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Ver- oder gebietet das Wirtschaftlichkeitsgebot in der GKV bestmögliche, qualitätsgesicherte und wirksame Leistungen?

Artikel 1018 Zu den am meisten absichtsvoll und gezielt oder aus Unkenntnis einseitig oder falsch verstandenen Paragraphen des für die Belange der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständigen fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) gehören sein § 12 Absatz 1 und sein § 2 Absatz 4.
Dort heißt es: "Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen." Im § 2 Abs. 4 SGB V wird diese Kombination von Zwecken und Zielen nochmals zusammengefasst und die Verantwortung für ihre Einhaltung allen Akteuren zugewiesen: "Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden."

Nicht nur diejenigen Akteure, die unter "wirtschaftlich" fälschlicherweise verstehen, möglichst wenig Geld auszugeben, und zwar "koste es, was es wolle", sondern auch die, die "schweren Herzens" glauben, den GKV-Versicherten wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht mehr die besten, wirksamsten und bestmöglich evidenten Versorgungsleistungen anbieten zu können, sitzen einer politisch motivierten, einseitigen Interpretation dieser und einiger anderer rechtlichen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches auf.

Dies ist jedenfalls die Schlussfolgerung eines gerade in der "Zeitschrift für ärztliche Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen (ZaeFQ)" (2007; 101: 447-454) erschienenen Aufsatzes "Sozialrecht und evidenzbasierte Gesundheitsversorgung in Deutschland" des an der Universität Kiel und an der Hochschule Neubrandenburg arbeitenden Sozialrechtlers Felix Welti.

Welti stellt sich am Beispiel der GKV die enorm wichtige und aktuelle Frage, "ob das Sozialrecht fordert oder ermöglicht, bestmögliche Evidenz handlungsleitend zu berücksichtigen" und zieht dazu die bereits zitierten und zwei weitere Bestimmungen des SGB V zu Rate.

Bei der ersten für die Beantwortung seiner Ausgangsfrage zusätzlich wichtigen gesetzlichen Bestimmung handelt es sich um den folgenden Satz aus dem § 2 Abs. 1 des SGB V: "Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen."

Und um der ebenfalls verbreiteten Unterschätzung der praktischen Bedeutung dieser allgemeinen Bestimmungen am Beginn des Sozialgesetzbuches vorzubeugen, zitiert er zweitens die für das "vertragliche Leistungserbringungsrecht" praktisch verbindliche "gesetzliche Grundsatznorm" des § 70 Abs. 1 SGB V, in dem es u.a. heißt: "Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden."

Diese für alle Beteiligten bindenden Vorschriften machen nach Welti keineswegs die Wirtschaftlichkeit oder gar die betriebswirtschaftlich Kostenreduktion zur alles überragenden Orientierungsmarke, sondern eine ganz bestimmte "Verbindung von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit" als gleichrangige und unauflösbar aufeinander verwiesene "normativen Vorgaben". Dabei gibt es klare Unter- und Obergrenzen für die Wirtschaftlichkeit, nämlich die Untergrenze des "Gebots ausreichender (und zweckmäßiger) Leistungen" und die Obergrenze einer Versorgung mit qualitätsgesicherten und wirksamen Leistungen "mit dem geringstmöglichen Aufwand solidarisch aufgebrachter Mittel". Damit ist es laut Welti eindeutig, "dass das Wirtschaftlichkeitsgebot keine Abstriche an der Wirksamkeit der Leistungen" bedeutet, verlangt oder gar erzwingt.

Auf dieser Grundlage beschäftigt sich Welti im weiteren Verlauf seines Aufsatzes mit den Formen und Methoden, mit denen "zwischen dem individuellen Leistungsanspruch und den gesetzlichen Vorgaben" vermittelt wird: "Dies wird in Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) (§ 92 SGB V) vorgenommen. Der Gesetzgeber hat den G-BA ermächtigt, Leistungen von der Versorgung auszuschließen, die den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen. Bei neuen Behandlungsmethoden wird differenziert: Während sie in Krankenhäusern bis zu einer negativen Entscheidung des G-BA zulässig sind, gilt in der vertragsärztlichen Versorgung ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt." Den Entscheidungen der "fachlich legitimierten und daher fachlich weisungsfreien Selbstverwaltungs"-Institution G-BA liegen Erkenntnisse über die Evidenz der Wirksamkeit von Leistungen und deren Relevanz für die Versorgungspraxis zugrunde. Ob dies verfassungsrechtlich und politisch korrekt ist, ist nach Welti "umstritten". Unumstritten ist aber, dass das Sozialrecht es ermöglicht oder gar fordert, diesen Entscheidungen die bestmögliche Evidenz zugrundezulegen und jedwede Verweise auf das dies verbietende Wirtschaftlichkeitsgebot einem Irrtum erliegen oder Falsches verbreiten.

Zum Aufsatz "Sozialrecht und evidenzbasierte Gesundheitsversorgung in Deutschland" gibt es kostenlos lediglich eine längere Zusammenfassung.

Bernard Braun, 20.11.2007