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Früherkennung, Screening


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Mammografie-Screening: Häufige Überdiagnosen als gravierender Kollateralschaden

Artikel 2551 Gilbert Welch vom Dartmouth Institute for Health Policy and Clinical Practiceund Kollegen haben jetzt die Frage untersucht, wie sich das Brustkrebs-Screening durch Mammographie bei Frauen ab 40 Jahren auf die Zahl und die Größe der gefundenen Tumoren auswirkt.

Dafür haben sie für einen Zeitraum vor (1975-1979) und nach (2000-2002) Einführung der Brustkrebsfrüherkennung die jährlich neu aufgetretenen Fälle (Inzidenz), die Tumorgröße und die Sterblichkeit verglichen.

Die erforderlichen Daten entnahmen sie dem amerikanischen Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER) program . SEER ist eine Einrichtung des National Cancer Institute, das epidemiologische Informationen über Krebs in den USA sammelt und zur Verfügung stellt.

Das Fazit der Studie lautet:
Auf der Nutzenseite mindert das Brustkrebs-Screening die Sterblichkeit an Brustkrebs durch Minderung der Zahl großer Tumoren und der früher einsetzender Therapie (8 Brustkrebs-Todesfälle pro 100.000 Frauen weniger also ohne Screening).

Größer ist die Minderung der Sterblichkeit durch verbesserte Therapie bei gegebener Tumorgröße (17 Brustkrebs-Todesfälle pro 100.000 Frauen weniger als bei Therapiestandard 1975-1980).

Auf der Schadenseite beträgt die Überdiagnose 132 kleine Tumoren pro 100.000 Frauen - da bislang die Tumoren, die schnell, langsam oder gar nicht wachsen, nicht unterschieden werden können, dürften die meisten Patientinnen eine letztlich überflüssige Behandlung erhalten. erhalten.

Ebenfalls auf der Schadenseite stehen die - wenig beachteten -psychologischen Folgen der Krebsdiagnose wie auch der falsch-positiven Screening-Ergebnisse (wir berichteten).



Im Einzelnen lauten die wichtigsten Ergebnisse:
• Die Inzidenz großer Tumoren (ab 2 cm) sank von 145 (1975-1979) auf 115 (2000-2002) pro 100.000 Frauen, also um 30 Fälle pro 100.000 Frauen
• Die Inzidenz kleiner Tumoren (unter 2 cm) stieg von 82 (1975-1979) auf 244 (2000-2002) pro 100.000 Frauen, also um um 162 Fälle pro 100.000 Frauen

Die Häufigkeit pro 100.000 Frauen von Tumoren einer Größe sank
• ab 5 cm von 29 auf 25
• von 3,0 bis 4,9 cm von 56 auf 38
• von 2,0 bis 2,9 cm von 60 auf 52

Dem steht gegenüber der Anstieg der Häufigkeit pro 100.000 Frauen von Tumoren einer Größe
• von 1,0 bis 1,9 cm von 59 auf 99
• weniger als 1 cm von 13 auf 66
In-situ-Karzinom von 10 auf 79

Daraus folgt: Das Screening hat
• die Zahl großer Tumoren gesenkt (um 30 pro 100.000 Frauen) und
• die Zahl kleiner Tumoren erhöht (um 162 pro 100.00).

Konstante Bedingungen angenommen, lässt sich daraus folgern, dass nur 30 der 162 zusätzlichen kleinen Tumoren zu großen Tumoren werden - 132 kleine Tumoren stellen Überdiagnosen dar - sie bleiben klein und würden nie auffällig werden.

Die Minderung der Zahl großer Tumoren ist eine notwendige aber nicht hinreichende - also allein nicht ausreichende - Bedingung für den Erfolg von Screening, denn es geht ja um die Senkung der Brustkrebstodesfälle (und um die Senkung der Gesamtmortalität). Ein weiteres notwendiges Erfolgskriterium ist daher die höhere Effektivität bei früher - durch Screening - diagnostizierten Tumoren im Vergleich zu später - bei Auftreten von Symptomen - diagnostizierten Tumoren.

Bei der verminderten Mortalität ist zu bedenken, inwieweit sie effektiverer Behandlung geschuldet ist.
Hinweise auf eine verbesserte Effektivität bei gegebener Tumorgröße gibt die jeweilige Sterblichkeitsrate ("Size-specific case fatality rate") für eine Nachbeobachtungszeit von 10 Jahren, die tatsächlichin den Jahren 2000-2002 niedriger ist als 1970-1975.

Die Sterblichkeit pro 100.000 Frauen betrug für Tumoren einer Größe
• ab 5 cm vor Einführung des Screenings 55%, danach 43%%
• von 3,0 bis 4,9 cm vor Einführung des Screenings 39%, danach 27%
• von 2,0 bis 2,9 cm vor Einführung des Screenings 28%, danach 16%.

Die Autoren kalkulieren, dass pro 100.000 Frauen vermieden werden:
• 8 Todesfälle durch das Screening
• 17 Todesfälle durch die effektivere Therapie.

Somit sind 2/3 der Minderung der Sterblichkeit auf die verbesserte Therapie und 1/3 auf das Screening zurückzuführen.

Die 10-Jahresüberlensrate für Patientinnen mit einem Tumor von weniger als 1 cm oder einem In-situ-Tumor ist interessanterweise höher als die von gleichaltrigen Frauen ohne Krebserkrankung.



Welch HG, Prorok PC, O'Malley AJ, Kramer BS: Breast-Cancer Tumor Size, Overdiagnosis, and Mammography Screening Effectiveness. New England Journal of Medicine 2016, 375(15):1438-1447. Abstract


siehe auch im Forum Gesundheitspolitik:

Mammografie-Screening 1: Nutzen fraglich, wenn dann bestenfalls gering Link

Mammografie-Screening 2: Gynäkologen schlecht informiert über Nutzen und Risiken Link

Mammografie-Screening 3: Frauen schlecht informiert über Nutzen und Risiken Link

David Klemperer, 3.11.16