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Betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutz


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Betriebliche Krankenstandspolitik heute: Mit eine Ursache der Krankheiten von morgen

Artikel 0648 Die Fehlzeiten wegen Krankheit sind auf einem niedrigen Rekordniveau. Was Arbeitgeber freut, könnte jedoch neue Gesundheitsrisiken provozieren - wenn sich Beschäftigte daran gewöhnen, Krankheiten zu verdrängen. Dies ist Fazit einer Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, die den betrieblichen Umgang mit Krankheit und Arbeitsunfähigkeit näher untersucht hat. Auf den ersten Blick sind Deutschlands Beschäftigte so gesund wie nie: Lag der Krankenstand in der Bundesrepublik 1975 bei 5,3 Prozent, waren es 2005 gesamtdeutsch nur noch 3,3 Prozent. Doch Wissenschaftler erklären den Rückgang mit unterschiedlichen Faktoren, von denen einige gar nichts mit besserer Gesundheit zu tun haben: So gelten neben medizinischem Forschritt, weniger körperlicher Arbeit und besserer Prävention auch die Angst vor Jobverlust und die Auswirkungen von Vorruhestands- und Entlassungswellen als Ursachen. Hinzu kommt die hohe Identifikation von zunehmend eigenverantwortlich handelnden Beschäftigten: "Man hat das eigene Projekt, die eigenen Kunden - da glauben viele, sie könnten es sich nicht leisten, wegzubleiben", erklärte Elke Ahlers, Gesundheitsexpertin im WSI.

Angesichts dieser Bedingungen halten es Hermann Kocyba und Stephan Voswinkel, Soziologen am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main, kaum für möglich, Fehlzeiten noch weiter zu reduzieren - auch wenn sich viele Unternehmen darum bemühen: Ein weiterer Rückgang sei "nur mit hohen ökonomischen und sozialen Kosten denkbar", schreiben die Experten. "Der mittlerweile erreichte historische Tiefstand der Fehlzeiten könnte nämlich auch ein Indiz dafür sein, dass es für bestimmte Gruppen von Erwerbstätigen schwieriger wird, sich gesundheitliche Beeinträchtigungen einzugestehen, sich mit ihnen frühzeitig auseinanderzusetzen und Präventionsangebote zu nutzen."

In der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie untersuchten die Forscher betriebsspezifische Formen von "Krankheitsverleugnung". Charakteristisches Symptom dafür ist, dass berufliche Belange absolute Priorität haben. "Ihnen gegenüber wird Krankheit zum illegitimen Störfaktor, der unterdrückt, ignoriert oder ausgeblendet wird." Die Wissenschaftler unterscheiden verschiedene Ausprägungen dieser betrieblichen Politik:

Verantwortungsabwehr nennen die Wissenschaftler einen der beobachteten Typen. Arbeitsunfähigkeit wird in solchen Betrieben zwar nicht direkt sanktioniert, aber individualisiert: Belastende Arbeitsbedingungen oder Prävention sind kein Thema im Unternehmen. "Erkrankungen von Beschäftigten aufgrund starker Belastungen werden als Folge persönlichen Fehlverhaltens angesehen."
Opferfürsorge betreibt beispielsweise ein mittelgroßer Familienbetrieb. Nach harten Stellenstreichungen fühlen sich viele der oft älteren Beschäftigten dem Stress kaum noch gewachsen. Trotzdem versuchen sie, Fehlzeiten zu vermeiden. Im Gegenzug handelt der Personalchef "fürsorglich". Er schickt Mitarbeiter, die krank zur Arbeit kommen, nach Hause. Der Betriebsrat versucht, gemeinsam mit Hausärzten, längerfristige Lösungen zu finden, etwa in Richtung vorzeitiger Rente.
Eine Ignorierung der betrieblichen Gesundheitsbelastung diagnostizieren die Forscher als typisch für die untersuchten modernen Dienstleister wie IT-Firmen, Banken oder ein Krankenhaus. Die Unternehmen bieten zwar Programme zur Gesundheitsförderung an. Zugleich ist die Arbeit aber so organisiert, "dass Krankheit nicht vorkommen darf". Termindruck, knappe Personaldecke und das aufeinander Angewiesensein in Teams sorgen dafür, dass sich bei den Beschäftigten "von selbst Mechanismen der Krankheitsverleugnung entwickeln".
Mit Kontrolle operieren zwei Industriebetriebe. Beschäftigte, die häufiger krank sind, müssen Fehlzeitengespräche führen. Diese sind Teil einer erklärten Strategie, über niedrigere Ausfallzeiten Personalkosten zu sparen. Das Management rechtfertigt sie aber auch damit, dass Ursachen von Belastungen geklärt werden sollen - was aus Sicht der Forscher den "Doppelcharakter einer kontrollierenden Fürsorge" deutlich macht. Umso wichtiger sei eine aktive Rolle des Betriebsrats, der an solchen Gesprächen teilnehmen darf.

Gerade in einer alternden Gesellschaft stelle Krankheitsverleugnung eine große Herausforderung für die betriebliche Gesundheitspolitik dar, resümieren Kocyba und Voswinkel. Geschehe nichts, könnte der heute niedrige Krankenstand Vorbote neuer Probleme sein: "Wahrscheinlich ist, dass künftige Erkrankungen ihre Ursachen darin haben, dass heute Erkrankungen institutionell verleugnet werden."

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist hier zu finden: Arbeitnehmer unter Druck: Keine Zeit für Krankheit (Böckler Impuls 06/07)

Gerd Marstedt, 29.3.2007