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Epidemiologie
Soziale Lage, Armut, soziale Ungleichheit


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Das Informations- und Partizipationsverhalten in unteren Sozialschichten bewirkt auch soziale Ungleichheit in der Versorgung

Artikel 1327 Meldungen aus den USA über extrem hohe soziale Unterschiede im Zugang zur medizinischen Versorgung und der Versorgungsqualität können kaum noch überraschen, zu häufig sind inzwischen die Befunde aus wissenschaftlichen Studien. Für Deutschland indes wurde zuletzt gehäuft festgestellt, es sei "unwahrscheinlich, dass Versorgungsdefizite einen substanziellen Beitrag zur Erklärung der höheren Krankheitslast und vorzeitigen Sterblichkeit in den unteren Statusgruppen leisten." (vgl.: Lampert/Mielck: Gesundheit und soziale Ungleichheit - Eine Herausforderung für Forschung und Politik)

Eine jetzt veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung hat mit Daten des "Gesundheitsmonitor" nun allerdings gezeigt, dass solche Versorgungsdefizite daraus entstehen, dass Angehörige unterer Sozialschichten ein ganz anderes Informations- und Partizipationsverhalten im Versorgungssystem aufweisen als Patienten der Oberschicht mit hohem Bildungsniveau. Ausgangspunkt der Studie sind drei Hypothesen, nach denen die Chancen zu einer erfolgreichen Therapie höher sind, wenn ein Patient a) informiert ist über Entstehungshintergründe seiner Krankheit und Symptome, über Präventionsmöglichkeiten und auch unterschiedliche Therapie-Alternativen, b) im Rahmen der Therapie eigene Kenntnisse und Erwartungen einbringt und an Entscheidungen partizipiert und c) seinen Arzt sehr sorgfältig aussucht und gegebenenfalls auch wechselt.

Hiervon ausgehend wird mit Daten des Gesundheitsmonitor aus mehreren Erhebungswellen seit 2004 Fragestellungen nachgegangen, die schichtspezifische Differenzen für eine Reihe von Verhaltensweisen überprüfen, die damit in engem Zusammenhang stehen, und zwar:
• bei der Klärung oder Vertiefung ärztlicher Informationen im Zusammenhang eines Arztbesuchs,
• beim Wunsch nach Mitbestimmung bei der Festlegung der Therapie (Shared Decision Making),
• bei der Auswahl eines Arztes und den dabei maßgeblichen Kriterien sowie beim Arztwechsel,
• hinsichtlich des Verständnisses medizinischer Informationen im Rahmen von Medikamenten-Beipackzetteln.

Tatsächlich zeigt sich in den Daten, für fast alle überprüften Handlungsorientierungen, dass Unterschicht-Patienten hier spezifische Tendenzen aufweisen, und zwar solche, die einer erfolgreichen Therapie eher abträglich sind. Das Bemühen um eine Klärung, Ergänzung oder Vertiefung ärztlicher Informationen im Zusammenhang mit einem Arzttermin ist bei Unterschicht-Angehörigen deutlich schwächer ausgeprägt und ebenso ist das Interesse an Shared Decision Making als Ausdruck eines Wunsches nach Mitbestimmung bei der Therapie deutlich geringer. Zugleich finden sich seltenere Arztwechsel und eine geringere Differenzierung zwischen Ärzten. Dass es große Unterschiede gibt (Fachwissen, Sozialkompetenz), wird bei unteren Bildungsschichten weniger stark wahrgenommen. Schließlich lässt sich am Beispiel der Arzneimittel-Informationen (Beipackzettel) aufzeigen, dass das Verständnis medizinischer Informationen sehr viel mehr Probleme bereitet und teilweise größere Ängste und Irritationen hervorruft.

Insgesamt entsteht so der Eindruck, dass die Informationsbemühungen in Gesundheitsfragen und auch der Wunsch nach Mitbestimmung in der Arztpraxis bei Patienten mit niedrigem Bildungsniveau sehr viel geringer sind. Der "informierte und partizipations-interessierte Patient" ist in unteren Sozialschichten eher eine Ausnahmeerscheinung. Die in diesem Leitbild verborgenen Verhaltensnormen sind eher charakteristisch für mittlere und obere Sozialschichten. Ähnlich wie beim Informationsverhalten zeigt sich auch bei der "Navigation" im Versorgungssystem, also bei Auswahl und Wechsel eines Arztes, eine sehr viel größere Passivität und ein geringeres Engagement unterer Sozialschichten. Da diese Verhaltensmerkmale jedoch, wie eine große Zahl empirischer Studien gezeigt hat, durchaus bedeutsam sind für den Therapieerfolg, ergeben sich für Unterschicht-Patienten dann tendenziell schlechtere medizinische Versorgungseffekte: Sie verzichten auf eigenständige "Recherchen" vor oder nach Arztbesuchen und ebenso auf eine Mitsprache bei Therapie-Entscheidungen, obwohl dadurch in vielen Fällen therapeutische Alternativen ins Blickfeld rücken würden, die ihren persönlichen Interessen stärker entgegen kämen. Und sie bemühen sich weniger stark, einen Arzt zu finden, der ihren persönlichen Erwartungen entspricht, was vielfach zumindest die Chancen zu einer besseren Arzt-Patient-Kommunikation reduziert.

Die Autoren fassen ihre Befunde so zusammen, dass eine "von Ärzten gewollt oder ungewollt realisierte Ungleichbehandlung eher die Ausnahme ist. Was unsere Befunde allerdings andeuten, ist eine gesellschaftlich suggerierte Chancengleichheit der medizinischen Versorgung, die in dieser Form nicht mit der Realität übereinstimmt. Patienten, die sich umfassender und nicht nur in der Arztpraxis gesundheitlich informieren, die sich bei anstehenden Therapie-Entscheidungen persönlich einmischen, und die ihren Arzt sehr sorgfältig auswählen und gegebenenfalls wechseln, haben bessere Chancen einer erfolgreichen Krankheitsvorbeugung oder Behandlung. Und exakt diese Verhaltensmerkmale und damit assoziierte Normen und Orientierungen sind jedoch, wie unsere empirischen Befunde gezeigt haben, bei Unterschicht-Patienten deutlich schwächer ausgeprägt." Diskutiert wird auch eine Reihe von Veränderungsmöglichkeiten, die für die Wissenschaftler insbesondere im Bereich einer besseren und flexibleren, auf individuelle Voraussetzungen und Motive zugeschnittenen Patienteninformation liegt.

Die Studie ist hier kostenlos verfügbar: Soziale Ungleichheit: Schichtspezifisches Informations- und Partizipationsverhalten in der ambulanten Versorgung (Gesundheitsmonitor, Newsletter 3/2008)

Gerd Marstedt, 24.8.2008