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Diagnosebezogene Fallgruppen DRG


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Veränderungen der Pflegearbeit im Krankenhaus durch die Einführung von DRG? Vergleich: 2003 und 2006 aus Sicht der Pflegekräfte!

Artikel 1248 Mit der Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs) als Klassifizierungs- und Abrechnungssystem sind Hoffnungen auf mehr Transparenz und höhere Effektivität und Effizienz der Krankenhausversorgung verbunden. Gleichzeitig wurde und wird aber auch befürchtet, dass gesundheitsethische Gesichtspunkte zu Gunsten der Ökonomie in den Hintergrund treten. Davon betroffen sind neben Patienten auch Ärzte und Pflegekräfte im Krankenhaus.

Eine zu beantwortende Frage lautet daher: Inwieweit haben sich die Arbeitsbedingungen und die Versorgungsqualität im Krankenhaus aus Sicht der Pflegekräfte im Zuge der Einführung der DRGs verändert?

Im Einzelnen geht es um folgende Fragen:

• Wie verändern sich der Personalbedarf und die Arbeitszeiten im Pflegedienst im Krankenhaus?
• Wie verändern sich die Arbeitsbelastungen, die Arbeitszufriedenheit und die persönlichen Ressourcen der Pflegekräfte?
• Wie verändern sich aus Sicht der Pflegekräfte die Arbeitsabläufe von der Aufnahme bis zur Entlassung der Patienten und die Versorgungsqualität?
• Welchen Einfluss auf die gezeigten Entwicklungen kann man durch die Einführung der DRGs vermuten?
• Welche Strukturen oder Veränderungen haben außerdem einen Effekt auf die Arbeits- und Versorgungsbedingungen und leistungen? Stichworte: Privatisierung; Krankenhausgröße (Mindestmengen); strukturierte Versorgung (Case Management; Clinical Pathways).

Diese und eine Reihe weiterer Fragen versucht das Projekt "Wandel von Medizin und Pflege im DRG-System (WAMP), Sozialwissenschaftliche Längsschnittanalyse der Auswirkungen des DRG-Systems auf den pflegerischen und medizinischen Dienstleistungsprozess und die Versorgungsqualität im Krankenhaus" empirisch zu beantworten oder zur weiteren Klärung beizutragen.
Das Projekt wird seit 2002 bearbeitet vom Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) an der Universität Bremen und vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) für Sozialforschung. Das Projekt erfolgt in Kooperation und mit Unterstützung der Gmünder ErsatzKasse, der Hans-Böckler-Stiftung, der Landesärztekammer Hessen und der Gewerkschaft ver.di. Es stützt sich auf mehrmalige bundesweit bzw. in Hessen (Ärzte) durchgeführte schriftlich-standardisierte Befragungen von Patienten, Ärzten und Pflegekräften vor, kurze Zeit nach und kurz vor dem Ende der Einführungsphase der DRG, mündliche Interviews mit allen Akteuren in vier Krankenhäusern und Analysen von Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Erfahrungen, Wahrnehmungen und Beurteilungen durch die Krankenhaus-Pflegekräfte in den Jahren 2003 und 2006 fasst nun ein gerade erschienener Forschungsbericht "Pflegearbeit im Krankenhaus. Ergebnisse einer wiederholten Pflegekräftebefragung und einer Längsschnittanalyse von GEK-Routinedaten" von den ZeS-Forschern Bernard Braun, Petra Buhr und Rolf Müller zusammen. Der 220 Seiten umfassende Bericht ist als Band 60 der Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse der Gmünder Ersatzkasse (GEK) erschienen.

Die wesentlichen Ergebnisse lauten:

