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Telemedizin paradox: Geringere Sterblichkeit, weniger Krankenhausaufenthalte, kürzere Aufenthalte in Intensivstationen, aber ...!

Artikel 1926 Eine der großen Erwartungen an das Tele-Monitoring als einer der am weitesten entwickelten Techniken der Tele-Medizin ist, dass man durch die kontinuierliche Überwachung bestimmter Körperwerte (z.B. Blutdruck oder andere Blutwerte, Blutzucker) z.B. mittels implantierter Sensoren und die automatische kontinuierliche oder regelmäßige Übermittlung an behandelnde Ärzte rechtzeitig kritische Veränderungen erkennen und durch telemedizinische Instrumente wiederum von außen spezifisch intervenieren kann. Der mögliche Nutzen könnte eine Verringerung der Anzahl von Krankenhausaufenthalte und die Verkürzung von Krankenhausaufenthalten oder sogar die Vermeidung kritischer oder gar tödlicher Ereignisse sein.

Sowohl generell für die Existenz von Nutzen als auch für seinen Umfang oder die Anzahl der tatsächlichen Nutznießer (z.B. liegt erst seit kurzem eine hochwertige Studie über die Nutznießer von Telemonitoring mit Herzinsuffizienz in Deutschland vor) liefern die noch überschaubare Anzahl der vorliegenden methodisch hochwertigen und auch über längere Zeit durchgeführten Studien zum Teil weniger euphorische Belege oder hinterlassen mehr Fragen als Antworten. Bevor es also darum geht, ob Tele-Leistungen z.B. zur GKV-Regelleistung werden, sollten weitere möglichst mehrjährige Studien abgewartet werden.

Die Ergebnisse einer jetzt in den USA abgeschlossenen Studie zum positivenEinfluss eines so genannten "Champion heart sensor" auf die Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung bei an Herzinsuffizienz erkrankten Personen setzt aber die Reihe von Untersuchungen fort, die einerseits einen bestimmten quantifizierbaren Nutzen nachweisen, andererseits aber paradoxe Effekte zu Tage fördern.
An der offen industriegesponserten randomisierten kontrollierten Studie nahmen 550 Personen (Durchschnittsalter 61, 70% Männer) teil, die wenigstens drei Monate an Herzinsuffizienz litten und innerhalb des letzten Jahrs einen spezifischen Krankenhausaufenthalt hatten. Alle TeilnehmerInnen erhielten einen drahtlosen Sensor in die Lungenarterie implantiert, der kontinuierlich den dortigen Blutdruck maß. Die Ergebnisse wurden aber nur an die Ärzte übertragen, deren Patienten zufällig für die Behandlungsgruppe ausgewählt worden waren. Die ebenfalls zufällig ausgewählte Kontrollgruppe erhielt die normale Behandlung, wobei die Bestimmung des Blutdrucks und mögliche Schlussfolgerungen für die Behandlung einen Arztbesuch erforderte. Gegenüber den Patienten war verblindet in welcher Gruppe sie sich befanden.

Nach 6 Monaten sahen die erwarteten Wirkungen so aus:

• Die Rate der erkrankungsspezifischen Krankenhausaufenthalte war in der Interventionsgruppe nach 6 Monaten signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (31% versus 44%). Aus der absoluten Differenz von 13 Prozentpunkten wird eine Reduktion von rund 30 Prozent gemacht.
• Nach durchschnittlich 15 Monaten Follow up war die Krankenhausrate in der Behandlungsgruppe um 39% niedriger als in der Kontrollgruppe (56,7% versus 90,4).
• Auch der Anteil von PatientInnen in der Tele-Behandlungsgruppe, die in den 6 Studienmonaten ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, war mit 20% signifikant niedriger als die 29% in der Kontrollgruppe.
• Die Überlebensrate beider Gruppen unterschied sich den 6 Monaten fast nicht.
• Die mit einem Standardinstrument gemessene Lebensqualität war in der Behandlungsgruppe besser.
• Kein Teilnehmer erlebte in 15 Monaten Beobachtungszeit ein Versagen des Druckmessgeräts. Und auch bei 98,6% aller TeilnehmerInnen ereignete sich innerhalb derselben Zeit kein unerwünschtes Ereignis mit dem implantierten Sensor wie z.B. Blutungen. 8 TeilnehmerInnen erlewbten aber insgesamt 15 Komplikationen.
• Ein Wechsel zu einer spezifischen Arzneimitteltherapie war in der telemedizinisch versorgten Patientengruppe signifikant höher als in der traditionell versorgten Gruppe.
• Mit der Feststellung, dass die Anzahl der Krankenhausaufenthalte, die nichts mit der Herzinsuffizienz zu tun hatte, sich zwischen den beiden Gruppen praktisch nicht unterschied (146 versus 143) beginnt der Teil paradoxer Ergebnisse: Auch wenn der Unterschied statistisch signifikant ist, ist die Anzahl von Tagen, welche die Angehörigen beider Gruppen in den 6 Studienmonaten außerhalb eines Krankenhauses verbrachten, mit 174 zu 172 Tagen nahezu identisch. Leider wird dieses Phänomen weder angesprochen noch zu erklären versucht.

