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GKV
Beitragssatz, Finanzierung, GKV-PKV


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Absenkung der Arbeitskosten durch Senkung der Sozialbeiträge für Geringverdiener schafft keine Arbeitsplätze, sondern Probleme!

Artikel 1952 Die Einkommensabhängigkeit der Beiträge zur Sozialversicherung und die Erhebung von Beiträgen bereits bei niedrigen Einkommen förderte seit dem ersten Auftreten von Massenlosigkeit und vor allem von Langzeitarbeitslosigkeit Überlegungen, die Beschäftigungschancen dieser Personengruppe durch die Absenkung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen im unteren Einkomnmensbereich zu verbessern. Dies war auch mit der Hoffnung verbunden, dass sich an diesen (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt eine bessere und besser bezahlte Weiterbeschäftigung anschließt. In diesem Fall käme es zu einer "win-win-win"-Situation für Sozialversicherungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Den vorübergehend geringeren Sozialbeitragseinnahmen bei Renten- und Krankenversicherung stünden z.B. bald höhere Beitragssummen von höheren Einkommen gegenüber. Das höhere "netto vom brutto" bei den Arbeitnehmern wäre ein wichtiger Beleg dafür, dass sich auch diese einfache Einstiegstätigkeit lohnt. Und die Arbeitgeber hätten endlich die Entlastung von den angeblich zu hohen Lohnnebenkosten und könnten Arbeitsplätze schaffen.

Ob die temporäre Senkung der Sozialversicherungsbeiträge im unteren Einkommensbereich aber wirklich nur Gewinner kennt, war und ist umstritten. Ein im Auftrag der Friedrich-Ebertstiftung erstelltes Gutachten gibt auf einer breiten empirischen Basis und durch die rechnerische Simulation der Verteilungseffekte etc. verschiedener Modelle ein paar klare Antworten.

Zu den wichtigsten Hinweisen, Daten und Schlussfolgerungen des Gutachtens zählen:

• Der Hinweis, dass in dem auch für die Sozialbeitragssenkung relevanten Niedriglohnsektor mittlerweile eine immer noch leicht wachsende Anzahl von Beschäftigten tätig ist - rund 20%. Es geht also eigentlich gar nicht mehr um atypische Beschäftigung, sondern um einen quantitativ gewichtigen Bereich von Normalbeschäftigung.
• Die Feststellung, dass bei den Senkungskonzepten offen bleibt, wie der Verlust an Einnahmen kompensiert wird. Wenn es nicht zu Leistungskürzungen kommen soll, muss der Staat durch Zuschüsse aus dem Steuerhaushalt die Lücken füllen. Woher oder von wem der Staat aber die zusätzlichen Steuereinnahmen bekommt, bleibt offen. Kommt es aber zu Leistungskürzungen gehören dieselben Personen, deren Sozialbeiträge abgesenkt oder sogar gestrichen werden, zu den Hauptverlierern.
• Selbst wenn dies alles doch noch sozial abgefedert werden kann, kommen die Gutachter aber zu dem zentralen Ergebnis, dass die weitere Absenkung der Arbeitskosten, sei es durch die Senkung der Sozialabgaben oder zum wesentlich kleineren Teil durch Senkung der steuerlichen Belastungen, nicht zu dem erhofften Mehr an auch noch besser bezahlten Beschäftigung führt.
• Mittel- und langfristig kommt es nicht nur zu keiner "win-win-win"-Situation, sondern sogar zu "lose-lose"-Effekten. Die beiden Autoren fassen dies so zusammen: "Zudem steht zu erwarten, dass geringfügige Beschäftigungsverhältnisse vor allem auf Seiten der Unternehmen an Attraktivität gewinnen werden, weil die Abgabenquote mit 10 Prozent deutlich niedriger als beim derzeitigen Status quo ausfällt. Insofern spricht viel für die Annahme, dass es bei einer tatsächlichen Umsetzung dieses Progressivmodells zu einer erheblichen Zunahme des Angebotes an geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen kommen wird. Wenn in diesem Zuge vormals sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (Beschäftigungsverhältnisse über 400 Euro) verlorengehen, ist zu befürchten, dass sich die kalkulierbaren Einnahmeminderungen sogar noch verschärfen und das Modell zur Kostenfalle zu werden droht." (64)
• Auch hier stellt sich die Frage warum stattdessen nicht über die lange Reihe von Methoden diskutiert wird, die bereits seit Jahrzehnten als zusätzliche Finanzierungsquellen und Grundlagen für eine mögliche Senkung der prozentualen Beiträge bekannt sind: eine Erhöhung der Bruttolöhne, die flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen, Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze.

Das 72 Seiten umfassende, sehr materialreiche Gutachten Progressive Sozialversicherungsbeiträge. Entlastung der Beschäftigten oder Verfestigung des Niedriglohnsektors? von Gerhard Bäcker und Andreas Jansen von der Universität Duisburg-Essen ist im Mai 2011 erschienen und kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 1.6.11