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Gesundheitssystem
Finanzierung und Kosten, Lohnnebenkosten


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Windchill-Effekt auch bei der Bürokratie wirksam

Artikel 2073 Nun haben wir es endlich schwarz auf weiß: Die gefühlte Bürokratie-Belastung niedergelassener ÄrztInnen in Deutschland ist hoch, sehr hoch sogar, und allemal zu hoch. Das ist das einzige verwertbare Ergebnis einer im Dezember 2011 mit großem Brimborium lancierten Untersuchung "Deutsches Gesundheitssystem auf dem Prüfstand. Kostenfalle Komplexität" der Unternehmensberatungsfirma A.T. Kearney.

Die einschlägige Presse griff die Botschaften der Unternehmensberater dankbar auf. Der Spiegel titelt am 31. Dezember Im Gesundheitssystem versickern Milliarden und legt am 2. Januar mit Bürokratie treibt Kosten nach. Die Welt übernimmt ebenfalls am Silvestertag in ihrem Beitrag Bürokratie macht Viertel der Gesundheitskosten aus unreflektiert die Aussagen der Unternehmensberater-Agentur, und das Handelsblatt zieht den überraschenden Schluss Gesundheitswesen kostet mehr als gedacht, der sich nur daraus erklären lässt, dass mensch entweder vorher falsch gedacht hat oder die von A.T. Kearney angeführten Zahlen glaubt, die beiden Gesamtausgaben interessanterweise etwa 25 Milliarden über denen des Gesundheitsministerium liegen. Die Ärztezeitung widmet sich dem Thema erstmalig zum Neujahrstag mit ihrem Beitrag Lebt das Bürokratie-Monster in der GKV? und legte am 5. Januar in Bürokratie im Orkus nach, wo auch Bundesärztekammerpräsident Montgomery die Möglichkeit zu einer überflüssigen Stellungnahme im Dienste der Standesorganisationen und -vertreterInnen erhält: "Wir begrüßen es außerordentlich, dass einmal mehr auf die absoluten Missstände der Bürokratisierung des Gesundheitswesens hingewiesen wird".

Was war geschehen? Was war der Grund für einen derartigen Presserummel? Eigentlich nichts, außer vielleicht ein wenig heiße Luft. Eine Unternehmensberatungsfirma, die bisher nicht im Verdacht steht, über nennenswerte Expertise im Bereich Gesundheit zu verfügen, hatte im Auftrag einer ganz bestimmten Gruppe niedergelassener ÄrztInnen eine Umfrage gestartet, um herauszufinden, wie viel bürokratischen Aufwand die Leistungserbringer im deutschen Gesundheitswesen zu bewältigen haben bzw. zu bewältigen haben fühlen. Zwischen Juni und August 2011 führte A.T. Kearney mit Unterstützung des Online-Portals facharzt.de des Ärztenachrichtendienste eine deutschlandweite Umfrage unter 6.000 LeistungserbringerInnen durch, die in unmittelbarem Kontakt mit PatientInnen stehen. Zur Validierung der Befragungsergebnisse erfolgten "vertiefende Arbeitsverteilungsanalysen" und die pekuniäre Quantifizierung des Verwaltungsaufwandes.

Nach den Berechnungen von A.T. Kearney hätten 2010 die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland einschließlich der Patientenzuzahlungen insgesamt 181 Milliarden Euro betragen; nach Abzug der GKV-Nettoverwaltungskosten und sonstiger Ausgaben seien nach Angabe von A.T. Kearney 165, aber unter Einbeziehung der im Übrigen mit nicht unerheblichem Verwaltungsaufwand behafteten Selbstbeteiligungen 170 Milliarden Euro angefallen. Das von A.T. Kearney ermittelte Datenmaterial habe zusätzlich ergeben, dass abweichend von offiziellen Zahlen über die genannten" 9,5 Milliarden Euro Verwaltungsausgaben der Krankenkassen hinaus "durch die GKV verursachte Verwaltungsaufwände bei den Leistungserbringern" entstünden und insgesamt von einem Gesamtverwaltungskostenaufwand von 40,4 Milliarden Euro auszugehen sei. Denn der Anteil des GKV-induzierten Verwaltungsaufwands auf Seiten der Leistungserbringer belaufe sich auf insgesamt 18 Milliarden Euro.

Nach Selbsteinschätzungen der von A.T. Kearney befragten Leistungserbringer könnte man mindestens 50 % ihrer durch die gesetzlichen Krankenkassen induzierten Verwaltungsaufwände und -kosten durch eine "gezielte Verschlankung des Gesundheitssystems" einsparen. Bezogen auf die zuvor durch A.T. Kearney ermittelten gesamten "GKV-induzierten Verwaltungskosten" kam das Beratungsunternehmen auf ein effektives "Kostenreduktionspotenzial" von 13 Milliarden Euro alleine für 2010. Schuld an all der gefühlten Verschwendung sind die so genannten "Komplexitätstreiber" im Gesundheitswesen, was immer das sein mag.

