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Gesundheitsbezogene Interventionen in der Arbeitswelt: Komplexe Maßnahmen sind effizienter

Artikel 1582 Umfassende Programme zur betrieblichen Gesundheitsförderung, bestehend aus verhaltens- und verhältnispräventiven Elementen, erzielen die stärksten Effekte. Dies ist Ergebnis einer Metaanalyse von 17 schon veröffentlichten Studien, die von zwei Wissenschaftlern aus Deutschland und Österreich durchgeführt und unlängst in der Zeitschrift "Prävention und Gesundheitsförderung" veröffentlicht wurde.

Nachdem die Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt nach zwei gesetzgeberischen Anläufen zu einem festen Bestandteil des Handlungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen geworden ist, gibt es auch eine bemerkenswerte Anzahl konzeptionell aufwändiger und nicht nur symbolisch oder als Marketingmaßnahme angelegter Programme und Interventionen. Dass hier überhaupt etwas passiert, darf aber nicht den kritischen und methodisch anspruchsvollen Blick darauf verbieten, ob diese Interventionen wirklich Gesundheit fördern oder Erkrankungen vermeiden helfen.

Der aktuellste Versuch, die als "unklar" wahrgenommene Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitsförderungsprogramme zu erhellen, macht dies auf der Basis von 17 nach strengen Qualitätskriterien aus den zunächst 86 relevant erscheinenden Arbeiten eingeschlossenen systematischen Reviews und Metaanalysen über Wirksamkeitsstudien zu gesundheitsförderlichen und primärpräventiven (also keine Wirksamkeitsstudien zu sekundär- und tertiärpräventiven Interventionen sowie zu Wirtschaftlichkeitsstudien) Interventionen im Setting Arbeitswelt, die in peer-reviewten Journalen zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 30. Juni 2008 auf Englisch oder Deutsch publiziert wurden.

Die Erkenntnisse der 17 Reviews wurden dann nach den zentralen Interventionsbereichen Stress, körperliche Aktivität und Ernährung, Rauchen, Ergonomie und Rückenschmerzen sowie Organisationsentwicklung zusammengefasst.

Die Ergebnisse fassen die Autorinnen in folgenden Punkten zusammen:
• Die Wirksamkeit einzelner Interventionen ist limitiert. Dies kann aber auch dadurch beeinflusst werden, dass es trotz einer Flut von Interventionen immer noch nur relativ wenige qualitativ hochwertige Wirksamkeitsstudien gibt.
• Über verhaltenspräventive Maßnahmen werden deutlich stärkere Effekte berichtet als über verhältnispräventive; wofür u.a. forschungsmethodische Gründe verantwortlich sind. Auch hier gibt es aber verbreitet Ausnahmen. So reichen z. B. im Bereich Ergonomie und Rückenschmerzen Schulungen und Trainings alleine nicht zur Vermeidung muskuloskelettaler Beschwerden aus. Erst in Kombination mit anderen ergonomischen Interventionen (Hebehilfen etc.) steigt deren Wirksamkeit an.
• Mit umfassenden Programmen - bestehend aus verhaltens- und verhältnispräventiven Elementen - können die größten Effekte erzielt werden. Dies gilt exemplarisch für den Bereich körperliche Aktivität und Ernährung, wo "umfassende Programme - die sich sowohl aus verhaltens- als auch aus verhältnispräventiven Elementen zusammensetzen, sich an Theorien zur Verhaltensänderung orientieren und die Unternehmenskultur sowie individuelle Bedürfnisse der Organisationsmitglieder berücksichtigen bessere Effekte (erzielen) als die klassischen verhaltensbezogenen."
• Manche Interventionsziele können ambivalente Wirkungen entfalten. So zeigen einige reviewten Studien, dass "Interventionen zu Autonomie ... das psychosoziale Arbeitsumfeld und die Gesundheit der Organisationsmitglieder verbessern (können); unter Umständen jedoch auch verschlechtern." Dies gilt z.B. dann, wenn autonomes Handeln als generalisierte Norm propagiert und entsprechendes Handeln erwartet wird, ohne dass geprüft wird, ob die für autonomes Handeln erforderlichen subjektiven Ressourcen vorhanden sind und objektive organisatorische Strukturen (Hierarchie) abgebaut worden sind.

