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Welchen Nutzen hat die Berichterstattung über kranke oder sterbende Prominente in den Massenmedien für Public Health?

Artikel 1971 Die auf hohem quantitativen Niveau immer noch wachsende Anzahl von "yellow press"-Zeitschriften, Promi-TV-Magazinen aber auch "Promi-Spalten" in seriöseren Publikationsorgane lebt komplett oder teilweise davon, das auch Hollywood-Schauspieler, Politiker, Top-Models, Adlige oder Schriftsteller schwer erkranken oder an einer schweren Erkrankung sterben - und das möglichst in regelmäßigen Abständen.

Man kann diese Berichterstattung samt und sonders als ausschließlich einer höheren Auflage oder Quote dienend kritisieren oder ignorieren. Man kann aber auch die Beteuerungen mancher Journalisten ernst nehmen, ihre von Inhalt und Aufmachung sachlichere Berichterstattung diene der gesundheitlichen Aufklärung jener großen Anzahl von BürgerInnen, die nicht "ihren Pschyrembel" oder die "MSD Manual"-DVD zur Hand haben und in- und auswändig kennen. Gerade das Schicksal eines Prominenten berühre und bewege viele Menschen auch mehr als eine inhaltlich identische Erkrankung von Tausenden Lieschen Müller. Dies könne dann Antrieb und Motiv für eigenes präventives Verhalten sein.
Ob und wie das Bewertungsdilemma gelöst werden kann, lässt sich mit den Ergebnissen einer gerade im "Journal of Public Health" veröffentlichten Fallstudie über die mediale Berichterstattung zur Gebärmutterhalskrebserkrankung und des Todes des britischen Fernsehstars Jade Goody im Jahr 2009, etwas genauer klären.
Dazu suchte eine Forschergruppe in allen Artikeln der nationalen britischen Zeitungen in denen der Namen "Jade Goody" und "Krebs" vorkam nach Public Health-Botschaften. Angaben der Google-Suchmaschine wurden genutzt, um die Internetsuche als ein Maß der Suche nach Public Health-Informationen zu diesem speziellen Ereignis zu quantifizieren.

Das Ergebnis der Recherche lautet:

• Insgesamt gab es 1.203 Artikel. Von diesen enthielten 116 bzw. 9,6% eine klare Public Health-Botschaft.
• Die Mehrheit hob die Existenz und Möglichkeit oder die Notwendigkeit von Screeninguntersuchungen hervor. Verschwindend wenige Artikel lieferten Ratschläge zur möglichen Impfung gegen bestimmte Erregertypen des Gebärmutterhalskrebses. Artikel, die sich mit der Anzahl der Sexualpartner, dem Rauchstatus und der Benutzung vcon Kondomen befassten, waren sehr selten.
• Der Tod der Fernsehberühmtheit erhöhte die Anzahl der Internetrecherchen mit den Begriffen "Gebärmutterhalskrebs" und "Abstrich-Test". Die Suche mit dem Wort "HPV" war allerdings nur schwach ausgeprägt.
• Die Berichterstattung über das Gebärmutterkrebs-Screening nahm innerhalb der Untersuchungszeit zu.

Die AutorInnen ziehen insgesamt den Schluss, dass das öffentliche Interesse an der Prävention von Erkrankungen ansteigt, wenn über die Erkrankungen von Prominenten berichtet wird. Obwohl dabei auch Public Health-Informationen verbreitet werden, zielen diese überwiegend auf die Sekundär- und nicht auf die Primärprävention. Ob man ihrer These, der Public Health-Nutzen künftiger Berichterstattung über Prominentenerkrankungen könne noch maximiert werden zustimmt, hängt wohl stark davon ab, ob und wie sich der Quoten- und Auflagendruck und die dadurch erzeugte Sensationshascherei abbauen. Das Gegenteil ist aber vermutlich realistisch. Trotz der kargen Ergebnisse dieser Studie ist dem Interesse an den Massenmedien und ihrer Wichtigkeit als Verbreiter von Public Health-Sichtweisen und -erkenntnissen in der durchschnittlichen Bevölkerung uneingeschränkt zuzustimmen.

Von dem Aufsatz "Media coverage and public reaction to a celebrity cancer diagnosis" von D. Metcalfe et al., der im britischen Fach-Journal of Public Health (201; 33 (1): 80-85) veröffentlicht wurde, gibt es lediglich das Abstract kostenlos.

Bernard Braun, 2.7.11