Strukturierte Abläufe: Die Zahl der ambulanten, teilstationären und poststationären Abteilungen ist im Vergleich der Befragungsjahre 2003 und 2006 merklich angestiegen. Von einem generellen Anpassungsprozess ist man aber weit entfernt. Dass es strukturierte Abläufe in Form von Case Management oder Clinical Pathways gibt, wird 2006 von 50 % der Pflegekräfte berichtet; 2003 waren es 43 %. Knapp über 40 % der Pflegekräfte gaben 2006 an, in Krankenhäusern zu arbeiten, in denen die elektronische Patientenakte eingeführt war. Pflegeplanung und Pflegeorganisation haben sich im Vergleich der Jahre 2003 und 2006 nicht verändert.
Kooperation und Information: Die Ergebnisse weisen nicht in eine Richtung. Auf der einen Seite hat sich der Informationsfluss zwischen 2003 und 2006 verschlechtert, bzw. er hat sich neu strukturiert. Regelmäßige Besprechungen im Pflegeteam werden seltener. Stattdessen gibt es mehr Besprechungen mit anderen Berufsgruppen. Der Anteil der Pflegekräfte, die patientenbezogene Informationen eher zufällig erhalten, steigt deutlich von 15 % auf gut knapp 22 % an. Auf der anderen Seite hat sich die Kooperation mit anderen Berufsgruppen im Vergleich zu 2003 eher verbessert als verschlechtert. Beispielsweise ist der Anteil der Pflegekräfte, die die Zusammenarbeit mit den Ärzten als sehr gut oder eher gut bewerten, von knapp 74 % auf 79 % gestiegen, Nur die Kooperation zwischen Pflegekräften und Verwaltung wird 2006 schlechter bewertet.
Arbeitszeit und -inhalte: Die effektiv verfügbare Arbeitszeit pro Belegtag ist im Zeitraum von 2002 bis 2005 gestiegen. Da aber die Patienten kürzer liegen, fallen die häufigeren Aufnahme- und Entlassprozeduren mehr ins Gewicht. Zudem sind die Patienten vermehrt nur noch an den pflegeintensiven Tagen im Krankenhaus. Der Patient braucht also im Durchschnitt pro Belegtag mehr Pflege als früher. Es gibt aber auch Hinweise auf eine Verschiebung der Aufgaben zwischen examinierten Pflegekräften und anderen Berufsgruppen. Einfache Tätigkeiten wie Botengänge und Patiententransporte werden 2006 etwas weniger durch examinierte Pflegekräfte geleistet als 2003. Dass administrative Tätigkeiten zu Lasten patientennaher Tätigkeiten zugenommen haben, spiegelt sich in unseren Daten jedoch nicht wider. Vielmehr bleibt insgesamt die Verteilung der Arbeitsinhalte zwischen 2003 und 2006 relativ konstant. In beiden Jahren werden etwa 47 % der Arbeitszeit für patientennahe und 26 % für administrative Tätigkeiten aufgewendet.
Arbeitsbelastungen: Zwar hat sich die Bewertung der positiven Faktoren der pflegerischen Tätigkeit zwischen 2003 und 2006 wenig verändert; dennoch fühlen sich fühlen sich die Pflegekräfte in höherem Ausmaß nicht mehr gut genug für ihren Job ausgebildet. Der Grund dafür ist unter anderem in den gestiegenen Anforderungen und dem erhöhten Zeitdruck zu sehen. Waren 2003 noch fast 80 % der Meinung, sie seien gut ausgebildet, sagen dies 2006 nur noch gut 60 %. Neben Zeitdruck, den 2006 über zwei Drittel der befragten Pflegekräfte immer oder überwiegend empfinden, werden auch Unterbrechungen, administrative Tätigkeiten und die Angst um den Arbeitsplatz 2006 vermehrt als Belastungen wahrgenommen. Die Zahl derer, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben, weil sie sich den Anforderungen nicht mehr gewachsen fühlen, steigt dabei von 1,6 % auf 8,3 %. Bezogen auf alle Aspekte wirken koordinierte Abläufe und gute Kooperation mit den Ärzten als positive Faktoren. Die Arbeit ist unter diesen Voraussetzungen befriedigender und die Belastungen sind geringer.
Aufnahme ins Krankenhaus: Durch Case Management und Clinical Pathways ist der Aufnahmeprozess zwar deutlich strukturierter als zuvor; dennoch muss festgestellt werden, dass der Pflegeaufwand 2006 seltener als 2003 schon bei der Aufnahme erhoben wird. Pflegeanamnese und Pflegeplanung sind auch nicht deutlich mehr geworden.
