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Versorgungsforschung: Diabetes, Bluthochdruck


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Unter-/Fehlversorgung: Nur mehrmalige Blutdruckmessungen liefern sichere Grundlage für Diagnose und Therapie von Bluthochdruck

Artikel 1969 Das Messen des Blutdrucks ist einer der häufigsten und wichtigsten Gründe, einen Arzt aufzusuchen. Ein dabei gemessener erhöhter Blutdruck ist auch eine der häufigsten Diagnosen und gehört in der ambu-lanten ärztlichen Versorgung zu den wichtigsten Anlässen für eine mehr oder weniger aufwändige und jahre- oder gar lebenslange Behandlung. Und ein wirklich dauerhaft hoher Blutdruck ist wegen der vielen durch ihn mitbedingten schweren Erkrankungen behandlungsbedürftig und kann auch, sofern leitliniengerecht, gut behandelt werden. Wegen der zahlreichen mehr oder weniger schweren und belastenden Nebenwirkungen der Therapien sind aber an die Richtigkeit der Blutdruckmessung auch besondere Qualitätsanforderungen zu stellen.

Schon immer gab es Zweifel an der Validität des Messalltags und der Notwendigkeit der darauf gestützten Behandlung: Ein Zweifel entzündete sich immer wieder an den Blutdruckwerten ab denen die beiden gemessenen Bludruckwerte als "hoch" klassifiziert und als behandlungsbedürftig gewertet werden. Andere Zweifel setzten daran an, dass viele ArztbesucherInnen mit Betreten einer Praxis und in Sichtweite des Arztkittels (daher auch die Bezeichnung "white coat effect") und der Messmanschette mit erhöhtem, also letztlich rein iatrogenen Blutdruck reagieren. Und ein letzter Zweifel machte sich schließlich an der klinisch weit verbreiteten Einmal- oder auch Zweifachmessung der Werte fest.

Ob und wie viel insbesondere am letzten Zweifel berechtigt ist, untersuchten nun us-amerikanische ÄrztInnen im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie mit 444 fast ausschließlich männlichen Angehörigen der US-Streitkräfte und der "Veterans Affairs"-Krankenversicherung. 75% der Personen waren schon mindestens 10 Jahre als Hochdruckkranke diagnostiziert worden bei denen sich aber immer wieder Unklarheiten bei der Blutdruckkontrolle ergeben hatten.

Die Teilnehmer wurden in drei Gruppen mit unterschiedlichen Messmethoden und -orten aufgeteilt: eine Gruppe, deren Blutdruck in 6-Monatsintervallen nach einem standardisierten Forschungsmessverfahren gemessen wurde, einer Gruppe, deren Blutdruck bei jedem Besuch eines niedergelassenen Arztes gemessen wurde und einer Gruppe, die ihren Blutdruck zu Hause mittels eines elektronischen Systems maß und auf einem Monitor sichtbar machte. Die Messgeschichte des systolischen Blutdruckwertes der Teilnehmer, also des oberen maximalen Wertes mit dem Blut in die Adern gepumpt wird, wurde in der Studie über 18 Monate verfolgt. Die Ergebnisse konnten sich auf insgesamt 111.181 Messungen stützen, 3.218 Forschungs-, 7.121 klinische und 100.842 häusliche Messungen.

Die wichtigsten Ergebnisse sehen so aus:

• Wenn für die klinischen und Forschungsmessungen ein Wert von unter 140 mm Hg und für häusliche Messungen ein Wert von weniger als 135 mm Hg als guter Wert genommen wird, waren 28% der in Arztpraxen diagnostizierten Personen, 47% der Zuhause-Messer und 68% der im Forschungszusammenhang diagnostizierten Personen unterhalb der Grenzwerte. Nur 33% der Patienten waren über alle drei Methoden hinweg dauerhaft als Personen mit zu hohem systolischem Blutdruck eingestuft.
• Die kurzzeitige Veränderung des Wertes ist bei allen drei Messverfahren ähnlich groß. Die mittlere patienteneigene Variablität ("within-patient variability") des systolischen Wertes in der Zeit betrug 10% und schwankte in einem Bereich zwischen 1% und 24%.
• Wer mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit oder Sicherheit wissen will, ob der systolische Wert einer Person ober- oder unterhalb der Grenzwerte liegt und damit behandelt oder nicht behandelt werden sollte oder muss, kann dies nicht auf der Basis einer einzigen Messung klären. Hier schwanken die Werte zwischen 120 und 157 mm Hg.
• Der Unsicherheits-Effekt der bei ein- und demselben Patienten hin- und herschwankenden Blutdruckwerte verschwindet optimal nach fünf bis sechs Messungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Wenn eine Diagnose auf weniger Messungen oder gar einer einzigen Messung in einer Arztpraxis beruht, droht einer großen Anzahl der so diagnostizierten Personen eine Fehlbewertung ihrer gesundheitlichen Situation und entweder eine nebenwirkungsreiche Behandlung ohne gesundheitliche Notwendigkeit oder die Nichttherapie trotz tatsächlich zu hohem Blutdruck. Die Autoren berichten dazu auch, dass in vielen Kliniken in den USA wegen der Unsicherheit von Einmalmessungen und ohne dass dann um Kosten zu vermeiden mehrfach gemessen wird bei vielen Personen auf eine blutdrucksenkende Behandlung verzichtet wird.
• Bei der zusätzlichen Untersuchung der Patienten mit häuslichen und Praxismessungen wiesen 51,6% der Patienten einen mittleren in der Arztpraxis gemessenen systolischen Blutdruck auf, der wenigstens 10 mm Hg über dem durchschnittlichen häuslichen Wert lag. Bei 5% der Patienten lag der Praxiswert aber wenigstens 10 mm Hg unterhalb des mittleren häuslich gemessenen Wertes.

Wegen der speziellen Charakteristika der Studienteilnehmer weisen die Autoren selber auf die dadurch möglicherweise vorhandene Begrenzung der Verallgemeinerbarkeit der Studienergebnisse hin. Dies können nur weitere Studien klären, die dann aber auch die Effekte einer höheren Sicherheit als 80% mitklären sollten. Wer aber nach einer einzigen Blutdruckmessung als Hypertoniker klassifiziert wird und von dem untersuchenden Arzt eine Behandlung mit Betablockern und weiteren Arzneimitteln vorgeschlagen bekommt, sollte vorher auf mehr Messungen beharren.

Die 10 Seiten umfassende Studie "Measuring Blood Pressure for Decision Making and Quality Reporting: Where and How Many Measures?" von Benjamin J. Powers et al. ist gerade in der Fachzeitschrift "Annals of Internal Medicine" (2011; 154: 781-788) erschienen und komplett kostenlos erhältlich.

Dass diese Ergebnisse nicht ungeteilte Zustimmung erfahren, macht ein spontaner Blog-Kommentar eines us-amerikanischen Internisten am 21. Juni 2011 sehr deutlich: "What a great solution to measuring blood pressure! Lets get certified so we can all be sure we are measuring correctly!! This country is broke and this is idiotic! Complicance and cost are much bigger barriers to control. Lets stop paying for these stupid studies!!"

Bernard Braun, 30.6.11