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Neues zur Demografie: Zu wenig "Tempo" bei der Geburtenrate und was kann man vom Geburtengeschehen türkischer Migrantinnen lernen

Artikel 2105 1,4 Kinder pro ost- und westdeutscher Frau liegen weit unter dem Niveau, das notwendig wäre, um den Bestand der deutschen Bevölkerung zu erhalten und drohen künftig eher noch weniger zu werden - so eine der unerschütterbaren Gewissheiten des pessimistischen Demografiediskurses in Deutschland. Ähnlich gewiss wird etwa die These vertreten, insbesondere die Entwicklung der Geburtenrate in Ostdeutschland spiegele die dortigen immer noch schlechteren ökonomischen und sozialen Bedingungen wider, was maßgeblich und dauerhaft zur Kinderlosigkeit beitrage. Schließlich heißt es, dass wenn in Deutschland überhaupt wieder mehr Kinder geboren werden, die Eltern aus der Türkei oder anderen außerdeutschen Ländern stammen und diese Kinder "uns" damit auch wieder verloren gehen können oder Leuten wie Herrn Sarrazin gar nicht so willkommen sind.
Was daran empirisch stimmt, wo es sich allenfalls um spekulative Annahmen und ob sie dramatische Szenarien für die Zukunft der Ökonomie und Umbauten der sozialen Sicherungssysteme rechtfertigen, haben mehrere deutsche und österreichische Demografen etwas genauer untersucht. Ihre Ergebnisse tragen zu einer längst überfälligen realistischeren und differenzierteren demografischen und sozialpolitischen Debatte bei.

Unter der programmatischen Überschrift "Weißt du, wieviel Kinder kommen?" präsentieren die ForscherInnen u.a. folgende Daten:

• Berücksichtigt man den so genannten "Tempoeffekt", d.h. die seit längerem zu beobachtende Tendenz, dass viele Frauen das Kinderkriegen in ein immer höheres Alter verschieben (müssen), werden nicht mehr die genannten 1,4, sondern 1,6 Kinder pro Frau geboren. Angesichts der politisch folgenreichen Debatte ist es kaum fassbar, dass ein Teil der Heftigkeit dieser Debatte auf dem in anderen Ländern längst obsolet gewordenen Indikator der die tatsächliche Anzahl geborener Kinder unterschätzenden zusammengefassten Geburtenrate beruht. Natürlich liegt auch die "tempobereinigte" Geburtenrate von 1,6 Kindern unter dem Bestanderhaltungsniveau. Die Korrektur verändert aber zusammen mit dem (Wieder-)Ansteigen der endgültigen Kinderanzahl der 1970 und später geborenen Frauen einiges an der Dramatik der Debatte.
• Der Gebrauch der zusammengefassten Geburtenziffer führte insbesondere in Ostdeutschland zu einer enormen Fehlein- oder Unterschätzung der quantitativen Entwicklung der Geburten. Dort stieg aufgrund der mit der Wiedervereinigung verbundenen Zukunfts-Unsicherheiten und der Notwendigkeit sich zuerst einmal in Gesamtdeutschland sozial zu etablieren das Familienbildungs- und Gebäralter der Frauen erheblich an. Dies führte 1997 zu einem historischen Tief der zusammengefassten Geburtenrate von 1,04 Kindern pro Frau. Wenn man den "Tempoeffekt" berücksichtigt, lag diese Rate aber tatsächlich bei 1,47 Kindern.
• Die lange unbestrittene Annahme, dass der Geburtenrückgang in Ostdeutschland Folge oder Ausdruck der schlechten ökonomischen Bedingungen sei, erweist sich auf dem Hintergrund der dort seit einigen Jahren steigenden und sogar das westdeutsche Niveau überschreitenden Geburtenrate als Irrtum. Die besonderen soziokulturellen und infrastrukturellen Eigenarten Ostdeutschlands (z.B. hohe Erwerbstätigkeit junger Mütter und gute Ausstattung mit Krippenplätzen) kompensieren die möglichen Effekte der sonstigen, in der Tat auch heute noch ungünstigeren sozialen Bedingungen.

