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Qualitätsbewertungen und Ranglisten von Kliniken in den USA: Die große Unübersichtlichkeit

Artikel 0674 Das Informationsangebot für Patienten über die Behandlungsqualität deutscher Kliniken ist noch eher bescheiden und regional begrenzt. Der "Klinik-Führer Rhein-Ruhr", veröffentlichte 2005 als erster Informationen, die deutlich hinausgingen über die in den "Strukturierten Qualitätsberichten" mitgeteilten Mengenangaben (Häufigkeit einzelner medizinischer Eingriffe) und Selbstdarstellungen: Qualitätsbewertungen auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Patienten-Morbidität, Zufriedenheitsurteile von Patienten, Empfehlungen von Ärzten. Mittlerweile gibt es in drei norddeutschen Großstädten Klinikführer, die mit ähnlichen Qualitätsindikatoren arbeiten und teilweise als Broschüre verfügbar sind (Bremer Klinikführer), teilweise ihre Infos im Internet veröffentlicht haben (Hamburger Krankenhausspiegel, Der große Berliner Klinikvergleich).

Das Informationsangebot für deutsche Kliniken ist nicht nur in regionaler Hinsicht eher begrenzt, auch die Zahl der bewerten medizinischen Eingriffe ist noch sehr überschaubar. Berlin bewertet in diesem Jahr zehn verschiedene Interventionen (von Geburtshilfe bis Implantation vob Herzschrittmachern), in Bremen sind es neun, die insgesamt etwa 15 Prozent aller Krankenhaus-Eingriffe umfassen. Wirft man einen Blick über den großen Teich in die USA, wo solche Qualitäts-Berichte und Rankings schon zwei Jahrzehnte, etwa seit Mitte der 80er Jahre gebräuchlich sind, so entsteht allerdings nicht unbedingt Neid. Wo hierzulande spärliches Informationswachstum zu beobachten ist, wuchert drüben die große Unübersichtlichkeit.

In einem Artikel in der Washington Post macht sich jetzt - nicht zum ersten Mal - ein renommierter Journalist Gedanken zum Informationsangebot, das aus seiner Sicht immer stärker zum Informationsproblem wird. Mit leicht ironischem Unterton nimmt er sich der verschiedenen Ranglisten für US-Kliniken an, "die jene Konkurrenz-Jagd an die Spitze verursachen, von denen gesundheitspolitische Reformer seit Jahrzehnten träumen." Zwar wird anerkannt, dass die Veröffentlichung der Ranglisten mit Angaben zu Spitzenpositionen und Ferner-Liefen-Ergebnissen wichtig sind, um Qualität und Kosten der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Das große Problem sind jedoch nach Ansicht von Steven Pearlstein die überaus verwirrenden Unterschiede zwischen verschiedenen Ranglisten und Bewertungssystemen, von denen es in den USA eine große Zahl gibt. "Eine Klinik", so schreibt er, "schneidet in einer Rangliste hervorragend ab. Schaut man sich jedoch eine andere an,. dann sieht das Urteil unter Umständen schon wieder völlig anders aus."
Der Artikel ist hier nachzulesen: Steven Pearlstein: Hospitals Check Their Charts - Rankings Push Them to Improve Care (Washington Post, Friday, April 20, 2007; Page D01)
Eine Kurzfassung findet man hier bei der Kaiser Family Foundation: Hospital Quality Rankings Lead Hospitals To Improve Care, But Can Be 'Baffling,' Columnist Writes (KFF Daily Health Policy Report, Apr 20, 2007)

Tatsächlich ist das Angebot der teilweise von Privatfirmen, teils aber auch von staatlicher Seite erarbeiteten und im Internet veröffentlichten Klinikführer überbordend. Nur für einzelne Bundesstaaten wie z.B. Ohio findet man im WWW etwa ein Dutzend Ranglisten und Bewertungen für Ohio-Krankenhäuser. Unterschiedlich sind die Bewertungssysteme, die teilweise für Kliniken Punktzahlen liefern und diese in Top-50 oder Top-100 Ranglisten veröffentlichen, teilweise aber auch nur eine Zusammenfassung aller Datenauswertungen in einem System mit 1-5 Sternen liefern. Auch die den Bewertungen zugrunde liegenden Daten und Indikatoren zeigen deutliche Abweichungen. Verwendung finden zwar fast durchgängig offizielle Statistiken über Todesfälle, darüber hinaus sind die herangezogenen Indikatoren wie Komplikationen, Behandlungsfehler, Infektionen oder telefonisch ermittelte Bewertungen von Ärzten jedoch höchst verschieden.