Die "Studie" von A.T. Kearney beglückt das geneigte Publikum und überrascht die Fachleute schließlich mit "Optimierungsvorschlägen", die so neu sind wie die Gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland, so phantasievoll wie man es eben von primär betriebswirtschaftlich denkenden BeraterInnen erwarten kann, so praxisrelevant wie die Steinzeitmedizin oder so unklar wie die Weltformel:
•Anzahl der Akteure: Reduzierung der Anzahl gesetzlicher Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigungen
•Anzahl der Produkte und Dienstleistungen: Zweckmäßige Reduzierung der Anzahl von Produkten
•Nicht aufeinander abgestimmte Prozesse: Zielgenaue Verwaltung und Begleitung von Prozessen
•Mangelhafte Organisationsstrukturen: Verschlankung von Kommunikationsprozessen
Unterschiedlichste IT-Systeme: Vereinheitlichung im Rahmen gesetzlicher Maßgaben
•Indirekte Kommunikation zwischen den Akteuren: Einführung direkter, verbindlicher Kommunikationsabläufe
•Erhöhte Patientenanforderungen durch erhöhtes Alter und Lebensumstände: Abwägung individuelle Zuwendungsmedizin vs. Standardmedizin
•Reduzierung formalistischer Betrachtungsweisen der Wissenschaft
•Beeinflussung der Gesetzgebung durch Lobby- und Interessengruppen: Dezentralisierung des Gesundheitssystems und Förderung von Interessenskongruenz
•Ständig wechselnde Reformen und Gesetze: Reduzierung von "quick-fixes" und Förderung nachhaltiger Veränderung.

Spätestens diese Aufzählung von Lösungsvorschlägen zeigt eindrücklich, dass die vermeintlichen Fachleute von A.T. Kearney weder etwas von Gesundheitsversorgung noch von Gesundheitspolitik verstehen. Ihre Vorstellungen von Organisation des Gesundheitswesens sind ausgesprochen naiv. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK bezweifelt zwar nicht, dass es Potenzial zur Verringerung des Bürokratieaufwands gibt, weist aber darauf hin, dies sei keineswegs allein ein Problem in der GKV, sondern auch in der PKV. Darüber hinaus schaffe die von A.T. Kearney geforderte Transparenz wiederum neue bürokratische Anforderungen. In einem nur für Abonnenten dieses Forums zugänglichen Interview mit dem ärztlichen Nachrichtendienst änd ergänzt er: "Wir sollten außerdem erst einmal fragen, worüber genau wir hier sprechen. Verwaltung hört sich immer gleich so negativ an. Warum sagen wir nicht Versorgungskoordination? Oder besser noch: Management? Letztendlich handelt es sich häufig auch um Maßnahmen, die Transparenz herstellen sollen, wie sie ja in der Studie auch vermehrt gefordert wird". Für jedermann einsehbar ist allerdings die weitaus differenziertere und inhaltsreichere Stellungnahme von Klaus Jacobs im Reformblock; der Beitrag Bürokratiekosten-Studie voller ordnungspolitischem Unverständnis ist ausgesprochen empfehlenswert.

Wirtschafts- und Gesundheitsredakteur Andreas Mihm zeigt in seinem leider für Nicht-Abonnenten nicht kostenfrei erhältlichen Artikel Der Complexity Funnel der Krankenversicherung in der FAZ mühelos ein paar intrinsische Widersprüche der Empfehlungen auf: "Doch die Rezepte der Berater für eine Schlankheitskur fallen mager aus. Sie bestehen aus viel einerseits und andererseits. So soll die Zahl der Kassen weiter sinken, doch dürften "wünschenswerte Elemente des Wettbewerbs" nicht außer Kraft gesetzt werden. Einerseits sollen medizinische Produkte und Dienstleistungen begrenzt werden, aber ohne dem Patienten die erste Entscheidung darüber zu nehmen, "welchen Bedarf er zu seiner Gesundheitsversorgung für wünschenswert hält". Kommunikationsstrukturen und IT-Systeme sollten einerseits vereinheitlicht werden, doch werde andererseits "eine schrankenlose Vernetzung von Datenbänken ... auf weite Sicht realistisch nicht durchzusetzen sein"."

Und der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem bemängelte, die A.T. Kearney-Analyse basiere gar nicht auf offiziellen Zahlen und sei allein deshalb nicht mit anderen Untersuchungen vergleichbar. Auch sei die Methodik der Verwaltungskostenzurechnung auf die GKV problematisch, denn Versorgung organisierende oder Qualität sichernde Maßnahmen seien eben kein vermeidbarer Mehraufwand. Zudem spricht er der Analyse jegliche Repräsentativität ab, da die TeilnehmerInnen ganz überwiegend selbstrekrutiert sind und man überhaupt nicht nachvollziehen könne, inwieweit die Stichprobe das Gesundheitswesen abbildet.

