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GKV
Beitragssatz, Finanzierung, GKV-PKV
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Neues aus der Bildungsforschung: Der besonders hohe Nutzen von Hochschulabsolventen für die Sozialbeiträge in Deutschland (22.9.11)
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Gleichstellungsbericht: Nachteile für individuelle Verwirklichungschancen und die künftige soziale Sicherheit von Frauen. (18.6.11)
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Neues aus der unendlichen und nicht ganz einfachen Geschichte der Ärzteeinkommen zwischen Verelendung und Überfluss (2.3.11)
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Determinanten der Einnahmeschwäche des Sozialversicherungssystems: Tarifflucht neugegründeter Betriebe in Ost und West
Auch wenn sich mittlerweile immer mehr Diskutanten einig sind, dass eine anhaltende Einnahmeschwäche und nicht eine Ausgabenexplosion zu den Hauptproblemen der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören, sind genauere qualitative und quantitative Angaben über die Ursachen dieser Schwäche immer noch selten. Deshalb kommt auch selbst Kennern der Lage bei den Stichworten "Branchen- und Flächentarifvertrag" nicht sofort auch ein Teil der finanziellen Stabilität der GKV in den Sinn.
Zur Normalität der Leistungsfähigkeit und vor allem der Finanzierung des deutschen Sozialsicherungssystem gehören aber neben vielen anderen Faktoren Flächentarifverträge, die einen von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ausgehandelten Tariflohn und andere betrieblich einheitlichen Arbeitsbedingungen möglichst in jedem Betrieb der Branche garantieren. Ohne Flächentariflöhne besteht die Gefahr eines interregionalen und -betrieblichen Einkommensgefälles, von wesentlich stärkeren Einkommensschwankungen als mit Flächentarifen und schließlich unterschiedlicher Arbeitsbedingungen mit damit möglicherweise auch verbundenen unterschiedlichen Gefährdungs- oder Risikobedingungen für die Gesundheit der Beschäftigten. Damit kommt es in einem einkommensbasierten beitragsfinanzierten Sozialsystem zu Ungleichheiten der Bezugsbasis der Einnahmen - bei weiterhin bundesweit einheitlichem Leistungsniveau.
Um welche Größenordnungen und damit potenziellen Ungleichheiten es sich dabei dreht weist nun erstmals für die Bundesrepublik ein Kurzbericht des "Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)" der Bundesagentur für Arbeit auf Basis des so genannten IAB-Betriebspanels nach. Dieses Panel ist eine jährliche Wiederholungsbefragung von mittlerweile rund 16.000 Betrieben, die seit 1993 in Westdeutschland und seit 1996 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird. Grundgesamtheit sind Betriebe aller größerer Branchen und Größenklassen, die mindestens einen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben. In persönlich-mündlichen Interviews werden Informationen zu verschiedenen Themen erhoben, seit 1996 auch zur Tarifbindung in beiden Landesteilen.
Die Hauptergebnissen und -tendenzen sehen danach so aus:
• Insgesamt sinkt die Tarifbindung zumindest in Westdeutschland weiter. Zu den Austritten aus den Arbeitgeberverbänden kommt die abnehmende Neigung neuer Betriebe, sich an Tarifverträge zu binden. Während 1996 in der westdeutschen Privatwirtschaft noch 66 % der Beschäftigten von einem Flächentarifvertrag erfasst wurden, waren es 2007 lediglich noch 52 %. In Ostdeutschland ging ihr Anteil von 48 % auf 33 % zurück.
• Eine bisher kaum wahrgenommene Dynamik in der deutschen Betriebe-Landschaft ist ihr sehr großer und schneller ständiger Wandel: Von den insgesamt rund 2 Millionen Betrieben mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten "sterben" jedes Jahr 200 bis 250.000 und werden durch etwa die gleiche Anzahl neuer Betriebe ersetzt. Dieser stete Wechsel führt dazu, dass z.B. über einen Zeitraum von 4 Jahren ungefähr ein Drittel des Betriebsbestandes ausgetauscht wird. Ein Teil der neu entstandenen Betriebe 'überlebt’ die ersten Jahre nicht. • Die tatsächlichen Neugründungen - die etwa zwei Drittel der neu entstandenen Betriebe ausmachen - sind besonders 'tariffern’. Durch organisatorische Änderungen (z. B. Ausgründungen, Eigentümerwechsel oder Rechtsformwechsel) entstandene Betriebe sind dagegen deutlich öfter tarifgebunden.
• In der jüngsten Zeit, also zwischen 2003 und 2007, wird der sinkende Anteil von Betrieben mit Tarifbindung insbesondere durch die neu entstandenen Betriebe forciert: Der in den alten Bundesländern weiterhin starke Rückgang der an einen Branchentarif gebundenen Betriebe vollzieht sich sowohl unter den Bestandsbetrieben (von 43% auf 37%) als auch in besonderem Maße durch den Austausch von alten(41%) durch neue Betriebe (24%). In den neuen Bundesländern tut sich insgesamt nicht viel, erkennbar ist die Stabilisierung auf niedrigem Niveau. Es zeigt sich aber auch hier der immer noch niedrigere Anteil tarifgebundener Einheiten unter den neu entstandenen Betrieben.
• Die Vermutung, an die Stelle von Flächen- oder wenigstens Branchentarifverträgen träten verstärkt Firmentarifverträgen, die zwischen Gewerkschaft und Betrieb ausgehandelt werden, kann das IAB-Betriebspanel nicht.
Auch trotz einiger Schwächen des Betriebspanels, wie etwa der bisherigen Konzentration auf 17 Branchen, zeichnen sich insbesondere bei der Vielzahl völlig neu gegründeter Betriebe eine Reihe sich verstetigenden und noch expandierenden sozialer Probleme ab. Zu ihnen zählt auch die beeinträchtigte Finanzierungsbasis der Sozialversicherung. Die Autoren des IAB-Berichts verweisen zum Schluss ihrer Analyse auch darauf hin, dass Arbeitgeberverbände neben dem allgemeinen Interesse an Mitgliedern auch ein Eigeninteresse an halbwegs vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen für ihre Mitglieder haben müssten. Dies scheinen sie aber in ihren dramatisierenden Appellen zur Senkung der Lohnnebenkosten durch alle geeigneten Maßnahmen restlos zu verdrängen.
Der 8 Seiten umfassende "5. IAB-Kurzbericht Nr. 16/2008: Branchentarifvertrag - Neu gegründete Betriebe sind seltener tarifgebunden" von Susanne Kohaut und Peter Ellguth ist als PDF-Datei komplett und kostenlos erhältlich.
Bernard Braun, 2.11.08