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Hamburger Klinik-Daten zur Versorgungsqualität: Für Patienten mehr Verwirrspiel als Entscheidungshilfe

Artikel 0593 Nachdem im vergangenen Jahr erstmals mit dem "Klinik-Führer Rhein-Ruhr" Krankenhäuser einer Region Daten zu ihrer Versorgungsqualität in Buchform veröffentlicht haben, ist jetzt der "Hamburger Krankenhausspiegel" nachgezogen und hat im Internet wichtige Informationen für Patienten zur Auswahl eines Krankenhauses in Hamburg veröffentlicht. Es werden Indikatoren für vier besonders häufig vorkommende medizinische Eingriffe veröffentlicht: Gallenblasenoperationen, Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks, Brustkrebsoperationen und Herzkatheter-Untersuchungen. Schon in Kürze sollen jedoch weitere Klinikeingriffe dokumentiert werden (Herzschrittmacher, künstliche Kniegelenke, Operationen an der Halsschlagader, Brüche des Schenkelhalses und Geburtshilfe), so dass dann Informationen zu den neun häufigsten Krankenhaus-Operationen und Untersuchungen vorliegen.

An dem Projekt beteiligt sind insgesamt 19 Kliniken, die fast die komplette stationäre Krankenversorgung (90%) der Hansestadt abdecken. Projektpartner sind neben der Techniker Krankenkasse die Ärztekammer Hamburg und die Verbraucherzentrale Hamburg. Im Internet für jedermann abrufbar sind nun neben der Zahl der durchgeführten Eingriffe auch verschiedene Indikatoren der Versorgungsqualität, und dies im direkten Vergleich der einzelnen Krankenhäuser. So werden beispielsweise für Brustkrebsoperationen Daten zu insgesamt 10 Qualitätsindikatoren genannt, unter anderem: Treffsicherheit bei der (teilweise gesundheitsriskanten) Entnahme von Gewebeproben, Einhaltung des Sicherheitsabstands zu gesundem Gewebe, Quote der durchgeführten brust-erhaltenden statt brust-entfernenden OPs oder Einhaltung einer angemessenen, nicht zu kurzen und nicht zu langen Bedenkzeit (5-16 Tage) zwischen Diagnose und Operation.

Vergleicht man die Informationen im "Hamburger Krankenhaus-Spiegel" mit den inhaltlich dürftigen, wenngleich mit Zahlen und Worten ungeheuer aufgeblähten, für Patienten unübersichtlichen und oft unverständlichen Darstellungen der "Strukturierten Qualitätsberichte" der Krankenhäuser, die seit dem vergangenen Jahr für Krankenhäuser verpflichtend sind, so sind tatsächlich einige Fortschritte erkennbar. Es werden nicht Angaben zur zu Betten-, Personal- und Fallzahlen, zur apparativen und therapeutischen Ausstattung gemacht, sondern es wird der für Patienten zentrale Aspekt behandelt: Arbeitet das Krankenhaus in hochwertiger Qualität, so dass der medizinische Eingriff mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu einer Besserung meiner Beschwerden führt?

Allerdings sind die Fortschritte bei näherer Betrachtung dann doch eher bescheiden. Auch für den Hamburger Krankenhausspiegel ist jene Kritik zutreffend, die unlängst in einer Expertise für die Bertelsmann Stiftung "Bedarf an Patienteninformationen über das Krankenhaus - Eine Literaturanalyse erstellt von Prof. Dr. Doris Schaeffer" formuliert wurde: Patienteninformationen sind bislang nach Prinzipien gestaltet, die Experten des Gesundheitswesens aus ihrer wissenschaftlichen Perspektive für Patienten und Nutzer für wichtig erachten, sind also mehr an der Outsiderperspektive (Experten, Mediziner, Wissenschaftler) als der Insiderperspektive (Patienten) orientiert.

Deutlich wird dies beim Hamburger Krankenhausspiegel etwa an folgenden Merkmalen,
• Gleich auf der Startseite wird die Aussagekraft der Informationen relativiert und in Frage gestellt. So heißt es dort: "Ein auffälliges Ergebnis in einem Bereich für eine Klinik muss nicht zwangsläufig heißen, dass dort die Behandlungsqualität schlecht ist. Denn einige Kliniken haben sich auf besonders komplizierte Fälle spezialisiert." Und unmittelbar darauf werden "Dokumentationsprobleme" als mögliche Ursachen des schlechten Abschneidens erwähnt oder auch "schicksalhafte Ereignisse, die zu auffälligen Ergebnissen führen können." So mancher Nutzer wird sich daher gleich zu Beginn fragen, wozu er sich die Mühe des Lesens machen soll, wenn die Daten nur eine äußerst begrenzte Aussagekraft für die Behandlungsqualität haben.

