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Mit Rotwein und Kaffee, Walnuss und Olivenöl ein bißchen Gesundheit naschen

Artikel 0448 Wer für 2007 Vorsätze gefasst hatte wie "Nicht mehr so viel Kaffee trinken" oder "Weniger Alkohol!" wurde gleich zu Beginn des Neuen Jahrs verunsichert. Denn er fand Presse-Meldungen, deren Botschaft war: Alles gar nicht so schlimm für die Gesundheit, eher im Gegenteil! Da meldet das Deutsche Ärzteblatt: "Hypertonie: Mäßiger Alkoholkonsum senkt Herzinfarktrisiko": "Boston - Das neue Jahr beginnt mit einer angenehmen Nachricht für Hypertoniker. Nach einer neuen Auswertung der Health Professionals Follow-Up Study brauchen sie entgegen bisherigen Empfehlungen ihrer Ärzte alkoholischen Getränken nicht völlig abzuschwören. Die neue Analyse der prospektiven Beobachtungsstudie kommt in den Annals of Internal Medicine zu dem Ergebnis, dass täglich ein oder zwei Gläser eines alkoholischen Getränks das Herzinfarktrisiko senken."

Und eingeschworene Kaffeetrinker konnten im Online-Magazin "Medizinauskunft" lesen: Kaffee: Manchmal Medizin: "Inzwischen sind die meisten Mediziner davon überzeugt, dass Kaffee eher Gutes tut. In manchen Fällen kann er sogar Medizin sein. Nach einer neueren Studie erkranken Menschen, die täglich vier bis sechs Tassen trinken, zu 30 Prozent seltener an Diabetes. Obwohl einigen Menschen nach zu starkem Kaffee schon einmal die Hand zittert, erkranken nach einer anderen Studie Vieltrinker seltener an der Parkinsonschen Schüttellähmung."

Die Serie der in den Medien kolportierten Forschungsergebnisse über gesundheitsförderliche Einflüsse von Rotwein und Olivenöl, Knoblauch, Tomaten und Walnüssen scheint ebenso endlos wie die der Sudoku-Rätsel. Und es sind nicht nur die vielfältigen Fitness-und-Diät-Magazine, die hier jedweden Befund von Forschungsprojekten nachdrucken, sondern auch seriöse Online-Zeitschriften wie FAZ, Focus, Welt.

Nach wie vor auf Platz 1 steht natürlich der Rotwein, der (in Maßen genossen!) gegen unterschiedlichste Erkrankungsrisiken vorbeugen soll: Ein Glas Rotwein am Tag halbiert das Risiko, an bösartigen Tumoren der Prostata zu erkranken, meldet Focus Online. Im Rotwein enthaltene Polyphenole wirken entzündungshemmend und beugen Krebs und Herzerkrankungen vor, meldet die "Welt", aber Achtung: Dabei kommt es auf hohe Konzentrationen an, und die haben vor allem Weine aus Südwestfrankreich oder Sardinien. Und französischer Rotwein beugt natürlich auch noch der Arterienverkalkung vor, meldet die FAZ. Zwar steht Rotwein unangefochten ganz oben, aber die Liste gesunder Nahrungsmittel scheint beliebig fortsetzbar. Ein Schnelldurchgang: Eine Hand voll Walnüsse täglich beugt verengten Gefäßen und Herzleiden vor. Regelmäßiger Konsum von Olivenöl schützt vor Krebserkrankungen. Schwarzer Tee beschleunigt Stressabbau. Bier hemmt Entzündungen und Omega-3-Fettsäuren schützen nicht nur Herz und Gefäße, sie beeinflussen auch die Stimmung. Tomaten und Brokkoli gemeinsam verzehrt dienen zur Vorbeugung gegen Krebs. Alkohol verlängert das Leben älterer Frauen und Joghurt ist gut für die Immunstärkung.

Man kann es Forschungsprojekten wohl nicht verdenken, wenn sie zur Legitimation ihrer Arbeit auch ihre epidemiologischen Befunde über eine 25%ige Senkung von Erkrankungsrisiken für die Krankheit X bei täglichem Verzehr von 20 Gramm des Nahrungsmittels Y veröffentlichen, wie wenig dies auch tatsächlich zu einem gesunden Lebensstil beiträgt. Denn: "Ernährung ist und war schon immer eingebettet in kulturelle Kontexte. Neben der Funktion des Hunger-Stillens hat das Essen mannigfaltige soziale und symbolische Bedeutungen. Diese Bedeutungs-Dimensionen von Ernährung werden in der wissenschaftlichen Ernährungskommunikation zu sehr vernachlässigt." (Claudia Empacher: Was kommt auf den Teller? Lebensstile und nachhaltige Ernährung).

Die Problematik der täglichen Berichterstattung über "gesunde" oder "risikosenkende" Nahrungs- und Genussmittel ist aber noch eine andere. Die isolierte Betrachtung einzelner Verhaltens- oder Ernährungsgewohnheiten und daraus abgeleitete Ratschläge sind ebenso einfältig wie verantwortungslos. Sie suggerieren dem Leser: Damit tust Du was für Deine Gesundheit. Gesundheitsrelevant sind jedoch komplexere Änderungen des Lebensstils und des gesamten Ernährungsverhaltens und nicht das vermehrte Naschen von Walnüssen oder der gehäufte Konsum von Omega-3-Fettsäuren. Medien verstärken durch ihre Meldungen den Eindruck: Gesundheit ist konsumierbar, durch Olivenöl, Rotwein oder Vitaminpillen. Dahinter steht wohl keine bewusste Ideologie-Produktion. Das tumbe Denkmuster "Ich kann mir Gesundheit in der Apotheke, im Reformhaus oder auf dem Öko-Bauernmarkt kaufen" wird jedoch weiter verfestigt.

Und schließlich: Viele Medien-Berichte übernehmen Meldungen von Forschungsergebnissen ohne jede Kontrolle und Nachprüfung der Hintergründe, der Datenbasis und ihrer wissenschaftlichen Seriosität. Wie wenig fundiert die Ergebnisse solcher Studien über den Einfluss bestimmter Nahrungsmittel auf Gesundheit und Lebenserwartung sind, hat unlängst Prof. Ingrid Mühlhauser auf dem Herbstkongress des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen dargelegt: Ob Diäten mit niedrigem Fettanteil, Folsäure und B-Vitamine, Omega-3-Fettsäuren und Fisch, moderater Alkoholkonsum oder Calcium- und Vitamin-D-Konsum - wissenschaftliche fundierte ("evidenzbasierte") Studien haben deutlich gemacht, dass die versprochenen Effekte zur Krebsprävention oder Senkung des kardiovaskulären Risikos in keinem Fall zutrafen. Der Foliensatz ist hier als PDF-Datei verfügbar: Ist vorbeugen besser als heilen?

Gerd Marstedt, 4.1.2007