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Die Mär von der "Atomkraft-Renaissance" und den "gesunden AKW" - Propaganda und Wirklichkeit in der aktuellen AKW-Debatte

Artikel 1097 Manchmal werden propagandistische und mythenreiche Debatten und die hinter ihnen stehenden Interessenten bereits an ihrem Starttag durch solide empirische Analysen widerlegt, enthüllt oder zumindest irritiert. Zumindest kann danach niemand mehr sagen, er habe von gegenteiligen tatsächlichen Verhältnissen oder Trends nichts gewusst oder zu spät erfahren.

Ein solcher Idealfall findet sich am 12. Januar 2008 mit wenigen Seiten Abstand in der "Süddeutschen Zeitung" und reicht weit über das Wochenende hinaus. Angesichts der gerade wieder am Beispiel der erhöhten Leukämie-Erkrankungsrisiken für Kinder im Umkreis von deutschen AKWs aktuell bewussten kurz-, mittel- und vor allem langfristigen Risiken von Atomkraftwerken, ist dies auch ein Thema von Gesundheitspolitik.

Auf Seite 1 berichtet die Zeitung unter der Schlagzeile "London entfacht neue Atom-Debatte in Deutschland" von dem neuen Energiegesetz der britischen Regierung, das prinzipiell den Weg für den Bau neuer Atomkraftwerke frei gemacht hatte. Angeblich sollen im März 2008 Pläne für den Bau zweier AKW veröffentlicht werden, was zu einer allerdings nur geringen Zunahme des Anteils von 16% der gesamten Energiekapazität führen würde, die in Großbritannien bisher schon aus Kernkraft gewonnen werden - irgendwann nach 2015! Und um ja nicht einen "Vorsprung" Deutschlands zu verlieren oder dafür verantwortlich zu sein, dass in "Deutschland die Lichter ausgehen", springt reflexartig die innenpolitische Debatte in Deutschland an. In der Unterschlagzeile der SZ: "Gabriel kritisiert die britische Entscheidung" … "Glos und Beckstein fordern längere Laufzeiten".
Und flugs verkündet der Generaldirektor der Internationalen Atomagentur NEA, Luis Echavarri, auch, Atomstrom sei angesichts des Ölpreises auch "rentabel".

Dass dies ohne Rücksicht auf die Glaubwürdigkeit und mögliche Verluste zu behaupten praktisch zu den Kernaufgaben eines leitenden Angestellten der NEA gehört, bleibt leider in der Berichterstattung selbst guter Tageszeitungen auf der Strecke. Was die unter dem Dach der OECD angesiedelte zwischenstaatliche Einrichtung ("semi-autonomous body") von Ländern mit Atomkraftwerken will und soll, geht offen und parteilich aus der Beschreibung ihrer "Mission" hervor: "The mission of the NEA is to assist its Member countries in maintaining and further developing, through international co-operation, the scientific, technological and legal bases required for the safe, environmentally friendly and economical use of nuclear energy for peaceful purposes. To achieve this, the NEA works as: a forum for sharing information and experience and promoting international co-operation; a centre of excellence which helps Member countries to pool and maintain their technical expertise; a vehicle for facilitating policy analyses and developing consensus based on its technical work."
Alle aktuellen und vor allem für die nächsten einhundert Generationen existierenden Risiken der Energieproduktion in Kernkraftwerken und der Lagerung ihres Mülls, werden zwar auch in den Berichten dieser "Missionare" angesprochen, erscheinen aber durchweg beherrschbar oder sind jedenfalls kein Grund, heute über die Beendigung dieses Typs der Energieproduktion oder Alternativen nachzudenken.

Im Wirtschaftsteil der Zeitung breitet dagegen in einem "Forum" der Geschäftsführer der Forschungsstelle Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin, Lutz Mez, unter der Überschrift "Die Mär von der Atomkraft-Renaissance - Viele reden über die Wiederkehr der Kernenergie - dabei wird es auf absehbare Zeit überhaupt keinen Bauboom bei neuen Anlagen geben" (aktuell weder elektronisch noch kostenlos erhältlich) im wesentlichen die Ergebnisse des Anfang Januar mit Faktenstand vom 31. Dezember 2007 veröffentlichten "World Nuclear Industry Status Report 2007" aus.

Dieser Report erschien in der Verantwortung des Worldwatch Insitute in Washington, des WISE-Paris und von Greenpeace International zum ersten Mal 1992 und wird seit 2004 von der Grünenfraktion im Europäischen Parlament herausgegeben und veröffentlicht. Die Berechnungen und Prognosen des Reports bestätigten sich in diesem Zeitraum mehrmals und werden auch von internationalen Fachzeitschriften (so der Zeitschrift "Nuclear Engineering International" anlässlich des Reports 2004) geteilt.

