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Bedenkliche Schlagseite gesundheitspolitischer Ziele im Koalitionsvertrag

Artikel 1692 Die gesundheitspolitischen Vereinbarungen von CDU/CSU und FDP für die 17. Legislaturperiode 2009-2013 haben es in sich. Nicht nur, weil sich die Koalitionäre die Umsetzung vieler Allgemeinplätze vorgenommen haben, wie sie gleich zu Beginn zeigen: "Wir werden das deutsche Gesundheitswesen innovationsfreundlich, leistungsgerecht und demographiefest gestalten. Wir benötigen eine zukunftsfeste Finanzierung, Planbarkeit und Verlässlichkeit sowie Solidarität und Eigenverantwortung." Vor allem aber wegen der inhaltlichen Akzentsetzungen im Bereich der zukünftigen Gesundheitsfinanzierung, die unübersehbar eine liberale Handschrift tragen. So bekennt sich die Koalition uneingeschränkt zu mehr Wettbewerb als "ordnendem Prinzip" im Krankenversicherungsmarkt. Der Koalitionsvertrag erwähnt dabei indes nur eine Seite der Medaille, nämlich die Möglichkeit für die Kassen, "gute Verträge"gestalten zu können", erwähnt aber mit keinem Wort, wie sie den unerwünschten Wirkungen des Kassenwettbewerbs wie Risikoselektion und Rosinenpickerei zu begegnen gedenkt. Im Gegenteil, die Koalition kündigt sogar die Abschaffung des von den Vorgängerregierungen weit vorangetriebenen, an Leistungsausgaben orientierten Risikostrukturausgleichs an, der die größten Verwerfungen auffangen und Fehlanreize vermeiden sollte: "Wir wollen einen Einstieg in ein gerechteres, transparenteres Finanzierungssystem. Der Morbi-RSA wird auf das notwendige Maß reduziert, vereinfacht sowie unbürokratisch und unanfällig für Manipulationen gestaltet." Wobei der abschließende Nebensatz eine gehörige Dosis Naivität erahnen lässt - eine manipulationsunanfällige gesundheitspolitische Erfindung wäre dringendst Nobelpreisverdächtig und gehört wohl eher in den Bereich der Wunschträume.

Ohnehin gehörte und gehörte die Gesundheitspolitik offenbar zu den unübersehbarsten Beziehungsproblemen der vermeintlichen Traumehe zwischen CDU/CSU und FDP, wie schon im Oktober das Deutsche Ärzteblatt unter dem Titel Zankapfel Gesundheitspolitik schrieb. Von der tageszeitung über die Süddeutsche Zeitung bis zur Wirtschaftswoche sind die Unterschiede zwischen CDU/CSU auf der einen und FDP auf der anderen Seite medial seit Beginn der schwarz-gelben Koalition präsent.

Ein auf den ersten Blick eher unauffälliger Satz der Koalitionsvereinbarung hat es besonders in sich, worauf bereits die Berliner Zeitung in dem Kommentar Röslers Big Bang hinwies. Wer das sozialpolitische Ziel anstrebt, "Beitrag und Leistung müssen in einem adäquaten Verhältnis stehen," kündigt damit nicht weniger als das Ende der sozialen Krankenversicherung an. Dass sich der Leistungsanspruch nach dem Bedarf, aber eben nicht nach dem gezahlten Einkommen richtet, ist ein Grundprinzip der sozialen Krankenversicherung. Dieses etablierte Solidarprinzip will die CDU/CSU-FDP-Koalition nun nach eigenem Bekunden in der Gesetzlichen Krankenkasse (GKV) abschaffen und durch ein Äquivalenzprinzip ersetzen, nämlich eine Finanzierungsform, bei der eine Äquivalenz bzw. Gleichwertigkeit zwischen Beitrag und Leistung besteht.

Das geht naturgemäß nicht mit der bisherigen einkommensbezogenen Beitragserhebung zusammen, sondern entweder mit einer Kopfpauschale mit einem für alle einheitlichen Leistungspaket oder mit verschiedenen Versicherungspaketen zu unterschiedlichen Preisen. Man darf gespannt sein, welche Option sich durchsetzen kann - Einheitsbeitrag oder Private Krankenversicherung für alle, natürlich mit Schmalspurpaketen für Hartz-IV-EmpfängerInnen. Der von Gesundheitsminister Rösler in Deutschen Ärzteblatt Anfang 2010 erneut bekräftige Wunsch nach einem "stärker wettbewerblichen System" lässt für die wachsende Schar der Billiglöhner und Sozialhilfeempfänger ebenfalls nicht Gutes ahnen.

