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Patienten
Versorgungsforschung: Diabetes, Bluthochdruck


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Diabetes: Versorgung muss sich mehr an den realen Bedürfnissen und Fähigkeiten von Patienten orientieren!

Artikel 0561 Der Präsident und Geschäftsführer des Pharmaunternehmens Novo Nordisk, Lars Rebien Sørensen, betont im Vorfeld des im März in New York stattfindenden "Global Changing Diabetes Leadership Forum": "Wir müssen die Praxistauglichkeit neuer Formen der Gesundheitsversorgung unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Diabetes erforschen."
Die Diskussionen auf dem New Yorker Forum sollen sich dementsprechend mit dem Konzept einer stärker auf die Patientenbedürfnisse zugeschnittenen Gesundheitsversorgung auseinandersetzen, wie sie in dem Buch "Redefining Health Care: Creating Value-Based Competition on Results" von Michael E. Porter und Elizabeth Teisberg vorgeschlagen wird.

Damit werden fundamentale Defizite angesprochen, die allerdings angesichts der Häufigkeit von Diabetespatienten (rund 5 % der Bevölkerung) und ihrer prognostizierten Zunahme in den nächsten Jahren sowie den damit möglichen Erfahrungen mit Behandlungskonzepten verwunderlich sind.

Dass aber die gewünschte Forschung keineswegs bei Null beginnen muss und es bereits handfeste Ansatzpunkte für eine an den Bedürfnissen und realen Fähigkeiten der PatientInnen orientierte Behandlung gibt, zeigen einige ausgewählte Studienergebnissen aus der Diabetesbehandlungsforschung der letzten Jahre.

In einer Befragung von rund 2.700 bei der Gmünder Ersatzkasse (GEK) versicherten Typ 2 Diabetikern fanden Gesundheitswissenschaftler der Universität Bremen in ihrer Studie "Die medizinische Versorgung des Diabetes mellitus Typ 2 - unter-, über- oder fehlversorgt?" u.v.a. heraus, dass die durchaus weit verbreitete und an sich erfreuliche Selbstmessung von Blutzucker- und Blutdruckwerten bei vielen Erkrankten einem riskanten "Blindflug" gleicht:

- So wurde nur bei 31 % der Selbstmesser in der Arztpraxis regelmäßig, d.h. mindestens einmal pro Jahr die technische Funktionsfähigkeit des Messgeräts überprüft und
- lediglich 26 % der aktiven Patienten bekommen jährlich seine richtige Handhabung erläutert. Mehr als zwei Drittel der selbstmessenden Patienten leben somit in der Gefahr, sich mehr oder weniger großen gesundheitlichen Schaden zuzufügen.

Der Düsseldorfer Diabetologe Michael Berger hatte hierzu schon 2000 folgendes ausgeführt: "Selbst wenn die modernsten und teuersten Methoden zur Blutglukoseselbstkontrolle zur Verfügung stehen, sind diese nur sinnvoll und von Nutzen, wenn der Patient gelernt hat, die Messungen korrekt durchzuführen, die Ergebnisse zu interpretieren und die entsprechenden Therapieanpassungen selbständig vorzunehmen. Andernfalls ist die Selbstkontrolle nutzlos....Ein Arzt, der dem Patienten lediglich die Materialien zur Stoffwechselselbstkontrolle aushändigt oder rezeptiert, ohne ihm das notwendige Training zukommen zu lassen, handelt fahrlässig."

Fünf Jahre später zeigt der so genannte "Blutzuckerselbstmanagement-Report Deutschland 2006. Eine Befragung von Menschen mit Diabetes" von Koschinsky et al., dass sich an den erfragten Zuständen nicht viel geändert hat, ja sich einige patientenseitige Defizite verschärft haben.
Dazu zählen beispielsweise die folgenden von diesem Report bei knapp unter 1.000 befragten Patienten ermittelten Selbstbehandlungsfehler:

• 31 % der Blutzuckerselbstmesser wählen ohne diagnostisch zwingenden Grund mit der Mitte der Fingerkuppe die schmerzhafteste Stelle. 51 % messen an der seitlichen Fingerbeere, der sanftesten Stelle.
• Viele Selbstmesser sind nicht oder nur sehr unzureichend über weitere technischen Möglichkeiten zur möglichst sanften Blutentnahme informiert.
• Die Befragung ergab, dass mehr als die Hälfte der Menschen mit Diabetes (52%) die Messungen gelegentlich auslassen. 50% geben an, die Messung zu vergessen, sie wird unterwegs als zu kompliziert empfunden (41%), die Befragten tragen die notwendigen Utensilien nicht bei sich (36%) oder die Vorbereitung ist zu aufwendig (13%). 37% der Befragten ist es unangenehm, die Messung in der Öffentlichkeit durchzuführen.
• Fast die Hälfte (44%) der Befragten fühlt sich unsicher bei der Messung. 30% der Befragten sind sich manchmal unsicher, ob die gemessenen Werte präzise sind.
• 69% der Patienten gehen irrtümlich davon aus, dass jedes Blutzuckermesssystem bei der Verwendung eines beschädigten Teststreifens eine Fehlermeldung anzeigt, so dass kein falscher Wert gemessen werden kann. 40% sind fälschlicherweise der Meinung, dass es zur Erreichung eines präzisen Messergebnisses irrelevant ist, an welcher Körperstelle der Blutstropfen zur Messung entnommen wurde.
• 1/3 der Befragten haben noch nie an einer Diabetesschulung teilgenommen und bei den Befragten, die an einer Schulung teilgenommen haben, liegt die Schulung bei 43% der Befragten zwischen 6 und 24 Monaten zurück, bei 44% sogar länger als 2 Jahre.

In der zuletzt durchgeführten Studie "Diabetes in Germany (DIG)" wurde prospektiv über 4 Jahre die Versorgungssituation von Typ-2-Diabetes-Patienten in Deutschland untersucht. Die Patienten wurden in über 200 Arztpraxen behandelt.
Die wichtigsten, leider nur als Abstract des Aufsatzes "Praxis der Insulintherapie bei Typ 2 Diabetikern im Rahmen der DIG-(Diabetes in Germany) Studie" von Benke et al. in "Diabetologie und Stoffwechsel 2006; 1: 366-373" veröffentlichten oder in einer Presseerklärung der Deutschen Diabetes Gesellschaft kostenfrei erhältlichen Ergebnisse sind:

• In Deutschland haben viele Menschen mit Typ-2-Diabetes trotz einer Insulintherapie zu hohe Blutzuckerwerte. Grund dafür ist, dass sich Patienten und Therapeuten häufig zu spät für eine Insulintherapie entscheiden und dann nicht immer die passende Therapieform wählen. Patienten mit der Kombinationstherapie haben laut der DIG-Studie die schlechtesten Blutzuckerlangzeitwerte.
• Die Dresdner ForscherInnen führen die schlechten Ergebnisse der Kombinationstherapie darauf zurück, dass Ärzte den Beginn hinauszögern oder zu einer einmaligen Insulin-Injektion am Abend raten. Diese "Bedtime-Therapie" erzielt zwar, wenn sie mit Langzeit-Insulinen durchgeführt wird, eine über den gesamten Tag andauernde gleich bleibende Wirkung. Das eigentliche Problem, die kurzen, aber hohen Blutzuckerspitzen nach den Mahlzeiten, blieben jedoch bestehen.
• Eine Intensivierte Konservative Insulintherapie (ICT) würde dies vermeiden. Sie setzt allerdings voraus, dass die Patienten vor jeder Mahlzeit ihren Blutzucker messen und lernen den Bedarf abzuschätzen. Vielen Typ-2-Diabetikern ist das zu kompliziert oder es wurde und wird mit ihnen auch nicht richtig trainiert.
• Selbst eine nochmals vereinfachte Form, die mahlzeitenbezogene Insulintherapie, bei der die Diabetiker nach festen Regeln vor den Mahlzeiten ein kurzwirkendes Kunstinsulin spritzen, wird zu selten eingesetzt.

Auch wenn die DIG-Studie nichts über die arzt- und patientenseitigen Gründe für die vielfältigen Therapiedefizite erhoben oder veröffentlicht hat, dürfte aber auch hier das fehlende Angebot von Patienten-Trainings und -Schulungen eine große Rolle spielen, die sich an den alltäglichen Bedürfnissen und tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten (die Metapher vom Patienten als "bestem Experten für sich selbst" überschätzt oft seine fachliche Kompetenz) der Patienten orientieren. Falls solche Angebote vorhanden sein, müssen Patienten mehr als bisher zur Teilnahme motiviert werden.

Bernard Braun, 9.2.2007