Quantifiziert man das bisher Gesagte, zeigen sich folgende Verhältnisse: Von den 70 nach ihrer jeweiligen Evidenzstufe kategorisierten Interventionen zeigen 48 (68,6 %) Wirksamkeit, wohingegen für 22 Interventionen (31,4 %) in den analysierten Reviews keine Effekte nachgewiesen werden konnten. Eine getrennte Betrachtung verhaltens- und verhältnispräventiver Interventionen kommt zum gleichen Ergebnis. Genau die Hälfte der analysierten Interventionen besteht aus überwiegend verhaltenspräventiven, die andere Hälfte aus überwiegend verhältnispräventiven Elementen. Innerhalb dieser beiden Bereiche liegt wiederum für je elf Interventionen keine Evidenz vor (31,4 %), während die verbleibenden 24 Interventionen Effekte zeigen (68,6 %).

Unterschiede zwischen verhaltens- und verhältnispräventiven Interventionen bestehen jedoch im erreichten Evidenzgrad. Über verhaltenspräventive (bei 25,7 % dieser Interventionen starke Evidenz) Maßnahmen werden deutlich stärkere Effekte berichtet als über verhältnispräventive (nur bei 5,7 % starke Evidenz).
Keine Evidenz liegt für insgesamt 22 Interventionen (31,4 %) vor. So wurde etwa keine Evidenz für organisationale Stressmanagementinterventionen, Gesundheitschecks und Screenings sowie finanzielle Anreize zur Steigerung der körperlichen Aktivität gefunden. Auch Tabakverbote, soziale Unterstützung, unterstützende Umfeldbedingungen und umfassende Multikomponentenprogramme zur RaucherInnenentwöhnung zeigen keine Wirksamkeit. Weiterhin liegt keine Evidenz für die Wirksamkeit von betrieblichen Gesundheitsförderungsprogrammen zur Steigerung der körperlichen Aktivität und zur Veränderung der Risikofaktoren vor. Ergonomische Interventionen allein zeigen mehrheitlich keine Wirksamkeit, haben aber auch keine nachweisbaren negativen Wirkungen.

Zu den bereits mehrfach angesprochenen methodischen Gründen, die Wirksamkeit mancher als wirkungsvoll bewerteten, meist komplexen Multikomponenteninterventionen zu beweisen, gehört das folgende Dilemma: "Je komplexer die Interventionen, desto höher ist deren Erfolgswahrscheinlichkeit, desto größer sind aber auch die methodischen Probleme, diese Erfolge valide zu beweisen." Die in derartigen Studien sinnvollerweise genutzte so genannte Cluster-Randomisierung, d.h. der randomisierten Zuordnung von Unternehmen statt Individuen zur Interventions- oder Kontrollgruppe, erfordert, dass es sich um umfassend vergleichbare Unternehmen handelt. Diese zu finden ist aber eher unwahrscheinlich. Die bisher gewählten "klinischen Evaluationsmethoden" versagen aber auch davor, dass "betriebliche Gesundheitsförderungsprogramme im Regelfall komplexe soziale Interventionen darstellen, die selten standardisierbar sind, sich regelmäßig an unterschiedliche Umweltbedingungen anzupassen haben."

Da also die paradoxe Situation droht, dass die Wirksamkeit komplexerer Interventionen nicht schnell nachgewiesen werden kann und deswegen Unternehmen und andere Akteure davor zurückschrecken sie zu starten, ist die Entwicklung geeigneter Nachweismethoden eine wichtige Voraussetzung für die weitere Entwicklung von gesundheitsbezogenen Interventionen in der Arbeitswelt.

Von dem Aufsatz von J. Goldgruber und D. Ahrens in der Zeitschrift "Prävention und Gesundheitsförderung" (Jahrgang 4, Heft 1, Februar 2009: 83-95) ist kostenlos lediglich ein Abstract erhältlich: Gesundheitsbezogene Interventionen in der Arbeitswelt. Review über die Wirksamkeit betrieblicher Gesundheitsförderung und Primärprävention

Bernard Braun, 17.6.09