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Bundessozialgericht: Nur "medizinisch vertretbar" reicht nicht als Grund für Krankenhausaufenthalt - Kasse muss nicht zahlen!

Artikel 1201 In der Klärung gesetzlich oder durch Verträge nicht abschließend und handhabbar geklärter Interessenskonflikte und Vorstellungen vom "richtigen und angemessenen Handeln" spielt im deutschen Gesundheitswesen die Rechtsprechung die entscheidende Rolle - mit weit reichenden konkreten Auswirkungen auf alle Patienten, Beschäftigte und Institutionen.

Dies ist auch in einem seit einiger Zeit unentschiedenen Streit darüber, ob die gesetzlichen Krankenkassen auch für einen "medizinisch vertretbaren" aber nicht "notwendigen" Klinikaufenthalt, der stattdessen ambulant behandelt werden könnte, bezahlen müssen.
Der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hatte dazu in der Vergangenheit in einem Verfahren die Position vertreten, die Krankenversicherung müsse für einen ärztlich angeordneten Klinikaufenthalt zahlen, sobald er nur "medizinisch vertretbar" sei. Die Entscheidung der Klinikärzte dürfe von den Krankenversicherungen kaum angefochten werden oder systematisch überprüft werden. Höchstens dürften die Krankenkassen konkrete Alternativen aufzeigen.

Ein anderer, der 1. Senat des BSG, vertrat dagegen eine völlig andere Meinung. Er billigte den Krankenkassen zahlreiche Rechte zu, die Notwendigkeit einer stationären Behandlung eines Versicherten/Patienten zu überprüfen.

Bei solchen kontroversen Rechtsmeinungen und -sprechungen in einem Bundesgericht entscheidet der so genannte "Große Senat" des Gerichts darüber, welche Rechtsauffassung künftig praktisch von den unteren Instanzen für Streitigkeiten oder Differenzen zwischen Kliniken und Krankenkassen herangezogen werden muss. Dieser Senat schloss sich nun der kassenfreundlichen Sicht des 1. Senats an. Sein Beschluss, dass die medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung im Streitfall "uneingeschränkt" vor Gericht überprüfbar sei und die ärztliche Einschätzung keinen Vorrang mehr habe, musste jetzt auch vom unterlegenen 3. Senat praktisch umgesetzt werden.

Diese Klärung hatte insofern sofort praktische Bedeutung als der 3. Senat des BSG am 10. April 2008 in einer Entscheidung von seiner bisherigen Rechtsprechung abrückte (Az.: B 3 KR 19/05 R u.a.) und den Druck auf Klinikärzte erhöhte, die medizinische Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung nachzuweisen. Künftig müssen daher die Kassen für einen Klinikaufenthalt nicht mehr zahlen, wenn für die vom Arzt diagnostizierte Krankheit nach dem Stand der Medizin auch eine ambulante Therapie ausgereicht hätte.

Auch wenn die Urteilsgründe noch nicht schriftlich veröffentlicht sind (wenn sie vorliegen, werden wir hier darauf verweisen), erscheint der beruhigende Hinweis, die neue einheitliche Rechtsprechung beträfe nur Kliniken und Krankenkassen und nicht Patienten, etwas weltfremd.
Zwar müssen Patienten selbst dann, wenn sie nach Ansicht ihrer Kasse zu lange stationär behandelt worden sind, nicht selber die dadurch entstandenen Kosten bezahlen (Gegenteiliges steht allerdings in der noch zitierten Pressemitteilung des BSG über die Entscheidungsgründe), aber sie werden mit Sicherheit von Krankenhausärzten, die über die konkrete Grenzziehung verunsichert sind, gar nicht mehr stationär aufgenommen oder zu einem sehr frühen und möglicherweise zu frühen Zeitpunkt entlassen. Ob dies dann dem gesundheitlichen Bedarf der Patienten entspricht und ob diese sofort Zugang zu den ambulanten Leistungen bekommen, könnte unerwünschte gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.

Im konkreten Fall ging es um Folgendes:

"Eine bei der beklagten Krankenkasse (AOK Schleswig Holstein) versicherte Patientin war in der Zeit vom 7. 1. bis zum 22. 4. 2002 in einem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus zur Behandlung einer langjährigen Alkoholerkrankung und darauf beruhenden Folgeschäden vollstationär untergebracht. Die Beklagte bezahlte die Behandlung aber nur bis zum 31. 1. 2002, weil die weitere Behandlung auch außerhalb eines Krankenhauses hätte durchgeführt werden können. Die von der Klägerin durchgeführten Maßnahmen (z. B. Hirnleistungstraining, Training der Alltagsfähigkeit, medikamentöse Behandlung) zur "Planung und Überprüfung auf Wirklichkeitsgerechtheit der weiterführenden Betreuung in einer Tagesstätte, des Besuchs von Selbsthilfegruppen und der Strukturierung der Resttageszeit durch die Familie in der Wohnung der Patientin sowie die Erstellung eines ausreichenden ambulanten Hilfsnetzes" seien durchaus als sinnvolle rehabilitative Maßnahmen anzusehen, begründeten aber nicht die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung nach Abschluss der Entgiftung. Im Revisionsverfahren allein noch streitig war der Anspruch auf Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung für die Zeit vom 20. 3. bis zum 22. 4. 2002."

Nach wechselnden Entscheidungen des zuständigen Sozial- und des Landessozialgerichts landete der Fall schließlich beim BSG, das jetzt eindeutig die Position der Krankenkasse teilte und stärkte.

Bei zwei Vorschriften darf man gespannt sein wie sie umgesetzt werden und ob sich dahinter nicht erhebliche praktische Härten verbergen.

Zum einen gilt dies für die folgende Vorgabe: "Es kommt nur darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Versicherte aus medizinischer Sicht außerhalb des Krankenhauses hätte weiterbehandelt werden können. Organisatorische und administrative Fragen wie die Bestellung eines Betreuers oder die Bereitstellung eines Platzes in einer Wohneinrichtung spielen grundsätzlich keine Rolle. Ebenso hat außer Betracht zu bleiben, ob die Krankenkasse auf eine Versorgungsmöglichkeit außerhalb des Krankenhauses hingewiesen hat. Fehlt es an der medizinischen Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung, müssen die Kosten entweder vom Versicherten selbst oder - bei Bedürftigkeit des Versicherten - vom Sozialhilfeträger übernommen werden."

Zum anderen baut das BSG auch die Erkenntnishürden für Gutachter recht hoch: "Bei einem Streit über die Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung und/oder deren Dauer im Rahmen eines Abrechnungsverfahrens zwischen Krankenhaus und Krankenkasse hat das Gericht die an den medizinischen Sachverständigen gerichteten Beweisfragen so zu formulieren, dass die Begutachtung nicht aus nachträglicher Sicht erfolgt, sondern aus vorausschauender Sicht zum Zeitpunkt der Aufnahme des Versicherten in das Krankenhaus bzw. zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Fortdauer einer stationären Behandlung. Dabei muss der Sachverständige von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes ausgehen."

Bisher stehen lediglich eine Medien-Information des BSG Nr. 16 v. 10. 4. 2008 kostenfrei öffentlich zur Verfügung.

Bernard Braun, 16.4.2008