Die Arbeitgeberbeiträge will die konservativ-liberale Regierung nach eigenem Bekunden einfrieren, um die Gesundheit- von den Lohn"zusatz"kosten zu entkoppeln. Das ist seit vielen Jahren eine zentrale gesundheitspolitische Forderung von Arbeitgeberverbänden und Unternehmern, um nicht durch hohe Sozialabgaben die Konkurrenzfähigkeit zu verlieren und im härter werden internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Dass diese Erwartung wenig mit der Realität zu tun hat, ist seit Längeren in diesem Forum nachzulesen, und zwar in dem Forums-Artikel aus der Reihe "Märchen von der Kostenexplosion" oder eingehend und ausführlich in Ein Spiel mit der Angst - das Märchen von der Gefährdung des Standortes. Der Effekt des Arbeitgeberanteils an den Endpreisen deutscher Exportartikel ist selbst bei erheblichen Beitragssatzsteigerungen nur marginal. Ein Einfrieren des Arbeitgeberanteils, wie ihn nun CDU/CSU und FDP anstreben, wird allenfalls einen gefühlten, aber keinen realen Effekt auf die deutsche Volkswirtschaft haben.

Auch die Frage von Kosten-Nutzen-Bewertungen kommt im Koalitionsvertrag zur Sprache. Besonderes Augenmerk legt die Regierung dabei auf das mittlerweile international anerkannte IQWIG in Köln: "Die Arbeit des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) werden wir auch unter dem Gesichtspunkt stringenter, transparenter Verfahren überprüfen und damit die Akzeptanz von Entscheidungen für Patienten und Patienten, Leistungserbringer und Hersteller verbessern." (Doppelung im Original, Hervorhebung JH). Die Akzeptanz der Empfehlungen des IQWIG auch auf Seiten der Hersteller zu erhöhen, mag ein hehres Ziel sein, für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung ist allerdings weniger tauglich, denn dies verspricht eine deutliche Verbesserung der ohnehin nicht unerheblichen Einflussmöglichkeiten der Pharmaindustrie und anderer Hersteller.

Als Beleg für die angestrebte Klientelpolitik mag der folgende Satz gelten: "Die Freiberuflichkeit der ärztlichen Tätigkeit ist ein tragendes Prinzip unsere(r) Gesundheitsversorgung und sichert die Therapiefreiheit." Klingt gut, vor allem in den Ohren niedergelassner Ärztinnen und Ärzte, die seit Jahren Einnahmerückgänge verzeichnen und gerne die "Staatsmedizin" an den Pranger stellen. Ob die Sicherung der Therapiefreiheit aber außer den Ärzten auch Versicherten und Patienten zu Gute kommt, steht auf einem anderen Blatt. Jüngste Ergebnisse einer internationalen Vergleichsstudie lassen erhebliche Zweifel aufkommen. Vor wenigen Wochen verwies das Forum Gesundheitspolitik auf eine Befragung von über 10.000 Allgemeinärzten, in der sich zeigte, dass niedergelassen Ärzte in Deutschland insbesondere bei chronischen Krankheiten erheblich seltener leitliniengerecht behandeln - eine derartige Therapiefreiheit kann nicht im Sine einer guten Gesundheitspolitik sein.

Die Koalitionsvereinbarung enthält noch eine Reihe anderer Ankündigungen, die in Fachkreisen Diskussionen hervorgerufen haben. Mehrere Gruppierungen und Vereinigungen haben mittlerweile Stellungnahmen zur Arbeitsgrundlage der neuen Bundesregierung vorgelegt, so die BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen und -Initiativen mit der BAGP-Stellungnahme zur Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU/FDP und der Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää).

Der gesamte Koalitionsvertrag Wachstum. Bildung. Zusammenhaltsteht allen Interessierten kostenfrei zur Verfügung; Auszüge sind nachzulesen im nachzulesen in der Novemberausgabe vom AOK-Medienservice.

Die gesundheitspolitisch relevanten Passagen des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und FDP finden Sie exklusiv auf der Homepage vom Forum Gesundheitspolitik.

Jens Holst, 16.12.09