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Gesundheitspolitische Differenzen zwischen Parteien werden von Wählern nicht geteilt, dort herrscht in vielen Fragen Konsens
Bei Bevölkerungsumfragen, in denen das Thema "Gesundheitsreform" angesprochen wird, ist heftige Kritik vorhersehbar, und zwar bei Wählern aus allen politischen Lagern. Ungeachtet der jeweiligen Parteipräferenz nimmt man die Vorhaben der jeweiligen Gesundheitsreform nur noch als "Hick-Hack" wahr. Doch gilt dies durchgängig, sind sich Wähler der Linken, der Grünen und der FDP, der SPD und der CDU/CSU tatsächlich in den allermeisten Punkten, die unser Gesundheitssystem und Reformoptionen betreffen, einig? Dieser Frage ist der aktuelle Newsletter des "Gesundheitsmonitor" (Nr. 4/2008) nachgegangen.
Hinweise, dass parteipolitische Sympathien auch sehr viel aussagen können über gesundheitspolitische Sichtweisen, kamen unlängst aus den USA. Anhänger der Republikaner, so hieß es im März 2008, halten zu 68 Prozent das US-Gesundheitssystem für das beste der Welt - ganz im Unterschied zu den Anhängern der oppositionellen Demokraten, bei denen nur 32 Prozent dieser Meinung waren. Bei derselben Umfrage sagten lediglich 19 Prozent der Republikaner, aber dreimal so viele Demokraten (56%), sie würden bei der kommenden Präsidentschaftswahl auch für einen Kandidaten stimmen, der das US-amerikanische Gesundheitssystem umgestalten und an das anderer Länder wie Kanada, Großbritannien oder Frankreich angleichen will.
Spielt die gesundheitspolitische Programmatik der Parteien überhaupt eine Rolle für die Wahlentscheidung von Bürgern? Dass die Gesundheitspolitik die eigene Wahlentscheidung beeinflusst, sagen in einer Forsa-Umfrage fast 90 Prozent der Befragten. Deutlich wird in der Umfrage allerdings auch: Nur wenige Personen kennen tatsächlich die gesundheitspolitischen Konzepte der Parteien (vgl. Präventionsinitiative Gesundheitsbox: Gesundheitspolitik: Kosten - Leistungen - Vorsorge. Wie würden die Bürger entscheiden?).
Anhand der Daten des Gesundheitsmonitor aus den Jahren 2001-2008 lassen sich nun folgende Befunde aufzeigen :
• Hohe Zustimmung zum Solidarprinzip: 59 Prozent der Befragten bewerten alle Aspekte des Solidarprinzips zumindest als "überwiegend gerecht", teilweise aber auch als "vollkommen gerecht". Überprüft man, ob sich für diese Gesamtbewertung des Solidarprinzips Unterschiede finden je nach Parteipräferenz, dann zeigt sich mit einer Ausnahme eine sehr hohe Übereinstimmung. Lediglich FDP-Anhänger weichen nach unten ab. Bei den Sympathisanten der übrigen Parteien schwankt die positive Gesamtbewertung des Solidarprinzips nur geringfügig. Diese Quote beträgt für die Anhänger der Parteien: Bündnis90/Grüne 68 Prozent, SPD 66 Prozent, CDU/CSU 62 Prozent, PDS/Linke 60 Prozent, FDP 52 Prozent.
• Die beiden großen Parteien in Deutschland, SPD und CDU/CSU, waren mit überaus konträren Konzepten zur Gesundheitsreform und Finanzierung der GKV in den Bundestagswahlkampf 2005 gezogen. Die CDU/CSU favorisierte die sogenannte Kopfpauschale (später auch "Gesundheitsprämie" genannt) mit einem für alle Versicherten einheitlichen Beitrag, zu dem es unterhalb eines bestimmten Einkommens einen staatlichen Zuschuss geben sollte. Die SPD andererseits warb für ihr Modell der "Bürgerversicherung". Die Differenzierung nach Parteipräferenz macht deutlich, dass die Kopfpauschale selbst bei CDU-Sympathisanten keine Mehrheit findet und nur von 46 Prozent als gerecht beurteilt wird. Bemerkenswert ist auch, dass 68 Prozent der CDU/CSU-Anhänger und 62 Prozent der FDP-Anhänger es befürworten würden, wenn Selbstständige und Beamte in die Gesetzliche Krankenversicherung eintreten müssten.
• Die Forderung der FDP nach einer Auflösung der GKV und Einführung einer privaten Risikoabsicherung aller Bürger
ist auch in einer Erhebungswelle des Gesundheitsmonitors zur Diskussion gestellt worden, und zwar im Frühjahr 2006. Lediglich 9 Prozent aller Befragten (N=1.426) stimmen hier jedoch zu, 76 Prozent sind dagegen, 15 Prozent unentschlossen. Betrachtet man die Zustimmungsquoten nach Parteipräferenz, dann ändert sich das Bild nicht nachhaltig. Die Quote der Zustimmung ist bei Sympathisanten fast aller Parteien sehr niedrig, sie schwankt zwischen 4 Prozent (PDS/Linke) und 13 Prozent (CDU/CSU). Bei Nichtwählern und Unentschlossenen liegt die Quote mit 6 Prozent unter dem Gesamtdurchschnitt. Lediglich in der FDP fällt sie wie vorhersehbar mit 29 Prozent höher aus. Deutlich wird damit zugleich aber auch, dass selbst bei den Anhängern der FDP nicht einmal jeder Dritte eine Kernforderung "seiner" Partei persönlich unterstützt.
Unter dem Strich zeigt sich damit: "Insgesamt haben wir es mit einer Bewertung des Gesundheitssystems auf zwei unterschiedlichen Ebenen zu tun, die über alle Parteigrenzen hinaus vorzufinden ist. Einerseits besteht eine überaus hohe Zustimmung zum gegenwärtigen Krankenversicherungssystem mit dem Solidarprinzip. Große Teile der Bevölkerung würden sogar einen Einbezug von Selbstständigen und Beamten in die GKV nach dem Modell der Bürgerversicherung befürworten. Andererseits findet sich jedoch auch ein hohes Maß an Unzufriedenheit und Kritik, die die Ausgestaltung dieses Prinzips (z. B. Zuzahlungen) und die Strukturen im Versorgungssystem (z. B. Wartezeiten) betreffen."
Der Newsletter 4/2008 ist hier kostenlos verfügbar: Gesundheitspolitische Positionen und Parteipräferenzen der Wähler
Gerd Marstedt, 18.11.08