Wie selektiv und tendenziös die Erhebung des gefühlten Bürokratieaufwands einzelner Leistungserbringer ist, davon vermittelt der Beitrag eines fleißigen Hippokranet-Nutzers im Online-Portal facharzt.de einen viel sagenden Einblick. Denn er erklärt, was die an der Umfrage beteiligten Niedergelassenen üblicherweise alles unter "Bürokratie" verstanden haben dürften: "Informationsbeschaffung elektronische Gesundheitskarte, Aussortieren der "Ambulanten Kodierrichtlinien" und Weiterleitung in die Rundablage, Beantwortung von Kassenanfragen, Ausfüllen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Teilnahme an EBM-Fortbildungsveranstaltungen (um endlich einmal zu verstehen wie sich RLV und QZV errechnen), Studium der neusten Richtlinien zur Ausfüllung von Heilmittelanträgen (72 Seiten), Bearbeitung des letzten Widerspruchs zum Arzneimittelregress, Telefonat mit dem Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit, Beantwortung von Anfragen der Ärztekammer, Studium der neusten sieben DMP-Verträge und der Verträge für eine mögliche überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, Ausarbeitung der TOP für die nächste Sitzung des Qualitätszirkels, Studium der reichhaltigen Fortbildungsangebote in verschiedenen Ärztezeitschriften und Erstellung eines persönlichen Fortbildungsprogramms, Beantwortung diverser Anfragen des Versorgungsamts (seit mehr als zwanzig Jahren unverändert für ein mieses Honorar von 20 Euro), dann die tägliche Papierflut aus Wiederholungsrezepten, Hilfsmittelverordnungen, Krankenhauseinweisungen, Krankentransportscheinen, Verlängerungen für häusliche Krankenpflege, Anträge auf Kostenübernahme, Ärztliche Bescheinigungen für alles Mögliche…" Dieser kleine Überblick zeigt nicht nur die ganze Unschärfe der Untersuchung von A. T. Kearney, sondern umfasst auch etliche Tätigkeiten, die - ob man sie mag oder nicht -typischerweise von MedizinerInnen zu erbringen sind, wie das Erstellen von Gutachten, Rezeptausstellungen, Krankenhauseinweisungen und die eigene Fortbildung. Das würde spätestens dann sichtbar, wenn plötzlich andere Berufsgruppen diese ur-ärztlichen Tätigkeiten übernehmen sollten: Spätestens wenn medizinische Fachangestellte PatientInnen ins Krankenhaus einweisen oder Rezepte ausstellen dürften, käme es zu einem ähnlichen Proteststurm wie bei der Diskussion über die Verlagerung ärztlicher Tätigkeit auf OperationstechnikerInnen oder Gemeindepflegekräfte.

Eine andere Meinungsäußerung im Hippokranet-Forum spiegelt - vermutlich unbewusst - das Dilemma wider: "Hier ist es beeindruckend gelungen, mit einer überzeugend angelegte Studie das Vorfeld so vorzubereiten, dass das Meinungsbild offensichtlich länger anhaltend mitbestimmt. Die Lehre ergibt sich für die Zukunft, dass auch im polit. Bereich auf sensiblen Streitfeldern der sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Standard auf seiten der Ärzteschaft angehoben werden muss, will man denn Einfluss der GKV-Verwaltungsdominanz zurückdrängen." Nur der unzureichende " sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Standard auf seiten der Ärzteschaft" erklärt, wie man angesichts dieser inhaltlich bedenklichen, argumentativ mehr als dünnen und auffällig im Sinne der InitiatorInnen ausgefallenen "Studie" von "beeindruckend" und "überzeugt angelegt" sprechen und von einer nachhaltigen Beeinflussung der öffentlichen Meinung ausgehen kann.

Bei der nahezu uneingeschränkten Zustimmung zu den Ergebnissen der A.T. Kearny-Publikation zur gefühlten Bürokratie-Belastung überrascht, dass die Nutzer der Online-Plattform kein Wort zu der Unbeschlagenheit der engagierten Unternehmensberatung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens verlieren. In einem Forum selbsternannter Fachleute von der ambulanten Versorgungsfront, deren Wortführer ansonsten hemmungslos jede vom Mainstream abweichende Äußerung aggressiv verbal niederknüppeln und vor allem deren Urhebern sowie allen anders Denkenden jegliche gesundheitsbezogene Kompetenz und jeden "Realitätsbezug" absprechen, ist das mehr als verwunderlich.