Mit dem Titel "In Deutschland bekommen türkische Zuwanderinnen später und seltener Kinder" als in anderen westeuropäischen Ländern, weist eine Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für demographische Forschung in Rostock auf einen anderen unerwartet vielschichtigen Komplex der demografischen Realität in Deutschland hin.

Auf der Basis einer Umfrage unter türkischen Einwanderern der zweiten Generation in Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland, zeigen sich folgende Erkenntnisse:

• Die relative Wahrscheinlichkeit für ein erstes Kind bei türkischen Migrantinnen lag in der Schweiz um 6% über der in Deutschland. In Frankreich war sie um das 1,6-Fache und in den Niederlanden um das 1,73-Fache höher als hierzulande. Während die hier allein in Frage kommenden zusammengefassten Geburtenraten von Türkinnen in Deutschland und der Schweiz bei 1,3 Kindern pro Frau lagen, waren es in den beiden anderen Ländern fast 2 Kinder pro Frau. Die in den hier untersuchten Einwanderungsländern deutlich unterschiedlichen kinder- und elternbezogenen sozialen Bedingungen (z.B. Krippenplätze) wirken sich offensichtlich auch bei Migrantinnen enorm schnell und stark auf das Gebärverhalten aus.
• Die Untersuchung zeigte ferner, dass höhere Bildungsniveaus auch bei den Migrantinnen zu wesentlich niedrigeren Erstgeburtenraten (Rückgang zwischen 37% bei Migrantinnen mit Berufsausbildung und 59% bei Migrantinnen mit Hochschulabschluss) führen.

Trotzdem kommt die Wissenschaftlerin zu dem Schluss: "Doch selbst wenn verschiedenste Faktoren wie Bildung, Ehestand, Zugehörigkeit zu einer Religion und Geburtsjahrgang in die Berechnung der Erstgeburtenraten einflossen, blieb der Unterschied zwischen zugewanderten Frauen in Frankreich und den Niederlanden auf der einen sowie Deutschland und Schweiz auf der anderen Seite erhalten."

Nehmen die Untersuchungen zu den Effekten des "Tempoeffekts" ein wenig von der Dramatik niedriger Geburtenraten (ob die Bestandserhaltung einer Bevölkerung ein wirklich wichtiges Ziel ist, sei hier nicht weiter hinterfragt), zeigt die Untersuchung zum Gebärverhalten von Migrantinnen, dass und von welchen soziokulturellen und sozialpolitischen Rahmenbedingungen und Angeboten dieses abhängig und daher beeinflussbar ist.

Die Ergebnisse kann man kompakt zusammengefasst in der neuesten Ausgabe des u.a. vom Max-Planck-Institut für demographische Forschung herausgegebenen Newsletter "Demografische Forschung. Aus erster Hand" (Nr. 1, 2012) nachlesen.
Wer es etwas ausführlicher nachlesen will, findet das Abstract der Studie "Transition to a first birth among Turkish second-generation migrants in Western Europe." von Milewski, N. in der Zeitschrift "Advances in Life Course Research"(2011: 16(2011)4: 178-189).
Der Aufsatz " Schätzung der tempobereinigten Geburtenziffer für West- und Ostdeutschland, 1955-2008" von Luy, M. und O. Pötzsch ist in der Zeitschrift "Comparative Population Studies - Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft (35 (2010)3: 569-604) und komplett kostenlos zugänglich.
Von dem Aufsatz " Has East Germany overtaken West Germany? Recent trends in order-specific fertility" von Goldstein, J.R. und M. Kreyenfeld in der Zeitschrift "Population and Development Review" ( 37 (2011)3: 453-472) gibt es das Abstract kostenlos.

Bernard Braun, 29.3.12