Die vier größten Bewertungssysteme mit Informationsangeboten für Kliniken in allen US-Bundesstaaten sind:
Health Grades, ein privates Forschungsunternehmen, das eine größere Zahl von Indikatoren zur Behandlungsqualität und Patientensicherheit verwendet - unter Berücksichtigung der jeweiligen Patienten-Vorerkrankungen. Diese Basisinformationen sind kostenlos, zusätzliche Informationen (wie Klinik-Service, Daten zur Patientensicherheit, Behandlungskosten) kosten allerdings 17.95 $. Daten sind für insgesamt 28 Diagnosen und Eingriffe verfügbar. Veröffentlicht wird ein zusammenfassendes Gesamturteil, das von 1 Stern bis zu 5 Sternen reicht.
Solucient ist ebenfalls ein privates Unternehmen im Bereich medizinischer Informationsleistungen. Es veröffentlicht jährlich eine Liste "100 Top Hospitals: Benchmarks for Success." Für die Rangordnung berücksichtigt werden nicht nur Daten zur Behandlungsqualität, sondern auch Behandlungskosten pro Fall und Kostenentwicklungen. Die Kliniken werden nach ihren medizinischen Schwerpunkten und Aufgabenbereichen aufgegliedert. Die Grundinformationen sind für Patienten kostenlos. Für detaillierte Berichte mit einzelnen Benchmark-Daten verlangt die Firma allerdings 125-150 $.
U.S. News ist eine auch im WWW präsente Zeitung, die jährlich eine Rangliste der besten (25-50) Kliniken veröffentlicht, aufgegliedert nach Fachrichtungen (Krebs, Psychiatrie usw.). Verwendung finden dabei unterschiedliche Kriterien wie Mortalitätsraten, Pflegequalität oder technische Ausstattung. Darüber hinaus werden auch Ergebnisse einer schriftlichen Umfrage bei rund 3.000 medizinischen Spezialisten berücksichtigt. Die Listen sind kostenlos zugänglich.
Hospital Compare ist das staatliche Informationssystem des Department of Health and Human Services. Es ist sehr viel differenzierter hinsichtlich der Veröffentlichung einzelner Indikatoren für ausgewählte Kliniken, für Patienten deshalb aber auch schwieriger in den Ergebnissen zu bewerten. So sind für das Krankheitsbild "Herzattacke" beispielsweise rund zwei Dutzend Indikatoren auswählbar , angefangen vom Prozentsatz der Patienten, denen bei der Ankunft Aspirin gegeben wurde bis hin zum Prozentsatz derjenigen, die eine Beratung zur Raucherentwöhnung erhielten. Für alle angeklickten Indikatoren und für die ausgewählten Krankenhäuser werden sodann die Daten tabellarisch dargestellt. Für viele Patienten ist hier dann wohl eine Überforderungsgrenze erreicht: Wie sollen diese zum Teil widersprüchlichen Informationen gewichtet und zu einem Gesamturteil zusammengefasst werden? Viele werden dann wohl wieder zum einfacheren, wenngleich intransparenten 1-5-Sterne-Testurteil einer anderen Website gehen.

Die in Deutschland zukünftig zu aktualisierenden oder auch regional ganz neu erscheinenden Klinikführer dürften alsbald vor einem ähnlichen Problem stehen. Welchen Weg sollen sie beschreiten: Ein für Laien einfach zu handhabendes, aber höchst intransparentes 1-5-Sterne-System, Top-10-Ranglisten für Städte oder Kreise oder auch Testurteile, wie sie die Stiftung Warentest vergibt? Ein System also, das für unterschiedliche Interessen und Kriterien (Behandlungsqualität, Service und Komfort, Nähe zur Wohnung und zu Verwandten, Patientenzufriedenheit, Arztbewertungen) oft allzu pauschal gerät? Oder doch differenzierte Tabellen mit Daten zu einer Vielzahl einzelner Indikatoren, die aber womöglich für viele eine Überforderung darstellen? Eine einfache Antwort fällt schwer. Zu bedauern ist allerdings, dass bislang keine Forschungsstudien begonnen wurden oder in Planung sind, die hierzu einmal unterschiedliche Nutzergruppen, deren Interessen und Umgangsweisen mit den schon vorhandenen Klinikführern näher analysieren. Es scheint wieder mal so zu sein, dass Informationen für Patienten auf den Markt gebracht werden, aber in paternalistischer Manier hoch über ihre Köpfe hinweg.

Gerd Marstedt, 24.4.2007