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Die Reichen ins Töpfchen, die Armen ins Kröpfchen

Artikel 0848 Mehr als fünfundzwanzig Jahre sind vergangen, seit marktradikale ReformerInnen um den ehemaligen Militärdiktator Augusto Pinochet (1973-90) das zuvor überwiegend staatliche Gesundheitswesen grundsätzlich umkrempelten. Chile war damals das erste Land der westlichen Welt, dass die Gesundheitsversorgung nach privatwirtschaftlichen Vorstellungen ausrichtete. Mittlerweile haben es viele Länder dieser Erde den südamerikanischen Vorreitern nachgemacht, die ihr Gesundheitswesen in Zeiten knapper werdender beziehungsweise systematisch verknappter öffentlicher Kassen reformieren. Die Begründungsstrategien bedienen sich ebenso allgegenwärtiger wie inhaltsleerer Schlagwörter wie "Effizienzsteigerung", "Modernisierung" oder "Anpassung nicht mehr zeitgemäßer Strukturen", um ihr Vorgehen einer skeptischen Öffentlichkeit schmackhaft zu machen.

Parallel zur Umstellung der Rentenversicherung vom Umlageverfahren auf Kapitaldeckung führten ÖkonomInnen aus der Chicagoer Schule um Milton Friedman ab 1981 den Krankenkassenwettbewerb ein. Neben der öffentlichen Versicherung Fondo Nacional de Salud (FONASA) sind in Chile seither private Krankenkassen als Pflichtversicherungen zugelassen. Die Chilenen können wählen, ob sie ihren Beitrag von sieben Prozent des Bruttolohns an FONASA oder an eine der zurzeit sechzehn Instituciones de Salud Previsional (ISAPREs) überweisen. Zumindest diejenigen, die genügend verdienen. Privatisiert wurde nämlich bloß der lukrative Teil des Gesundheitswesens. Nur jeder fünfte Chilene führt heute seine Krankenkassenbeiträge an eine ISAPRE ab, in erster Linie Besserverdienende und Kinderlose.

Wie die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland arbeitet FONASA nach dem Solidarprinzip: Die Beiträge richten sich nach dem Einkommen ab, die Leistungen nach der Bedürftigkeit der Versicherten. Bei den ISAPREs hingegen herrscht das Äquivalenzprinzip, höheres Einkommen bzw. höhere Prämien führen zu besserem Versicherungsschutz. Das Nebeneinander von solidarischer Sozialkasse und Privatversicherungen mit risikoadaptierten Beiträgen führt zu sozialer Risikoselektion und erheblichen Gerechtigkeitsproblemen im chilenischen System. Der heute allerorten propagierte Kassenwettbewerb reduziert sich in Chile auf das Ringen um die "guten Risiken". Ein Ausgleich unfairer Risikoverteilungen ist nicht vorgesehen.

Für die unteren Einkommensgruppen, vor allem für kinderreiche Familien, bietet die private Versicherungsbranche keine bezahlbaren Verträge. Die viel gerühmte Wahlfreiheit bleibt kaufkräftigen Schichten vorbehalten. Bis heute sorgt die öffentliche Krankenkasse für die medizinische Versorgung der ärmeren Mehrheit in der chilenischen Eindrittelgesellschaft. Dabei versorgt die Sozialkasse neben den zahlenden Versicherten zusätzlich drei Millionen Mittellose beitragsfrei mit. Die erforderlichen Mittel bringt der Fiskus auf, der mehr als die Hälfte des Budgets aus Steuergeldern finanziert. Wie in allen auf Privatisierung ausgerichteten Systemen ist der ansonsten so heftig gescholtene und geschmähte Staat für die soziale Absicherung einer großen Bevölkerungsgruppe verantwortlich.

Doch das Beispiel Chile zeigt nicht nur, dass die Privatisierung sozialer Dienste immer teuer mit Steuergeldern erkauft ist. Es verdeutlicht auch eindrücklich die hohen sozialen Kosten und vielfachen unerwünschten Wirkungen von Kassenwettbewerb, Ökonomisierung des Gesundheitswesens und mit Privatisierung untrennbar verbundener Profitinteressen.

Die im Verlag Hans Jacobs in Lage erschienene Diplomarbeit, die Jens Holst im Jahr 2001 an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld vorlegte, war fraglos die bis dahin umfangreichste und detaillierteste deutschsprachige Darstellung des chilenischen Gesundheitssystems.

Hier können Sie den Text herunterladen: Krankenversicherung in Chile - Privatisierung führt zu Risikoselektion und hohen Patientenzahlungen

Jens Holst, 12.8.2007