braun, 31.1.13