Weniger überraschend ist die grundsätzlich unkritische Aufnahme der so sehnlich erwünschten Ergebnisse dieser vermeintlichen "Studie", die … endlich mal … oder so. Das Verständnis von Untersuchungsverfahren, Studiendesigns, statistischer Auswertung und vor allem zulässiger und unzulässiger Schlussfolgerungen ist in der Ärzteschaft generell unterentwickelt, wie nicht zuletzt systematische Aufklärungs- und Nachbildungsbemühungen des Deutschen Ärzteblatts mit der 2009 begonnene Serie über Statistische Verfahren in der medizinischen Forschung belegen. Auf den aufschlussreichen Artikel Helping Doctors and Patients Make Sense of Health Statistics verwiesen wir bereits im Forum Gesundheitspolitik bereits nach dessen Erscheinen Ende 2008.

Ernüchterung wird sich in der zurzeit begeisterten Ärzteschaft spätestens dann breit machen, wenn A.T. Kearney mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen im Auftrag anderer Player ankommt. Denn die sich selbst in aller Bescheidenheit als "eines der führenden internationalen Top-Management-Beratungsunternehmen" anpreisende Firma kann auch anders und hat auch schon anders. In unübersehbarem Widerspruch zu den Kernaussagen und -forderungen der aktuellen Arbeit von A.T. Kearney enthalten frühere Publikationen Empfehlungen, die mit spürbarem Bürokratieaufbau verbunden sein müssen, um zu funktionieren. So empfahl A.T. Kearney 2009 in der Publikation Wie sich die gesetzlichen Kassen weiterentwickeln müssen auf S. 2 den Auf- und Ausbau der Abrechnungsprüfung, verstärktes Fallmanagement, striktere Prüfung der Leistungsgewährung, Überprüfung aller Verträge auf ihren Nutzen sowie Versorgungsmanagement bzw. neue Verträge, was schwerlich zum Abbau von Bürokratie beitragen kann, und empfahl zwei Seitenweiter "zum Beispiel attraktive Wahltarife, Zahlung von Behandlungen, die noch nicht Teil der Kassenleistung sind …" - also nichts von wegen "Anzahl der Produkte und Dienstleistungen".

Einen Vorabdruck der "Studie" von A.T. Kearney bietet der ärztliche Nachrichtendienst änd für eingeschriebene Nutzer. Für Jederman/frau kostenlos zugänglich ist ein Auszug der "Studie" bestehend aus Inhaltsverzeichnis, Zusammenfassung, Einleitung, Danksagung, Abbildungsverzeichnis und Literaturverzeichnis. Die zugehörige Presseerklärung von A.T. Kearney steht ebenfalls auf der Website der Unternehmensberatung kostenlos zum Download zur Verfügung. Für den beachtlichen Preis von 49,- EUR können Sie die Studie hier auch beim Erzeuger als Druckversion bestellen.

Eine etwas differenziertere Darstellung des "Bürokratiemonsters", das "vielen Ärztinnen und Ärzten die Freude an der Arbeit" verderbe und ihnen Zeit stehle, findet sich in der Ausgabe vom 30.3.2012 des Deutschen Ärzteblatts. Der Artikel Bürokratie in Praxen und Krankenhäusern: Vom Versuch, den Alltag in Ziffern zu pressen geht aus Sicht der MedizinerInnen auf die verschiedenen Arbeitsbereiche ein, die zumindest in der Wahrnehmung unter den Bereich Bürokratie fallen, lässt aber beispielsweise nicht unerwähnt, dass die meisten ÄrztInnen nicht das Verfassen von Arztbriefen als Verwaltungsuafwand empfinden, wohl aber deren Eingabe in einen Computer.

Und noch etwas: Erdrückende, teure und sinnlose Bürokratie zeichnet das gesetzliche deutsche Krankenkassenwesen seit seiner Entstehung aus. Davon legt ein Buch beredtes Zeugnis ab, dessen Autor nicht nur den gleichen Nachnamen trägt wie Peter Hartz, sondern viele seiner Ideen schon Jahrzehnte vorher gedacht und zu Papier gebracht hat, wie der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge in seinem Essay Hartz in Weimar darlegte. Der deutschnationale Kaufmann und kurzzeitige DNVP-Reichstagsabgeordnete Gustav Hartz geißelte 1928 in seinem lesenswerten Buch "Irrwege der deutschen Sozialpolitik" wortreich genau dieselben Fehler und Schwächen des GKV-Systems wie mehr als 80 Jahre später die meisten NutzerInnen des ärztlichen Nachrichtendienstes. Zur Erbauung stellen wir den LeserInnen des Forum Gesundheitspolitik hier auszugsweise sechs Seiten des Buches zur Einsicht zur Verfügung, in denen es auch um überbordenden Bürokratismus geht.

Jens Holst, 1.2.12