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Schwierigkeiten, Grenzen und Anforderungen der Beratung von Patienten durch Experten: Das Beispiel Apotheker

Artikel 0681 "... und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker". Ob dieser Ratschlag wirklich immer der beste ist und welchen Nutzen es stiftet, wenn ein systematisches Angebot der Beratung durch Apotheker für bestimmte Patientengruppen existiert, die dauerhaft oder intensiv mit Arzneimittel behandelt werden, wurde jetzt in zwei in Großbritannien durchgeführten Studien genauer untersucht. Da die öffentlichen Apotheker (community pharmacists) im britischen System des "National Health Service" eine relativ wichtige Rolle spielen, liegt es auch nahe, dass derartige Studien dort durchgeführt werden. Wenn man sieht, dass und wie auch die privaten Apotheker in Deutschland ihre "Verkäufer-Rolle" zu relativieren versuchen und zum Beobachter und Berater der medikamentösen Behandlung einzelner Patienten zu werden, lohnt ein rechtzeitiger Blick auf den Nutzen der neuen Rollen, auch wenn es sich um Beobachtungen unter deutlich anderen sozialen Bedingungen handelt.

Bei der Vorstellung der Ergebnisse geht es in keiner Weise um die Diskriminierung der Apotheker oder die Verklärung anderer Expertengruppen, sondern darum, vor scheinbaren Patentrezepten zu warnen und Aufmerksamkeit für die offensichtliche Komplexität derartiger Beratungskontexte zu wecken.

In der ersten Studie, einer randomisierten, kontrollierten Studie bei nachstationär behandelten Herzpatienten, geht es darum, ob "community pharmacists" nutzbringend bei der Arzneimitteltransparenz, dem symptombezogenen Selbstmanagement und der Lebensstilberatung dieser Patientengruppe aktiv sein können. Der Nutzen wurde an der Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit der Wiedereinweisungen ins Krankenhaus, der speziell erhobenen Lebensqualität und der Sterblichkeit der Herzpatienten gemessen.
Um die Bedeutung der hier vorgestellten neuesten Forschungsergebnisse verstehen zu können, sind vorab die Ergebnisse anderer Studien wichtig. Der 2005 in der Fachzeitschrift "Heart" veröffentlichte Review von Studien über multidisziplinäre Interventionen bei Herzpatienten von Holland et al. (Holland/Battersby/Harvey/Lenaghan/Smith/Hay "Systematic Review of multidisciplinary interventions in heart failure". 2005. 91: 899-906) zeigte, dass für die ambulante Behandlung von schweren Herzerkrankungen und um die Wiedereinweisungen der Patienten ins Krankenhaus und die spezifische Sterblichkeit zu reduzieren, die multidisziplinäre häusliche Überwachung und Beratung der medikamentösen Behandlung durch ein multidisziplinäres Team von spezialisierten Krankenschwestern oder -pflegern, Sozialarbeitern, Apothekern und Ernährungsberatern von hoher Bedeutung ist. Dieser Review von Holland et al. und eine bereits 2001 veröffentlichte randomisierte, kontrollierte Studie in Glasgow (Blue/Lang/McMurray/Davie/McDonagh/Murdoch et al. "Randomised controlled trial of specialist nurse intervention in heart failure". British Medical Journal. 2001. 323: 715-718) zeigte, dass die bei derartigen multidisziplinären Interventionen aktiven spezialisierten Krankenpflegekäfte die besten Ergebnisse erzielten.

Einer flächendeckenden Einführung in Großbritannien stand allerdings auch die geringe Anzahl derartiger Fachkräfte entgegen. Auf der Suche nach Alternativen stieß die Gesundheitspolitik auf die rund 12.000 britischen, räumlich gut verteilten "community pharmacists".
Ob diese Expertengruppe aber auch einen ähnlichen Nutzen stiften kann wie die spezialisierten Krankenpflegekäfte, untersuchte eine erneute randomisierte, kontrollierte Studie, die von einer Forschergruppe um Richard Holland durchgeführt wurde.

Ihre Ergebnisse sind unter der Überschrift "Effectiveness of visits from community pharmacists for patients with heart failure: HeartMed randomised controlled trial" in der Online-Ausgabe des "British Medical Journal (BMJ)" vom 23. April 2007 veröffentlicht worden und komplett als Online First-PDF-Datei herunterladbar.