• Patienten werden durch Zahlen verwirrt, die auf hohe Qualitätsunterschiede deuten, dann aber als nicht aussagekräftig interpretiert werden. So heißt es beispielsweise: "Der Zweck des künstlichen Hüftgelenks besteht darin, die Hüfte wieder beweglich und belastbar zu machen, ohne dass Schmerzen auftreten. (...) Gute Behandlungsqualität liegt vor, wenn viele Patienten die oben genannte Beweglichkeit erreichen." Es folgt dann ein Diagramm, das auf massive Qualitätsunterschiede deutet, da die 19 Kliniken zwischen 1.1% und 98.6% Beweglichkeit erreichen. Dann folgt jedoch der Hinweis: "Das unabhängige Kontrollgremium hat hier Probleme mit der Dokumentation festgestellt, weil einige Kliniken die Beweglichkeit noch nicht regelmäßig bestimmen."

• Die Daten sollten unterschiedliche Risikofaktoren der behandelten Patienten berücksichtigen (sog. "Risikoadjustierung"), sind es aber nicht oder nur teilweise. Dadurch bleibt bei Patienten völlige Unsicherheit zurück, ob das schlechte Abschneiden der von ihm ins Augen gefassten Klinik nun qualitätsbedingt ist oder nicht. So zeigt sich für das Merkmal "Allgemeine Komplikationen" beim Eingriff Hüftgelenksersatz: "Im Schnitt liegen die Hamburger Krankenhäuser bei der Häufigkeit solcher Komplikationen mit 5,9 Prozent deutlich unter der Obergrenze des Referenzbereichs von 14,6 Prozent. Sie sind aber um einen Prozentpunkt schlechter als der Bundesdurchschnitt. Die Ergebnisse der einzelnen Krankenhäuser unterscheiden sich zum Teil stark voneinander. Das liegt zum einen daran, dass manche Krankenhäuser von besonders vielen alten und kranken Patienten aufgesucht werden. Zum anderen werden weniger schwere Komplikationen von den Kliniken möglicherweise unterschiedlich streng dokumentiert."

• Bei den vier vorgestellten Eingriffen werden jeweils 8-14 unterschiedliche Indikatoren aufgeführt, hinzu kommt eine Angabe zur Zahl durchgeführter OPs. Wie soll ein Laie hieraus einen Gesamtwert bilden, zu welchem Urteil kommt ein Patient, wenn seine Klinik einige Male besser, dann aber wieder schlechter abschneidet als der Durchschnitt? Die (zugegeben schwierige) Aufgabe einer Gewichtung von Einzelmerkmalen der Versorgungsqualität zu einem Gesamturteil wird Laien aufgebürdet, die dazu absolut nicht in der Lage sind.

Unter dem Strich stellt der Hamburger Krankenhausspiegel damit für Patienten eher ein Verwirrspiel dar als eine echte Entscheidungshilfe. Man darf gespannt sein, ob bei der in Berlin geplanten neuen Ausgabe des Klinikführers Der große Berliner Klinikvergleich, bei dem auch Urteilen von Ärzten und Patienten mitgeteilt werden sollen, im Sommer 2007 diese Fehler vermieden werden.

Die in den verschiedenen Klinikführern verwendeten Daten zur Versorgungsqualität müssen in Kliniken routinemäßig dokumentiert werden und werden dann seit einigen Jahren von der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) ausgewertet. Die Qualitätsberichte der BQS werden veröffentlicht, allerdings anonymisiert, ohne Nennung der Klinik-Namen. Nur die Kliniken selbst erhalten ihre Leistungs- und Qualitäts-Daten. In den Qualitätsberichten der BQS und auch im Hamburger Krankenhausspiegel werden die angegebenen Daten teilweise einer sog. "Risikoadjustierung" unterzogen, d.h. es werden Risikofaktoren wie z.B. Gesundheitszustand und Vorerkrankungen von Patienten mitberücksichtigt, so dass eine Klinik, die besonders viele ältere Patienten mit weiteren Erkrankungen behandelt, nicht von vornherein schlechter abschneidet. Bei auffälligen Häufungen von Problemen und möglichen Qualitätsmängeln findet im Rahmen eines "strukturierten Dialogs" zwischen Klinik und Experten eine Klärung statt, worauf die festgestellten Abweichungen von Qualitätsstandards beruhen könnten (Mängel in der Dokumentation, Besonderheiten der behandelten Patienten usw.)

Gerd Marstedt, 26.2.2007