Behandlungsqualität: Die Krankenhausleitungen versuchen durch Leitbilder und Anweisungen oder Anreize zum wirtschaftlichen Verhalten das Selbstverständnis und Verhalten der Belegschaft zu steuern. Die Pflegekräfte fühlen sich allerdings mehrheitlich durch die Vorgaben nicht berücksichtigt (81 % sagen, die Leitung habe das Leitbild vorgegeben) und auch nicht berührt (nur knapp 20 % sagen, dass sie ein Leitbild brauchen). Anspruch und Realität der Pflegetätigkeit klaffen häufig auseinander. Fast 100 % der Pflegekräfte meinen, der Patient solle mitentscheiden; doch weniger als 30 % sagen, dies sei tatsächliche Praxis. Über 86 % der Pflegekräfte wünschen, dass wirtschaftliche Fragen bei der Behandlung nachrangig berücksichtigt werden. Die tatsächliche Praxis sieht anders aus: Nur ca. 55 % sagen, dass sich die Versorgung nicht nach den Kosten richtet. Auch bezüglich der sozialen und emotionalen Zuwendung haben die Pflegekräfte weitaus höhere Ziele als tatsächlich in der Praxis umgesetzt werden kann. So sagen nur knapp über 50 %, die Patienten erhielten ausreichend Zuwendung. Dafür bleibt den Pflegekräften sehr oft einfach keine Zeit. Die Zeit wird aber nicht nur für die Zuwendung knapp; auch die Aktivierung der Patienten wird zunehmend vernachlässigt. Der Anteil der Pflegekräfte, die die Patienten immer in ihrer Selbständigkeit unterstützen, ist von knapp 58 % auf 42 % zurückgegangen. Auch werden die Pflegeabläufe deutlich seltener an die Patientenwünsche angepasst und eine würdevolle Behandlung verliert an Selbstverständlichkeit.
Entlassung aus dem Krankenhaus: "Blutige" Entlassungen sind zwar nicht an der Tagesordnung. Immerhin meinte aber in beiden Befragungen etwa ein Fünftel der Pflegekräfte, dass der Entlassungszeitpunkt zu früh liegt. Nötig wäre daher ein gutes Entlassungsmanagement. Dieses wird aber 2006 noch schlechter als 2003 beurteilt. Weniger als die Hälfte der Pflegekräfte gab an, dass es ein Entlassungs-, Überleitungs- oder Kooperationsmanagement mit externen Ärzten und Diensten gibt, das zudem auch noch gut funktioniert.
Qualitätsmanagement: Angesichts der vom Gesetzgeber angestrebten Qualitätswettbewerbs gibt es schon jetzt neben den verpflichtenden, aber auch nicht sehr informativen Qualitätsberichten gemäß § 137 SGB V eine Reihe von Aktivitäten, um auf die eigene Versorgungsqualität aufmerksam zu machen. Einerseits bemühen sich fast alle Krankenhäuser um eine Zertifizierung. Andererseits werden aber gerade auch von privaten Trägern offensiv Programme zur öffentlichen Darstellung ihrer Versorgungsqualität gestartet. In den Pflegekräftebefragungen stellte sich auch eine Zunahme von Patientenbefragungen innerhalb der Krankenhäuser heraus. Allerdings ist die Beurteilung durch die Patienten nach Aussage der Pflegekräfte schlechter geworden.
Einfluss der DRGs auf die Arbeitsbedingungen und die Versorgungsqualität: Insgesamt gesehen hat sich strukturell unter DRG-Bedingungen bislang eher wenig verändert - etwa in Hinblick auf die Aufnahme oder die Entlassung der Patienten. Allerdings ist der Kostendruck als Schreckgespenst in aller Munde und kommt als Bedrohung bei den Pflegekräften an. Die Arbeitslast wird höher und die Versorgungsqualität leidet darunter. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich die DRGs nach Meinung der Pflegekräfte auf fast alle Aspekte der pflegerischen Versorgung und die Arbeitsbedingungen negativ auswirken. Als mögliche positive Effekte werden nur die Auswirkungen auf die Transparenz der Pflege und auf die Kooperation herausgestellt.

Der Forschungsbericht "Pflegearbeit im Krankenhaus. Ergebnisse einer wiederholten Pflegekräftebefragung und einer Längsschnittanalyse von GEK-Routinedaten" ist kostenlos als PDF-Datei erhältlich.
Weitere im WAMP-Projekt gewonnene Erkenntnisse zu Auswirkungen der DRG-Einführung aus Sicht von Patienten und Ärzten 2004 und Ärzten 2005/2006 sind ebenfalls kostenlos zugänglich.

Bernard Braun, 27.5.2008