Die wesentlichen Ergebnisse des Reports lauten:

• Am 1. November 2007 waren weltweit 439 Atomreaktoren am Netz. Das sind 16 Reaktoren mehr als 1987 und fünf weniger als vor fünf Jahren.
• 32 Einheiten werden von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) als "im Bau" befindlich aufgeführt. Das sind ca. 20 Einheiten weniger als Ende der 90er Jahre.
• Im Jahre 1989 wurden insgesamt 177 Atommeiler in den jetzigen 27 EU-Mitgliedstaaten betrieben. Diese Zahl sank bis zum 1. November 2007 auf 146 Reaktoren.
• Um allein die aus technischen, politischen (z. B. in Schweden durch Volksabstimmung oder in Deutschland durch Vertrag) oder betriebswirtschaftlichen Gründen vom Netz gehenden Reaktoren zu ersetzen müssten zusätzlich zu den geplanten Reaktoren, die ein Datum für die Inbetriebnahme aufweisen 69 Reaktoren (42.000 MW) bis zum Jahre 2015 geplant, gebaut und in Betrieb genommen werden - das entspricht einem Reaktor alle 1 ½ Monate. In den darauf folgenden 10 Jahren müssten 192 zusätzliche Reaktoren fertig gestellt werden - alle 18 Tage einer. An diesem absolut utopischen Szenario hat sich im Übrigen seit 2004, wo dies zum ersten Mal entwickelt wurde, nichts geändert.
• Auch was die Diskrepanz zwischen dem gefordertem und als geplant angekündigten Anteil der Kernenergie an der gesamten Energiekapazität angeht, klafft sie mehrere Welten auseinander: Die Internationale Kernenergieagentur IAEA hatte in den 70er Jahren eine Kapazität von 4.450.000 Megawatt prognostiziert. Tatsächlich betrug im Jahre 2000 die nukleare Stromkapazität aller 436 weltweit betriebenen Reaktoren weniger als 352.000 Megawatt. Heute produzieren die 439 Meiler weltweit 371.000 Megawatt. Atomkraftwerke liefern 16% der Elektrizität, 6% der kommerziellen Primärenergie und 2-3% der Endenergie in der Welt - in der Tendenz sinkend - weniger als Wasserkraft allein. 21 der 31 Länder, in denen Atomkraftwerke betrieben werden haben im Vergleich zum Jahre 2003 den Anteil der Atomenergie am Strommix gesenkt.
• Mez weist darauf hin, dass viele der "im Bau" befindlichen Reaktoren dies schon zwischen 21 und 32 Jahren sind.
• Die oft zitierten asiatischen AKW-Boomländer, Indien und China, halten sich auf niedrigstem Niveau trotz einiger auch schon jahrzehntealten Ausbauplänen beim wirklichen Ausbau zurück: In Indien werden im Moment 2,6% des Strombedarfs von Atomreaktoren gedeckt, in China - immerhin eine der offiziellen Atommächte - sind es 1,9%.
• Der FU-Forscher weist zum Abschluss seines Forums-Beitrags auch noch auf die beliebte und von den AKW-Betreibern gepflegte "Halbwahrheit" hin, Kernkraftwerke wären mangels Ausstoßes von Treibhausgasen letztlich eine "gesunde" Alternative der Energieerzeugung. Danach sind sie nicht völlig CO2-frei, sondern erreichen schon im Moment ein Drittel der Emissionen moderner Gaskraftwerke. Wegen der technischen Weiterentwicklung der Gaskraftwerke (Stichwort: Kraft-Wärme-Koppelung) und dem zum Abbau von immer mehr Uran notwendigen steigenden Einsatz von fossiler Energie, geht z. B. das Darmstädter Öko-Institut davon aus, dass dann AKWs keinen CO2-Vorteil mehr haben.

Unabhängig von der wirklich zu erwarteten Entwicklung der Anzahl von AKWs sollte allerdings auch die Debatte darüber, ob schon die derzeitige Anzahl von Reaktoren wirklich notwendig sind und nicht durch alternative und erneuerbare Energien ersetzt werden können, nicht stillgelegt, sondern auf der Basis des kritischen Wissens über die Risiken der Kernkraft weiter geführt werden.

Die Ergebnisse des "The World Nuclear Industry Status Report 2007(Updated to 31 December 2007)" von Mycle Schneider, Paris und Antony Froggatt, London erarbeitet, sind in einer 37-seitigen Langfassung und in einer vier Seiten umfassenden Zusammenfassung kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 14.1.2008