Je nachdem, ob man aus Patientensicht lediglich die Krankenhausliegezeiten durch die Herzschwäche betrachtet oder den Nutzen eher an der Gesamtdauer aller Krankenhausaufenthalte in einem bestimmten Zeitraum bemisst, fällt also die Nutzenbewertung der telemedizinischen Intervention aus.

Dass es bei einer Gesamtbetrachtung einer Behandlungsepisode im Vergleich zu der Bewertung einzelner Behandlungselemente bei denen Telemonitoring oder -medizin eine tragende Rolle spielen zu unerwarteten oder paradoxen Effekten kommen kann, belegt ein ebenfalls gerade veröffentlichter systematischer Review samt Meta-Analyse über 13 methodisch in Frage kommenden Studien über die Wirkung von Telemedizin in 35 Intensivstationen (IS), die bis zum 30. September 2010 weltweit durchgeführt wurden. Eingeschlossen wurden Studien, welche Daten zum primären Ergebnis der Sterblichkeit und zum sekundären Ergebnis der Liegedauer in Intensivstationen und Krankenhaus lieferten.

Die Vorher-Nachher-Analyse dieser Ergebnisse für 41.374 Patienten (15.667 vor und 25.707 nach Einführung telemedizinischer Überwachungstechnik in Intensivstationen) zeigte folgende Wirkungen:

• Die Einführung von Telemedizin war mit einer signifikanten Abnahme der Sterblichkeit in den IS von rund 20% assoziiert. Sie war ebenfalls signifikant mit einer Reduktion der Liegezeiten in IS um 1,26 Tagen assoziiert.
• Keine signifikanten und damit überzufälligen sowie quantitativ relevanten Assoziationen gab es aber zum ersten zwischen dem Einsatz von Telemedizin in IS und der gesamten Sterblichkeit der in IS eingelieferten PatientInnen bezogen auf den gesamten Krankenhausaufenthalt. Letztere wurde bei einem p-Wert von 0,08 um rund 18% reduziert. Zum anderen war Gesamtliegedauer von PatientInnen, die meist zu Beginn ihres Klinikaufenthalts in der IS behandelt wurden, innerhalb des Krankenhauses nur noch um 0,64 Tage kürzer - bei einem p-Wert von 0,16.

Auch die AutorInnen dieses Reviews können nicht schlüssig erklären wie es zu ihren disparaten Funden kommt und fordern daher mit Vorrang noch rigorosere Evaluation der Wirkungen von Telemedizin in IS. Sie liefern dazu eine Reihe von zu beachtenden möglichen Erklärungsfaktoren. Dazu gehört z.B. die Tatsache, dass in vielen Evaluationsstudien von Telemedizin in IS nur auf die dortige Sterblichkeit geschaut wird und nicht auf das gesamte stationäre Sterberisiko. Ein weiterer möglicher Erklärungsfaktor für Studienergebnisse über positive Wirkungen von Telemedizin könnten die engen Verbindungen der AutorInnen dieser Studien mit den Herstellern telemedizinischer Technologien sein. Die großen Konfidenzintervalle ihrer Ergebnisse deuten auch methodisch auf eine gewisse Instabilität und Kontingenz der Wirkungen hin zu der dann auch die disparaten Ergebnisse passen. Dies eröffnet die wahrlich breite und auch offen ratlose Perspektive, dass die Telemedizin-Versorgung "could have a much larger effect or no effect whatsoever".

Von der Studie "Wireless pulmonary artery haemodynamic monitoring in chronic heart failure: A randomised controlled trial" von Abraham WT und zahlreichen weiteren Angehörigen der CHAMPION Trial Study Group, veröffentlicht in der britischen Fachzeitschrift "Lancet" am 19. Februar 2011 (377 (9766):616-8), ist kostenlos nur das Abstract zu erhalten.

Die Studie "Impact of Telemedicine Intensive Care Unit Coverage on Patient Outcomes. A Systematic Review and Meta-analysis" von Lance Brendan Young et al. ist am 28. März 2011 in der Fachzeitschrift "Archives of Internal Medicine" (2011; 171 (6):498-506. doi:10.1001/archinternmed.2011.61) erschienen. Von ihr ist ebenfalls nur ein Abstract kostenlos erhältlich.

Bernard Braun, 4.4.11