Sie lauten:
• Die Patienten waren sehr mit der Beratung und der Hilfe zum Selbstmanagement durch die öffentlichen Apotheker zufrieden.
• Die Intervention der Apotheker führten zu keiner Reduktion von Wiedereinweisungen und Sterblichkeit, die mit der beobachteten Wirkung der Intervention von spezialisierten Pflegekräften vergleichbar gewesen wäre.
• Mit ihren derzeitigen Fähigkeiten sind "communitry pharmacists" nicht die Expertengruppe, die hier eine wirksame Unterstützung liefern kann.
• Konsequenterweise spricht die Forschergruppe daher an, dass "these results present a problem for policy makers who are faced with a shortage of specialist provision and have hoped that skilled community pharmacists could produce the same benefits."

Der Hintergrund für die zweite Untersuchung über die Wirksamkeit der Beratung und weiteren Unterstützung durch Apotheker ist zunächst einmal der von der britischen Regierung unter der Überschrift "Choosing health. Making healthy choices easier" (kapitelweise oder komplett - Vorsicht über 3 MB - als 203-seitige PDF-Datei herunterladbar ab 2004 favorisierte und präsentierte "approach to healthier lifestyles that involves people making healthy choices through the provision of increased access to information and low intensity interventions and support services." Innerhalb dieses Konzepts "community pharmacists have been seen as ideally placed to deliver many of these preventive healthcare initiatives".

In einem Konzept für das hierfür entwickelte Instrument, dem so genannten "Medication review" aus dem Jahr 2005 ("NHS Community Pharmacy Contractual Framework. Enhanced Service - Medication Review") wird dieser Service so beschrieben: "A structured, critical examination of a patient’s medicines with the objective of reaching an agreement with the patient about the continued appropriateness and effectiveness of the treatment, optimising the impact of medicines, minimising the number of medication related problems and reducing waste."

Mit der qualitativen Methode der Diskursanalyse einer Reihe von Kommunikationskontakten zwischen Patienten und Beratungs-Apothekern untersuchten nun mehrere Wissenschaftler der Universitäten von East Anglia in Norwich und der walisischen Universität von Cardiff ob es den Apothekern gelingt, die ihnen zugedachte weite Gesundheits-Ratgeberrolle innerhalb der Leistung des "medication review" bei 80-Jährigen oder älteren Personen zu erfüllen. Die Konzentration auf die Hochaltrigen erfolgt u.a. deswegen, weil nach dem bereits zitierten Konzept ein "medication review" generell allen über 75 Jahre alten NHS-Mitgliedern alle 12 Monate angeboten werden soll, und ein Angebot bei Personen, die 4 oder mehr Verordnungen haben, alle 6 Monate erfolgen soll.

In einem in der Online-Ausgabe des "British Medical Journal (BMJ)" vom 20. April 2007 veröffentlichten Aufsatz von Salter, Holland et al. "'I haven’t even phoned my doctor yet." The adcice giving role of the pharmacist during consultations for medication review with patients aged 80 or more: qualitative discourse analysis" kommen die Wissenschaftler zu folgenden Erkenntnissen:

• Unabhängig von ihrem Projekt heben die Forscher hervor, dass - etwas salopp ausgedrückt - die Apotheker beim "medication review"-Service schlecht vorbereitet 2Ins kalte Wasser geschmissen" worden sind. So fehlt ihnen traditionell vor allem jegliches Training in Gesundheitsversorgungs-Kommunikation.
• Die Apotheker fanden trotzdem viele Gelegenheiten, und nutzen diese, Rat, Information und Anweisungen zu geben.
• Diese ratgebenden Aktionen wurden aber nur selten durch die Patienten initiiert und wurden auch trotz deutlicher Hinweise auf das Fehlen von Problemen oder Fragestellungen und bedächtige Vorfphrungen von Kompetenz und Wissen auf Seiten der Patienten gegeben.
• Entsprechend oft wurde Ratschläge widersprochen oder sie wurden zurückgewiesen. Oft entstanden auch interaktive Schwierigkeiten oder trat betretenes Schweigen während der Konsultationen ein.
• Dementsprechend kritisch fällt die Schlussfolgerung der Studie aus: Die ratgebende Rolle der Apotheker hat demnach das Potential, die angenommene Kompetenz, Integrität und Selbststeuerungsfähigkeit der alten Patienten zu untergraben und die Patienten zu erschrecken.
• Eine bei allen kommunikativen Aktionen mit oder gegenüber Patienten beachtenswerte Feststellung und eine Warnung vor nicht dazu ausgebildeten expertlichen Ratgebern schließt die Studie der britischen Forscher ab: "Caution is needed in assuming that commonsense interventions becessariuly lead to health gain."

Auch den BMJ-Aufsatz von Salter, Holland et al. über Apotheker als Gesundheitsratgeber gibt es als Online First-PDF-Datei herunterzuladen.

Bernard Braun, 29.4.2007